Kurzinterview — Lorna Ishema
»Mich interessieren Orte, an denen ich auf den ersten Blick nichts zu suchen habe«
Lola-Gewinnerin Lorna Ishema ist die erste Stipendiatin der Deutschlandstiftung Integration im Bereich Schauspiel. Wir haben die vielfältige und charismatische Darstellerin zu einem Photo Shoot getroffen und ihr dabei ein paar Fragen gestellt.
31. März 2023 — Fotografie: Frederike van der Straeten, Interview: Katharina Viktoria Weiß
Lorna Ishema, 1989 in Rubaga, Uganda, geboren, zog im Alter von fünf Jahren mit Ihrer Familie nach Hannover. Bereits in der Schule entdeckte sie ihre musischen Talente und erlernte in einem Orchester das Spiel der Querflöte. Nach dem Abitur studierte sie Schauspiel an der renommierten Otto Falckenberg Schule in München.
Bereits während ihres Studiums wurde sie von Luc Perceval für seine Inszenierung von J. M. Coetzees „Schande“ an die Münchner Kammerspiele engagiert. Es folgten Engagements ans Münchner Volkstheater und ans Deutsche Theater in Berlin sowie diverse Rolle in Film- und Fernsehproduktionen. So war sie etwa in der ARD-Serie „Polizeiruf 110“, der Amazon-Serie „You Are Wanted“ oder der Thriller-Serie „Breaking Even“ zu sehen.
Für ihre Rolle der „Naomi“ in Sarah Blaßkiewitz‘ Familiendrama „Ivie wie Ivie“, einem Film über die Identitätssuche zweier afrodeutscher Halbschwestern, gewann sie 2021 die Lola, den Deutschen Filmpreis für die beste weibliche Nebenrolle. Im Frühjahr 2022 war sie in der Fiction-Serie „Der Überfall“ als Polizistin Antonia Gebert zu sehen. Zuletzt beendete sie die Dreharbeiten für den neuen Netflix-Film „Paradise“, in dem sie an der Seite von Iris Berben und Kostja Ullmann spielt und der voraussichtlich in diesem Jahr bei dem Streamingdienst zu sehen sein wird.
»Ich empfinde eine Wertschätzung der Branche gegenüber meiner Arbeit.«
MYP Magazine:
Im Oktober 2021 hast Du den Deutschen Filmpreis gewonnen. Was hat sich seitdem für Dich verändert?
Lorna Ishema:
Ich fühle mich bestärkt und empfinde eine Wertschätzung der Branche gegenüber meiner Arbeit. Vielmehr hat sich aber nicht verändert. Ich achte weiter darauf, dass ich meine eigenen Wege und Ziele verfolge. Mir ist es wichtig, mir selbst treu zu bleiben.
MYP Magazine:
Wo stellt man so eine Lola hin?
Lorna Ishema:
Meine Nichte durfte sich einen Platz aussuchen. Die Goldene Lola steht jetzt in Kinderhöhe auf einer Ablage neben der Wohnzimmertür.
»Für mich war jede einzelne Vorstellung, die ich gespielt habe, wie eine Mutprobe.«
MYP Magazine:
Warum spielst du aktuell kein Theater mehr?
Lorna Ishema:
Zum einen habe ich schlimmes Lampenfieber. Für mich war jede einzelne Vorstellung, die ich gespielt habe, wie eine Mutprobe. Danach war ich unglaublich stolz auf mich. Zum anderen habe ich die Zeit am Theater als sehr einengend erlebt. Ich hatte so gut wie nie Menschen um mich herum, mit denen ich mich identifizieren konnte oder die für mich in irgendeiner Form eine Vorbildfunktion gehabt hätten. Auch wenn ich bewusst aufgehört habe, Theater zu spielen, vermisse ich es sehr. Und ich bin froh zu sehen, dass sich langsam etwas an den Strukturen dort ändert.
»Mir ist meine Angst egal, wenn mir meine Intuition sagt, ich soll etwas tun.«
MYP Magazine:
Bist du ein Mensch, der sich selbst mit eigenen Ängsten konfrontiert?
Lorna Ishema:
Ich drücke es etwas anders aus: Mich interessieren Orte, an denen ich auf den ersten Blick nichts zu suchen habe. Als Kind hatte ich ein Tennis-Stipendium, später habe ich über ein Förderprogramm der Schule in einem Blasorchester gespielt. Zum Theater bin ich gekommen, weil ich von einer Schauspielerin auf der Bühne inspiriert wurde, die nicht der gängigen Norm entsprach. Das Schauspielstudium zu Ende zu bringen, hat mich viel Kraft und Überwindung gekostet, auch weil es dort viele Parallelen zum Theaterbetrieb gab. Trotzdem ist mir meine Angst egal, wenn mir meine Intuition sagt, ich soll etwas tun.
MYP Magazine:
Wie bereitest Du dich auf eine Rolle vor?
Lorna Ishema:
Für größere Rollen arbeite ich oft mit einer Schauspielcoachin zusammen. In dieser Zeit kann ich ausloten, wo meine persönlichen Grenzen liegen und eine eigene Haltung zur Figur und zum Stoff entwickeln, um mich dann ganz frei auf den Dreh einlassen zu können.
»Ich würde gerne die Ariel in der neuen Disney-Verfilmung synchronisieren.«
MYP Magazine:
In was für einer Geschichte würdest Du gerne die Hauptrolle spielen?
Lorna Ishema:
Im „Black Panther“-Universum stattzufinden und Teil von etwas ganz Großem zu sein, würde mich instantly für immer stolz machen. Außerdem würde ich gerne die Ariel in der neuen Disney-Verfilmung synchronisieren. Auf diese Weise mit meiner Stimme zu arbeiten, wäre etwas völlig Neues für mich. Bis jetzt hatte ich dafür zwar noch kein Casting, aber es hat mich zumindest dazu gebracht, wieder Gesangsstunden zu nehmen. Und wenn ich noch einen Wunsch frei habe: Ich liebe die Texte von Sharon Dodua Otoo, einer britisch-deutschen Schriftstellerin, Publizistin und Aktivistin mit ghanaischen Wurzeln, die mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Ich würde liebend gerne mal in einem Film spielen, der auf einem Drehbuch von ihr basiert. Vor allem ihre Frauenfiguren, die oft komplex und anstrengend sind, reizen mich sehr.
MYP Magazine:
Vor kurzem hast du die Dreharbeiten zu dem Future-Thriller „Paradise“, einer Netflix-Produktion, beendet. Welche Abenteuer stehen sonst noch so an?
Lorna Ishema:
Ich belege aktuell ein Drehbuch- und Dramaturgie-Seminar an der Filmuniversität – ich möchte verstehen und lernen, warum es so schwierig ist, gute und komplexe Drehbücher zu schreiben.
Mit besonderem Dank
an die D59B Bar in Berlin.
Mehr von und über Lorna Ishema:
Fotografie: Frederike van der Straeten
Interview & Text: Katharina Viktoria Weiß