Submission — Johannes Heidner
Treibende Kraft
3. Mai 2014 — MYP N° 14 »Meine Wut« — Text: Johannes Heidner, Foto: Moritz Kluth
Auf dem Weg zurück sammelst du die schönsten, die du finden kannst. Nach einiger Zeit kommst du bei deiner Liege an, deine beiden Hände voller schöner Muscheln. Deine Freunde sind schon nach Hause gegangen, also packst du deine Sachen und gehst über die Dünen zu dem Ferienhaus. Deine Freunde haben bereits mit dem Grillen angefangen. Du kommst zu ihnen und zeigst ihnen deine Muscheln. Einer der Freunde kommt zu dir und sagt: „Dafür hast du so lange gebraucht? Schau dir mal meine an – und ich habe auch noch Steine gesammelt.“
Wenn ich mich überwinde, in das Schneiden einzutauchen, bin ich wie in einer anderen Welt. Dort gibt es nur mich und das Material, das ich kunstvoll zusammenfügen muss. Ich gehe nicht mehr auf die Toilette, esse nicht und trinke nicht. Ich sitze stundenlang vor meinem Computer und tippe und klicke. Ich versuche, immer etwas Neues zu entdecken – etwas am Programm, das ich noch nie davor fand.
Manchmal habe ich auch schon so starke Vorstellungen, wie etwas am Ende aussehen muss, sodass ich desöfteren stundenlang damit verbringe, dies möglich zu machen.
Es dauert lange und in dieser Phase bin ich noch angespannter als normalerweise beim Schneiden: Einerseits bin ich immer kurz davor, daran zu verzweifeln, doch andererseits kommt die Wut, die mich vorantreibt und die mir sagt: „Zeig ihnen, dass du es schaffst!“
Diese zwei Gefühle sind so intensiv, dass ich mich verkrampfe, keine Störung akzeptieren kann und jeden verfluche, der durch meine Zimmertür kommt.
All‘ das steuert dann auf das Ende hin: Entweder das Ende ist schlecht und ich muss aufgeben, weil meine Fantasie einfach nicht groß genug ist, und ich baue die alten bekannten Dinge ein, die jeder andere auch nutzt.
Oder das Ende ist gut und ich schaffe, was ich wollte. Dann bin ich euphorisch und die ganze Spannung fällt von mir. „ch habe geschafft was ich wollte. Ungefähr so, wie…
Dafür gibt es für mich kein Beispiel, weil es dieses eine bestimmte Gefühl ist, das nur auftaucht, nachdem ich ein Video erfolgreich beendet habe.
Meine Wut kann zerstören, doch gleichzeitig ist sie eine treibende Kraft. Es kommt immer nur darauf an, wie ich sie umsetze – und dass ich versuche, sie produktiv zu nutzen.
Du bist mit Freunden an ein Meer gefahren und tauchst endlich in das salzige Wasser ein, es ist kalt und schnürt dir die Lunge zu. Du denkst: Warum mache ich das hier? Ich könnte doch einfach am Strand in der Sonne liegen und ein Buch lesen! Doch dann schwimmst du etwas herum, gewöhnst dich an die Temperatur und tauchst unter. Die Sonne schimmert durch das Wasser und ein kleiner, bunter Fisch taucht auf. Er schwimmt in einiger Entfernung herum, doch dann dreht er sich um und schwimmt weg.
Du wirst neugierig. Du schwimmst ihm hinterher, doch er ist schneller und verschwindet in der Dunkelheit. Da siehst du eine Wasserpflanze, du bist schon außer Atem, doch du willst da hin, denn der Fisch schwimmt um die in der Strömung wiegenden Blätter.
Du kommst näher, nun bist du nur noch wenige Meter von der kleinen Pflanze entfernt, doch durch deine Bewegungen wird das Pflänzchen entwurzelt und treibt vor dir. Der Fisch wuselt noch immer um ihre grünen Arme. Du wirst langsam wütend. Jedes Mal wenn du dich dem Pflänzchen näherst, schwimmt sie etwas weiter.
Du möchtest schon fast aufgeben, da taucht ein zweiter Fisch auf. Er schwimmt neben dir, du siehst seine Flossen durch das Wasser gleiten, der ganze Körper in einer einzigen schlängelnden Bewegung. Er schwimmt durch deine Beine und nähert sich der Pflanze. Jetzt kannst du doch nicht aufgeben!
Du verfolgst die Pflanze samt der Fische weiter, du tauchst immer wieder auf, um Luft zu holen. Du bist ganz starr auf diese Fische gerichtet, musterst sie, wie sie umeinander tanzen.
Plötzlich spürst du Sand unter deinen Füßen. Während du durch das Wasser watest, den weichen Sand unter deinen Füßen weg schiebend, trittst du in etwas Matschiges.
Unter dir sind Algen, sie legen sich um deine Füße und ziehen dich zurück. Du schüttelst sie ab, doch dabei entsteht so ein Druck, dass die Fische mit ein paar starken Flossenschlägen verschwinden.
Du bist sauer: Du verfolgtest sie nun so lange und dann sind sie verschwunden – wie eine Illusion? Du schaust auf und bemerkst, dass du sehr weit gekommen bist. Du machst dich auf den Weg zurück. Du trittst auf etwas spitzes und Siehst unter dir Muscheln. Du bückst dich, greifst sie und säuberst sie im Meer.
Johannes Heidner ist 17 Jahre alt, Schüler und lebt in Berlin.