Portrait — Monica Conesa
Diese Opfer muss man bringen, um ein Opernstar zu werden
Die aktuellen Top-Opernstars der Welt sind in ihren Fünfzigern, daher wagt sich so langsam die nächste Generation aus der Deckung: Das kubanisch-amerikanische Nachwuchstalent Monica Conesa hat die Stimme, die Eleganz und das Durchhaltevermögen für die Position der Primadonna. Außerdem trällerte sie bereits als Netrebko-Vertretung in Verona. Ein Portrait.
4. November 2023 — Text: Katharina Viktoria Weiß, Fotografie: Frederike van der Straeten
Aktuell schwebt Monica Conesa in den Fußstapfen von Anna Netrebko über die Bühne.
Monica Conesa singt Opern, wie Tennisspielerinnen sich auf die US Open vorbereiten: Alle Emotionen sind auf das Ziel gerichtet, der Körper wird athletisch optimiert und die Technik wird stets perfektioniert. Und ähnlich wie viele Sportstars reist die kubanisch-amerikanische Sängerin auch mit ihrem Trainer um die Welt.
Wir treffen die beiden im Berliner Precise Hotel, das mit seinem spanischen Vintage-Charme die perfekte Kulisse für die katzenhafte Künstlerin und ihren Gesangslehrer ist. Der in Mexico geborene Mauricio Trejo ist für den 27-Jährigen Nachwuchsstar das, was Giovanni Battista Meneghini für die Jahrhundertsängerin Maria Callas war: Mentor, Coach und Gefährte auf einem Weg zur globalen Megakarriere.
Denn aktuell schwebt Monica Conesa bereits in den Fußstapfen von Anna Netrebko über die Bühne, der derzeit bekanntesten Opernsängerin der Welt: Letztes Jahr debütierte sie als anmutige Aida in der gleichnamigen Verdi-Oper, und zwar in der legendären Arena di Verona, Italiens spektakulärster Kulisse für klassische Musik.
Und auch im Sommer 2023 wurde sie erneut eingeladen, um sich mit Anna Netrebko die Hauptrolle der äthiopischen Prinzessin mit einem atemberaubenden Programm zu teilen, das die beliebtesten und meistaufgeführten Werke des legendären Amphitheaters in ein neues Zeitalter führen sollte – eine ganz besondere Ehre, denn die Opernfestspiele in der Arena feierten ihr 100-jähriges Jubiläum.
Die Aufführungen in der malerischen Kulisse sind stets spektakulär, was zu einem ungewöhnlich jungen Publikum führt: Von allen Theatern Italiens beansprucht das Opernhaus den größten Anteil an Besucher*innen unter 30 Jahren für sich.
»Diese Geschichte zeigt, wie unsere Hände zärtlich streicheln oder brutal zerstören können.«
Für dieses Publikum ist Monica Conesa ein Magnet: Ihr gesanglicher Ausdruck ist klar, ihre Bewegungen sind leidenschaftlich und in ihrem unverbrauchten Blick lodert das Feuer ebenso explosiv wie in ihrer einzigartigen Stimme. Diese reizvolle Verkörperung von unbändigem Willen und erdbebenhafter Energie passte perfekt in die Inszenierung von Regisseur Stefano Poda, der seine Eröffnungsoper bei einem Berlin-Besuch im Frühjahr als „ein breit hingepinseltes Fresko der Menschheitsgeschichte“ bezeichnete.
„Diese Geschichte zeigt, wie unsere Hände zärtlich streicheln oder brutal zerstören können“, äußerte sich Poda außerdem. Seine „Aida“ sei futuristisch und technologisch und habe ästhetische Ähnlichkeiten zur Renaissance-Tour von Beyoncé. Ein Vergleich, der Monica Conesa zum Schmunzeln bringt. „Bei ihm verschmelzen Epochen, Welten und Dimensionen. Seine Produktionen bringen das Unterbewusste als körperliche Choreografie auf die Bühne“, erklärt Conesa.
So erdachte sich Poda beispielsweise Szenen, in denen Aidas Erinnerungen an ihre Kindheit in Äthiopien als Tanzformationen versinnbildlicht werden. So ein Bühnenbild regierte zwischen antiken Ruinen und Raumschiffen. Ein Experiment, dass unter dem Sternenhimmel der offenen Arena di Verona ein bildgewaltiges Statement setzte – und bei dem sich die Opernsängerin einmal mehr bewusst wurde, warum ihr dieser Lebensweg all die Opfer wert ist.
»Früher habe ich mich für eine Karriere als Tierärztin interessiert.«
Monica Conesa wuchs auf der Insel Venice in Florida auf, unweit von Disney World. Sie erinnert sich an eine glückliche Kindheit. Die schillernden Fantasie-Welten hätten ihre Ambition, selbst ein Märchen zu erleben, stark geprägt, erzählt sie. „Durch die ganzen Zoos in der Umgebung, die die Besucherscharen mit exotischen Tieren locken, habe ich mich früher für eine Karriere als Tierärztin interessiert.“ Ihre Eltern haben kubanische Wurzeln und sind Ärzte, ihre ganze Familie hat starken beruflichen Bezug zum medizinischen Sektor.
Doch dann entdeckte sie als 14-Jährige eine DVD in der Sammlung ihres Großvaters. Es war das mittlerweile legendäre „The Berlin Concert“ von Plácido Domingo, Anna Netrebko und Rolando Villazon aus dem Jahr 2006. Dass der Dirigent der Aufführung, Maestro Marco Armiliato, ebenjener war, unter dem sie Jahre später auch ihr Debüt als Opernstar in Verona feiern sollte, ist nur eines von vielen Beispielen, wie sich in der Karriere von Monica Conesa immer wieder magische Kreise schließen.
»Meine Lungen sollen sich mit Luft gefüllt haben, anscheinend waren mir die Anstrengung und der Wille anzusehen.«
„Und so verliebte ich mich in die Oper. Ich verbrachte den ganzen Sommer damit, jede Opern-Aufzeichnung in die Finger zu bekommen, die irgendwie in Reichweite war.“ Wenn sie von diesem Augenblick berichtet, schwingt in ihrer schönen Erzählstimme die Obsession mit, die sie seitdem begleitet.
Sie ist ihren Eltern dankbar, dass die ihre Leidenschaft von Anfang an unterstützten, und den Teeanger zu einem Opernkurs für Jugendliche anmeldeten. „Meine Mutter erzählt immer von der Anekdote, als ich ein kleines Baby war. Ich lag nackt auf der Couch und beobachtete sie. Plötzlich fing sie an zu singen. Meine Augen wurden ganz groß und fixierten ihr Gesicht. Danach sollen sich meine Lungen mit Luft gefüllt haben, anscheinend waren mir die Anstrengung und der Wille anzusehen. Plötzlich kam ein lautes ‚Ahhh‘ heraus – mein erster langer Ton.“ Es sollten noch viele lange und dann immer längere Töne folgen.
»Meine Lehrerin hat mir von Anfang an sehr ehrlich beschrieben, wie schwierig dieses Leben ist.«
Ihre erste Lehrerin an der Opernschule in Sarasota war eine berühmte Mezzosopranistin, die über weite Teile ihrer Laufbahn in München gesungen hatte. „Sie bestärkt mich in dem Traum, bereits zu Beginn meiner Karriere Engagements in Europa anzustreben. Sie war auch diejenige, die mir von Anfang an sehr ehrlich beschrieben hat, wie schwierig dieses Leben ist und warum es so voller Entbehrungen steckt.“
Um auf dem Niveau singen zu können, wie es Monica Conesa tut, muss der Körper mit einer Disziplin geformt werden, die der von Hochleistungssportler*innen ähnelt. Neben Alkohol und sehr salzhaltigen Gerichten müssen auch Nüsse vermieden werden, da sie Allergien auslösen können. Und auch Lebensmittel, die das Aufstoßen von Magensäure begünstigen, sollten vom Speiseplan gestrichen werden. Zudem gibt es viele Nächte, in denen man als Sängerin stumm zu Hause sitzen muss, um die Stimme für den großen Auftritt zu schonen.
»Am Ende hängt alles an dem Körper – und an den Muskeln, die den Sound supporten.«
Monica Conesa ging direkt nach der High School auf die Manhattan School of Music. Während sich andere in New York die Nächte um die Ohren schlugen, trank Conesa zu Hause Tee und lernte Opernsprachen wie Deutsch und Italienisch. „Mir wurde früh gesagt, wie viel Druck diese Karriere bedeutet. Aber ich habe meine Entscheidung nie hinterfragt, diese Opfer fielen mir leicht. Außerdem stellte ich schnell fest, dass ich nicht nur auf der Bühne in Topform sein will, sondern auch mit der Stimme trainieren will, die ja irgendwann in einem Opernhaus zu hören ist. Und am Ende hängt eben alles an dem Körper – und an den Muskeln, die den Sound supporten. Mein Klang ist zu 100 Prozent ein Produkt dieser Region hier“, sagt Conesa und streicht sich dabei über die Körpermitte.
Um zu verdeutlichen, wie stark sich ihre Konstitution durch das Gesangstraining verändert, erzählt sie, dass ihr Brustkorb um eine BH-Größe angewachsen sei. Gerade in Zeiten, in denen sie jeden Tag für Vorstellungen übt oder vor Publikum singt, müsse sie sich zudem sehr proteinreich ernähren, um die nötige Energie aufzubringen.
»Deine Freunde sind dir nur voraus, du wirst ihnen später begegnen.«
Über lange Jahre machte sie das zu einer Außenseiterin. „Aber ich war schon immer okay damit, eher eine Einzelgängerin und vielleicht manchmal auch etwas einsam zu sein.“ Denn es habe nie viele Gleichaltrige gegeben, die Conesas Faszination für die Opernkultur, in die sie sich so vertiefen wollte, teilen konnten.
„Meine Mutter sagte dann immer: ‚Mach dir keine Sorgen, deine Freunde sind dir nur voraus, du wirst ihnen später begegnen‘. Ich folgte ihren Rat und bildete mich stetig weiter. Nun bin ich in einer Situation, in der mir viele Menschen begegnen, die meine Leidenschaften teilen und mein Leben mit Glück erfüllen.“
»Ich habe immer gesagt, Monica hat einen Hals wie ein Mann.«
Zu diesem Menschen gehören auch ihr Mentor Mauricio Trejo und seine Frau Elisabeth. Als Monica Conesa noch in New York lebte, kämpfte sie mit der Tatsache, dass ihre ausdrucksstarke und laute Stimme nicht ganz den Zeitgeist traf. Sie wanderte von Gesangslehrerin zu Gesangslehrer und wurde letztlich an Elisabeth de Trejo verweisen. Sie gilt als Expertin auf dem Gebiet der starken Stimmen. Vielleicht auch, weil ihr Ehemann Mauricio selbst so ein Organ besitzt.
De Trejo half ihrer Schülerin dabei, Körper, Arbeitsethos und Geisteshaltung in eine Linie zu bringen – und übergab den Staffelstab dann an ihren Gatten. „Ich habe immer gesagt, Monica hat einen Hals wie ein Mann“, sagt der Stimmcoach, als er seinen Zögling einen Espresso vorbeibringt.
Das Ausufern ihrer Stimme ist nun kein Hindernis mehr – sondern ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal.
Während in der Pandemie viele talentierte Künstler*innen den Operngesang an den Nagel hingen, zog Monica Conesa bei dem Mentoren-Ehepaar ein. Sie half den de Trejos beim Homeschooling der beiden Kinder und erhielt im Gegenzug intensives Gesangstraining. Zusammen haben sie die Technik der Nachwuchs-Sopranistin so verfeinert, dass das Ausufern ihrer Stimme nun kein Hindernis mehr ist – sondern ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal.
Das erkannte auch Maestro José Carreras. Der Klassikstar war Juryvorsitzender des Premio Fausto Ricci Wettbewerbs und verlieh 2021 die Trophäe an Monica Conesa. In diesem Zuge bescheinigte er ihr „eine außergewöhnliche, theatralische und sichere Stimme“.
Besonders wundervoll kommt diese im Zusammenspiel mit ihren männlichen Kollegen zum Ausdruck. Wenn Conesa auf der Bühne steht und einen ebenbürtigen Tenor zur Seite hat, schaukelt sich die Melodie hoch, wie bei einem spannenden Tennismatch. Obwohl sich die Opernsängerin in ihren Rollen für die Liebe umbringen lässt oder vor Leidenschaft zergeht, versucht sie sich im Privaten von zu viel Drama fernzuhalten.
»Für einen Termin wie heute schicke ich meine Bühnenpersona oder mein kreatives Ich ins Rennen.«
Sie erzählt von einer Methode, bei der Künstler*innen ihre Bühnenpersona, ihr kreatives Ich und ihr privates Ich voneinander trennen. „Zwei davon können sich vermischen, aber für die dritte ist kein Platz mehr. Für einen Interview-Termin wie heute – oder für einen Auftritt vor Publikum – schicke ich meine Bühnenpersona oder mein kreatives Ich ins Rennen. Und mein privates Ich, das eher schüchtern ist, bekommt dann Pause und kann sich entspannen. Das ist tatsächlich weniger schizophren, als es jetzt klingt“, sagt sie lachend.
»Niemand will Monica aus Florida sehen, die nach einer Probennacht um zwei Uhr tot ins Bett fällt.«
Das schenkt ihr die Möglichkeit, alle Facetten ihres Berufs zu genießen. Für unser Shooting zum Beispiel bereitete sie sich dadurch vor, dass sie ein exquisites Schmuckset beim italienischen Designer Giovanni Raspini erwarb. „Niemand will Monica aus Florida sehen, die nach einer Probennacht um zwei Uhr tot ins Bett fällt. Die Menschen kommen für Monica Conesa.“
Mit ihrem Stil unterstreicht sie diese Vision. Sie ist inspiriert von den vierziger und fünfziger Jahren – und paart den zeitlosen Diven-Look mit kontemporären Accessoires. Statt in Leggins probt sie stets in High-Waste-Hosen und Audrey-Hepburn-Bodys. Doch das hat nicht nur Fashion-Gründe: „Zum einen kann Mauricio dann ständig meine Atmung sehen und mich korrigieren. Und an der Taille spüre ich, ob mein Bauch den richtigen Druck nach außen ausübt.“
»Die Deutschen sind verrückt nach Opern.«
Trotz ihres hinreißenden Temperaments scheint alles an Monica Conesa sehr überlegt zu sein. Auch ihre nächsten Schritte in Europa wird sie mit wachem Geist machen. In der Hauptstadt geistert das Gerücht um, dass Berlin als „Hollywood für Opernsänger“ gelte.
Darauf angesprochen überlegt Conesa kurz und bestätigt dann: „Die Deutschen sind verrückt nach Opern, auch in Italien ist der Großteil des Publikums aus Deutschland. Zusammen mit der Schweiz und Österreich ist der Markt sehr groß – und die Opernhäuser in Berlin oder Wien sind ein Traum.“
Ihr Mentor könnte sich seinen Schützling auch in einer Wagner-Oper vorstellen. Doch letztlich ist es egal, ob es die Künstlerin nach Bayreuth oder an das Sydney Opera House ziehen wird: Die großen Opernstars unserer Zeit, wie Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann, sind in ihren Fünfzigern, die neue Generation wurde noch nicht identifiziert. Nur „Die Conesa“ bringt sich jetzt schon in Aufstellung für die Aufnahme in den Olymp.
Mehr von und über Monica Conesa:
Interview & Text: Katharina Viktoria Weiß
Fotografie: Frederike van der Straeten