Interview — Chiara Fleischhacker

»Sucht kommt nicht aus dem Nichts – bei niemandem«

»Vena«, der Debütfilm von Chiara Fleischhacker, erzählt die Geschichte der jungen Mutter Jenny, die zum zweiten Mal schwanger ist und dabei weiter Crystal Meth konsumiert. Mit ihrem Drama beleuchtet die Regisseurin nicht nur ein stark stigmatisiertes Milieu unserer Gesellschaft. Sie hinterlässt auch einen atemberaubend starken und bleibenden Eindruck beim Publikum. Ein Gespräch über den gesellschaftlichen Umgang mit Suchtkranken, Alleinerziehende im Filmgeschäft und ungeborene Kinder, die im Gefängnis für die Schuld ihrer Mütter büßen.

29. November 2024 — Text: Katharina Viktoria Weiß, Fotografie: Frederike van der Straeten

Jenny ist drogenabhängig, schwanger und hat bereits ein Kind. Es darf nicht mehr bei ihr leben, sondern wird von Jennys Mutter betreut, zu der das Verhältnis ambivalent ist. Der Vater des Babys in ihrem Bauch ist ebenfalls Konsument. Und auch wenn da eine Liebe ist zwischen den beiden Abhängigen: Die Sucht nimmt ihnen die Möglichkeit, wirklich aneinander zu wachsen und sich eine Zukunft aufzubauen. Dazu kommt, dass Jenny auch noch eine Haftstrafe antreten soll.

In dieser scheinbar aussichtslosen Situation findet sie in der vom Amt verordneten Hebamme eine neue Vertraute, die sie als den Menschen sieht, der sie im Kern ist. Trotz des anfänglichen Misstrauens scheint die Solidarität zwischen den beiden Frauen wie ein Licht in tiefster Dunkelheit.

All das erzählt Regisseurin Chiara Fleischhacker mit einer dokumentarischen Authentizität, die die Zuschauenden schlichtweg vergessen lässt, dass sie hier ein Stück Fiktion konsumieren. Verwurzelt ist dieser Erfolg unter anderem in zahlreichen Gesprächen und akribischen Recherchen. Dabei beobachtete sie auch Gerichtsverhandlungen, in denen Frauen wegen Straftaten angeklagt wurden, die oft im Zusammenhang mit Suchterfahrungen standen.

Im Interview teilt Chiara Fleischhacker – die die Idee zum Film übrigens hatte, als sie zu Pandemiezeiten mit ihrer Tochter im Wochenbett lag – mit uns ihre Gedanken zu Mutterschaft, Strafe und gesellschaftlicher Verantwortung.

»Ich habe meinen Selbstwert in den letzten Jahren Stück für Stück wieder aufgebaut.«

MYP Magazine:
Chiara, in was für einer Welt bist Du aufgewachsen? Hat Dein Herkunftsmilieu irgendeine Verbindung zu Jenny?

Chiara Fleischhacker:
Aufgewachsen bin ich in der kleinen Stadt Zierenberg in Hessen, direkt an Feldern, Hügeln und Wäldern. Da war nichts außer Natur – also ganz anders als der Ort, an dem „Vena“ spielt. Mit dem Gymnasium in Kassel kam allerdings eine andere Welt in mein Leben: mit Glitzer, grellen Farben und viel Make-up. Diese Welt wurde allerdings hart erstickt, als ich auf ein Sportinternat kam. Ein Freund meinte mal, dass ich in „Vena“ die Glitzer-Seite in mir wieder hochgeholt habe.

MYP Magazine:
Welche Motive und Erfahrungen, vielleicht auch Schicksalsschläge, wirken besonders auf Deinen kreativen Output ein?

Chiara Fleischhacker:
Oh, das ganze Leben und sicherlich viele Menschen, denen ich begegnet bin. Es gab sehr unterschiedliche Abschnitte in meinem Leben. Freiheit spielte in meiner Kindheit, aber auch heute noch eine große Rolle – die innere Freiheit sowie die äußere. Wir sind als Kinder unbeaufsichtigt kilometerweit draußen in der Natur herumgestreunt. Das Internat – mit seinem Anspruch an schulische und athletische Leistung – war für mich ab der 8. Klasse der komplette Kontrast dazu. Durch verschiedene Essstörungen habe ich ab der Sportschule meinen Selbstwert zerschossen, den ich in den letzten Jahren Stück für Stück wieder aufgebaut habe. Ein sehr markanter Einschnitt.
Ähnlich prägend waren zudem die Dokumentarfilme, die ich im Strafvollzug gedreht habe – sie haben mein Menschenbild stark verändert. Aber am prägendsten war es wohl für mich, Mutter einer sehr selbstbewussten Tochter zu werden und das Patriarchat sowie die Limitierungen als Frau und mittlerweile alleinerziehende Mutter zu spüren. Hier schließt sich der Kreis und ich komme zurück zum Motiv der Freiheit, das mich antreibt.

»Stigmata helfen uns vielleicht im Alltag, aber sie nehmen uns auch die Möglichkeit, die Schönheit eines Menschen zu erkennen.«

MYP Magazine:
Dein Film „Vena“ erzählt die Geschichte einer werdenden Mutter, die drogenabhängig ist. Was hat Dich inspiriert, ein derart schwieriges Thema aufzugreifen?

Chiara Fleischhacker:
Ich bin in den Stillpausen oft zu Gerichtsverhandlungen nach Erfurt gefahren, in denen Frauen angeklagt waren. Durch meine Recherchen sah ich: Ihre Straftaten fanden häufig in Kombination mit einer Suchterfahrung statt, in meiner Region war das meistens Crystal Meth. Ich fand es für die Figur Jenny spannend, dass sie bereits einen wichtigen Prozess – den Entzug und die Selbstakzeptanz – durchläuft, bevor sie in Haft ihre Tochter zur Welt bringt.
Diese Situation wirft Fragen zur Bindung auf. Und ich wollte es schaffen, einer Frau wie Jenny auf Augenhöhe zu begegnen, trotz ihres Konsums in der Schwangerschaft und ohne sie zu bewerten. Stigmata helfen uns vielleicht im Alltag, aber sie nehmen uns auch die Möglichkeit, die Schönheit eines Menschen zu erkennen. Hinzu kommt, dass ich Sucht aus eigener Erfahrung als sehr mächtiges Thema empfinde, dem man sich häufig immer noch mit einer Haltung nähert, die das Verständnis von Sucht minimiert statt maximiert.

»Für mich als alleinerziehende Mutter war es praktisch unmöglich, diese Anforderungen umzusetzen.«

MYP Magazine:
Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung?

Chiara Fleischhacker:
Davon hatten wir auf der ganzen Strecke etliche. Zunächst gab es Probleme mit der Förderung. Dann kam zum Glück Stefanie Groß vom SWR. Damit ging aber auch der Wunsch des Senders einher, die Geschichte in Baden-Württemberg zu erzählen. Für mich als alleinerziehende Mutter, die in Erfurt lebt, war es praktisch unmöglich, diese Anforderungen umzusetzen. Wir mussten ständig nach neuen Lösungen suchen, das war sehr kräftezehrend. Ich habe die Themen oft mit in den Schlaf genommen und viel nachts gearbeitet – und das in einer Situation, in der meine Tochter anfangs noch nicht in der Kita war.

»Den überladenen Drehplan haben wir alle mit unserer körperlichen und psychischen Gesundheit bezahlt.«

MYP Magazine:
Verlief wenigstens der Dreh reibungslos?

Chiara Fleischhacker:
Wir hatten am Ende ein gutes Budget, aber kurz vor Drehbeginn hieß es, dass die Kosten zu hoch wären. Also musste ich eine Woche vor der ersten Klappe das Drehbuch einkürzen. Wir sind am Ende dennoch mit einem viel zu überladenen Drehplan in die Produktion gegangen. Das haben wir alle mit unserer körperlichen und psychischen Gesundheit bezahlt, was schließlich – auch durch Corona – zu einem Drehabbruch geführt hat: Vollbremsung einer dampfenden Lokomotive! Erst Monate später und nur dank der Unterstützung eines Au-pairs für meine Tochter und mich konnten wir mit einem entschlackten Drehplan wieder einsteigen. Das war eine heilsame Erfahrung, sonst würde ich wahrscheinlich nie wieder drehen wollen.

»Wir haben einen der stärksten deutschen Kinofilme der letzten Jahre produziert und wurden von der internationalen Branche komplett ignoriert.«

MYP Magazine:
Und wie stand es mit der Postproduktion?

Chiara Fleischhacker:
Auch diese war wieder eine Herausforderung, da viele Schritte nicht in Erfurt umgesetzt werden konnten. Das bedeutete erneut viel Fremdbetreuung für meine Tochter. Die größte, letzte Herausforderung war die Festival-Auswertung: Wir haben einen der stärksten deutschen Kinofilme der letzten Jahre produziert und wurden von der internationalen Branche komplett ignoriert. Ich finde, das wirft Fragen auf. Hat es mit dem starken Frauenbild in „Vena“ zu tun oder mit dem deutschen Film? An der Qualität kann es nicht liegen…

MYP Magazine:
…das können wir bestätigen. Für was steht der Titel „Vena“ eigentlich?

Chiara Fleischhacker:
Über die vena umbilicalis, die Nabelschnurvene, wird der Fötus mit sauerstoffreichem Blut und Nährstoffen versorgt und damit eine direkte Verbindung zwischen Mutter und Kind hergestellt – die engste Verbindung ihres Lebens. Das Kind ist abhängig von seiner Mutter. Ihr Blut kann es sowohl nähren als ihm auch schaden. Die vena umbilicalis ist ein Sinnbild für das menschliche Bedürfnis nach Bindung, das in gute und schlechte Abhängigkeiten münden kann.

»Es war keine Option, eine ideale Mutter darzustellen, denn die gibt es nicht.«

MYP Magazine:
Deine Hauptfigur Jenny ist komplex und innerlich zerrissen. War es Dir wichtig, Mutterschaft abseits der idealisierten Bilder zu zeigen?

Chiara Fleischhacker:
Defintiv, wobei mir vor allem wichtig war, ein realistisches Bild von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu zeichnen. Es war keine Option, eine ideale Mutter darzustellen, denn die gibt es nicht. Wenn man sich mit der mystifizierten und idealisierten Mutterrolle beschäftigt, die in Deutschland noch sehr dominant ist, dann ist es erschreckend zu sehen, in welcher Zeit diese entstanden ist und wem sie dienlich ist. Uns Frauen auf jeden Fall nicht.
Bindung hingegen ist ein wahnsinnig wichtiges Element – und die bestimmt unser aller Leben stetig. Eine gesunde Bindung zum eigenen Kind aufzubauen und dabei nicht fehlerfrei als Elternteil zu agieren, schließt sich nicht aus. Unsere Schuldgedanken als Mütter halten uns oft davon ab, unsere eigenen bedeutenden Ziele im Leben zu verfolgen. Und das tut niemandem gut. Uns nicht, unseren Kindern nicht und auch den Partnerschaften nicht.

»Bei meiner Recherche habe ich von Wartezeiten in Entgiftungseinrichtungen erfahren, die trotz Schwangerschaft unglaublich lang sind.«

MYP Magazine:
Die Beziehung zwischen Jenny und der Familienhebamme Marla entwickelt sich auf überraschende Weise. Wolltest Du mit dieser Dynamik die Bedeutung sozialer Unterstützungssysteme hervorheben, wie sie von Hebammen und Sozialarbeiter*innen geleistet wird?

Chiara Fleischhacker:
Mir war es eher wichtig, zwei Welten zu verbinden, die wir in unseren Köpfen oft trennen, und mit Marla eine Figur zu erschaffen, die Jenny auf ihre eigene Weise erreicht. Unkonventionell, teils sogar unprofessionell, aber menschlich. Damit einher geht aber auch die Relevanz der Hilfesysteme und vor allem auch der Fakt, dass Hebammen viel mehr Arbeit tragen, da das Hilfesystem nicht komplex genug ist. Oder nicht niederschwellig genug. Bei meiner Recherche habe ich von Wartezeiten in Entgiftungseinrichtungen erfahren, die trotz Schwangerschaft unglaublich lang sind. Wenn man als Gesellschaft ernsthaft mentale Gesundheit fördern wollte, und das ist ja nicht nur ein sozialer Gedanke, gäbe es mehr Möglichkeiten für soziale Träger und Einrichtungen.

»Es braucht im pädagogischen Bereich Orte, die Kinder stärken und sie wertvoll fühlen lassen.«

MYP Magazine:
Wie denkst Du über den Umgang mit drogenabhängigen Eltern wie Jenny und ihrem Freund Bolle?

Chiara Fleischhacker:
Wir müssten alle besser an Psychotherapien gelangen, um unsere Bindungsthemen zu bearbeiten – und um damit wiederum Kinder so in die Welt begleiten zu können, dass sie sich sicher und eigenständig fühlen. Allein mit dieser Grundlage wäre man schon mal weniger anfällig für eine Suchterkrankung. Dazu gehört auch, Menschen wie Jenny und Bolle nicht zu stigmatisieren, sondern sich mit ihren Biografien und Prägungen zu befassen.
Sucht kommt nicht aus dem Nichts – bei niemandem. Und wenn wir durch unsere Prägungen mit einem geringen Selbstwert in die Welt geschickt werden, braucht es im pädagogischen Bereich Orte, die Kinder stärken und sie wertvoll fühlen lassen. Letzte Woche war ich bei einem Jugendhaus-Zirkus in einem Plattenbauviertel in Erfurt. Das war so wundervoll und so wichtig. Die Kids haben zwar Fehler gemacht, dennoch wurden sie von allen gefeiert. So ein Verhalten kann Veränderungen bringen. Am Ende haben Menschen hoffentlich die Kraft, sei es mit Hilfe von innen oder außen, sich von den Personen zu lösen, die ihnen die Energie rauben – um sich für ein Leben zu entscheiden, dass sie bestärkt und ihnen Kraft gibt.

»Wer genau hinsieht, beobachtet überall diesen Kontrast zwischen Zärtlichkeit und Verderben.«

MYP Magazine:
„Vena“ schafft es, die Figuren als liebevolle und empathische Menschen zu zeigen. Wie findest Du in Deiner Regiearbeit die Balance zwischen emotionaler Intensität und Zärtlichkeit?

Chiara Fleischhacker:
Das werde ich oft gefragt, kann ich aber nur schwer beantworten. Ist das nicht generell das Leben? Ich persönlich empfinde das Leben immer als Kontrast, gerade das macht es auch so spannend und realistisch. Durch Filme denken wir wahrscheinlich, dass es in Justizvollzugsanstalten oder in Partnerschaften, in denen Konsum stattfindet, nur Härte und Rauheit gibt. Wir sind da in unserer Wahrnehmung einfach sehr versaut – und zwar durch unsaubere Arbeit in Filmen. Wer genau hinsieht, beobachtet überall diesen Kontrast zwischen Zärtlichkeit und Verderben. Und der ermöglicht automatisch Empathie.

»In unserer Gesellschaft setzt der Selbstwert von uns Frauen sehr niedrig an.«

MYP Magazine:
In „Vena“ geht es darum, dass Veränderung auch in ausweglosen Situationen möglich ist. Glaubst Du, dass Filme wie Deiner nicht nur berühren, sondern auch echte gesellschaftliche Veränderungen anstoßen können?

Chiara Fleischhacker:
Das würde ich mir ganz, ganz stark wünschen. Was Jenny verhandelt, ist im Kern ein universelles Thema, vor allem für uns Frauen: sich selbst zu akzeptieren, für sich einzustehen und sich in gesunde Umgebungen zu begeben. In unserer Gesellschaft setzt der Selbstwert von uns Frauen sehr niedrig an. Das fängt schon mit den Kinderbüchern an, in denen die Prinzessinnen auf ihre Prinzen warten und fast alle Frauen dünn sind. Aber auch der männliche Part, Bolle, ist in seiner Zerrissenheit und Zärtlichkeit für viele Zuschauer*innen eine spannende Figur.
Davon abgesehen ist in unserer Branche das Nischendenken immer noch eine große Hürde. Teilweise erreichen die Filme gar nicht die Menschen, bei denen sie irgendeine Art von Veränderung anstoßen könnten. Das Arthousekino bewegt sich weiterhin nur innerhalb seiner Grenzen, was es aber gar nicht müsste. Mich würde interessieren, was mit Arthouse-Filmen passieren würde, wenn man sie wie kommerzielle Produktionen vermarkten könnte.

»In Haft büßt das ungeborene Kind für die Schuld der Mutter mit.«

MYP Magazine:
Dein Film behandelt gesellschaftlich relevante Themen wie etwa das Versagen von Behörden oder die Dynamik ko-abhängiger Beziehungen. Welche Rolle spielt Gesellschaftskritik in Deiner Arbeit? Und Wo siehst du die Grenzen des Films als Mittel der Kritik?

Chiara Fleischhacker:
Der Punkt, den ich wirklich stark kritisiere, ist der Umgang mit inhaftierten Schwangeren. Ein Gefängnisarzt erzählte mir mal, dass die Inhaftierung aus jeder Schwangerschaft eine Risikoschwangerschaft mache – aufgrund der hohen Stressbelastung. Damit büßt bereits das ungeborene Kind für die Schuld der Mutter mit. Dieser Missstand muss debattiert werden. Ebenso wie die Situation, dass in der Haft Mutter und Kind getrennt werden, weil es keinen Mutter-Kind-Platz gibt. Es muss gesetzlich geregelt werden, dass jede Familie einen Anspruch auf so einen Platz hat, wenn sie die Bedingungen erfüllt.

MYP Magazine:
Welche Gedanken hast Du dir während der Arbeit über das Konzept der Strafe gemacht?

Chiara Fleischhacker:
Viele. Zu diesem Thema habe ich einen Dokumentarfilm „Im Namen des Volkes“ gedreht, mit dem ich das Konzept der Strafe aus verschiedenen Perspektiven betrachtet habe. Das finde ich nach wie vor sehr spannend. Vor allem, wie paradox der theoretische Anspruch auf Resozialisierung ist, wenn man den Leuten durch Haft – und vor allem durch Ersatzfreiheitsstrafen – jegliche Möglichkeiten nimmt, wieder einen guten sozialen Status zu erreichen.

»Wir müssen uns das Selbstbewusstsein zurückzuholen, das uns seit der Kindheit wegsozialisiert wurde.«

MYP Magazine:
Selbstbestimmung ist ein zentrales Thema in „Vena“. Wie siehst Du den Kampf um Selbstbestimmung von Frauen, hier in Deutschland und weltweit?

Chiara Fleischhacker:
Diese Frage ist ein eigenes Interview wert. Vor sechs Jahren dachte ich noch, ich hätte die gleichen Chancen wie meine männlichen Regiekollegen. Weit gefehlt. Meine Rolle als Frau in unserer Gesellschaft ist mir vor allem durch meine Mutterschaft – genauer gesagt meine alleinerziehende Mutterschaft – bewusst geworden. Ich wünsche mir, dass wir auf die Kraft der Solidarität unter Frauen bauen, die ist mächtig. Und dass wir uns mit Männern umgeben, die uns schätzen und respektieren.
Ich weiß, das klingt so einfach, aber leider sind wir immer noch sehr, sehr weit entfernt von Geschlechter-Gerechtigkeit. Wo Frauen selbst ansetzen müssen: Wir müssen uns das Selbstbewusstsein zurückzuholen, das uns seit der Kindheit wegsozialisiert wurde. Dazu gehört es, als Mutter Geld zu verdienen und auch zu lernen, mit Finanzen umzugehen. Geld spielt hier eine essenzielle Rolle, denn es kann uns in wirklich schwierigen Lebenslagen Freiheit bieten. Aber in dem Zusammenhang müssen wir dafür sorgen, dass wir nicht wie selbstverständlich in Teilzeit gleiten. Außerdem müssen wir dafür kämpfen, das Geld zu verdienen, das dem Wert unserer Arbeit entspricht. Wir müssen aufhören, unbezahlte Arbeit zu leisten. Wenn wir das alles tun würden, wie weit könnten wir dann heute bereits sein…

»Vena« (116 min., Regie: Chiara Fleischhacker) seit dem 28. November 2024 im Kino.