Submission — Ina & Sander Jain
Fliegende Fische / Andenken gegenüber
14. Juli 2013 — MYP No. 11 »Mein Souvenir« — Texte: Ina & Sander Jain, Foto: Sander Jain
Fliegende Fische
wir bringen fischen das fliegen bei
pinsel aus sternscherben rahmen wir welt
gebrannte kinder spucken kein feuer
wir schmelzen gleichzeit im werdewachs
warum wir
lichttropfen halten am feuerglas
wenn es dunkel bleibt
falte die nacht
wandler verglühen im werdegang
du bist nicht allein
im flachland keimt licht
alle farben weiß knüpfen die netzhaut
es schneit auf der lichtung aus glas
lichter irren nicht
wir sehen uns wieder
fliege mit fischen
sie kennen den weg
Andenken gegenüber
S: 🙂
I: 🙂 Was bringt Dich zum Lachen?
S: Die Realität ist lustig an sich. Wenn ich es schaffe, die Dinge für das zu sehen, was sie sind, dann muss ich einfach schmunzeln.
I: Und jetzt?
S: Frage oder Antwort?
I: Frage.
S: Antwort?
I: Wohin gehst Du?
S: Ich gehe immer weiter zu mir selbst.
I: Woran orientierst Du Dich?
S: Ich folge bewusst und unbewusst meinem Herzen, indem ich mich von meinen Träumen leiten lasse und dem stelle oder ausweiche, was mich quält. Ich laufe mir selbst entgegen.
Ich brauche das Gefühl zu wachsen und niemals damit aufzuhören. Mich inspiriert unendliches Werden.
I: Im Fluss oder auf der Flucht?
S: Mein Ideal ist, mit dem Weg zu fließen, mein Weg zu sein, in und mit jedem Moment. Aber oft bleibe ich hängen und habe das Gefühl, alles rauscht vorbei. Es ist ein Wechselspiel, durch das ich mir immer bewusster werde. Mein Weg ist die einzige Zuflucht, die einzige Orientierung.
I: Was bedeutet Ruhe für Dich?
S: Wenn ich es schaffe, zu sein und keine Gedanken und Erwartungen zu kreieren, die mich vom Wesentlichen ablenken würden. Zu viele Gedanken und Erwartungen verstellen die klare Sicht. Im inneren Frieden fühle ich mich lebendig, erfahre mich als liebender Mensch – bin im Fluss.
I: Momente der Ruhe?
S: Ich habe selten Ruhe. Aber ein Moment der Ruhe ist, wenn ich in der Präsenz eines Menschen bin, den ich liebe und einfach nur sein kann. Oder wenn ich draußen in der Wildnis von Natur umgeben bin und die Elemente spüre, mich selbst erfahre. Das inspiriert und heilt mich. Und Meditation ist ein Werkzeug für mich, um auch ganz bewusst zu mir zu kommen, wenn ich mich mal verlassen habe. Und für Dich?
I: Ich glaube, ich habe gar keine so große Sehnsucht nach Ruhe.
Mir macht Ruhe oft Angst. Sie ist für mich mit Stillstand verbunden. Momente der inneren Ruhe sind oft Momente, die außen gar nicht ruhig sind. Ein schöner Moment mit jemandem, in dem ich ausgelassen bin, lache, spiele, dann fühle ich mich innerlich ruhig, weil er erfüllt ist. Neben einem Pferd herzugehen und zu merken, dass der Takt stimmt, das Meer anzusehen… Auch da stellt sich Ruhe ein.
S: Ruhe ist wohl oft mehr Sein als Denken.
I: Was ist ein Andenken für Dich?
S: Es ist etwas, das mich an mich selbst erinnern kann, an bewusst erlebte Momente meines Weges; an Elemente, die Teil von mir geworden sind. Es ist sozusagen ein Tool, mit dem ich Zugang Momenten finde, die mit Sinn gefüllt sind/waren. Ein Andenken soll mich fühlen lassen. Man nimmt aus vielen wahren Momenten Souvenirs mit, aus der Angst heraus, dass die Momente vergehen oder vielleicht auch weil man sie nicht ganz bewusst erlebt hat. Dabei sind wir eigentlich unser eigenes Andenken, denn die Erfahrung selbst ist das Souvenir. Sie ist Teil von einem, hat einen zu dem gemacht, was man gerade ist.
Auch wenn ich die Idee von materiellen Andenken romantisch finde, fällt es mir selber manchmal schwer, sie anzunehmen, weil ich weiß, dass eigentlich das Selbst sein bestes Andenken ist. Dem sollte man vertrauen. Andenken an angenehme Erlebnisse können mir Hoffnung und Vorfreude auf weitere bewusste Momente machen. Menschen können einander Andenken an sich selbst sein. Bestenfalls erinnert man jemanden durch sein eigenes Sein an sich selbst und umgekehrt.
I: Andenken sind eine Erinnerung an die Zukunft… Zukunft oder Vergangenheit?
S: Zukunft. Und die Zukunft ist das Jetzt. Zeit ist eine Illusion für mich, die nur Relevanz hat, wenn ich nicht im Moment bin. Alles was ich mir wünsche zu finden, liegt Hier und Jetzt. Meine Zukunft ist das Jetzt. Mich an Träumen zu orientieren, mir der vollen Realität des Jetzt bewusst zu werden.
I: Was träumst Du?
S: Alles. Momente. Ich glaube, man kann nur Momente träumen.
I: Das ist die Schönheit von Träumen.
S: Konkrete Träume sind aber auch der Hintergrund, auf dem ich im Jetzt bleibe, um genau dort anzukommen. Und wenn ich es schaffe, einen Moment hier und jetzt zu träumen, dann wird er auch real werden, weil ich schon den ersten Schritt damit getan habe. Irgendwann finde ich mich dann in meinem eigenen Traumbild wieder und erkenne, dass ich sehend dahin gereist bin.
I: Kann man Träume abbilden?
S: Ich schöpfe Träume aus dem Hier und Jetzt und versuche sie in Momentaufnahmen einzufangen. Deshalb fotografiere ich. Diese sind dann meine Andenken an mich selbst und können mich und hoffentlich auch viele andere wiederum inspirieren und zum Träumen anregen. Hast Du einen konkreten Traum?
I: Der Traum wandelt sich mit mir in jedem Moment.
Ich habe ein Gefühl dafür, wie sich Träume anfühlen aber selten eine konkrete Vision. Vielleicht mal mit einem Auto einfach nur unterwegs sein und da anhalten können, wo ich möchte, mal mit den wichtigsten Menschen zusammen in einer Community leben. Mal auch einfach nur in meinem Bett liegen, geborgen sein. Die Träume sind ganz abhängig vom Moment… Träume sind alles für mich, und meine Antwort darauf wirkt so banal. Eigentlich kann die Antwort auf die Frage gar nicht spektakulär genug sein. So wichtig fühlt es sich für mich an, zu träumen.
S: Du fühlst also, dass die Realität ein Traum ist…
I: Realität und Traum gehören für mich untrennbar zusammen und inspirieren sich.
Was inspiriert Dich?
S: Wahre Momente. Etwas ganz Neues, etwas wirklich Authentisches und Zauberhaftes kann für mich nur aus dem puren Moment entstehen. Im Moment liegt die magische Möglichkeit alles durch nichts und nichts durch alles zu finden, weil ich dort die größte Freiheit und Unvoreingenommenheit habe. Wollte ich beispielsweise ein Fisch werden, dann dürfte ich mich noch nicht einmal über meinen Körper definieren 🙂
Bestenfalls schafft man es, das pure Bewusstsein zu sein. Nichts zu versuchen und alles zuzulassen. Dann zeigt sich die Magie im Moment. Und wenn nicht, dann ist man gerade in Gedanken. Woran denkst Du?
I: Meistens an den nächsten Schritt.
Ich gehe mit den Gedanken nicht zu weit in die Zukunft, weil ich nicht glaube, dass man den Weg durch Denken alleine finden kann. Und ein Stück weit sind meine Gedanken immer bei den Menschen, die mir wichtig sind. Schön sind die Momente, in denen ich träume, abschweife – in die Welten in mir. Das sind die Welten, aus denen heraus ich schreibe. In ihnen fühle ich mich zu Hause.
S: Oft sind wir uns nicht bewusst, dass wir selber unser größtes Rätsel sind. Das mag ich am kreativen Arbeiten. Du erkundest Dich selbst und kommunizierst mit anderen.
I: Deshalb ist es so faszinierend,
wenn ich mich in einem Kunstwerk wiederfinde, weil ich dadurch an mich selbst erinnert werde. Das ist oft ganz unerwartet. Es ist genauso besonders, mich in dem zu sehen, was ich selber schreibe, wie mich in Kunst anderer wiederzusehen. Das finde ich oft sogar noch magischer.
S: Für mich ist eine künstlerische Arbeit dann besonders, wenn sie die Offenheit besitzt, als Schlüssel zum Träumen zu dienen. Erst der Betrachter macht sie vollkommen, real, zu einem lebendigen Andenken, indem er sie mit sich selbst füllt.
Sander Jain ist 27 Jahre alt, Fotograf und Fotojournalist und lebt in Bonn und in Tofino, Canada.
Ina Jain ist 28 Jahre alt, Schriftstellerin und freie Journalistin und lebt in Bonn.