Portrait — Ginger Rhoda Banks
Höhenflüge und Herrenbesuche
Nach ihrer Scheidung fand Ginger Rhoda Banks ihre Erfüllung im stilvollen Striptease. Wir sprachen mit der Burlesque-Diva über den Zusammenhang von Erotik und Ekstase, das Spiel mit dem Publikum und schwindelerregende Liebesbegegungen.
19. September 2017 — MYP N° 21 »Ekstase« — Text: Katharina Weiß, Fotos: Roberto Brundo
Die Sonne scheint aufs Deck der „Fitzgerald“, während die sanften Wellen der Spree die Motoryacht liebkosen, auf der Ginger Rhoda Banks mit weißen Spitzenhandschuhen ein randvolles Glas Crémant balanciert. Die Burlesque-Tänzerin, die zwischen Zürich und Berlin pendelt, ist auf diesem mondänen Yachtausflug der Veranstaltungsreihe „Bohéme Sauvage“ in bester Gesellschaft. Auf dem engen 17m-Salonschiff tummeln sich Bonvivants und Primadonnen mit besonderer Vorliebe für den Flair der 1920er Jahre: Damen in kurzen Charlestonkleidern und hellen Kostümen in Herrenfasson, die an Zigarettenspitzen ziehen, werden von Dandys in Knickerbockern und Homburg-Hut begleitet. Ein paar tragen den maritimen Matrosenlook zur Schau. Gelegentlich fällt Ginger Rhoda Banks einer dieser Herren beim Abstieg von der schmalen Leiter des Teak-Sonnendecks fast in den Schoß, ihr einladendes „Uups!“ ist die perfekte Koketterie. Jeder, der mit ihr an einem Tisch sitzt, lacht herzlich über ihre schlüpfrigen Anekdoten und amüsanten Bonmots.
Subtile Ekstase – das ist das Versprechen, dass der Kunst des Burlesque zugrunde liegt.
Dabei ist die Künstlerin erst wenige Jahre in der Burlesque-Szene unterwegs. Eine Spätberufene, sozusagen. Von der katholischen Mädchenschule in Berlin führte sie ihr Weg an vielen bunten Städten, einer längeren Ehe und drei wunderbaren Söhnen vorbei, bis sie vor drei Jahren auf die künstlerische Entblätterung stieß. Eine Tänzerin war Ginger Rhoda Banks jedoch schon immer, wenn auch zumeist im Verborgenen: Als Tochter einer Tanzpädagogin bekam sie mit drei Jahren den ersten Unterricht, von da an war die Bewegung zur Musik ein fester Bestandteil ihrer Persönlichkeit. Ergänzt von einer ausladenden Kostümierung und eleganter Koketterie, kulminiert sich dies in der subtilen Ekstase – dem Versprechen, dass der Kunst des Burlesque zugrunde liegt.
»Wenn ich tanze, verbinden sich für mich Erotik und Ekstase.«
„Das Spiel mit dem Publikum ist faszinierend. Ich zeige ein bisschen Haut – aber hach! – ich zeigs euch doch nicht. Was? Ihr jubelt nicht? Ich kann mich gleich wieder anziehen. Ihr jubelt doch? Na bitte!“, erzählt Ginger Rhoda Banks. „Jede Frau, die Burlesque tanzt, wird dir sagen: Du trägst ein bisschen Bühnenfeeling in den Alltag mit hinein. Dann findet dieses Spiel in ganz kleinen Nuancen statt, ist manchmal umso anziehender. Es kann aber auch als ganz große Geste auf der Bühne präsentiert werden. Wenn ich tanze, verbinden sich für mich Erotik und Ekstase. Letztere ist ein Gefühl, dass absolut aus dem Moment lebt. Es ist ganzheitlich. Man kann nie sagen: Nur meine Hände waren Ekstase – es ist immer der ganze Körper. Es packt dich ganz, es hält die Zeit an.“ Diesem schwerelosen Gefühl sinnlicher Zeitlosigkeit jagen wir alle hinterher, wenn auch auf verschiedenen Pfaden: Manche Menschen tauchen zum Meeresgrund, manche tanzen auf Ecstasy drei Nächte durch, manche meditieren bis zur Entrückung, manche verlieben sich häufig – und manche Menschen schmeißen eine Show.
Um einen der kabarettistisch-erotischen Auftritte von Ginger Rhoda Banks zu sehen und der Ekstase dieser körperlichen Performance nachzuspüren, treffen wir sie ein paar Wochen nach dem sommerlichen Yachtausflug wieder. Der Herbst hat sich mittlerweile über die Stadt gelegt und die goldenen Blätter passen zur warmen Atmosphäre der Berlin Burlesque Academy, welche hier an diesem Tag von Deutschlands erfolgreichster Burlesque-Tänzerin Marlene von Steenvag erstmals in eigenen Räumlichkeiten neueröffnet wird. Wenn Marlene von Steenvag nicht gerade für Marken wie BMW, Aston Martin, Google oder Cointreau tanzt und modelt, gibt sie die Erfahrungen ihrer Selfmade-Karriere an Newcomer weiter. Plätze in ihrem Trainingsprogramm sind heiß begehrt. Nicht zuletzt, da der von ihr angebotene „Bachelorette of Burlesque“ eine eingetragene Marke und innerhalb der Szene eine anerkannte Referenz ist. Vor einem Jahr kam dann diese ausgeflippte Femme fatale zu ihr, seitdem arbeitet sie gemeinsam mit Ginger Rhoda Banks an deren schrillen Shows.
»Noch ein Gläschen Crémant… Champagner soll der Herr dann spendieren.«
Vor dem Auftritt bleibt sie jedoch lieber ganz bei sich: Sie legt Glenn Miller auf und öffnet eine Flasche Schaumwein, dann streift sie die Spitzenwäsche über, schminkt sich und entscheidet sich im letzten Moment für eines von zwei bereitgelegten Kostümen. „Noch ein Gläschen Crémant… Champagner soll der Herr dann spendieren – und Ginger is ready for the spotlight“, fügt sie hinzu. In einem ihrer Stücke mimt sie eine exaltierte mexikanische Dame, die mit einer anderen Dame in Streit gerät, bis das Blut zum Takt lateinamerikanischer Rhythmen in Wallung gerät. In einem anderen unterhält sie in glamouröser Uniform ein imaginäres Regiment schicker Soldaten.
Wenn sie performt, baut sich eine spannungsvolle Distanz zwischen ihr und dem Publikum auf, ganz nach dem augenzwinkernden Motto: „Da müsst ihr noch ganz viel üben, bis ihr mir näher kommen dürft. Aber schauen ist erlaubt.“ Gleichzeitig dient der Flirt beim Burlesque dazu, sich zu zeigen und mit anderen in Kontakt zu treten – auf eine Art, die im künstlerischen Ausdruck und im zwischenmenschlichen Resümee den Alltag übersteigt.
»Es gab Zeiten, in denen ich wie ein zusammengerolltes Kätzchen in der Ecke lag und nicht wachgeküsst werden konnte.«
Den Hunger nach einer so furchtlosen Selbstinszenierung konnte Ginger Rhoda Banks, die Frau hinter dem freizügigen Showcharakter, nicht immer stillen. Wenn es um emotionale Dramatik geht, kann sich die Künstlerin aus eigenen Erfahrungen bedienen. „Es gab Zeiten, in denen ich wie ein zusammengerolltes Kätzchen in der Ecke lag und nicht wachgeküsst werden konnte“, sagt sie. Manche dieser kreativen Täler dauerten auch mehrere Jahre an: „Drei Söhne kauft man nicht im Rewe, natürlich gab es da auch einen Herrn. Aber dann ging es auseinander mit dem Herrn, und das waren Zeiten, da muss die Fantasie zurücktreten, da konnte ich nicht auf die Bühne und tanzen. Da muss man schauen, dass man alles andere auf dem Schiff hält und gerade durch die stürmischen Wellen steuert. Nun verfüge ich als Berlinerin aber über einen gewissen Galgenhumor. Der ist mir, Gott sei Dank, nie abhanden gekommen. Auf der Bühne kann ich diesen inneren Schalk nun endlich wieder zum Ausdruck bringen.“
Mit der Nacktheit, die mit der Kunst des Burlesque einhergeht, hatte sie nie Probleme. Ganz im Gegenteil: „Es war befreiend.“ Mit Gedanken über jüngere Kolleginnen müsse sie sich nicht aufhalten. Beim Burlesque sei egal, was im medialen Alltag zur Priorität des Schönheitskults erhoben wurde: Es ist immer eine starke und erwachsene Frau, die vom Publikum für ihren einzigartigen Showcharakter Akzeptanz und Applaus erntet. Mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität versöhnt, strahlt jede erfahrene Burlesque-Tänzerin eine Selbstbestimmtheit aus, welche die Koketterie des Genres so reizvoll macht.
Koketterie ist ein Versprechen zum Koitus, aber ein Versprechen ohne Gewähr.
Was aber ist Koketterie? Der Schriftsteller Milan Kunderas findet dafür in seinem Klassiker „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ folgende Worte: „Man könnte vielleicht sagen, es sei ein Verhalten, in dem man dem anderen zu verstehen gibt, dass eine sexuelle Annäherung möglich ist, ohne dass man diese Möglichkeit als sicher erscheinen lässt. Mit anderen Worten: Koketterie ist ein Versprechen zum Koitus, aber ein Versprechen ohne Gewähr.“
An dieser hohen Kunst haben sich schon viele abgearbeitet, das Flirten bleibt aber weiterhin ein Mysterium für sich. Die Ekstase des wirklichen Verliebtseins ist nunmal eine Rarität, für manche heutzutage sogar eine Kuriosität. Auch wenn Ginger Rhoda Banks sich jeden Abend in einen humorvollen Conférencier, einen eleganten Kapitän oder einen leidenschaftlichen Soldaten verguckt, war die Frau hinter dem Showcharakter nur zwei Mal Hals über Kopf verliebt. „Beides hat nicht zu längerem Zusammensein geführt. Ich habe fremden Leuten die Ohren vollgeheult, und das will was heißen. Aber es hat mich gelehrt, keinen Zorn oder Racheglüste, sondern Momente voller Schönheit und Zauber mitzunehmen. Es stimmt mich noch heute manchmal sentimental. Aber meine Mama hat immer gesagt: Trauere nicht, dass vergangen. Sondern freue dich, dass gewesen.“ Diese schönen Augenblicke (oder ihr leidendes Pendant) können durch Burlesque-Performances rekreiert werden. Der Künstler hat das erlebte Gefühl nochmal vor seinem inneren Auge und verleiht seinen Gesten dadurch Glaubwürdigkeit.
»Ich habe mich selber wieder umarmt, Venus und Wollust willkommen geheißen.«
Wenn sich Ginger Rhoda Banks Ekstase vor Augen führt, sind es oft zwei Szenen, die ihr als Bild erscheinen: „Ich erinnere mich an eine besondere Herrenbegegnung. Davor hatte ich eine lange Phase des Alleinseins, ich musste viele Dinge regeln. Doch dann lag ich da, ganz unerwartet, und habe die Arme ganz breit gemacht im Bett. Ich habe mich selber wieder umarmt, Venus und Wollust willkommen geheißen. Die andere Erinnerung an Ekstase ist der Moment nach meiner Abiturprüfung. Ich stand vor der Schule und fragte mich: Warum halten die Autos nicht an und jubeln mit mir? Ich war so aufgeregt und frei, dass ich auf einem Kinderspielplatz um die Ecke gelandet bin, und dort so lange auf dem Kinderkarussell fuhr, bis mir ganz schwindelig war.“ Schwindelig vor Glück – eine herrlich schattenlose Definition der Ekstase.
Flirten wie eine Burlesque-Diva
Drei Tipps von Ginger Rhoda Banks:
1. Bei einem guten Flirt interessiert man sich wirklich für das Gegenüber. Die innere Einstellung zählt. Wenn man insgeheim hofft, dass in der nächsten Sekunde noch ein Besserer um die Ecke kommt, ist es zum Scheitern verurteilt. Erzählen, nachfragen, lächeln und vor allem zuhören, vielleicht sogar Gemeinsamkeiten schaffen… Dem anderen die Hand sanft auf die Schulter legen und leise sagen: „Du, das habe ich auch erlebt.“ Das wirkt Wunder.
2. Viele Ladys (und Gentlemen) haben eine fürchterlicher Haltung. Ihr Gang ist elefantenschwer. Ich persönliche trage nie Hosen oder Turnschuhe (außer zum Sport), so bewege ich mich einfach fließender – und ein klein bisschen Hüftschwung schadet auch nicht. Aber ganz egal in welchem Outfit man sich wohl fühlt, es lohnt sich immer, auf seinen Gang und seine Bewegungen zu achten. Haltung bewahren!
3. Bewahre ein Geheimnis! Du musst nicht alles preisgeben. Es ist ein bisschen wie bei Gourmetessen: Anstatt sich am Guten zu überfressen, bis der Bauch schmerzt, hat man nur einen kleinen Teller voller Delikatessen vor sich. Dafür denkt man sich: Schade, der Teller ist schon leer… naja, muss ich halt ein andermal wiederkommen.