Interview — Telefonseelsorge Berlin
»Wir sind immer da, auch an Weihnachten«
Weihnachten steht vor der Tür: für viele ein Grund zu feiern, für manche aber eine emotionale Ausnahmesituation. Wir haben mit Psychologin Bettina Schwab, der fachlichen Leiterin des Telefonseelsorge Berlin e.V., über ihre Arbeit und die Situation während der Feiertage gesprochen. Ein Interview über das große Thema Einsamkeit, Anrufe, die mit einem Schweigen beginnen, und die Furcht vieler Menschen, für andere Verantwortung übernehmen zu müssen.
21. Dezember 2024 — Interview & Text: Jonas Meyer, Fotografie: Manuel Puhl
Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr bundesweit erreichbar. Die Telefonnummern lauten 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222.
»Es ist ein Spiegel der Gesellschaft, der sich an uns wendet.«
MYP Magazine:
Frau Schwab, was genau ist die Telefonseelsorge?
Bettina Schwab:
Die Telefonseelsorge ist ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die ein Gesprächsangebot suchen, weil ihnen die Seele schmerzt. Sie richtet sich an Personen, die in einem bestimmten Moment niemanden haben, mit dem sie über ihr Anliegen sprechen können; oder die sich im Schutz der Anonymität ein Stück weit ausbreiten möchten mit dem, wie es ihnen geht. Auf der anderen Seite des Telefons sitzen ehrenamtliche Zuhörer*innen, die zusammen mit der anrufenden Person die aktuelle Notlage genau betrachten und ihr Raum geben, ihre Gefühle zu äußern und gehalten zu werden.
MYP Magazine:
Was sind das für Menschen, die bei Ihnen anrufen?
Bettina Schwab:
Es ist ein Spiegel der Gesellschaft, der sich an uns wendet – und zwar quer durch alle Altersklassen, beruflichen Hintergründe und Bevölkerungsgruppen. Dabei ist die Hauptgruppe zwischen 50 und 80 Jahre alt, die Jüngeren schreiben eher eine E-Mail. Auch rufen mehr Frauen als Männer an, was ebenfalls ein Spiegel der Gesellschaft ist. Denn viele Männer machen ihre Sorgen nach wie vor eher mit sich selbst aus. Darüber hinaus weist etwa ein Drittel unserer Anrufenden eine bekannte oder diagnostizierte psychische Störung auf. Auch das ist ein Spiegel der Gesellschaft.
»Einsamkeit und Isolation ist das große Thema unserer Gesellschaft – und seit einigen Jahren auch das Hauptthema am Telefon.«
MYP Magazine:
Mit welchen Themen wenden sich die Menschen an Sie?
Bettina Schwab:
Mit all dem, was wir auch aus unseren eigenen Leben kennen: etwa mit Konfliktsituationen in der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz. Oder mit Stress, emotionaler Erschöpfung, depressiven Stimmungen oder konkreten Ängsten. Vor allem aber mit dem Gefühl von Einsamkeit und Isolation. Das ist das große Thema unserer Gesellschaft – und seit einigen Jahren auch das Hauptthema am Telefon. Manchmal geht es den Anrufenden aber auch nur darum, über Streitigkeiten mit der Kassiererin im Supermarkt zu sprechen. Auch das ist völlig okay.
MYP Magazine:
Wer sind die Menschen am anderen Ende des Telefons?
Bettina Schwab:
Die Mitarbeiter*innen der Telefonseelsorge sind Ehrenamtliche. Bevor sie am Telefon den Menschen zuhören und Gespräche führen können, durchlaufen sie eine sehr ausführliche Ausbildung. Einfach zuhören hört sich so leicht an. Letztendlich ist das aber gar nicht so leicht – denn wenn wir in unserem Alltag jemand anderem zuhören, denken wir uns selbst dabei immer mit. Und wir gleichen das, was wir hören, mit unserem eigenen Erfahrungsschatz ab, um den dann zum Besten zu geben.
In der Ausbildung lernen unsere Ehrenamtlichen daher erst mal, aus verschiedenen Perspektiven die eigene Biografie zu betrachten. Es geht darum, eventuelle blinde Flecke in Bezug auf bestimmte Themen zu erkennen. Davon abgesehen schulen wir sie in Sachen Gesprächsführung und geben ihnen bestimmte Techniken an die Hand, um mit bestimmten Anrufertypen oder schwierigen Situationen am Telefon zurechtzukommen. All das ermöglicht ihnen, aktiv zuzuhören.
MYP Magazine:
Das bedeutet konkret?
Bettina Schwab:
Aktiv zuhören heißt, bei der anrufenden Person zu bleiben, ihre Welt und Probleme zu explorieren und einen Raum aufzumachen, in der sie ihre Gefühle äußern kann. Und es geht darum, ihr in diesem Gespräch anzubieten, dass man für sie da ist und dass geweint, gelacht oder geschrien werden kann. Auch das ist etwas, das man sich im Alltag häufig nicht erlaubt mit anderen Menschen.
»Es ist in unserer Gesellschaft nicht sehr angesagt, nicht leistungsfähig zu sein.«
MYP Magazine:
Leben wir in einer Gesellschaft, die das generell nicht zulässt oder zumindest erschwert?
Bettina Schwab:
Mein Eindruck ist ja – und ich bin sicher, dass mir meine Kolleg*innen da zustimmen würden. Natürlich gibt es immer Personenkreise, die anders leben, das heißt offener und empathischer. Aber im Großen und Ganzen ist es in unserer Gesellschaft nicht sehr angesagt, nicht leistungsfähig zu sein. Viele Menschen haben das Gefühl: Wenn man mit einer Schwäche nach außen geht, kommt man unter die Räder. Man wird nicht mehr ernst genommen und als schwach oder jammernd tituliert. So wird der Raum für die eigenen Gefühle immer enger. Doch nur weil man über eine Verletzung spricht, heißt das noch lange nicht, dass man sich die nächsten zehn Jahre zu Hause einigeln und bemitleiden will. Man möchte lediglich einen sicheren Raum haben, in dem man seine Verletzlichkeit zeigen kann. Und dann kann man in seinem Leben auch wieder weitermachen.
»Das ist etwas, was die Telefonseelsorge überhaupt nicht leisten kann: einen Beratungsprozess oder einen Therapieprozess zu gewährleisten.«
MYP Magazine:
Sie haben die Telefonseelsorge als eine niederschwelliges Angebot für Menschen beschrieben, die ein Gesprächsangebot suchen, weil ihnen die Seele schmerzt. Sehen sie Ihren Dienst als eine Art Vorstufe zur Psychotherapie?
Bettina Schwab:
Nein. Viele der Themen, die bei uns am Telefon besprochen werden, sind nicht für eine Therapie geeignet. Es geht ausschließlich darum, in einer konkreten Belastungssituation eine menschliche Verbindung herzustellen und durch das Gespräch eine Entlastung zu schaffen. Wir helfen den Menschen beim Sortieren, geben ihnen einen Raum für ihre akute seelische Notlage und versuchen, einen möglichen Ausweg aus ihrer konkreten Situation aufzuzeigen. Außerdem geht es darum, gemeinsam herauszufinden, was gerade helfen würde, um die Schwere zu reduzieren; was konkret getan werden könnte, um die nächste Stunde gut zu überstehen; und was man sich gerade selbst Gutes tun könnte, unabhängig von anderen.
Natürlich haben wir auch immer wieder Anrufende – und deren Zahl wächst –, die unsere Nummer von ihrem Psychiater haben, etwa mit der Begründung: „zur Überbrückung, bis die Therapie startet“. Aber das ist etwas, was die Telefonseelsorge überhaupt nicht leisten kann: einen Beratungsprozess oder einen Therapieprozess zu gewährleisten. Das lässt allein das Setting gar nicht zu. Unsere Gespräche sind einmalige Kontakte. Die Chance, dass man bei jedem Anruf denselben Ehrenamtlichen am Telefon hat, ist nahe Null.
»Für uns heißt Weihnachten, dass all die Themen noch mal mit einer gewissen Extraschärfe präsentiert werden.«
MYP Magazine:
In wenigen Tagen ist Weihnachten – ein Fest, das gesellschaftlich mit sehr viel Bedeutung aufgeladen ist, aber auf das sich nicht alle Menschen freuen. Was bedeutet diese Zeit im Jahr für die Arbeit der Telefonseelsorge?
Bettina Schwab:
Für uns heißt Weihnachten, dass all die Themen, die uns auch das ganze Jahr über in der täglichen Arbeit begleiten, am Telefon noch mal mit einer gewissen Extraschärfe präsentiert werden. Wir erfassen zwar keine Gesprächsinhalte, aber laut Statistik machen familiäre und Alltagsbeziehungen im Jahresschnitt etwa 30 Prozent aller Gespräche aus, das Thema Einsamkeit und Isolation liegt bei etwa 26 Prozent. Um die Weihnachtstage herum rücken beide Themengebiete besonders in den Vordergrund.
Auch wenn sich in dieser Zeit im Prinzip nichts an der generellen Situation der Anrufenden ändert: Viele, die sich sonst im Jahr ein Stück weit besser mit der Situation arrangieren können, dass kein Kontakt zur Familie besteht, werden zu Weihnachten von ihrer Umwelt ständig daran erinnert, dass jetzt die Zeit ist, die man mit der Familie zu verbringen hat. Und das bringt eine ganz eigene Qualität in die Trauer, Wut oder Depression, die bei den Anrufenden im Hinblick auf ihre familiäre Beziehung besteht.
»Ich finde, es ist etwas sehr Großes, dass gerade an Weihnachten jemand ans Telefon geht.«
MYP Magazine:
Wie gehen die Ehrenamtlichen damit um, dass sie an den Feiertagen am Telefon sitzen?
Bettina Schwab:
Wir sind immer da, auch an Weihnachten. Unsere Ehrenamtlichen arrangieren daher ihre Feiertage so, dass es ihnen möglich ist, auch in der Telefonseelsorge noch einen Dienst zu übernehmen. Das weiß ich immer sehr zu schätzen. Immerhin klinken sie sich teilweise aus ihren familiären Festigkeiten aus, um für andere da zu sein. Ich finde, es ist etwas sehr Großes, dass gerade an Weihnachten jemand ans Telefon geht und sagt: „Ich bin da für dich.“
»Viele Gespräche beginnen mit einem Schweigen.«
MYP Magazine:
Für manche Menschen ist es sicher schwer, überhaupt zum Hörer zu greifen und die Nummer der Telefonseelsorge zu wählen. Was passiert in den ersten Sekunden eines Anrufs? Und wie läuft so ein Gespräch in der Regel ab?
Bettina Schwab:
Wenn bei uns das Telefon klingelt, meldet sich eine*r unserer Telefonseelsorger*innen und spricht eine Einladung aus. Das Ganze könnte dann beispielsweise so anfangen: „Telefonseelsorge Berlin. Wie kann ich ihnen helfen? Über was möchten sie sprechen?“ In den folgenden Minuten geht es dann erst mal darum, Raum zu geben. Unsere Ehrenamtlichen sind sehr gut darin, ruhig zu bleiben. Viele Gespräche beginnen mit einem Schweigen, genervte Fragen wie „Ist überhaupt jemand dran?“ gibt es bei uns nicht. Wir signalisieren eher: „Nehmen sie sich Zeit. Ich bin hier. Wenn sie schweigen möchten, können wir auch gerne schweigen. Finden sie ihren eigenen Anfang – ich bin hier, wenn sie so weit sind.“ Wir wollen die Person am anderen Ende der Leitung ab der ersten Sekunde wissen lassen: Es ist in Ordnung, dass sie hier ist. Alles ist okay, es besteht kein Leistungsdruck und es ist egal, wie groß oder klein das Thema ist.
MYP Magazine:
Und wie geht es dann weiter?
Bettina Schwab:
Viele Menschen beginnen das Gespräch mit den Worten: „Ich weiß gar nicht, ob ich hier richtig bin.“ Wir antworten dann: „Versuchen wir es doch mal, vielleicht möchten sie einfach nur erzählen.“ Den Anrufenden ins Erzählen zu bringen, ist ein erster großer Schritt. Und wenn das nicht gewünscht ist, schweigen wir einfach gemeinsam weiter. Das hört sich absurd an, aber heutzutage schweigt man ja gar nicht mehr miteinander. Bei uns besteht die Möglichkeit, dass man nicht reden muss. Und meistens hilft allein dieses Gewissheit, dass am Ende doch noch ein Gespräch entsteht.
»Viele meiden lieber den Kontakt, weil sie befürchten, dadurch eine Verantwortung übernehmen zu müssen, die ihnen zu groß ist.«
MYP Magazine:
Die Tatsache, dass Menschen gibt in bestimmten Momenten ihres Lebens so verzweifelt sind, dass sie zum Hörer greifen und einer wildfremden Person ihre Sorgen erzählen, ist vielen anderen wahrscheinlich gar nicht so bewusst. Was würden Sie sich in Bezug auf den nicht anrufenden Teil der Gesellschaft wünschen?
Bettina Schwab:
Ach, ich würde mir wünschen – und das nicht nur zu Weihnachten, sondern ganzjährig –, dass in unserer Gesellschaft vielmehr Aufklärung betrieben würde über Themen wie Einsamkeit und Isolation, aber auch über die psychischen Auswirkungen von Einsamkeit, etwa die Entwicklung von psychischen Störungen bis hin zu Suizidalität im allerschlimmsten Fall.
Die Gesellschaft muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass es oft nur ganz wenig erfordert, um gegen solche Entwicklungen anzugehen. Ich denke da etwa an das Grüßen der Nachbarin im Treppenhaus oder das gelegentliche Nachfragen, ob man etwas vom Einkaufen mitbringen könne. Es geht einfach darum, miteinander ins Gespräch zu kommen. Leider scheuen sich viele davor, vor allem, wenn sie sehen, dass es jemand anderem nicht gut geht. In so einem Moment meiden sie lieber den Kontakt, weil sie befürchten, dadurch eine Verantwortung übernehmen zu müssen, die ihnen zu groß ist.
»Die Telefonseelsorge ist für jeden Menschen offen – und für jedes Thema.«
MYP Magazine:
Richtet sich Ihr Angebot auch an Menschen, die beobachten, dass es jemandem in ihrem Umfeld schlecht geht, aber nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen?
Bettina Schwab:
Die Telefonseelsorge ist für jeden Menschen offen – und für jedes Thema. Wenn man sieht, dass eine andere Person in Bedrängnis gerät, und selbst nicht weiß, wie man sich verhalten soll, ist das ein guter Grund, bei uns anzurufen. In der Regel sind unsere Ehrenamtlichen sehr fit darin, in solchen Fällen vielleicht zwei, drei Anlaufstellen zu nennen, die man an einen Menschen in Not weitergeben kann.
Viel wichtiger ist uns aber, zusammen mit der anrufenden Person zu ergründen, wie es ihr mit dieser Situation geht; wie sehr das Ganze sie selbst in die Enge treibt; und was sie persönlich tun kann, um sich besser zu fühlen. Wir sind keine Auskunftshotline und können auch keinen Fahrplan aufzeichnen, welche einzelnen Stellen von jener Person in Not anzulaufen wären. Uns geht es immer erst um die Motivation des Anrufers selbst – um den Drive, der ihn dazu veranlasst hat, sich an uns zu wenden.
»Unsere Ehrenamtlichen fühlen sich selbst immer wieder sehr belastet.«
MYP Magazine:
Welche Sorgenthemen hat eigentlich die Telefonseelsorge selbst? Was zum Beispiel würde Ihre Arbeit erleichtern?
Bettina Schwab:
Wir haben zwei konkrete Anliegen. Erstens fühlen sich unsere Ehrenamtlichen selbst immer wieder sehr belastet. Es scheint zu einer Gewohnheit geworden zu sein, dass man unter jedem Zeitungsartikel oder in jeder Fernsehsendung, die einen etwas schwereren Inhalt hat, immer den Hinweis findet: „Wenn sie in die Richtung auch was haben, rufen sie doch bei der Telefonseelsorge an.“ Natürlich ist es gut, dass Menschen wissen, wohin sie sich in einer emotionalen Notlage wenden können, und das rund um die Uhr. Aber auf uns wirken diese Hinweise oft auch so, als wolle man sich damit freikaufen.
Davon abgesehen sind viele der Themen eher etwas für die Arbeit von Psychotherapeut*innen. Es wird suggeriert, dass die Telefonseelsorge all die Probleme lösen könnte, die in dem jeweiligen Beitrag besprochen wurden. Das ist falsch und müsste viel sauberer formuliert werden. Aktuell führt es nur dazu, dass die Anrufenden eine gewisse Erwartungshaltung haben, etwa im Sinne von: „Es stand ja in der Zeitung, also lös mal mein Problem!“ Das setzt unsere Ehrenamtlichen unter einen enormen Druck, den sie zu Beginn des Gesprächs erst mal auflösen müssen.
MYP Magazine:
Und Ihr zweites Anliegen?
Bettina Schwab:
Das ist mit dem ersten verknüpft: Wenn schon von Seiten der Presse oder auch der Politik so gerne auf das Angebot der Telefonseelsorge hingewiesen wird, würde ich mir natürlich auch wünschen, dass in dieses Angebot auch mal ordentlich Geld fließt. Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die sich gerne bei der Telefonseelsorge engagieren würden und dafür auch sehr geeignet wären. Aber viele der insgesamt 105 Telefonseelsorge-Stellen in Deutschland stecken in einer so misslichen finanziellen Situation, dass das Angebot, das es eigentlich bräuchte, um den gesellschaftlichen Bedarf zu decken, gar nicht erreicht wird. Es fehlen dazu schlicht und einfach die Mittel.
»Wir müssen von Jahr zu Jahr schauen, wie wir es hinkriegen.«
MYP Magazine:
Wie genau finanziert sich die Telefonseelsorge Berlin?
Bettina Schwab:
Der Telefonseelsorge Berlin e.V. hat – im Gegensatz zu fast allen anderen Telefonseelsorge-Stellen – keinen kirchlichen Träger. Für unsere hauptamtlichen Mitarbeiter*innen erhalten wir vom Berliner Senat eine finanzielle Unterstützung. Der komplette Rest läuft über Spenden. Und das bedeutet für uns, dass wir von Jahr zu Jahr schauen müssen, wie wir es hinkriegen.
Es ist so ein banaler Satz: Aber tatsächlich ist es so, dass jeder Cent zählt, damit wir das bestehende Angebot aufrecht erhalten können. Natürlich freuen wir uns immer über großzügige Einzelspenden. Aber wir haben auch eine ganze Reihe von Spender*innen, die uns mit monatlichen Kleinstbeträgen unterstützen. Das summiert sich am Ende ebenfalls und ist unglaublich wertvoll.
MYP Magazine:
Was würden Sie ändern, wenn Sie mehr Geld zur Verfügung hätten?
Bettina Schwab:
Aktuell haben wir die Möglichkeit, dass zwei Ehrenamtliche gleichzeitig ihren Dienst leisten. Leider haben wir nicht die finanziellen Mittel, um noch einen weiteren Ausbildungskurs zu finanzieren, um drei gleichzeitig telefonieren zu lassen. Genug Bewerber*innen hätten wir dafür. Von daher: Jeder Cent zählt, damit wir den normalen Betrieb aufrechterhalten können. Und jeder weitere Cent rückt es näher in den Bereich des Möglichen, dass wir mehr Angebot für Menschen in Notlagen schaffen können.
»Die Menschen möchten gerne eine Idee von Hoffnung haben.«
MYP Magazine:
Letzte Frage: In unseren Artikeln kombinieren wir die Texte immer mit ausführlichen Fotostrecken. Worauf sollte man aus Ihrer Sicht bei der Auswahl von Bildern achten? Gibt es bestimmte Motive, die sich weniger eignen – etwa, weil sie für vulnerable Personen eine Art Trigger sind?
Bettina Schwab:
Wenn man über Telefonseelsorge berichtet, würde ich davon abraten, die einsame Autobahnbrücke oder die Klippe am Meer zu zeigen. Viel besser wäre es, Bilder zu wählen, in denen sich an irgendeiner Stelle ein Licht oder etwas Warmes findet. So kann man zeigen: Der Weg aus dem Dunkel ins Licht ist möglich. Eine einsame Person zu zeigen, fände ich dagegen nicht so schlimm. Einsamkeit ist etwas, das man in dem Zusammenhang durchaus illustrieren kann.
Als wir vor Kurzem unsere Homepage umgestaltet haben, haben wir uns auch sehr intensiv mit dem Thema Bildwelt beschäftigt. In die engere Auswahl kam zum Beispiel ein Motiv, das einen Mensch in einer Betonwüste zeigte. Das ist ein gutes Sinnbild für viele der Themen, mit denen wir es hier in Berlin am Telefon zu tun haben: das Leben in der Großstadt, die Einsamkeit in der Großstadt. So etwas triggert nicht, ganz im Gegenteil: Da fühlen sich Menschen an einer Stelle gesehen.
Daher würde ich immer Bilder wählen, mit denen man jemanden emotional abholen kann. Und mit denen man generell eine Idee davon vermittelt, wie es den Leuten geht, die bei uns anrufen. Ich persönlich finde es immer schön, wenn man eine gewisse Hoffnung in den Bildern findet. Damit ist klar: Hey, wenn du anrufst, ist das ein erster Schritt aus deiner Situation heraus. Das wäre so meine Empfehlung. Die Menschen wollen auch nicht immer nur mit dem Trüben konfrontiert werden, sondern möchten auch gerne eine Idee von Hoffnung haben.
Fotografie: Manuel Puhl, aus der Serie „Where Strangers Meet“
Spendenkonto des Telefonseelsorge Berlin e.V.:
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE33 3702 0500 0001 6432 03
BIC: BFSWDE33XXX
Verwendungszweck: „Spende”
Weitere Informationen, auch zu alternativen Zahlungsmethoden, auf der Website des Telefonseelsorge Berlin e.V.
Mehr von der Telefonseelsorge Berlin:
instagram.com/telefonseelsorge.berlin.ev
telefonseelsorge-berlin.de
Interview & Text: Jonas Meyer
Fotografie: Manuel Puhl