Interview — Florian Prokop

Online mit Haltung

Florian Prokop bezeichnet sich selbst als Journalencer und richtet sich mit seinen Themen auf Snapchat & Co. gezielt an die Generation Smartphone. Warum es dem überzeugten Europäer dabei nicht nur auf die journalistische Qualität ankommt, sondern auch auf die persönliche Haltung, verrät er uns im ausführlichen Interview.

25. Februar 2018 — MYP N° 22 »Widerstand« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Maximilian König

1988, was war das für ein Jahr! Steffi Graf schrieb mit vier Grand Slam-Siegen Tennisgeschichte, Loriot brachte „Ödipussi“ in die Kinos und Nokia hatte gerade sein allererstes Mobiltelefon vorgestellt. Außerdem führte die Deutsche Börse den Leitindex DAX ein, Tele5 ergänzte als dritter Privatsender die Fernsehlandschaft und „Morris“ wütete als erster Computerwurm im Internet. Und während man in West-Berlin mit der „transmediale“ ein Festival für Medienkunst und digitale Kultur gründete, spielte Bruce Springsteen in Ost-Berlin das größte Konzert, das die DDR jemals erlebt hatte.

Ja, die DDR. Dort war immer noch ein Mann namens Erich Honecker an der Macht. Und auch wenn man aus der Sowjetunion bereits Begriffe wie Glasnost und Perestroika hören konnte, hätte 1988 niemand nur zu träumen gewagt, dass schon ein Jahr später die Mauer fallen würde. Und dass nach drei weiteren Jahren ein wiedervereinigtes Deutschland die Europäische Union mitbegründen würde – mit dem Vertrag von Maastricht.

1988, das war auch das Jahr, in dem im brandenburgischen Cottbus ein gewisser Florian Prokop zur Welt kam, der sich heute, knapp 30 Jahre später, am liebsten auf digitalen Plattformen herumtreibt, die Snapchat, Instagram oder YouTube heißen. Allerdings nicht, um oberkörperfrei irgendwelche Produkte anzupreisen: Florian ist freiberuflicher Redakteur, Reporter und Moderator, unter anderem für Funk, ein Content-Netzwerk von ARD und ZDF für die sogenannte junge Zielgruppe. Darüber hinaus arbeitet er für den RBB-Jugendsender Radio Fritz sowie für ze.tt, eine journalistische Online-Plattform des ZEIT Verlag. Und als wäre das nicht genug, dreht er seit neuestem auch noch Webvideos zu netzpolitischen Themen für den YouTube-Kanal about:blank.

Vor etwa einem Jahr ist Florian Prokop quer durch Europa gereist, um die Einstellung junger Europäer gegenüber der EU zu ergründen und darüber Smartphone-gerecht auf Snapchat zu berichten. Wir haben uns mit ihm im Europäischen Haus Berlin verabredet, das nur wenige Schritte vom Brandenburger Tor entfernt ist. Seit knapp zwei Jahren wird hier „ERLEBNIS EUROPA“ gezeigt – eine multimediale Dauerausstellung, die auf Initiative des Europäischen Parlaments und in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde.

Die Website der Ausstellung verspricht, dass man vor Ort „ganz neu“ erleben kann, wie europäische Politik gestaltet wird und wie man selbst aktiv werden kann – „und das in 24 europäischen Sprachen!“ Weiter heißt es: „Einen Gruß aus Europa können Sie auch mitnehmen: Schicken Sie Ihr ganz persönliches Foto aus dem ERLEBNIS EUROPA an Ihre Familie und Freunde!“ Das nehmen wir gerne wörtlich – nur dass es bei uns am Ende ein paar Fotos mehr werden.

Jonas:
Du bezeichnest dich auf deinem Instagram-Account als Defluencer. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Florian:
Den Begriff habe irgendwo mal aufgeschnappt und fand ihn lustig. Davon abgesehen passt er aber auch ganz gut zu mir: Defluencer ist das Gegenteil von Influencer – und ein Influencer, der für irgendetwas Werbung macht, bin ich definitiv nicht. Ich halte keine Produkte in die Kamera, das fände ich schon sehr doof.
Grundsätzlich habe ich aber vor dem Begriff Influencer keine Angst, weil Influencer sein auch bedeuten kann, dass man es schafft, Leuten bestimmte Themen näherzubringen, die einen selbst interessieren. Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, ist es ok für mich, als Influencer bezeichnet zu werden. Vielleicht habe ich genau wegen dieser Ambivalenz auch den Begriff Defluencer übernommen.
Viel passender für mich finde ich mittlerweile das Wort Journalencer – ein Begriff, der mir mal während einer U-Bahnfahrt eingefallen ist und sozusagen eine Mischung aus Journalist und Influencer ist. Für die Arbeit, die ich mache, finde ich diesen Begriff ziemlich passend: Ich arbeite journalistisch und kann meine Themen jungen Menschen näherbringen – sie „influencen“, wenn man so will. Gleichzeitig ist dabei nicht alles im seriösen Tagesschau-Ton gehalten.

Jonas:
Für deine Formate auf Snapchat und Instagram filmst und fotografierst du dich permanent selbst. Bist du daher nicht vielmehr so etwas wie ein Online-Darsteller oder Schauspieler als ein klassischer Journalist?

Florian:
Schauspieler war ich früher einmal, das ist schon einige Jahre her. Was meine Arbeit heute angeht, würde ich sagen, dass sie tatsächlich eine journalistische ist, da mein Job viele unterschiedliche journalistische Tätigkeiten beinhaltet: Für meine Storys, die ich auf Instagram und Snapchat veröffentliche, muss ich Quellen checken und Skripte schreiben. Egal, ob ich bei ze.tt an einer Story arbeite oder bei Radio Fritz meine Sendung vorbereite: Klassisches Journalistenhandwerk ist immer Grundlage dessen, was ich tue.
Allerdings fällt es mir schwer, mich auch tatsächlich als Journalist zu bezeichnen – genauso wie es mir übrigens damals schwergefallen ist zu behaupten, dass ich Schauspieler bin. Beides sind einfach sehr bedeutende Berufskonzepte, vor denen ich Demut habe. Daher sage ich grundsätzlich, dass ich Reporter, Redakteur und Moderator bin. Ich finde, dass diese drei Begriffe sehr konkret sind. Und ganz nebenbei kann ich damit vermeiden, das Wort Journalist in den Mund zu nehmen.

Jonas:
Fällt es dir vielleicht auch deshalb schwer, dich als Journalist zu bezeichnen, weil du gelegentlich die Grenze zwischen Objektivität und Subjektivität überschreitest – etwa, wenn du in einer Story deine Entrüstung über gewisse gesellschaftspolitische Entwicklungen äußerst?

Florian:
Auch das. Wobei es ein meiner Meinung nach ein Irrglaube ist, dass Journalisten nicht auch ihre Meinung sagen dürfen.

»Meiner Meinung nach ist es ein Irrglaube, dass Journalisten nicht auch ihre Meinung sagen dürfen.«

Jonas:
Das heißt, wenn du in einer Story beispielsweise deine Meinung zu bestimmten Äußerungen von AfD-Chef Alexander Gauland zum Ausdruck bringst, fällt das noch in den Bereich des Journalismus?

Florian:
Natürlich läuft man bei solchen Themen Gefahr, sich an der Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus zu bewegen. Dennoch würde ich grundsätzlich und in Bezug auf meine tägliche Arbeit sagen, dass ich ein objektiv arbeitender Journalist bin – und jetzt nenne ich mich mal tatsächlich so -, der zwar stellenweise seine eigene Meinung ausdrückt, aber dies auch immer kenntlich macht.

Jonas:
Vor ziemlich genau zehn Jahren, in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 2008, wurde die deutschsprachige Version von Facebook gelauncht. Damals warst du 19 Jahre alt und hast hauptsächlich als Schauspieler gearbeitet. Hättest du dir in dieser Zeit vorstellen können, dass Soziale Netzwerke mal deinen Beruf formen und definieren würden?

Florian:
Nein, im Jahr 2008 war für mich noch völlig klar, dass ich Schauspieler sein will und irgendwann auch mal sein werde. Ich wusste auch nichts anderes. Es heißt ja immer, dass man – wenn man Schauspieler werden will – nichts anderes tun wollen dürfe als Schauspielerei, ansonsten werde es nichts mit dem Beruf. Im Jahr 2008 sah es in dieser Hinsicht für mich noch ganz gut aus, auch weil wenig später die Dreharbeiten für eine TV-Serie starteten, bei der ich zwei Jahre lang mitgespielt habe.

Jonas:
Anfang 2011 veröffentlichte die Zeitung „Die Welt“ eine Werbekampagne, die sich „Rastloser Planet“ nannte. Auf den Plakaten waren unterschiedlichste Begriffe zu Wortgruppen zusammengefasst, beispielsweise „Afghanistan. Superstar. Fashion Week. I Like.“ oder „Griechenland. Yoga. Mindestlohn. Dschungel.“ Für mich macht diese Kampagne immer noch deutlich, wie sehr sich unser Mediennutzungsverhalten innerhalb nur weniger Jahre verändert hat. Ende der 90er brauchte man noch ein Modem, um online zu gehen, und das Fernsehen fand ausschließlich linear statt – in einer überschaubaren Zahl von Sendern. Informationen und Nachrichten wurden eher sukzessive und hierarchisiert konsumiert: eine nach der anderen und das Wichtigste zuerst. Die Welt-Kampagne dagegen beschreibt den Ist-Zustand von heute: Wir alle sind permanent mit einer so großen Flut an Informationen konfrontiert, dass es uns immer weniger gelingt, sie nach Inhalt und Bedeutung zu ordnen. Und dadurch kann es letztendlich passieren, dass der Krieg in Afghanistan den gleichen Informationswert hat wie die letzte Sendung von „Deutschland sucht den Superstar“. Wie hast du selbst diese Entwicklung der letzten zehn, fünfzehn Jahre wahrgenommen?

Florian:
Was da passiert ist und immer noch passiert, ist natürlich eine Veränderung. Ich könnte mir heute zum Beispiel gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne Facebook und Smartphone war. Und genauso schwer fällt es mir auch, mich daran zu erinnern, wie ich früher Nachrichten konsumiert habe – wahrscheinlich ganz einfach über die Tagesschau im Fernsehen. Insgesamt war mein Medienkonsumverhalten eher passiv. Heute hat sich das total gedreht: Ich schaue kein klassisches Fernsehen mehr und ich recherchiere die Themen selbst, die mich interessieren.
Ein Problem in Bezug auf die Gleichzeitigkeit von Informationen sehe ich dagegen nicht. Eher eines der inhaltlichen Hierarchisierung: Facebook sagt uns heute, was am wichtigsten ist. Wenn wir gerne süße Hundevideos liken, ist das die Information Nummer eins. Die Ablenkungs- und Desinformationsmöglichkeiten sind riesig.

»Facebook sagt uns heute, was am wichtigsten ist. Wenn wir gerne süße Hundevideos liken, ist das die Information Nummer eins. Die Ablenkungs- und Desinformations-Möglichkeiten sind riesig.«

Jonas:
Dennoch gibt es nicht wenige Menschen, die sich eine Zeit zurückwünschen, in der nicht alles gleichzeitig stattfand. In der es nicht diese ungeheure Geschwindigkeit wie heute gab, in der die Welt übersichtlicher war, in der man nicht so stark mit der Angst konfrontiert war, nicht mehr mithalten zu können mit der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Welche positiven Seiten kannst du dieser fundamentalen Veränderung der letzten Jahre abgewinnen?

Florian:
Klar, man kann aktuelle Entwicklungen kritisieren. Einige Bedenken teile ich auch – etwa, wenn es um Bereiche wie den Datenschutz geht. Aber ich mag es auch sehr, dass ich heute die meisten Dinge einfach von unterwegs erledigen kann. Beispielsweise kann ich auf meinem Weg morgens zu den Fritz-Studios in Potsdam 45 Minuten lang arbeiten oder Musik hören. Ich kann Mails schreiben, vorab mit der Redaktion erste Gedanken austauschen und mir dadurch den Tag verkürzen. Das hätte ich vor zehn Jahren mit meinem alten Nokia nicht gekonnt.

Jonas:
Man könnte dir jetzt unterstellen, dass du die permanente Gleichzeitigkeit von Informationen deshalb nicht als Problem siehst, weil du dich perfekt darin eingerichtet hast.

Florian:
Aus beruflicher Sicht kann ich sagen: Aktuelle Entwicklungen muss man nach Möglichkeit ohne jegliche Verzögerung erfahren, damit man auch möglichst aktuell berichten kann. Da kann es gar nicht schnell genug gehen. Aus meiner persönlichen Perspektive gesprochen glaube ich, dass man – jedenfalls zum größten Teil – immer noch selbst entscheiden kann, wie, wann und in welchem Ausmaß man Information zulässt… oder ich merke einfach nicht, was für ein Smartphone-Opfer ich bin.

Jonas:
Du hast eben die altehrwürdige Nachrichtensendung Tagesschau angesprochen. Spielen solche Formate überhaupt noch eine Rolle in deinem Leben? Wie informierst du dich konkret über relevante Themen und Entwicklungen?

Florian:
Mein Job verlangt von mir, dass ich mich permanent auf dem Laufenden halte. Ich muss ständig überlegen, was meine Zielgruppe interessieren und was für sie relevant sein könnte. Dementsprechend schaue, höre oder lese ich Nachrichten unter einem anderen Aspekt als vielleicht andere.
Bei mir klingelt morgens um fünf vor sieben der Wecker – genauer gesagt der Radiowecker. Dann höre ich nach ein paar Minuten Musik die ersten Nachrichten des Tages. Dabei kann ich bereits überlegen, ob es ein mögliches Thema des Tages gibt, das ich aufgreifen kann.
Und was die Tagesschau angeht: Wenn ich Skripte schreibe oder Themen recherchiere, ist tatsächlich „tagesschau.de“ eine meiner ersten Anlaufstellen. Das, was dort steht, stimmt einfach.

»Ich weiß, was meine Follower interessiert, was sie gerne sehen und womit sie interagieren. Und das ist eben oft nicht die große Außenpolitik.«

Jonas:
Wie zielgruppengetrieben bist du überhaupt in deiner Arbeit? Ist Zielgruppenrelevanz tatsächlich alles? Oder gibt es Themen, bei denen du sagst: „Vielleicht schmeckt das meinen Zuschauern jetzt nicht, aber diese Thematik muss ich einfach mal aufgreifen“?

Florian:
Wenn ich zum Beispiel ein außenpolitisches Thema behandeln will, das mir persönlich wichtig ist, kann ich das tun. Auf der anderen Seite weiß ich aber, was meine Follower interessiert, was sie gerne sehen und womit sie interagieren. Und das ist eben oft nicht die große Außenpolitik, sondern sind ganz andere Themen. Darauf muss ich mich einstellen.
Dennoch weiß ich, dass das, was ich da tue, das Potenzial hat, etwas in meinen Followern auszulösen oder sie zum Nachdenken zu bewegen. Das ist total schön für mich. Ich kann ihnen durch meine Arbeit Nachrichten, Geschichten oder Fakten überbringen, die vielleicht ihr Weltbild verändern oder es – mit einem weniger bedeutenden Wort ausgedrückt – erweitern. Ich kann sie erfahren lassen, was sie interessiert. Aber wenn diese Relevanz nicht gegeben ist, gehen sie woanders hin.

Jonas:
Im Grunde genommen hast du gerade vier Jobs gleichzeitig: Du arbeitest bei „Funk“ als Redakteur, Reporter und Moderator, für „Radio Fritz“ bist du ebenfalls als Redakteur und Reporter tätig und daneben arbeitest du als Redakteur für „ze.tt“. Und seit neuestem drehst du noch Webvideos für den YouTube-Channel „about:blank“. Wie gelingt es dir, deinen Tag zu organisieren?

Florian:
Es gab im letzten Jahr regelmäßig Wochen, in denen ich nicht wusste, wie ich das alles auf die Reihe bekommen sollte. In solchen Wochen, die richtig vollgepackt sind mit Arbeit und in denen tausend Sachen auf einmal zu erledigen sind, kann ich relativ panisch werden.
Meistens wird es dann aber doch nicht so schlimm, wahrscheinlich weil es mir relativ gut gelingt, meine Zeit zu planen. Ich habe unzählige To-do-Listen – handgeschriebene und digitale. Ich schreibe jeden Furz auf, den ich noch zu erledigen habe.

»Grundsätzlich ist es mir erst mal egal, auf welcher Plattform die Infos ankommen, solange der Absender stimmt.«

Jonas:
Die Plattformen, für die du deine Inhalte produzierst – beispielsweise YouTube oder Snapchat -, sind nicht unbedingt dafür bekannt, dass dort klassisch-seriöse Nachrichtenformate veröffentlicht werden. Dennoch erleben wir, dass gerade eine ganze Generation heranzuwachsen scheint, die sich ausschließlich über solche Plattformen informiert. Eine Generation, der nicht nur altgediente TV-Formate wie „Tagesschau“ oder „heute-journal“ fremd sind, sondern die sich auch grundsätzlich nicht mit klassischen Nachrichten auseinandersetzt, wie sie etwa die Öffentlich-Rechtlichen auch online zur Verfügung stellen: Für Viele sind selbst reichweitenstarke Nachrichtenseiten wie „tagesschau.de“ oder „Spiegel online“ große Unbekannte. Dabei ist im Zeitalter alternativer Fakten unabhängiger Qualitätsjournalismus essenziell. Welchen Anspruch hast du an dich selbst, im Umfeld von YouTube und Snapchat eine gewisse journalistische Qualität abzuliefern?

Florian:
Grundsätzlich ist es mir erst mal egal, auf welcher Plattform die Infos ankommen, solange der Absender stimmt. Hinter dem Content, den ich produziere, stehen ja beispielsweise Namen wie „ZEIT online“ oder die Öffentlich-Rechtlichen in Form des RBB, bei denen es Mechanismen gibt, die die Qualität sichern.
Das, was ich tue, verstehe ich auch nicht als Ersatz für das, was man auf „tagesschau.de“ oder „Spiegel online“ finden kann. Es ist vielmehr eine Erweiterung dieses Angebots. Beispielswiese gab es bei uns zur vergangenen Bundestagswahl eine Themensetzung, die für die klassischen Nachrichtenplattformen viel zu niedrigschwellig gewesen wäre. Bei vielen unserer Follower mussten wir inhaltlich von ganz vorne anfangen und erklären, dass man zum Beispiel mit seiner Stimme die Bundeskanzlerin nicht nur wählen, sondern auch abwählen kann.
Wenn ich mit einem lustigen Ansatz Kinder oder Jugendliche irgendwie dazu bekommen kann, dass sie bei der nächsten Wahl die allgemeine Berichterstattung ein bisschen besser einordnen und verstehen können, dann ist das für mich ein großer Erfolg. Und das würde ich auch als meinen Anspruch formulieren. Ich glaube, dass ich für die junge Generation eine Art Schlüssel sein kann, durch den sie überhaupt mit solchen Themen in Berührung kommt.

Jonas:
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 hat sich Angela Merkel zum ersten Mal von einem YouTuber interviewen lassen, bei der Wahl 2017 waren es gleich mehrere. Was hättest du die Bundeskanzlerin gefragt, wenn du selbst die Möglichkeit gehabt hättest?

Florian:
Ich glaube, ich hätte ihr Fragen zu Gleichberechtigungs- und Genderthemen gestellt – vor allem, weil sie bei der Abstimmung für die gleichgeschlechtliche Ehe Ende Juni 2017 mit Nein gestimmt hatte. Vielleicht hätte ich sie auch gefragt, wie ihre Vision für dieses Land aussieht.

»Ich hätte Angela Merkel Fragen zu Gleichberechtigungs- und Genderthemen gestellt. Und vielleicht hätte ich sie auch gefragt, wie ihre Vision für dieses Land aussieht.«

Jonas:
Wie erging es dir am 24. September 2017 um 18 Uhr, als klar war, dass mit der AfD eine rechtspopulistische Partei in den Deutschen Bundestag einziehen wird?

Florian:
Ich habe an diesem Tag gearbeitet, dementsprechend habe ich das Wahlergebnis rein berufsmäßig wahrgenommen und behandelt. Für hochkant haben wir damals von den Wahlpartys der einzelnen Parteien berichtet: Unsere erste Station war die SPD-Zentrale, in der wir um 18 Uhr miterlebt haben, wie die erste Prognose verkündet wurde.
Nachdem ich bei der SPD noch ein paar „free hugs“ verteilt und die Leute umarmt und getröstet hatte, sind wir zur FDP-Wahlparty gefahren. Egal wen man dort zum Wahlergebnis befragte, die Antworten waren immer die gleichen: So sehr sich die Leute über den Wiedereinzug ihrer Partei gefreut haben, so geschockt waren sie auch über das Ergebnis der AfD.
Zu deren Wahlparty sind wir auch noch gefahren: Die AfD feierte in einem Club am Alexanderplatz, zu dem uns und anderen Journalisten der Zutritt verwehrt wurde. Vor dem Gebäude hatten sich bereits hunderte Menschen zu Protesten versammelt und die Polizei war da, um die Situation zu sichern. Wir sind in der Menge hin und her geflitzt, haben Informationen gesammelt und dann über unsere Kanäle abgebildet, was wir dort erfahren und erlebt haben. Erst später habe ich für mich persönlich geschnallt, dass die Rechten mit knapp 13 Prozent in den Bundestag einziehen werden.

Jonas:
Hat es dir wenigstens etwas Mut gemacht zu sehen, dass sich so viele Menschen spontan vor der Wahlparty der AfD eingefunden haben, um ihren Protest auszudrücken?

Florian:
Da lag wirklich eine spannende Energie in der Luft, als sich die Leute bereits kurz nach der ersten Prognose am Alex versammelten, um ein Zeichen zu setzen. Was mir aber noch mehr Mut gemacht hat, war die Tatsache, dass uns in Deutschland genau das erspart blieb, was etwa in den Tagen nach der Trump-Wahl in den USA oder nach dem Brexit in Großbritannien passiert war. Da dachten nicht wenige Leute, dass sie jetzt die Sau rauslassen und überall im Land ihre rechten Parolen an die Wände schmieren können. So etwas gab es bei uns – so direkt nach der Wahl – zum Glück nicht, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Das fand ich eher bemerkenswert, denn ich hatte mit Schlimmerem gerechnet.

Jonas:
Dennoch muss man sich leider vergegenwärtigen, dass laut der letzten Kriminalstatistik des Bundesinnenministers die Zahl rechter Gewalttaten in Deutschland erheblich zunimmt.

Florian:
Vielleicht ist es auch einfach ein gewisser Zweckoptimismus, der mir Mut macht.

»Ich fände es cooler, wenn sich in Deutschland mehr Schauspieler aktiv einbringen und positionieren würden.«

Jonas:
Als Barack Obama im Januar 2017 seine Abschiedsrede in Chicago hielt, sagte er unter anderem: „We in fact all share the same proud type, the most important office in a democracy: Citizen. So, you see, that’s what our democracy demands. It needs you.“ Würdest du sagen, dass deine Arbeit, in der du viele gesellschaftspolitische Themen aufgreifst und versuchst, sie einer jüngeren Generation verständlich und erfahr zu machen, ein Form von „active citizenship“ ist?

Florian:
Naja, ich möchte meine Rolle darin auch nicht zu hoch hängen. Heute habe ich beispielsweise eine Story produziert, bei der meine Follower den ganzen Tag lang entscheiden konnten, was ich als nächstes machen soll: ob ich Sport machen soll oder nicht, ob ich mit dem Hund spazieren gehen soll oder nicht, ob ich mir die Haare schneiden lassen soll oder nicht.
Dennoch kommt mein aktueller Job dieser Idee auf jeden Fall viel näher als das, was ich noch in meiner Schauspielerzeit gemacht habe. Als Schauspieler konnte oder wollte ich mich nicht so einfach positionieren, wie ich das heute kann. Und ganz nebenbei gesagt: Ich fände es ohnehin cooler, wenn sich in Deutschland mehr Schauspieler aktiv einbringen und positionieren würden.

Jonas:
Wir beide entstammen einer Generation, die in einer Zeit aufgewachsen ist, in der die großen gesellschaftspolitischen Kämpfe bereits geführt wurden: Ob Aufarbeitung der NS-Zeit, Vietnamkrieg, Ost-West-Konflikt, NATO-Doppelbeschluss, Kernenergie, friedliche Revolution in der DDR oder Abschaffung des Paragraph 175 – wir haben uns sozusagen in ein gemachtes Nest gesetzt und dabei nie so wirklich gelernt, wie man Protest ausübt und zivilen Ungehorsam betreibt. Geraten wir dann wie in den letzten Jahren in eine Situation, in der sich innerhalb kürzester Zeit die ganze Welt zu verändern scheint – Trump, Brexit, Erdogan, AfD -, wissen wir nicht recht, wie wir reagieren sollen. Und dann ertappen wir uns dabei, wie wir auf Facebook irgendwelche gut gemeinten Statements posten, liken oder sharen, die aber unsere eigene Meinungsbubble nie verlassen werden. Hast du einen Ratschlag, wie man sich in unserer heutigen Zeit am besten positionieren und einbringen kann?

Florian:
Wir sind tatsächlich in einer Generation aufgewachsen, in der alles geklärt ist – etwas anderes hat man uns nie erzählt. Aber so ist es eben doch nicht. Die Welt verändert sich ständig und produziert neue Machtverhältnisse, und das in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Manchmal geht alles so krass schnell, dass man sich fragt: Darf ich bitte erst mal die eine Krise halbwegs verstehen, bevor die nächste schon um die Ecke biegt? Wahrscheinlich müssen wir uns daran gewöhnen, dass Krise ein Dauerzustand ist. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass die Welt nicht untergehen wird. Mein Ratschlag wäre daher, jede Krise in Ruhe zu ergründen und die Fakten dahinter genau zu recherchieren, um daraus zu lernen und auf die nächste Krise besser vorbereitet zu sein.

»Wie man mit den Rechten reden kann, dafür habe ich auch noch keine Lösung gefunden.«

Jonas:
Aber damit alleine hat man sich noch nicht engagiert. Eines der meistgelesenen Bücher 2017 ist „Mit Rechten reden – Ein Leitfaden“. Ist das nicht ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Leute danach sehnen, ein Mittel oder Werkzeug in der Hand zu halten, mit dem sie aktiv auf eine aktuelle Krise reagieren können?

Florian:
Wie man mit den Rechten reden kann, dafür habe ich auch noch keine Lösung gefunden. Vor knapp zwei Jahren ist mir in Estland auf einer Party ein Typ begegnet, der den Holocaust leugnete. Er erzählte mir, dass er auf YouTube ein Video gesehen hätte, das seiner Meinung nach plausibel darstellen würde, dass es den Holocaust nie gegeben hätte – und zwar deshalb nicht, weil in dem Video irgendjemand vorgerechnet hätte, dass es zahlenmäßig nicht möglich gewesen wäre, sechs Millionen Menschen in Konzentrationslagern zu ermorden. Da stehen einem die Haare zu Berge! An dieser Stelle hätte ich wohl in die Diskussion einsteigen müssen. Aber ich hatte einfach keinen Bock, mich mit so jemandem zu unterhalten – ich war auf einer Party!
Wie kann man sich also am besten engagieren? Auch wenn es bei mir selbst offenbar so wirkt, als würde ich mich sozial, gesellschaftlich oder politisch total einbringen, muss ich sagen, dass ich am Ende auch nichts anderes tue als irgendwelche Nachrichten aufzuschreiben und zu verbreiten. Dabei bin ich in der glücklichen Situation, eine gewisse Reichweite nutzen zu können. Und ich habe außerdem das Glück, den ganzen Tag lang nichts anderes tun zu dürfen, als mich solange mit bestimmten Themen zu beschäftigen, bis ich sie weitestgehend durchdrungen habe. Jemand, der das nicht beruflich macht, hat diese Zeit und Reichweite nicht.
Mir liegt in Bezug auf deine Frage eine vielleicht etwas banale Antwort auf der Zunge: Man muss sich vor allem lokal engagieren und genau dort ein Bewusstsein schaffen, wo man lebt und arbeitet. Wenn ich mein eigenes Verhalten ändere, besteht die Chance, dass sich diese Veränderung auch auf die Menschen um mich herum auswirkt.

Jonas:
Im Vorfeld unseres Interviews hast du den Satz gesagt: „Niemand ist nicht politisch.“ Was genau meinst du damit?

Florian:
Fast alles, was unseren Alltag ausmacht, ist irgendwo durch Politik bestimmt und reguliert. Etwa ob man in einer Bar rauchen darf oder nicht. Oder ob ich einen Kotbeutel dabeihaben muss oder nicht, wenn ich mit meinem Hund Gassi gehe. Solche Themen berühren unser tägliches Leben und wir entwickeln ganz automatisch eine Haltung oder Meinung dazu. Auch wenn wir vielleicht nicht parteipolitisch sind: Wir bewegen uns in einer Welt, die durch Politik gebaut ist. Daher ist es gar nicht möglich, nicht politisch zu sein.

»Die wenigen jungen Leute, die wir in Hastings getroffen haben, befürworteten fast alle den Brexit, weil sie hofften, dass es danach wieder bergauf gehen würde mit ihrer Stadt.«

Jonas:
Man stößt auf Facebook und Instagram immer wieder auf Fotos, die dich mit einem knallblauen Pullover zeigen, auf dem der Sternenkranz der europäischen Flagge prangt. Was bedeutet Europa für dich?

Florian:
Ich habe den Pullover gekauft, weil ich es witzig fand, mich damit zu positionieren. Ich mag Europa und finde, dass die Europäische Union prinzipiell eine sehr gute Idee ist. Für „Funk“ habe ich Anfang 2017 zusammen mit Kollegen eine Tour quer durch Europa gemacht. Wir wollten herausfinden, wie es vor allem jungen Menschen in Europa gerade geht, was sie bewegt und welche Einstellung sie gegenüber Europa haben. Gestartet sind wir in Frankreich, wo kurz zuvor die Präsidentschaftswahlen stattgefunden hatten. Zuerst waren wir im Norden unterwegs, genauer gesagt in der Region Nord-Pas-de-Calais, in der Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National lange Zeit Generalrätin war. Unsere erste Station war Roubaix, eine 100.000 Einwohner-Stadt direkt an der belgischen Grenze, in der viele Leute Jean-Luc Mélenchon unterstützt hatten, den Präsidentschaftskandidaten der französischen Linken. Danach ging es weiter in die Kleinstadt Hénin-Beaumont, die etwa 40 km südlich von Roubaix liegt. Hénin-Beaumont ist sozusagen die Vorzeige-Nazistadt von Marine Le Pen, in der auch viele junge Leute rechts wählen. Von da aus haben wir uns auf den Weg nach Paris gemacht und sind anschließend nach London geflogen. Dort konnten wir uns mit vielen Studenten unterhalten, die gegen den Brexit gestimmt hatten.
Ganz anders war es dagegen in Hastings an der englischen Südostküste. Hastings war früher mal ein sehr schöner Fischerort, aber in den letzten Jahren wurde daraus eine sehr triste Stadt – mit einem hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern und wenigen Perspektiven für Jugendliche. Die wenigen jungen Leute, die wir dort getroffen haben, befürworteten fast alle den Brexit, weil sie hofften, dass es nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU wieder bergauf gehen würde mit ihrer Stadt. Anschließend sind wir nach Krakau zur Gay Pride geflogen. Und dann danach ging es über Breslau und Frankfurt/Oder wieder zurück nach Berlin. Das war ein kleiner Europa-Schnelldurchlauf.

Jonas:
Was ist dein Résumé dieser Reise? Wie stehen junge Europäer zu Europa?

Florian:
Das ist wirklich total unterschiedlich. Prinzipiell ist Europa für junge Menschen, die mehr Privilegien genießen, ein toller Ort. Dank Erasmus können sie überall studieren, es gibt keine Grenzkontrollen, man kann einfach für ein paar Tage zu Freunden nach Amsterdam oder Tallinn fliegen.
In Hastings dagegen habe ich einen jungen Zimmermann getroffen, der froh war über den Brexit. Für ihn war es, so erzählte er, ohnehin schon schwierig, Arbeit zu finden. Aber seit Polen Mitglied der EU geworden sei und viele polnische Arbeiter nach Großbritannien eingewandert seien, sei seine Arbeit nur noch die Hälfte wert. Das war seine Realität.

Jonas:
Und wie schätzt du in Deutschland die Einstellung gegenüber Europa ein?

Florian:
Ich glaube, dass Europa für uns Deutsche alleine deshalb schön ist, weil die europäische Flagge eine ist, die man ohne Probleme feiern kann: Die deutsche Flagge wurde ja immer wieder missbraucht, vor allem in den letzten Jahren, wo sie inflationär bei Pegida oder AfD zu sehen war. Die Europaflagge dagegen wirkt unbelastet und positiv. Sie suggeriert etwas Gutes, damit können wir uns vielleicht leichter identifizieren.

Jonas:
Da es relativ viele Fotos von dir gibt, auf denen du mit deinem Europa-Pulli zu sehen bist, unterstelle ich dir mal, dass du der europäischen Einigung gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt bist. Oder liege ich da falsch?

Florian:
Ich sehe mich selbst in erster Linie als Europäer und weniger als Deutschen – und ich bin Optimist. Passt also. Dazu kommt, dass ich, seitdem ich diesen Pullover trage, das Thema Europa nochmal mit einem anderen, größeren Bewusstsein wahrnehme als vorher. Ich weiß, dass es viele Krisen auf der Welt und in Europa gibt, die wirklich ernst zu nehmen sind. Aber dadurch wird die Welt nicht untergehen. Und Europa auch nicht. Ich weigere mich einfach, da negativ zu denken.

»In Belarus habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie wertvoll unsere Demokratie in Deutschland ist.«

Jonas:
Du warst in den letzten Jahren in etlichen europäischen Ländern unterwegs. Was können wir Deutschen von unseren europäischen Nachbarn lernen? Und was können andere Europäer von uns lernen?

Florian:
In Estland fand ich es toll zu sehen, wie wenig Bürokratie es gibt und wie weit die Digitalisierung fortgeschritten ist – nicht nur in der öffentlichen Verwaltung. Die Esten sind Digital Natives, die Digitalisierung ist Teil ihrer Identität. Das war schon beeindruckend – auch wenn Esten ein etwas anderes Verhältnis zu Daten und Privatsphäre haben als wir.
Auf der anderen Seite habe ich zum Beispiel in Belarus zum ersten Mal gemerkt, wie wertvoll unsere Demokratie in Deutschland ist. Es gibt in diesem Land immer noch eine Diktatur – und wer dagegen protestiert, begibt sich in Gefahr. In Minsk habe ich einen jungen Studenten kennengelernt, der bei einer Demonstration von der Polizei verprügelt wurde und fast hinter Gittern gelandet ist. Wenn man nach einer solchen Begegnung nach Deutschland zurückkommt, merkt man erstmal, was Freiheit bedeutet.

Jonas:
Könntest du dir vorstellen, selbst mal in die Politik zu gehen?

Florian:
Nee! (überlegt einen Moment) Oder vielleicht doch? Eine Zeit lang habe ich mal darüber nachgedacht, in eine Partei einzutreten – aber nicht, um grundsätzlich in die Politik zu gehen, sondern aus dem Bedürfnis heraus, mich engagieren zu wollen und mit meinen Themen auch Handlungen zu verbinden.

Jonas:
Vielleicht funktioniert Politik in Zukunft ja anders – etwa mit mehr Volksentscheiden und weniger Parteipolitik.

Florian:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Politik besser funktioniert, wenn man alle komplizierten Fragen auf Volksentscheide überträgt. Nicht jede gesellschaftspolitische Frage lässt sich auf ein simples Ja oder Nein herunterbrechen. Das würde hauptsächlich den extremen Parteien nutzen, die genau diesen Mechanismus brauchen, um simple Antworten auf komplexe Fragen zu geben. Daher sehe ich gerade wirklich nicht, wie es anders laufen könnte.
Davon abgesehen muss ich gerade auch wieder an Estland denken: Wenn dort Wahlen sind, kann man nicht nur seine Stimme über das Handy abgeben, man hat dafür auch eine Woche lang Zeit und kann sogar seine Entscheidung nochmal ändern. Das wäre auch in Deutschland etwas, womit man mehr Beteiligung erreichen könnte.

»Nicht jede gesellschaftspolitische Frage lässt sich auf ein simples Ja oder Nein herunterbrechen.«

Jonas:
Gibt es Politiker der Gegenwart oder Vergangenheit, die dich inspirieren?

Florian:
Ich höre beispielsweise Gregor Gysi gerne zu, der auch immer ein bisschen schelmisch ist – in Verbindung mit dem Wort Inspiration ist er gerade der Einzige, der mir einfallen würde. Allerdings gibt es auch ein paar junge Politikerinnen und Politiker, die zwar nur wenige Leute kennen, die aber meiner Meinung nach echt gut sind. Sercan Aydilek von der SPD halte ich beispielsweise für einen sehr spannenden Charakter. Oder Nyke Slawik von den Grünen in Nordrhein-Westphalen, die finde ich auch gut – sie hätte die erste Trans-Frau sein können, die in einen Landtag einzieht.

Jonas:
Wenn du in die Zukunft schaust, gibt es etwas, wovor du Angst hast?

Florian:
Angst ist ein sehr großes Wort. Eine konkrete Angst habe ich momentan nicht, zumindest fällt mir keine ein. Ich würde eher sagen, dass ich mir Sorgen mache: davor, dass ich nicht mehr einfach so in meiner Bubble weiterleben kann, in der ich besoffen mit Jungs nach Hause torkeln darf und in der ich meine Freiheiten nicht aufgeben muss. Aber wir alle sind ja handlungsfähig genug und können uns dafür engagieren, dass es nicht so weit kommt.

Jonas:
Dann bleiben wir beim Optimismus: Was passiert in der Zukunft? Wohin entwickeln wir uns als Gesellschaft?

Florian:
Keine Ahnung! Ich hoffe, dass beispielsweise so etwas wie die Präsidentschaft von Donald Trump ein kurzfristiges Phänomen ist, das wieder verschwinden wird. Die Frage ist: Wovon lassen wir uns leiten: von Angst und Hass oder von Liebe und Mitgefühl? Ich bin für Letzteres.