Submission — Elisabeth Mochner
Rituale im Zeitalter der grauen Sisyphos-Herren
21. März 2015 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Text & Foto: Elisabeth Mochner
Ein ständiges Blicken auf die Uhr, die ständige Angst, zu spät zu kommen, zu spät dran zu sein, zu kurz zu kommen … graue Alltäglichkeit.
Rituale hingegen verlangen Zeit, Muße, Hingabe – im Idealfall ein Kollektiv an gleichgesinnter Offenherzigkeit. Attribute, die dem zuwiderlaufen, was ich täglich um mich sehe. Zeitsparende graue Herren hetzen zielorientiert durch graue Betonstädte, nicht nach links und rechts schauend, immer nur auf die eigene Person fixiert und auf das eigene Vorankommen.
Das narzisstische Streben nach Erfolg und Prestige erscheint als der moderne Gottesdienst, bürokratische Schreibtisch–kapellen inklusive.
Die kollektive, verbindende Kraft eines Rituals – wo ist für sie noch Platz im kurzlebigen und doch langweiligen Alltag des modernen Sisyphos-Menschen? Im ständigen Bemühen darum, seinen Stein den Berg hinaufzurollen, bleibt ihm kein Freiraum. Oder vielmehr, er gönnt ihn sich nicht.
Lass doch den Stein einmal hinunterrollen, lass ihn dort liegen …
Elisabeth Mochner ist 23 Jahre alt, Fotografin und Philosophie-Studentin und lebt in Stuttgart.