Editorial — Tom Hegen
Zwei Grad Celsius
Fotograf Tom Hegen beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem starken Einfluss des Menschen auf die Umwelt. Mit Hilfe von Luftbildaufnahmen gelingt ihm eine besondere Abstraktion und Ästhetisierung der Natur – oder dessen, was davon übrig ist. Seine „Zwei Grad Celsius“-Serie zum Beispiel dokumentiert die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf den arktischen Eisschild.
31. August 2019 — MYP N° 26 »Stil« — Fotografie & Text: Tom Hegen
Unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau – das ist das vereinbarte Ziel, das 2015 im Rahmen des Pariser Klimaabkommens von 197 Ländern unterzeichnet wurde, um die globale Erderwärmung zu begrenzen und katastrophale Folgen des Klimawandels zu vermeiden. Weltweit ist die durchschnittliche Oberflächentemperatur bereits auf ein Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 1880 angestiegen – die Hälfte der kritischen Grenze ist bereits erreicht. Wie sehen die Folgen dieser Erwärmung genau aus?
Floating Ice: Treibende Eisscholle mit abgebrochenen Stücken in einem Schmelzwassersee auf dem arktischen Eisschild.
Der globale Meeresspiegelanstieg wird eine der größten ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein. Eine der Hauptursachen für diese Entwicklung ist das Abschmelzen von Gletschern und Eisplatten. Allein der grönländische Eisschild enthält genug Wasser, um den weltweiten Meeresspiegel um mehr als sieben Meter zu erhöhen. Zusätzlich zum Schmelzwasser dehnt sich das Meer auch durch die höheren Temperaturen aus, was den Meeresspiegel noch weiter ansteigen lässt.
Folds: Der Rand des Eisschildes, wo sich das Eis langsam über einen Gletscher in Richtung Ozean bewegt.
Flow I: Schmelzwasser strömt über das Eis, dringt in das Eis ein und fließt stromabwärts in den Ozean.
Flow II: Flusssysteme aus Schmelzwasser überziehen die Oberfläche des grönländischen Eisschildes.
Die Arktis ist der sich am schnellsten erwärmende Ort unseres Planeten und liefert den ersten Hinweis darauf, wie sich der Klimawandel auf das Ökosystem der Erde auswirkt. Der grönländische Eisschild bedeckt etwa 82 Prozent der Oberfläche Grönlands. Die Oberfläche dieses Eisschildes ist jedoch keine durchgehende Eisdecke, vielmehr ist sie – ähnlich wie ein Schweizer Käse – bedeckt mit Tausenden von saisonalen Flüssen und Seen, durch die Schmelzwasser über das Eis fließt, in das Eis eindringt und schließlich im Meer mündet.
Flow III: Schmelzendes Eis aus der Arktis trägt wesentlich zum weltweiten Anstieg des Meeresspiegels bei.
River Systems: Die Oberfläche des Eisschildes ist bedeckt mit Tausenden
von Flüssen und Seen, die über ein komplexes hydrologisches System miteinander verbunden sind.
Meltwater Pools I: Schmelzwasserbecken in Gletscherspalten, die durch Ausdehnung des Eisschildes erzeugt werden.
Meltwater Pools II: Schmelzwasserbecken in Gletscherspalten, fotografiert aus 1.100 Metern Höhe.
Das Schmelzen der Eisoberfläche beeinflusst auch, wie viel Sonnenenergie von der Eisdecke reflektiert wird – bekannt als der Albedo-Effekt: Die strahlend weiße Oberfläche des Eises reflektiert den größten Teil der Sonnenenergie. Schmelzendes Eis deckt dunkles Land, Wasser oder Meer unter sich auf, das zu mehr Absorption von Sonnenlicht und damit zu noch mehr Erwärmung und folglich einem schnelleren Schmelzprozess führt. Ein Teufelskreis mit ernsthaften Auswirkungen für Wetter und Ökosysteme.
Sinkhole: Ein Schmelzwassersee auf dem grönländischen Eisschild. Über Gletschermühlen dringt das Schmelzwasser in das Eis ein.
Floating Giant: Manche dieser Seen haben einen Durchmesser von mehr als einen Kilometer.
Meltwater Lake I: Das dunkelblaue Wasser absorbiert mehr Sonnenlicht als weißes Eis, was zu mehr Erwärmung und somit zu einem noch schnelleren Schmelzvorgang führt.
Meltwater Lake II: Die verstärkte Erwärmung durch Schmelzwasserseen wird als Eis-Albedo-Rückkopplung bezeichnet.
Der globale Meeresspiegel wird sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts voraussichtlich auf mehr als 60 Zentimeter erhöhen, was weitreichende Folgen für große Teile der Weltbevölkerung haben wird. Die „Zwei Grad Celsius“-Serie dokumentiert die Auswirkungen der globalen Erwärmung, die hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten auf der Erde verursacht wird.
Rugged I: Aufgebrochene Ufterkante mit Eisschollen in einem See auf dem arktischen Eisschild.
Rugged II: Das kristallklare Wasser macht die Strukturen am Seegrund deutlich sichtbar.
Wave: Der grönländische Eisschild allein enthält genug Wasser, um den weltweiten Meeresspiegel um mehr als sieben Meter zu erhöhen.
Vanishing Surface: Die Eisschmelze in der Arktis findet in den Sommermonaten zwischen Juni und September statt.
Opal Blue I: Im Winter frieren die Seen wieder zu einer geschlossenen Decke zu.
Opal Blue II: Risse in einem zugefrorenen See in der Arktis, fotografiert aus 900 Metern Höhe.
Shoreline: Riesige Eisschollen treiben am Ufer eines Schmelzwassersees.
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Fotografie & Text: Tom Hegen
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