Calle Hackenberg

Submission — Calle Hackenberg

Insomnia - Schönheit der Nacht

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Calle Hackenberg

Schlaflosigkeit und unruhige Nächte, in denen man aufwacht, sind ein weit verbreitetes Phänomen – Sie besitzen einen ganz eigenen Charakter. Die Ruhe und Gedrängtheit, welche die eigene Wohnung in der Nacht ausstrahlen, sind ausdrucksstarke Momente.

Sie werden in ihrer Schönheit meist durch ein Gefühl der Leere und Angst verdrängt, manchmal gar zerstört.

Diese Momente der absoluten Ruhe in tiefster Nacht sind der Kern der Serie. Hierbei wird großer Wert auf eine realistische Blickführung gelegt.
Es soll das Gefühl erweckt werden, dass man beim Betrachten der eigenen Wohnung nach dem Aufwachen hat.

Die Aufnahmeposition und das aufzunehmende Objekt ergeben sich aus der Orientierung nach dem Licht in der Nacht.
Dem Licht, das den Menschen in der Nacht umgibt. Diffus und unklar scheint es zu sein.

Nur das von außen durch Fenster eindringende Licht und das von anderen Räumen hinein oder hinaus scheinende Licht sind die Basis der Serie/Aufnahmen.

Durch gezielte Überbelichtung wird die Beleuchtung der Nacht durch das Streulicht der Umgebung dargestellt und verstärkt.

Im Kern beschäftigt sich die Serie mit der Wahrnehmung in der Nacht und der besonderen Schönheit dieser diffusen Momente.


Benedikt Amara

Submission — Calle Hackenberg

Perspektiven

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text: Benedikt Amara, Foto: Ingrid Raab

Tage werden mit unterschiedlichen Namen voneinander abgegrenzt. Der Nacht hingegen haftet immer die gleiche Benennung an. Und dennoch färben Blickwinkel ihre Finsternis mit verschiedensten Nuancen ein…„This is the rhythm of the night“:

I
Im Schutze der Dunkelheit wechseln Angestellte den Bürostuhl gegen den Barhocker, die Krawatte gegen den Party-Hut und das Beamten- gegen das Proletendeutsch. Sie legen eine Nachtschicht in Diskotheken ein und erinnern dabei keineswegs an Arbeitnehmer. Frei von ihren täglichen Pflichten setzt ihnen die Nacht eine Maske auf, damit sie sich verstecken können. Am Tage muss man Jungfrau sein, in der Nacht kann man Hure sein. Keineswegs verwunderlich, dass man sich zu „One-NIGHT-Stands“ trifft. Coronas „Because the night belongs to lovers“ wird zum Credo aller paarungswilligen Nachtschwärmer. Man merke sich: Was einem tagsüber ins Ohr geflüstert wird, ist meist geheim. Was einem nachts ins Ohr geflüstert wird, meist obszön

II
Schattige Gestalten tummeln sich vor der Bar-Theke wie das Vieh des Bauers am Futtertrog. Kapuzen überdimensionaler Capes geben nur vereinzelt Blicke auf sprödes, kaputtes Haar preis; dunkle Schatten unter den Augen, die nur schlecht von Concealer abgedeckt sind, lassen einen langen Tag vermuten. „La-Le-Lu, nur der Mann im Mond schaut“ – denkste! Heinz Rühmann würde sich im Grabe umdrehen. Hier wird man zum Voyeurismus genötigt und ist unfreiwilliger Besucher im Gruselkabinett zu Berlin. Aber dennoch tut die Nacht ihr Nötigstes, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten: Da stehen die Partyzombies von der Finsternis der Nacht umhüllt und werden in ihren kleinen Makeln vom Dunkel der späten Stunde kaschiert. Doch sollte man die Nacht nie vor dem Morgen loben: Die Nacht wird von Sonnenuntergang und –aufgang begrenzt, die vermeintliche Schönheit jener Wesen auch.

III
Zu den Gesichtsleichen im Morgenrot gesellen sich die Schnapsleichen mit Orientierungsnot. Wankend und schwankend bahnen sie sich so rücksichtslos wie ein Eisbrecher auf See einen Weg durch Gruppen nach Hause gehender Clubbesucher. Die Lichter des Fernsehturms werden zu Lichtern eines Leuchtturms und sind den verirrten Schiffchen im tobenden Gewässer Berlins ein Anker. Die animalisch anmutende Mimik und Gestik jener Schiffbrüchigen lassen vermuten, dass in dieser Nacht Vollmond gewesen sein muss. Für ein Remake von Michael Jacksons Thriller-Video wären sie allemal zu gebrauchen. Weil diese modernen Werwölfe meistens alleine mit den letzten Resten Alkohol in der Hand über den Gehweg straucheln, reden sie mit sich selbst oder grölen ein Liedchen. Ist es auf dem Land der Hahn, der den ersten Morgengruß allen Schlafenden überbringt, ist es in der Stadt der alkoholisierte Vagabund.

IV
Obwohl sie sich schon die Nacht um die Ohren geschlagen haben, ertönt aus mindestens einer Ecke des Clubs: „Nein Mann, ich will noch nicht gehen! Ich will noch‘n bisschen tanzen!“. Die Schlafverweigerer machen den Morgen zur Nacht und tanzen anderswo weiter. Sie nehmen Lady Gagas „Marry the night“ wortwörtlich und gehen den ewigen Bund der Ehe mit der Nacht ein. Ganz konservativ ziehen diese sonst so liberalen Zeitgenossen keinesfalls eine Trennung in Betracht! Sie feiern weiter, bis dass die Müdigkeit sie scheidet! Bei diesen nimmersatten Clubkids hat Morgenstund‘ aber keinesfalls Gold im Mund! Viel eher Schnee in der Nase, Engelsstaub im Blut oder Gras im Paper. Ein Ritt durch Nacht und Wind geht heut auch ohne Pferd ganz geschwind! Und dürre Blätter im säuselnden Wind sind gegenüber heutigen Trips noch recht gelind! Ein Lockruf mit Töchtern lässt Erlkönig sein und geht mit diesen untätig heim. Denn heute führen die Junkies den nächtlichen Reihn, sie wiegen und tanzen von ganz allein. Stets erreichen sie einen Berliner Hinterhof mit Müh, mit Not, und stürzen sich in aller Früh ins nächste Kulturangebot.


Carolina Harkort

Submission — Carolina Harkort

Eigene Spuren

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Carolina Harkort

Es gibt Nächte, an denen in wach im Bett liege und mir Gedanken über meine Zukunft mache. Über meine Zukunft als Fotojournalistin, als Herzblut Fotografin, als Weltenbummlerin.

Ich bin in meinen Leben nicht den graden Weg gegangen. Habe nicht nach dem Job gesucht, der mir am meisten Geld nach Hause bringt. Vielmehr habe ich versucht, das zu machen, was mich erfüllt, was meine Augen zum Strahlen bringt und mein Herz schneller schlagen lässt.
Habe mich nicht immer danach gerichtet, was mir Mensch geraten haben. Genau das hat mir ab und an auch schlaflose Nächte bereitet.

Seitdem meine Hände eine Kamera tragen können, weiß ich, dass ich Fotografin werden möchte.
Ich möchte jedoch nicht einfach schöne Dinge fotografieren: Ich möchte etwas verändern und Menschen durch meine Bilder ein Sprachrohr geben.

Es gab Nächte, an denen ich während meiner Reportagen irgendwo auf dem Boden neben Menschen lag, die unheilbar krank waren.
Neben Menschen, die an Altersarmut litten, die kein Dach über den Kopf hatten.
An solchen Nächten merke ich, was mich und mein kleines Universum wirklich glücklich macht und was ich wirklich will. Ich möchte die Geschichten von Menschen erzählen, die nicht dazu in der Lage sind.
Denen Unrecht geschieht, aber deren Stimme nicht laut genug ist, um laut aufzuschreien.

Wenn ich anderen Menschen von meinen Reisen erzähle, höre ich öfters ein: „Oh toll. Das könnte ich aber nicht.“ Und die Ungewissheit, ob ich monatlich meine Miete bezahlen könnte. Ob ich denn keine Angst hätte.

Manchmal frage ich mich, was meine Generation eigentlich will. Viele wollen etwas verändern und ihren eigenen Weg gehen, selbständig sein, ihr Leben rocken, ihre eigenen Spuren hinterlassen – aber nur wenige Menschen haben den Mut dazu.
Den Mut eigene Spuren zu setzen, auf das eigene Herz zu hören…ohne darauf zu achten, ob andere Menschen sie für verrückt erklären.

In den Nächten, wenn alles still um mich herum ist, höre ich nicht nur meinen eigenen Herzschlag, sondern fange an, mich zu fragen, ob ich ehrlich zu mir und meinem Herzen bin.

Es gibt Menschen, die viel viel mehr Geld als ich verdienen. Wenn ich sie aber frage, was sie im Leben glücklich macht, wissen sie keine Antwort.
Sie haben es einfach verlernt, auf ihr eigenes Herz zu hören, oder haben nicht die Zeit, um das zu machen, was sie wirklich bewegt. Ich frage mich, was diese Menschen am Ende ihres Lebens denken…
Liegen sie dann nachts in ihren Betten und denken “Ach hätte ich doch nur…?”


Lumen L. Lessing

Submission — Lumen L. Lessing

Sargmythos

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Lumen L. Lessing

Als die Gedankengebäude zum Thema Nacht aus meinen Erinnerungen in meinen Verstand ragten, spielten sich drei Nächte als seltsamer Panorama Split Screen alle gleichzeitig ab. Man kann es sich so vorstellen, dass das eigene Unterbewusstsein Mario Kart gegen und für sich selbst spielen möchte. Dabei ist man Verbündeter und Rivale zugleich. Ein recht merkwürdiges Erinnerungschaos jedenfalls. Um diesen Wirrwarr an Gedankenbildern Einheit zu gebieten, entschied ich mich für ein Alltagsmärchen. Zu meiner Person selbst: Ich bin eine Träumerin, weder Tag- noch Nachtträumerin, sondern Dauerträumerin. Das ist mein Wesenszug.

Am 10.10.10 wurde ich zum Geburtstag von Hiltrud eingeladen. Trotz Unwissenheit kam ich der Einladung nach. Als ich mit einer Schulkameradin eintraf, wurde ich für einige Sekunden wortleer. Es schien ein Riesenspektakel im Kleinen zu sein. Die gesamte Wohnung war eingekleidet mit Kunstwerken, Skulpturen und Fotografien. So als trüge die Wohnung einen orientalischen Mantel, den die Bewohnerin selbst gewebt, genäht und zusammen gestickt hat. Meine Augen waren nach den ersten Minuten bereits von der Vielfalt dieser Wohnung erschöpft. Doch es war eine Form der positiven Müdigkeit oder – NEIN Müdigkeit ist das falsche Wort- der visuellen Sättigung. Bevor ich nun die ersten Eindrücke irgendwie realisieren konnte, flüsterte mir die Schulkameradin zu: „ Finde den Sarg! “ Verdutzt schaute ich sie an. Sie lachte über meinen fragenden Blick. Vor allem , weil sie diesen speziellen Situationsblick an sich selbst kannte, wie sie mir anschließend zugestand. Denn die gleiche Aufgabe wurde ihr gestellt, als sie zum ersten Mal bei dieser wundersamen Frau war.

Ich glaube, nur Christopher Columbus kann nach empfinden, was ich in diesem Moment empfunden haben muss. Ich erwartete, eine alte Dame zu besuchen. Und in dieser Nacht öffnete sich mir eine völlig neue Welt. Wie einst der große Entdecker war ich auf Irrfahrt durch diese Wohnung, auf der Suche nach dem Sarg. Neben meinen Irrungen wurde auch ihr Geburtstag gefeiert. Während ich also suchend umher schaute, lernte ich allerlei Menschen kennen, unterhielt mich mit ihnen, lachte und lebte. Eine kleine Weile verging und im freudigen Trubel entdeckte ich – neben all den Statuen, Kunstwerken, Fotos, Bücher, Bildern, Installationen und Figürchen– auf dem Fußbodenteppich Teile einer Autobahn, die einst zerstört wurde. Mit dieser schön skurrilen Bodenbestattung fiel mir auf, dass jedes Zimmer dieser Wohnung mindestens einen Charakter und noch mehr Geheimnis in sich trägt (Ich habe bis heute nicht alle gelüftet und dieses Ereignis ist nun drei Jahre her.). Auf der Suche nach dem Sarg verstand ich nun die semantische Konstellation der Zimmer. So fand ich die Märchenecke: Inmitten eines etwa 6m2 kleinen Raumes stand ein ornamentaler Sessel, umgeben von kleinen Büchertürmen. Dort lauschte ich sphärischen Klängen.

Ein Mann thronte mit einem seltsamen „wok-artigem“ Instrument dort und tänzelte mit seinen Fingern darauf umher, wobei er den Wok umgekehrt auf den Knien hielt. Ich schloss die Augen und lies mir für meine Suche Zeit, verweilte bei ihm. Irgendwann verließ er seine Trance, schaute auf und sah mich an. Er erklärte mir, dass dies eine sogenannte „Hang“ sei.

Ein in Bern erfundenes Instrument, das aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten aus Stahlblech besteht. Nach einem innerem Hin und Her fragte ich ihn schließlich, ob ich auch darauf spielen durfte. Er stimmte zu. Der erste Versuch war recht holprig. Meine Finger hatten bei den Aufschlägen nicht genug Kraft gehabt, um Töne erklingen zu lassen. Im Vergleich zu mir wurden seine Bewegung mit Leichtigkeit gezeichnet. „ Es ist eine Sache der Übung. Am Anfang solltest du einfach mit dem Druck der Aufschläge rumprobieren.“, riet er mir. Gesagt, getan.

Meine ersten Töne glitten durch den Raum. Zufrieden ging ich weiter. Nachdem ich nun die Wohnung zum siebten Mal mit meinen Blicken ertastet hatte, stieß ich plötzlich auf den Sarg. Das kuriose Objekt war aufgeschnitten und wurde als Regal genutzt! Was für eine nächtliche und vor allem abenteuerliche Suche zu Menschen, Dingen und Personen bis der Mythos des Sarges gelüftet wurde. Letztlich war dieser „nur“ ein Regal im Innenleben eines Skizzenbuches, welches als Wohnung von Hiltrud Neumann bekannt ist.


Niklas Marc Heinecke

Submission — Niklas Marc Heinecke

Hamburger Asphalt

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Niklas Marc Heinecke

Hamburg. Nacht.
Das Telefon klingelt.
Bekannte Stimme, bekannter Auftrag.
Alte Erinnerungen steigen auf. Ich steige ein.
Lichter ziehen vorbei. Das Ziel ist unklar.
Es ist kalt. Ich kontrolliere mein Werkzeug.
Das Ziel: ein Ort mitten in der Zivilisation – gebaut, um einen Zweck zu erfüllen.
Wir gebaut, um diesen Zweck zu entfremden.
Ich baue Licht. Schätze ab. Kontrolliere wieder und wieder.
Menschen kommen, Menschen gehen. Unklar, was dieses Treiben bedeutet.
Ich nehme gewohnt meinen Platz auf dem Boden ein. Staub. Nass. Kalt.
Versuche den optimalen Winkel zu finden.
Wir haben wenig Zeit.
Routiniert erklingt das Rollen auf dem Asphalt.
Ich drücke ab. Zeitpunkt perfekt. Zu hell.
Ich baue um. Stelle ein. Friere ein.
Das Rollen erklingt, ich lichte ab. Gestanden, getroffen. Abbau.
Nur ein kurzer Moment. Ein Hauch der Zeit. Eingefangen. Eingeladen.
Lichter ziehen vorbei. Das Ziel ist klar.
Ich kontrolliere das Ergebnis. Retuschiere, kombiniere, schicke in die Welt.
Entspanne.
Lausche den Klängen der Straße. Gebrüll, Geschrei.
In meinem Kopf: Fragen. Fragen, die ich seit Jahren vergesse habe.
Was haben wir getan? Nacht für Nacht, auf dem Boden liegend. Zerstörend kreativ und dann zu Kunst werden lassend.
Mit dem Wissen, dass unser Treiben an vielen Orten der Welt illegal ist, ziehen wir immer wieder los, um von Menschenhand Gebautes zu entfremden.
Um es zu nutzen. Um es zu benutzen. Um es abzunutzen.
Ich dokumentiere nicht. Ich bin Teil der Situation. Teil der Konsequenzen.
Der Kopf lebte weiter. Der Körper folgte.
Das Licht geht an. Das Licht geht aus.
Ende.


Anita Schneider

Submission — Anita Schneider

Bitterer Aufstieg

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Anita Schneider

Morgengrauen, warte doch noch ein bisschen, bevor du die Banalität der Nacht mit dem pragmatischen Realismus des Tages verdrängst.

In der Nacht haben Dinge viel mehr Bedeutung. Pläne wurden abgeschlossen, die am Tag weiter verfolgt werden. Was zählt ist lediglich das Jetzt, die Umgebung, das nicht Reibungslose.

In der Nacht verschwindet die Wärme der Sonne. In der Nacht glüht die Hitze, drängt die Rastlosigkeit der Menschen. Ideen entstehen für die Geschichtsbücher.

Am Tag sind wir formal, distanziert, wir tauschen aus… schnell… Nützliches… Körperliches?… Höchstens einen Händedruck, vielleicht eine Umarmung.

In der Nacht, egal was wir machen, sich im Arm halten, uns auf die Schultern klopfen, dem anderen über das Haar streichen, mit der Faust ins Gesicht schlagen… Jenseits eines animalisch-leidenschaftlichen sexuellen Akts liegen wir gemeinsam Haut an Haut, vielleicht eine Zigarette im Mund. Wer braucht ein Dach über dem Kopf, wenn man den warmen Körper eines Geliebten neben sich hat?

Rebellion ist die Nacht, in der wir uns die Freiheit nehmen, Drinks zu trinken, draußen Autos anzuzünden oder im Fluss nackt zu baden. Zigarrenrauch, Lachen und die nackte Freude sind Teil einer Nacht, die uns wie eine nie vergehende Ewigkeit einnimmt und absorbiert. Und es ist gut. Nichts soll uns diesen Höhenflug zum Sturz bringen.

Für uns Nachtkinder ist das aufgehende Licht des Morgengrauens der bittere Abschied von einer berauschenden Welt.

Tragische Helden sind wir, die zu Boden gehen, während wir noch einen Augenblick vorher an den unendlichen Aufstieg geglaubt haben. Der Aufprall ist umso härter, je höher wir gestiegen sind.

Doch schaue dir das an! Ich erkenne, wie unumgänglich und schön diese Gegensätze sind. Ich erkenne, dass es gut ist. Weisheit braucht keinen weißen Bart, sie offenbart sich auch im Lächeln einer 21-jährigen tragischen Heldin, welche noch unzählige, ungewisse, aufregende Aufstiege vor sich hat, in Nächten wie auch an Tagen.


Petra Holländer

Submission — Petra Holländer

Ausbruch

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Petra Holländer

Ich saß im selben Raum. Wie lange wusste ich nicht, vielleicht seit Wochen oder Monaten. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Es musste mir auf dem Weg hierher aus der Tasche gefallen sein. Die Wände waren kahl wie eh und je. Kalt schauten sie auf mich herab, durchbohrten mich mit ihren kleinen schwarzen Äuglein.

Zu Beginn fühlte ich mich sehr unwohl hier. Ich wusste auch gar nicht, wie ich hierher geraten war, aber nun war ich hier und ich konnte nichts mehr daran ändern – da war ich mir ganz sicher. Aber man gewöhnt sich an alles.
Es war so still hier, so ruhig, also ob die Zeit stehen geblieben wäre. Kein Lüftchen wehte, kein Vogel zwitscherte, es war wie ausgestorben. Nur mein kleines Herz schlug, mal schneller, mal langsamer. Oft stand ich nahe am Abgrund, musste aufpassen, dass ich nicht fiel. Da begann es besonders zu schlagen.

An anderen Tagen saß ich in meinem Nest, ein Nest aus Träumen und Wünschen. Ich fühlte mich hier beschützt. Es war ein seltsamer Ort. Grau und nebelig, aber weit weg von allem. Tag und Nacht war ich hier. Ich war schwach und leer, nur mein kleines Herz schlug noch.

Eines Nachts passierte etwas Seltsames. Ich hatte einen Traum von einem hellen Licht, so schön, dass ich ihm folgen musste. Als ich aufwachte, erfüllte mich eine solche Sehnsucht, wie ich sie noch nie verspürt hatte. Etwas war in mir erwacht. Gedanken schossen mir durch den Kopf wie Blitze, ich war hellwach und voller Leben. Ich musste das Licht finden.

So quälte ich mich durch Wogen voller furchtbarer Gedanken, die sich vor mir aufbäumten, um wieder auf mich herabzustürzen. Ich lief durch Wälder, dessen Bäume nach mir griffen und kletterte über Berge, die mich gefangen nehmen wollten. Meine Flügel waren zerschunden und schmutzig, als ich endlich das kleine Licht fand. Es wartete schon lange. So lange, bis ich schließlich bemerkte, dass ich es selbst verdeckte. Dafür musste ich diesen langen Weg gehen, aber nun war ich bereit. Das Licht wurde größer und größer, bis es zu einem leuchtenden Rechteck wurde und sich ein Fenster in ihm öffnete.

Gestern Nacht entkam die kleine Krähe. Sie entkam ihr selbst. Es war ihre Nacht.


Andrew Brodhead

Submission — Andrew Brodhead

Moonlight

14. April 2013 — MYP No. 10 »My Night« — Text & Photo: Andrew Brodhead

Growing up in coastal Georgia, many of my nights were spent exploring the water, marshes, woods and beaches. As a kid my concept of the night did not go far beyond exploring new areas with my friends and finding new trouble to get in to. As I grew as an artist and then more specifically as a photographer, my appreciation for my surroundings began to grow. To me, day light reveals the obvious beauty of the coastal landscape while the night evokes a stronger feeling of my environment both past and present.

While the night may bring about associations of stillness and quiet for many people, for me the night brings about a kind of movement and restlessness that drives me to explore and produce. Between the constant movements of life in the water to the ceaseless presence of the Deep South’s dark history, the night is never without movement.

When I went to photograph sculptor and performing artist Emily Hadland’s work, the goal was to create a feeling of weightlessness and mystique. It was not until after the fact that the correlations between the night and water became so prominent. The water provided a dark and mysterious environment that makes the viewer feel immediately alone and disoriented. From her masked identity, to the ambiguous shape of the garment, she resembles a creature that could have originated from the hole above which she is hovering. The hopeful rays of moonlight that seem to cascade over her body leave the viewer to decide the outcome of what almost seems to be a power struggle between good and evil.


Marieke Mucks

Submission — Maximilian Mundt

Ich in Wiederholung

21. März 2013 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Text & Foto: Marieke Mucks

Du, mein Ritual.

Du gibst mir Halt.

Du gibst mir Licht.

Du gibst mir Alltag.

Du gibst mir Hoffnung.

Du gibst mir Sicherheit.

Du gibst mir Ordnung.

Du, mein Ritual.

Auf dich kann und

Will ich nicht verzichten.

Du, mein Ritual.


Joa Herrenknecht

Interview — Joa Herrenknecht

Entdeckungsreise

Wir lieben Menschen mit Visionen, vor allem wenn sie die kleinen Gegenstände unseres täglichen Lebens verschönern. Deshalb wollen wir euch die Produkt- und Grafikdesignerin Joa Herrenknecht vorstellen.

14. Januar 2013 — MYP No. 11 »Mein Souvenir« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Maximilian König

Wer offen ist für fremde Städte, Länder und Kulturen, der weiß, dass die wahren Schätze meist abseits allgemeiner Trampelpfade liegen. Es bedarf nur etwas Mut und Neugier, um die gewohnten Wege zu verlassen und einzutauchen in die unbekannte Welt der Seitenstraßen und Hinterhöfe. Hier verstecken sich die spannendsten Geschichten, die nur darauf warten, gefunden und gehört zu werden.

Doch um wirklich Neues zu entdecken, muss man gar nicht in die Ferne reisen: Oft genügt bereits ein kurzer Abstecher in die Nachbarschaft. Oder in den Berliner Stadtteil Friedrichshain.

Hier, wo sich die Frankfurter Allee wie eine pulsierende Hauptschlagader durch die Häuserreihen gräbt, scheint die Geburtsstätte aller geheimnishütenden Hinterhöfe zu sein. Nur wenige Schritte braucht es von der U-Bahnstation Samariterstraße, um den Lärm der großen Straße abzuschütteln und eine Oase der Ruhe zu betreten.

In dieser Hinterhofoase hat sich vor einem Jahr Joa Herrenknecht eingerichtet. Ihr Studio für Grafik- und Produktdesign liegt im ersten Stock eines stimmungsvollen Backsteinbaus. Hohe Decken und große Fenster schaffen hier großzügig Platz und Licht, um Gedanken fliegen und Ideen wachsen zu lassen.

Mit einem freundlichen Lächeln empfängt uns die junge Designerin an der Tür und gewährt uns Einlass in ihr Reich. Wie kleine Kinder in einem Süßwarenladen wissen wir gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollen: In jeder Ecke des hellen und großzügigen Studios türmen sich Kleinode aus Entwürfen, Mustern, Skizzen, Prototypen und Produkten. Man könnte hier Stunden verbringen und Tage – und hätte immer noch nicht alle Schätze entdeckt.

Auf einem Tisch in der Mitte des Raums ist gerade ein überdimensionaler Berliner Stadtplan ausgebreitet – eine Tischdecke, die Joa entworfen und gemeinsam mit ihrem Praktikanten Sep umgesetzt hat, um sie beim beBerlin Design-Souvenir Award einzureichen. Es wird ein neues Andenken für Berlin gesucht, das mehr Charakter hat als die üblichen Kitschprodukte der zahllosen Souvenirläden der Stadt. Die junge Designerin gehört zu den 20 Nominierten, die es mit ihren Ideen in die letzte Wettbewerbsrunde geschafft haben.

Jonas:
Du bist in Kanada geboren und hast bereits in Städten wie Mailand, New York oder Sydney gelebt – deine Vita liest sich wie eine kleine Weltreise.

Joa (lächelt):
Ja, das stimmt. Schon als Kind durfte ich viele verschiedene Ecken der Welt kennenlernen, weil meine Eltern oft und gerne gereist sind. Dieses Gen habe ich wohl geerbt. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich aber tatsächlich in Süddeutschland verbracht: Ich bin in unmittelbarer Nähe zur französischen und schweizer Grenze aufgewachsen und habe später dann an der HfG in Karlsruhe Produktdesign studiert.

Jonas:
Erinnerst du dich noch, warum du dich gerade für Produktdesign entschieden hast?

Joa:
Eigentlich wollte ich zuerst Architektur studieren und habe deshalb auch vor dem Studium ein Praktikum bei einem Architekten gemacht. Der hat mir aber dringend davon abgeraten, weil man als selbständiger Architekt nicht wirklich viel bauen kann, und meinte, dass Design viel interessanter und kreativer wäre.
Ich wollte immer etwas erschaffen, daher habe ich mich für Produktdesign entschieden. Im Endeffekt war diese Entscheidung auch super, weil mir das Studium total Spaß gemacht hat und es an der HfG auch viele Freiheiten, eine tolle Werkstatt und gute Profs gab. Nur bleibt nach dem Studium natürlich fast niemand dort, die meisten ziehen weg in größere Städte.

Jonas:
Dich selbst hat es ja auch nicht in Karlsruhe gehalten: Nach deinem Abschluss bist du direkt in die USA gegangen.

Joa:
Ich wollte einfach ins Ausland und bin daher für einige Zeit nach New York gezogen. Von dort ging es dann weiter nach Sydney, wo ich noch ein Grafikstudium drangehängt habe – und wo ich eigentlich auch bleiben wollte.

Jonas:
Aber?

Joa:
Ein Freund von mir wollte sich gemeinsam mit mir in Berlin selbständig machen, also bin ich letztes Jahr zurück nach Deutschland gekommen. Die Idee mit der Selbständigkeit war immer da: Mit 30 ist man für so einen Schritt im besten Alter. Und so langsam sollte man eh mal in die Puschen kommen, wenn man später eine eigene Family will.
Aber aus unserem gemeinsamen Plan wurde nichts. Und ich habe mir gedacht: Wenn ich ja eh schon hier bin, kann ich das auch einfach alleine machen.

Jonas:
Das hört sich alles sehr nach „easy going“ an.

Joa (lacht):
Ist ja auch alles nicht so schwer: Man besorgt sich ein Ticket und fliegt einfach.
Aber im Ernst: So „easy going“ ist der Schritt in die Selbständigkeit natürlich nicht, ganz im Gegenteil: Das ist eine wirklich große und wichtige Entscheidung im Leben. Letztendlich bin ich diesen Weg gegangen, weil ich nach wie vor etwas erschaffen wollte und es dazu für mich keine bessere Möglichkeit gab. Nach meinem ersten Jahr in der Selbständigkeit kann ich guten Gewissens sagen: richtige Entscheidung, super Job!

Jonas:
Zu deinem Team gehören mittlerweile zwei Praktikanten und ein Freelancer. War es schwierig, für dein Studio gute Leute zu finden?

Joa:
Nein, ganz im Gegenteil. Ich erhalte richtig viele Anfragen für Praktika. Und so blöd es sich auch anhören mag: Die momentane Wirtschaftskrise in vielen europäischen Ländern treibt die talentiertesten und motiviertesten jungen Leute nach Berlin. Die Stadt zieht einfach magisch an – wäre ich in Karlsruhe ansässig, wären die Anfragen wohl nicht so zahlreich.

Jonas:
Dieser Berlin-Faktor ist also für dein Studio ein Bonus?

Joa:
Absolut. Das Gute an Berlin ist, dass es einem eine so immense Freiheit lässt – alleine durch die Tatsache, dass das Leben hier günstig ist und man nicht im Verkehrschaos versinkt. Das wäre in New York oder London so nicht denkbar. Ich kann hier entspannt arbeiten und dabei trotzdem den internationalen Markt bedienen, meine Kunden kommen aus aller Welt.
In Berlin findet man diese besondere Kombination aus neu-deutscher Lässigkeit und urdeutscher Verlässlichkeit, das funktioniert ziemlich gut. Insgesamt steckt eine unglaubliche Kraft und Energie in der Stadt, das ist echt toll.

Ich versuche schöne Dinge zu erschaffen, an denen sich andere Menschen erfreuen oder etwas damit anfangen können.

Jonas:
Wer sich selbständig macht, sieht ja irgendwo einen Bedarf, auf den er mit seinem Angebot reagieren will. Wie sieht das bei dir aus?

Joa:
Es ist nicht so, dass die Welt unbedingt noch einen weiteren Stuhl bräuchte – das ist mir durchaus bewusst. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Meinen Beruf verstehe ich mehr als ein Geben und weniger als ein Nehmen. Ich versuche schöne Dinge zu erschaffen, an denen sich andere Menschen erfreuen oder etwas damit anfangen können. Meine Leuchten sind dafür ein gutes Beispiel, so etwas mache ich echt gerne – und bisher klappt es.

Wir unterbrechen für einen Moment, denn Joa hat vorgeschlagen, unser Gespräch im Freien fortzusetzen. Wir greifen unser Equipment und begleiten die Designerin durch eine Tür zu einer Treppe, die in die oberen Etagen des Backsteinbaus führt. Joas Kollegen fahren ihre Rechner runter und folgen uns mit Gläsern und Getränken. Es ist 18:00 Uhr, sozusagen Feierabend.

Oben angekommen öffnet man uns die Pforte ins Freie: Wir betreten eine kleine Dachterrasse, die uns einen wundervollen Blick über die Hauptstadt schenkt.

Jonas:
Du warst schon an so vielen Orten auf der Welt. Wie beeinflussen diese Reisen dein Design?

Joa:
Alles, was du gestern, heute oder morgen erlebst, geht in irgendeiner Art und Weise in deine Entwürfe ein. Denn überall, wo du auf der Welt unterwegs bist, siehst du Dinge, die du richtig gut findest und bei denen du dich fragst, wie du sie am besten in einer neuen Idee verarbeiten kannst.
Das Problem ist eigentlich nur, dass die ganzen Eindrücke und Erlebnisse eine riesige Bildersammlung in deinem Kopf erzeugen, die du erst einmal ordnen musst. Am Anfang eines neuen Projekts steht nämlich immer ein großes Fragezeichen – und du brauchst das passende Bild aus deiner Erinnerung, um dich inspirieren zu lassen das Fragezeichen aufzulösen.

Jonas:
Deine Kreativität wird also aus einer Vielzahl von Erinnerungen befeuert…

Joa:
Ja, in gewisser Weise schon. Deshalb mag ich auch unsere Idee mit dem Berliner Stadtplan in Form einer Tischdecke so, mit dem wir uns beim Design-Souvenir Award beworben haben. Es ist einfach eine schöne Vorstellung, gemeinsam am Küchentisch zu sitzen und sich gegenseitig die vielen Orte der Stadt zu zeigen, an die man ganz bestimmte Erinnerungen und Erlebnisse knüpft – das ist wie eine kleine Entdeckungsreise!
Wir haben die Tischdecke übrigens ganz bewusst von Hand gezeichnet und sie nicht klinisch rein gehalten, damit man darauf rumkritzeln oder eine Stelle einkringeln kann. In Berlin wird ja auch an jeder Ecke getagged und gesprüht.

Denn wenn draußen auf der Straße so viel los ist, braucht man einfach einen Rückzugsort, an dem man sich wohlfühlt.

Jonas:
Du hast die Stadt in den letzten Monaten sicher auch ausführlich erkundet. Stößt du hier auf viele Orte oder Dinge, bei denen du das Gefühl hast, dass sie dringend verbessert oder verschönert werden müssten?

Joa:
Ja, das passiert tatsächlich öfter. Man glaubt ja nicht, wie sehr ein Charakter von seiner Form beeinflusst wird – und welche Stimmungen diese Form erzeugen kann.
Man muss sich nur folgende drei Situationen vorstellen: Man steht in einer Bruchbude, im Supermarkt oder in einem Spa. Wenn man sich jetzt zu allen drei Orten eine Stimmung überlegen müsste, wäre dies bei jedem Ort total verschieden. Die Stimmung lässt sich variieren, indem man die Atmosphäre eines Raums verändert. Und das passiert im Wesentlichen über Formen, Farben und Licht.
Das ist übrigens dasselbe wie bei Kleidung, im Prinzip ist es alles eins. Man muss dabei nur aufpassen, dass man selbst nicht zu oberflächlich wird und beispielsweise darüber richtet, wie gut oder schlecht jemand zu Hause eingerichtet oder gekleidet ist, denn der Mensch dahinter ist natürlich immer wichtiger als die Fassade. Schönheit schützt nicht vor einem schlechten Charakter, aber das ist ja klar.
Bei meiner Arbeit geht es mir auch nicht darum, unbedingt die teuersten Gegenstände in einem Raum zusammenbringen zu müssen. Mir ist einfach wichtig, das Umfeld positiv zu beeinflussen: Wenn ich jemandem dabei helfen kann, seine Wohnung ein Stückchen schöner zu machen, freue ich mich total.
Denn wenn draußen auf der Straße so viel los ist, braucht man einfach einen Rückzugsort, an dem man sich wohlfühlt. Ästhetik kann man auch mit geringen finanziellen Mitteln schaffen – aber das Interesse dafür ist wichtig.

Jonas:
Hast du eine Vision, in welche Richtung sich dein Studio entwickeln soll?

Joa:
Ich will in Zukunft auf jeden Fall mehr selbst produzieren. Oft stehen wir vor dem Problem, dass wir einen Prototypen haben, der erfolgreich in der Presse ist, aber den wir nicht schnell genug als Endprodukt raushauen können, weil entweder ein vernünftiger Produzent fehlt oder die Einzelproduktion zu teuer ist.
Daher will ich in Zukunft mehr mit Produktionspartnern und an Wegen zur direkten Vermarktung arbeiten. Wenn jemand mich anruft und sagt, das und das will ich haben, dann will ich in der Lage sein zu sagen ‘Ja, hier gibt es das… und der Preis ist auch okay’ – Außerdem will ich gerne ein Café oder Restaurant einrichten, überhaupt wird Inneneinrichtung immer wichtiger.

Jonas:
Hast du selbst eigentlich ein Lieblingsstück?

Joa:
Als Kind hatte ich immer eine Decke, die ich so geliebt habe, dass ich mir sicher war, später mal mit ihr begraben zu werden. Und wer weiß, vielleicht interpretiere ich irgendwann mal diese Decke neu und produziere sie – es wäre überhaupt ein sehr schönes Ziel, ein Lieblingsstück für jemanden zu entwerfen.

Wir stoppen das Aufnahmegerät. Für einige Minuten lassen wir unseren Blick über die zahllosen Dächer Berlins wandern.

Wie viele Seitenstraßen und Hinterhöfe mag es noch geben in dieser Stadt? Und wie viele Schätze mögen dort wohl darauf warten, endlich entdeckt und gehoben zu werden?

Joa dreht ihr Gesicht in die Abendsonne und lächelt zufrieden. Ihre Entdeckungsreise hat gerade erst begonnen.

Dazu braucht sie keinen Stadtplan.

Aber vielleicht eine Tischdecke.