Interview — Kiasmos

»Ohne unsere Freundschaft würde es Kiasmos nicht geben«

Gut Ding will Weile haben: Nach fast einer Dekade haben Kiasmos vor Kurzem ihr zweites Album veröffentlicht. Das jüngste Werk des Minimal-Techno-Projekts von Janus Rasmussen und Ólafur Arnalds hat zwar keinen besonderen Namen, dafür aber umso mehr Inhalt: 13 Tracks, zu denen man nicht nur schön träumen kann, sondern auch verdammt gut tanzen. Ein Interview über Freundschaft als Arbeitsgrundlage, Songtitel ohne Hintergedanken, eine mysteriöse Raute und Musik, die einem nicht mehr gehört, sobald man sie veröffentlicht.

10. Oktober 2024 — Interview & Text: Jonas Meyer, Fotografie: Maximilian König

Zwei gute Freunde, ein paar Ideen, etwas Zeit – manchmal braucht es nicht viel mehr, um Schönes zu erschaffen. Wie etwa im Fall von Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen. Vor ziemlich genau 15 Jahren gründeten sie ihr gemeinsames Projekt Kiasmos, mit dem sie sich musikalisch ganz und gar dem Minimal Techno verschrieben und in die Herzen von Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt gespielt haben.

Doch nachdem sie 2014 ihr erstes Album veröffentlicht hatten, ließen sie es eher ruhig angehen. Mal eine kleine EP hier, mal eine Single da, das war’s. Warum auch hetzen? Schließlich haben die beiden Isländer – Ólafur ist dort geboren, Janus stammt ursprünglich von den Faröern – abseits von Kiasmos genug zu tun.

Der eine, Ólafur, zählt als Komponist und Multiinstrumentalist zu den renommiertesten Contemporary-Classic-Künstlern der Welt; mit seinen eingängigen und oft auch ergreifenden Stücken erforscht er seit Jahren vor allem die Stille. Der andere, Janus, ist als Songwriter und Produzent nicht weniger erfolgreich. Im Gegensatz zu Óli, wie er ihn liebevoll nennt, widmet er sich in seinen Solo-Projekten eher der elektronischen und vor allem tanzbaren Musik.

Es dauerte fast eine ganze Dekade, bis die beiden Freunde die Welt mit einem weiteren Kiasmos-Album beschenkten. Die neue Platte hat zwar keinen wirklichen Namen – auf Spotify heißt das Werk schlicht „II“, was wie ein Aktenzeichen wirkt. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Die insgesamt 13 Tracks gehen sowohl ins Herz, unter die Haut als auch ins Bein. Energie mit Empathie, sozusagen. Wer das nicht glaubt, muss sich nur mal für ein paar Minuten von einer ihrer Live-Shows einsaugen lassen.

Wenige Stunden vor einem ihrer Konzerte in Berlin haben sich Janus und Ólafur die Zeit für ein entspanntes Interview mit uns genommen.

»Wenn der letzte Album-Release fast zehn Jahre zurückliegt, merkt man langsam, dass es Zeit ist, etwas Neues zu machen.«

MYP Magazine:
Ólafur und Janus, Ihr habt Euer zweites Kiasmos-Album zehn Jahre nach dem ersten und 15 Jahre nach Gründung Eures gemeinsamen Projekts veröffentlicht. Wolltet Ihr Euch damit ein kleines Jubiläumsgeschenk machen?

Ólafur:
Nicht wirklich. Aber wenn der letzte Album-Release fast zehn Jahre zurückliegt, merkt man langsam, dass es Zeit ist, etwas Neues zu machen.

MYP Magazine:
Haben sich Eure Musik und das gemeinsame Arbeiten im Laufe der Jahre in irgendeiner Form verändert?

Janus:
Absolut. Alles andere wäre auch seltsam. Schließlich macht man allein als Mensch in dieser langen Zeit eine ziemliche Entwicklung durch. Und das beeinflusst natürlich die Musik. Davon abgesehen hat in der letzten Dekade auch die Technologie einen großen Schritt nach vorne gemacht, was wiederum die Art und Weise des Produzierens verändert hat.

Ólafur:
Dazu kommt, dass wir bei unserem ersten Album noch sehr viel improvisiert hatten – das war bei dem zweiten anders, zumindest ein Stück weit. Wir hatten zwar auch diesmal keinen konkreten Plan oder so etwas wie ein Konzept. Aber wir haben viel bewusster darüber nachgedacht, was wir machen, wie wir dabei vorgehen, welche Details wir fokussieren und wie viel Zeit wir darauf verwenden.

»Es gibt in dieser Freundschaft unausgesprochene Regeln, die wir schon lange nicht mehr diskutieren müssen.«

MYP Magazine:
Ihr beide seid nicht nur Bandkollegen, sondern auch enge Freunde. Würde Kiasmos anders klingen, wenn ihr Euch in all den Jahren „nur“ auf der beruflichen und nicht auf der freundschaftlichen Ebene begegnet wärt?

Ólafur: (lacht)
Ich würde gar nicht erst mit jemandem Musik machen, mit dem ich nicht auch befreundet wäre.

Janus:
Óli hat recht. Ohne unsere Freundschaft würde es Kiasmos nicht geben. Wir beide sind – auch außerhalb dieses Projekts – in der glücklichen Situation, fast ausschließlich mit Freunden und Bekannten arbeiten zu können. Das ist ein Privileg, das man nicht hoch genug einschätzen kann.

MYP Magazine:
Auch Freunde streiten manchmal. Wie tragt Ihr musikalische Konflikte aus – etwa, wenn Ihr verschiedene Perspektiven darauf habt, wie ein Track klingen soll?

Janus:
Das kommt zum Glück nicht allzu oft vor. Als Musikproduzenten sind wir es gewohnt, miteinander zu arbeiten. Das bedeutet, dass man auch mal eine Idee aufgeben muss, wenn sie für den jeweils anderen nicht funktioniert. Wir kennen uns mittlerweile so gut, dass solche Situationen am Ende nicht eskalieren. Oder anders gesagt: Es gibt in dieser Freundschaft unausgesprochene Regeln, die wir schon lange nicht mehr diskutieren müssen.

»Ich wüsste nicht, wo ich die Grenze ziehen sollte zwischen der Denkweise eines Künstlers, der aus der klassischen Musik kommt, und der von jemandem, der elektronische Musik macht.«

MYP Magazine:
Welche Rolle spielt es dabei, dass Ihr beide Euch außerhalb von Kiasmos in eher unterschiedlichen musikalischen Welten bewegt?

Ólafur:
Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Welten so verschieden sind. Das ist aus meiner Sicht auch gar nicht wichtig. Entscheidend ist nur die Frage, ob unsere individuellen Denk- und Arbeitsweisen miteinander harmonieren oder nicht. Davon abgesehen wüsste ich auch nicht, wo ich die Grenze ziehen sollte zwischen der Denkweise eines Künstlers, der aus der klassischen Musik kommt, und der von jemandem, der elektronische Musik macht.

Janus:
Ich verstehe das Bedürfnis und auch die Notwendigkeit, Musik aus der Genre-Brille zu betrachten. Ohne gewisse Klassifikationen wäre es auch wesentlich schwerer, sich darüber zu unterhalten. Aber aus der Perspektive von uns Musikern wirkt das immer ein bisschen zu einfach und reduziert – denn der kreative Prozess dahinter ist viel umfassender, komplexer und auch genreübergreifender, als man das vielleicht meinen könnte.
Klar, natürlich lassen sich auch bei Óli und mir gewisse Unterschiede ausmachen, aber die beziehen sich hauptsächlich auf die Technik: Zum Beispiel gibt es Software, die sich hauptsächlich an elektronische Musiker richtet, und andere wiederum ist eher für Leute entwickelt, die konventionelle Musik machen.

MYP Magazine:
Wie genau entsteht bei Euch ein Track?

Janus:
Wir haben da kein bestimmtes Muster. Manchmal ist es Óli, der mit dem Keyboard einen ersten Aufschlag macht. Und manchmal bin ich es, der zuerst einen Beat oder Percussion-Loop liefert, den ich irgendwo gefunden habe und zu dem Óli dann eine Akkordfolge hinzufügt – wie etwa bei „Sail“. Dort hatten wir mit meinem Beat und Ólis Akkorden relativ schnell eine gute Ausgangsbasis, zu der wir dann gemeinsam die Melodie komponiert haben.

Ólafur:
Ja, das war eine richtig gute Kombination. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, geht es nur noch darum, das Ganze zu arrangieren und zu produzieren.

»Während Janus in seinem Soloprojekt bereits viel tanzbare Musik macht, sitzen bei mir die Leute eher still im Publikum und hören gespannt zu.«

MYP Magazine:
Gibt es aus künstlerischer Sicht etwas, das Ihr im Rahmen von Kiasmos besser oder anders ausdrücken könnt als in Euren jeweiligen Solo-Projekten?

Ólafur:
Grundsätzlich habe ich nicht das Gefühl, in irgendeiner Form beschränkt zu sein, wenn es darum geht, mich musikalisch auszudrücken. Ich kann tun und lassen, was ich möchte. Für mich ist Kiasmos ein wundervolles Spielfeld, das mir die Freiheit gibt, mich mehr auf Loops und Beats zu konzentrieren, ohne den Anspruch zu haben, tiefgründige Kompositionen zu schaffen. Denn während Janus in seinem Soloprojekt bereits viel tanzbare Musik macht, sitzen bei mir die Leute eher still im Publikum und hören gespannt zu.
Außerdem ist die Arbeit mit einem anderen Menschen an sich immer wieder eine spannende Erfahrung. Ich bin sicher, dass ich in vielen Fällen eine andere Melodie geschrieben hätte, wenn ich allein daran gesessen hätte. Aber wenn man mit mehreren Leuten in einem Raum ist, befindet man sich permanent in irgendwelchen Feedback-Schleifen.

Janus:
Für mich ist die Arbeit mit Óli immer eine große Bereicherung. Ich weiß genau, wo seine Talente liegen, und frage ihn nach seiner Meinung, wenn ich eine Idee habe – denn in der Regel fällt ihm immer etwas Geniales ein, woran ich selbst noch nicht gedacht hatte.

»Sobald wir die Musik geschrieben und veröffentlicht haben, gehört sie nicht mehr wirklich uns.«

MYP Magazine:
Euer neues Album vermag etwas ganz Besonderes zu leisten: Hört man es in Momenten, in denen es einem nicht so gut geht, findet man darin eine Halt, Geborgenheit und eine gewisse Empathie. Ist man aber eher optimistisch und positiv gestimmt, hat man das Gefühl, von den Tracks regelrecht energetisiert zu werden. Wie gelingt es Euch, Musik zu schreiben, die Menschen auf so unterschiedlichen Emotionsebenen ansprechen kann?

Ólafur:
Das ist kein bewusster Vorgang. Sobald wir die Musik geschrieben und veröffentlicht haben, gehört sie nicht mehr wirklich uns. Die Menschen machen daraus, was sie gerade fühlen – das entzieht sich absolut unserer Kontrolle.

Janus:
Und da wir rein instrumentale Musik machen, liefern wir den Leuten auch keine Worte, die ihnen sagen könnten, wie sie sich fühlen sollten. Selbst die Titel unserer Tracks haben nicht wirklich eine Bedeutung. Oft entstehen sie erst in den allerletzten Momenten der Fertigstellung eines Stücks.

»Ein Freitagabend in Berlin kann einen völlig anderen Vibe haben als ein Montagabend in Reykjavik.«

MYP Magazine:
Das heißt, Ihr wisst auch nie so richtig, wie das Publikum am Abend einer Show auf Eure Musik reagieren wird?

Janus:
Natürlich wissen wir, dass die Leute zu einem Kiasmos-Konzert kommen, weil sie unsere Musik mögen. Sonst würden sie sich kaum eine Karte kaufen. Aber wir nehmen immer wieder wahr, dass die Stimmung von Show zu Show variiert. Ein Freitagabend in Berlin zum Beispiel kann einen völlig anderen Vibe haben als ein Montagabend in Reykjavik oder ein Mittwochabend in London – allein deshalb, weil die Leute am nächsten Morgen nicht so früh aus dem Bett müssen und dadurch viel ausgelassener feiern.

Ólafur:
Ich finde, eine Show beginnt auch immer schon bei den Menschen zu Hause. Alles zählt an so einem Abend: wie man sich kleidet, welches Parfum man auflegt, mit welchen Freunden man sich verabredet, wie man zur Venue kommt. Und wenn die Show dann endlich losgeht, zählt jede einzelne Person im Raum – und jeder einzelne Geruch, jede einzelne Bewegung. Alles beeinflusst die Atmosphäre.

»Wenn man dem Ganzen nachträglich eine Bedeutung geben wollte, könnte man sagen, dass der Song etwas mit dir als Hörer gemacht hat.«

MYP Magazine:
Janus, Du hast eben das Thema Songtitel angesprochen. Diese bestehen bei Euch seit vielen Jahren nur noch aus einem einzigen Begriff: „Grown“, „Burst“, „Sailed“, „Laced“ oder „Bound“ sind allesamt Verben, die im Präsenzperfekt gehalten ist: einer Tempusform, die ausdrückt, dass das Geschehen vom Standpunkt des Sprechers aus zwar vergangen ist, sich aber doch auf seinen Standpunkt bezieht. Was fasziniert Euch so an diesen Begriffen, mit denen Ihr inhaltlich immer nur in die nähere Vergangenheit, aber nie in die Zukunft blickt?

Ólafur: (grinst)
Wir fanden es einfach witzig, mehr nicht.

Janus:
Naja, so ganz ist es ja auch nicht. Ich persönlich mochte schon immer diese Ein-Wort-Titel, auch in meinem Solo-Projekt. Sie sind leichter zu erfassen, wirken visuell ästhetischer und bieten inhaltlich mehr Raum für Interpretationen, weil sie nicht zu sehr in eine bestimmte Richtung deuten. Das schafft eine gewisse Freiheit, sowohl für uns als auch für die Hörenden.

Ólafur:
Dennoch ist die Idee dazu aus reinem Spaß entstanden. Ich glaube, „Wrecked“ war damals der erste Titel, der nur noch aus einem Wort bestand. Wenn man dem Ganzen nachträglich eine Bedeutung geben wollte, könnte man sagen, dass der Song etwas mit dir als Hörer gemacht hat. Er hat dich zum Beispiel wachsen lassen, zerstört oder verwischt. Aber während ich das so erzähle, merke ich, wie konstruiert sich das anhört. Es gibt einfach kein großes Konzept dahinter.

»Das Album sollte sich so anfühlen, als würde man sich durch etwas hindurchbewegen.«

MYP Magazine:
Die Reihenfolge der elf Songtitel erinnert in gewisser Weise an den natürlichen Zyklus des Lebens. „Grown“ zum Beispiel könnte für die Geburt stehen, „Bound“ für das Festhängen im Korsett alltäglicher Verpflichtungen und „Dazed“ für das langsame Ausscheiden aus dem Leben. Ist diese Dramaturgie ebenfalls aus reinem Spaß und Zufall entstanden?

Ólafur:
Die Reihenfolge der Songs ist sehr bewusst gewählt – allerdings aus rein musikalischer Sicht, nicht aus inhaltlicher. Es gibt keine spezifische Geschichte, die wir mit der Anordnung der Titel erzählen wollen. Es sollte sich nur so anfühlen, als würde man sich durch etwas hindurchbewegen. Und wenn der eine oder andere darin den Zyklus des Lebens liest, freut mich das – denn es zeigt, dass unsere Musik in der Lage ist, persönliche Interpretationsräume zu füllen.

Janus:
Ich finde es ohnehin viel spannender, den Leuten nicht immer alles haarklein vorzugeben. Ich möchte sie eher einladen, ihre ganz eigenen Gedanken und Ideen zu unserer Musik zu entwickeln. Ich kann den Gedanken aber total verstehen: Gerade der Zyklus des Lebens ist eine Assoziation, die einem oft als erstes in den Kopf schießt. Immerhin gehören Geschichten, die von Geburt, Wachstum, Abschied, Tod und Erlösung handeln, zu unserer Kultur. Damit wurden wir sozialisiert.
Auf der anderen Seite ist es so, dass es auf einem Album manchmal gar keinen anderen Ort gibt, an dem man einen Track platzieren könnte. Bei „Grown“ zum Beispiel wussten wir bereits vor vielen Jahren, dass er der allererste Song des neuen Albums sein sollte. So eine Entscheidung beeinflusst die Reihenfolge aller anderen Songs maßgeblich.

»Der Monolith ist nichts anderes als ein Symbol, das für die Offenheit und Durchlässigkeit unserer Musik steht.«

MYP Magazine:
Bereits seit einigen Jahren begleitet Euch ein mysteriöses grafisches Element, das so gut wie alle visuellen Aspekte von Kiasmos prägt, vom Album-Artwork bis zu den Bühnenshows. Was steckt hinter dieser dreidimensionalen, außerirdisch wirkenden Raute, die auch aus einem Science-Fiction-Film oder einer Netflix-Serie stammen könnte?

Ólafur:
Wir nennen dieses Element Monolith. Für die einen wirkt es wie ein Artefakt aus einer längst vergessenen Zivilisation. Andere erinnert es an etwas Heiliges, wieder andere empfinden es als bedrohlich – und dann gibt es sogar Leute, die bemerken es gar nicht. (lacht)
Was ich damit sagen will: Der Monolith ist nichts anderes als ein Symbol, das für die Offenheit und Durchlässigkeit unserer Musik steht, wenn es um individuelle Interpretationsräume geht.

»Wir triggern die Regisseure, dem jeweiligen Song eine gewisse Bedeutung zu verleihen.«

MYP Magazine:
Dieser Monolith ist selbstverständlich auch im allerersten Musikvideo zu sehen, das Ihr zum neuen Album veröffentlicht habt. Mit dem Clip zum Track „Flown“ werft ihr den Blick in das Leben eines alten Mannes, der von tiefen Sehnsüchten und fast kindlichen Träumen getrieben zu sein scheint. In unserer jugendfixierten Gesellschaft ist das ein Narrativ, das kaum bedient wird. Alte Menschen haben auch alt zu denken, zu fühlen und zu handeln. Wie geht ihr damit um, dass das Video dem Song nun eine konkrete Bedeutungsebene gibt, die ihr ja eigentlich offen halten wolltet?

Ólafur:
Das passiert, wenn man einem Regisseur völlige Freiheit lässt. (grinst) Aber im Ernst: Es war schon immer Teil unserer Philosophie, den Filmemachern, die unsere Songs in Form von Musikvideos interpretieren, maximalen Freiraum zu geben. Das war bei Greg Barnes, der „Flown“ inszeniert hat, nicht anders. Es gab immer nur eine einzige Vorgabe: Der Monolith muss in irgendeiner Art und Weise in dem Video vorkommen. Dadurch triggern wir die Regisseure natürlich, dem jeweiligen Song eine gewisse Bedeutung zu verleihen. Was sie daraus aber am Ende machen, ist ihre Sache.

»Die Realisierung von Visionen ist bei mir eher der Normalzustand.«

MYP Magazine:
Der alte Mann im Video verfolgt einen großen Traum: Er möchte fliegen können. Wann hattet Ihr das letzte Mal in Eurem Leben einen ähnlich großen, unerfüllten Wunsch, den Ihr unbedingt in die Tat umsetzen wolltet?

Janus:
Mein größter Lebenstraum war es immer, im Tourbus schlafen zu können.

Alle lachen.

Janus:
Nein, wirklich. Das hat mich in den letzten Jahren immer wieder an den Rand des Wahnsinns getrieben. Mir fällt das echt schwer. Mittlerweile funktioniert es ganz okay, weil ich auf Tour auf fast alles verzichte: auf Alkohol, auf Nikotin, auf Kaffee. Dadurch bin ich zwar recht langweilig geworden, aber immerhin kann ich schlafen.

Ólafur: (überlegt)
Ich glaube, in mir gibt es keinen unerfüllten Wunsch. In meinem Leben war es schon immer so, dass ich die Ideen, die mir in den Kopf kommen, auch direkt in die Tat umsetzen will, was wiederum sehr viel Zeit erfordert und mit noch mehr Arbeit verbunden ist. Die Realisierung von Visionen ist bei mir also eher der Normalzustand.

Janus:
Wenn ich auf die Frage ein zweites Mal antworten darf: Für mich geht es eher darum, in den Fluss der Dinge zu kommen. Es gibt keine einzelne Vision, die ich realisieren will – für mich zählt viel mehr, ständig in Bewegung zu sein. Wie man seine Tage verbringt, so verbringt man sein Leben.