Seraina Silja Hürlimann

Submission — Seraina Silja Hürlimann

14 Stunden

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Seraina Silja Hürlimann

Das Ende beginnt mit der einen Sekunde, in der ich aus der Versenkung zurück in den Alltag geknallt werde. Beim ersten Mal bleibt es ein Versuch, denn diese wundervolle, kleine Zeitschändung vor dem definitiven Ende rettet mir weitere wertvolle Minuten. Niemals könnte ich einfach von hier auf jetzt verschwinden.

Ich tue, was ich kann, ich schände Zeit. Ich bin eine gute Zeitschänderin. Nach gefühlten zwei Minuten sind schon neunzehn weitere Minuten vergangen. Noch immer bin ich hier. Ich kann mich nicht losreißen. Klangwelten prasseln auf mich ein, doch ich will die Wahrheit nicht hören. Wir haben ja auch gute Zeiten erlebt. Damals, vor vier Stunden.

Wir haben schnell Vertrauen gefasst — seitdem jede Nacht zusammen verbracht. Ich dachte, wir ergänzen uns so gut, doch so schnell scheint alles vergessen zu sein. Mein Kopf weiß, es ist das Beste, wenn ich es jetzt beende. Doch mein Herz bleibt liegen. Ich rede mir ein, dass ich nicht fremdgehe, wir sind ja nur Freunde — mehr nicht. Wie wäre es mit ein bisschen mehr Vertrauen? Mein Kopf weiß, es ist nicht für immer. Doch mein Herz denkt: „Vierzehn Stunden ohne — wie soll das bloß gehen?“. Ich ignoriere die Klänge, doch sie quäken weiter und zwingen mich zum Schluss machen. Es ist 07.31 — Zeit zum Aufstehen.


Calle Hackenberg

Submission — Calle Hackenberg

Insomnia - Schönheit der Nacht

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Calle Hackenberg

Schlaflosigkeit und unruhige Nächte, in denen man aufwacht, sind ein weit verbreitetes Phänomen – Sie besitzen einen ganz eigenen Charakter. Die Ruhe und Gedrängtheit, welche die eigene Wohnung in der Nacht ausstrahlen, sind ausdrucksstarke Momente.

Sie werden in ihrer Schönheit meist durch ein Gefühl der Leere und Angst verdrängt, manchmal gar zerstört.

Diese Momente der absoluten Ruhe in tiefster Nacht sind der Kern der Serie. Hierbei wird großer Wert auf eine realistische Blickführung gelegt.
Es soll das Gefühl erweckt werden, dass man beim Betrachten der eigenen Wohnung nach dem Aufwachen hat.

Die Aufnahmeposition und das aufzunehmende Objekt ergeben sich aus der Orientierung nach dem Licht in der Nacht.
Dem Licht, das den Menschen in der Nacht umgibt. Diffus und unklar scheint es zu sein.

Nur das von außen durch Fenster eindringende Licht und das von anderen Räumen hinein oder hinaus scheinende Licht sind die Basis der Serie/Aufnahmen.

Durch gezielte Überbelichtung wird die Beleuchtung der Nacht durch das Streulicht der Umgebung dargestellt und verstärkt.

Im Kern beschäftigt sich die Serie mit der Wahrnehmung in der Nacht und der besonderen Schönheit dieser diffusen Momente.


Benedikt Amara

Submission — Calle Hackenberg

Perspektiven

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text: Benedikt Amara, Foto: Ingrid Raab

Tage werden mit unterschiedlichen Namen voneinander abgegrenzt. Der Nacht hingegen haftet immer die gleiche Benennung an. Und dennoch färben Blickwinkel ihre Finsternis mit verschiedensten Nuancen ein…„This is the rhythm of the night“:

I
Im Schutze der Dunkelheit wechseln Angestellte den Bürostuhl gegen den Barhocker, die Krawatte gegen den Party-Hut und das Beamten- gegen das Proletendeutsch. Sie legen eine Nachtschicht in Diskotheken ein und erinnern dabei keineswegs an Arbeitnehmer. Frei von ihren täglichen Pflichten setzt ihnen die Nacht eine Maske auf, damit sie sich verstecken können. Am Tage muss man Jungfrau sein, in der Nacht kann man Hure sein. Keineswegs verwunderlich, dass man sich zu „One-NIGHT-Stands“ trifft. Coronas „Because the night belongs to lovers“ wird zum Credo aller paarungswilligen Nachtschwärmer. Man merke sich: Was einem tagsüber ins Ohr geflüstert wird, ist meist geheim. Was einem nachts ins Ohr geflüstert wird, meist obszön

II
Schattige Gestalten tummeln sich vor der Bar-Theke wie das Vieh des Bauers am Futtertrog. Kapuzen überdimensionaler Capes geben nur vereinzelt Blicke auf sprödes, kaputtes Haar preis; dunkle Schatten unter den Augen, die nur schlecht von Concealer abgedeckt sind, lassen einen langen Tag vermuten. „La-Le-Lu, nur der Mann im Mond schaut“ – denkste! Heinz Rühmann würde sich im Grabe umdrehen. Hier wird man zum Voyeurismus genötigt und ist unfreiwilliger Besucher im Gruselkabinett zu Berlin. Aber dennoch tut die Nacht ihr Nötigstes, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten: Da stehen die Partyzombies von der Finsternis der Nacht umhüllt und werden in ihren kleinen Makeln vom Dunkel der späten Stunde kaschiert. Doch sollte man die Nacht nie vor dem Morgen loben: Die Nacht wird von Sonnenuntergang und –aufgang begrenzt, die vermeintliche Schönheit jener Wesen auch.

III
Zu den Gesichtsleichen im Morgenrot gesellen sich die Schnapsleichen mit Orientierungsnot. Wankend und schwankend bahnen sie sich so rücksichtslos wie ein Eisbrecher auf See einen Weg durch Gruppen nach Hause gehender Clubbesucher. Die Lichter des Fernsehturms werden zu Lichtern eines Leuchtturms und sind den verirrten Schiffchen im tobenden Gewässer Berlins ein Anker. Die animalisch anmutende Mimik und Gestik jener Schiffbrüchigen lassen vermuten, dass in dieser Nacht Vollmond gewesen sein muss. Für ein Remake von Michael Jacksons Thriller-Video wären sie allemal zu gebrauchen. Weil diese modernen Werwölfe meistens alleine mit den letzten Resten Alkohol in der Hand über den Gehweg straucheln, reden sie mit sich selbst oder grölen ein Liedchen. Ist es auf dem Land der Hahn, der den ersten Morgengruß allen Schlafenden überbringt, ist es in der Stadt der alkoholisierte Vagabund.

IV
Obwohl sie sich schon die Nacht um die Ohren geschlagen haben, ertönt aus mindestens einer Ecke des Clubs: „Nein Mann, ich will noch nicht gehen! Ich will noch‘n bisschen tanzen!“. Die Schlafverweigerer machen den Morgen zur Nacht und tanzen anderswo weiter. Sie nehmen Lady Gagas „Marry the night“ wortwörtlich und gehen den ewigen Bund der Ehe mit der Nacht ein. Ganz konservativ ziehen diese sonst so liberalen Zeitgenossen keinesfalls eine Trennung in Betracht! Sie feiern weiter, bis dass die Müdigkeit sie scheidet! Bei diesen nimmersatten Clubkids hat Morgenstund‘ aber keinesfalls Gold im Mund! Viel eher Schnee in der Nase, Engelsstaub im Blut oder Gras im Paper. Ein Ritt durch Nacht und Wind geht heut auch ohne Pferd ganz geschwind! Und dürre Blätter im säuselnden Wind sind gegenüber heutigen Trips noch recht gelind! Ein Lockruf mit Töchtern lässt Erlkönig sein und geht mit diesen untätig heim. Denn heute führen die Junkies den nächtlichen Reihn, sie wiegen und tanzen von ganz allein. Stets erreichen sie einen Berliner Hinterhof mit Müh, mit Not, und stürzen sich in aller Früh ins nächste Kulturangebot.


Carolina Harkort

Submission — Carolina Harkort

Eigene Spuren

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Carolina Harkort

Es gibt Nächte, an denen in wach im Bett liege und mir Gedanken über meine Zukunft mache. Über meine Zukunft als Fotojournalistin, als Herzblut Fotografin, als Weltenbummlerin.

Ich bin in meinen Leben nicht den graden Weg gegangen. Habe nicht nach dem Job gesucht, der mir am meisten Geld nach Hause bringt. Vielmehr habe ich versucht, das zu machen, was mich erfüllt, was meine Augen zum Strahlen bringt und mein Herz schneller schlagen lässt.
Habe mich nicht immer danach gerichtet, was mir Mensch geraten haben. Genau das hat mir ab und an auch schlaflose Nächte bereitet.

Seitdem meine Hände eine Kamera tragen können, weiß ich, dass ich Fotografin werden möchte.
Ich möchte jedoch nicht einfach schöne Dinge fotografieren: Ich möchte etwas verändern und Menschen durch meine Bilder ein Sprachrohr geben.

Es gab Nächte, an denen ich während meiner Reportagen irgendwo auf dem Boden neben Menschen lag, die unheilbar krank waren.
Neben Menschen, die an Altersarmut litten, die kein Dach über den Kopf hatten.
An solchen Nächten merke ich, was mich und mein kleines Universum wirklich glücklich macht und was ich wirklich will. Ich möchte die Geschichten von Menschen erzählen, die nicht dazu in der Lage sind.
Denen Unrecht geschieht, aber deren Stimme nicht laut genug ist, um laut aufzuschreien.

Wenn ich anderen Menschen von meinen Reisen erzähle, höre ich öfters ein: „Oh toll. Das könnte ich aber nicht.“ Und die Ungewissheit, ob ich monatlich meine Miete bezahlen könnte. Ob ich denn keine Angst hätte.

Manchmal frage ich mich, was meine Generation eigentlich will. Viele wollen etwas verändern und ihren eigenen Weg gehen, selbständig sein, ihr Leben rocken, ihre eigenen Spuren hinterlassen – aber nur wenige Menschen haben den Mut dazu.
Den Mut eigene Spuren zu setzen, auf das eigene Herz zu hören…ohne darauf zu achten, ob andere Menschen sie für verrückt erklären.

In den Nächten, wenn alles still um mich herum ist, höre ich nicht nur meinen eigenen Herzschlag, sondern fange an, mich zu fragen, ob ich ehrlich zu mir und meinem Herzen bin.

Es gibt Menschen, die viel viel mehr Geld als ich verdienen. Wenn ich sie aber frage, was sie im Leben glücklich macht, wissen sie keine Antwort.
Sie haben es einfach verlernt, auf ihr eigenes Herz zu hören, oder haben nicht die Zeit, um das zu machen, was sie wirklich bewegt. Ich frage mich, was diese Menschen am Ende ihres Lebens denken…
Liegen sie dann nachts in ihren Betten und denken “Ach hätte ich doch nur…?”


Lumen L. Lessing

Submission — Lumen L. Lessing

Sargmythos

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Lumen L. Lessing

Als die Gedankengebäude zum Thema Nacht aus meinen Erinnerungen in meinen Verstand ragten, spielten sich drei Nächte als seltsamer Panorama Split Screen alle gleichzeitig ab. Man kann es sich so vorstellen, dass das eigene Unterbewusstsein Mario Kart gegen und für sich selbst spielen möchte. Dabei ist man Verbündeter und Rivale zugleich. Ein recht merkwürdiges Erinnerungschaos jedenfalls. Um diesen Wirrwarr an Gedankenbildern Einheit zu gebieten, entschied ich mich für ein Alltagsmärchen. Zu meiner Person selbst: Ich bin eine Träumerin, weder Tag- noch Nachtträumerin, sondern Dauerträumerin. Das ist mein Wesenszug.

Am 10.10.10 wurde ich zum Geburtstag von Hiltrud eingeladen. Trotz Unwissenheit kam ich der Einladung nach. Als ich mit einer Schulkameradin eintraf, wurde ich für einige Sekunden wortleer. Es schien ein Riesenspektakel im Kleinen zu sein. Die gesamte Wohnung war eingekleidet mit Kunstwerken, Skulpturen und Fotografien. So als trüge die Wohnung einen orientalischen Mantel, den die Bewohnerin selbst gewebt, genäht und zusammen gestickt hat. Meine Augen waren nach den ersten Minuten bereits von der Vielfalt dieser Wohnung erschöpft. Doch es war eine Form der positiven Müdigkeit oder – NEIN Müdigkeit ist das falsche Wort- der visuellen Sättigung. Bevor ich nun die ersten Eindrücke irgendwie realisieren konnte, flüsterte mir die Schulkameradin zu: „ Finde den Sarg! “ Verdutzt schaute ich sie an. Sie lachte über meinen fragenden Blick. Vor allem , weil sie diesen speziellen Situationsblick an sich selbst kannte, wie sie mir anschließend zugestand. Denn die gleiche Aufgabe wurde ihr gestellt, als sie zum ersten Mal bei dieser wundersamen Frau war.

Ich glaube, nur Christopher Columbus kann nach empfinden, was ich in diesem Moment empfunden haben muss. Ich erwartete, eine alte Dame zu besuchen. Und in dieser Nacht öffnete sich mir eine völlig neue Welt. Wie einst der große Entdecker war ich auf Irrfahrt durch diese Wohnung, auf der Suche nach dem Sarg. Neben meinen Irrungen wurde auch ihr Geburtstag gefeiert. Während ich also suchend umher schaute, lernte ich allerlei Menschen kennen, unterhielt mich mit ihnen, lachte und lebte. Eine kleine Weile verging und im freudigen Trubel entdeckte ich – neben all den Statuen, Kunstwerken, Fotos, Bücher, Bildern, Installationen und Figürchen– auf dem Fußbodenteppich Teile einer Autobahn, die einst zerstört wurde. Mit dieser schön skurrilen Bodenbestattung fiel mir auf, dass jedes Zimmer dieser Wohnung mindestens einen Charakter und noch mehr Geheimnis in sich trägt (Ich habe bis heute nicht alle gelüftet und dieses Ereignis ist nun drei Jahre her.). Auf der Suche nach dem Sarg verstand ich nun die semantische Konstellation der Zimmer. So fand ich die Märchenecke: Inmitten eines etwa 6m2 kleinen Raumes stand ein ornamentaler Sessel, umgeben von kleinen Büchertürmen. Dort lauschte ich sphärischen Klängen.

Ein Mann thronte mit einem seltsamen „wok-artigem“ Instrument dort und tänzelte mit seinen Fingern darauf umher, wobei er den Wok umgekehrt auf den Knien hielt. Ich schloss die Augen und lies mir für meine Suche Zeit, verweilte bei ihm. Irgendwann verließ er seine Trance, schaute auf und sah mich an. Er erklärte mir, dass dies eine sogenannte „Hang“ sei.

Ein in Bern erfundenes Instrument, das aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten aus Stahlblech besteht. Nach einem innerem Hin und Her fragte ich ihn schließlich, ob ich auch darauf spielen durfte. Er stimmte zu. Der erste Versuch war recht holprig. Meine Finger hatten bei den Aufschlägen nicht genug Kraft gehabt, um Töne erklingen zu lassen. Im Vergleich zu mir wurden seine Bewegung mit Leichtigkeit gezeichnet. „ Es ist eine Sache der Übung. Am Anfang solltest du einfach mit dem Druck der Aufschläge rumprobieren.“, riet er mir. Gesagt, getan.

Meine ersten Töne glitten durch den Raum. Zufrieden ging ich weiter. Nachdem ich nun die Wohnung zum siebten Mal mit meinen Blicken ertastet hatte, stieß ich plötzlich auf den Sarg. Das kuriose Objekt war aufgeschnitten und wurde als Regal genutzt! Was für eine nächtliche und vor allem abenteuerliche Suche zu Menschen, Dingen und Personen bis der Mythos des Sarges gelüftet wurde. Letztlich war dieser „nur“ ein Regal im Innenleben eines Skizzenbuches, welches als Wohnung von Hiltrud Neumann bekannt ist.


Niklas Marc Heinecke

Submission — Niklas Marc Heinecke

Hamburger Asphalt

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Niklas Marc Heinecke

Hamburg. Nacht.
Das Telefon klingelt.
Bekannte Stimme, bekannter Auftrag.
Alte Erinnerungen steigen auf. Ich steige ein.
Lichter ziehen vorbei. Das Ziel ist unklar.
Es ist kalt. Ich kontrolliere mein Werkzeug.
Das Ziel: ein Ort mitten in der Zivilisation – gebaut, um einen Zweck zu erfüllen.
Wir gebaut, um diesen Zweck zu entfremden.
Ich baue Licht. Schätze ab. Kontrolliere wieder und wieder.
Menschen kommen, Menschen gehen. Unklar, was dieses Treiben bedeutet.
Ich nehme gewohnt meinen Platz auf dem Boden ein. Staub. Nass. Kalt.
Versuche den optimalen Winkel zu finden.
Wir haben wenig Zeit.
Routiniert erklingt das Rollen auf dem Asphalt.
Ich drücke ab. Zeitpunkt perfekt. Zu hell.
Ich baue um. Stelle ein. Friere ein.
Das Rollen erklingt, ich lichte ab. Gestanden, getroffen. Abbau.
Nur ein kurzer Moment. Ein Hauch der Zeit. Eingefangen. Eingeladen.
Lichter ziehen vorbei. Das Ziel ist klar.
Ich kontrolliere das Ergebnis. Retuschiere, kombiniere, schicke in die Welt.
Entspanne.
Lausche den Klängen der Straße. Gebrüll, Geschrei.
In meinem Kopf: Fragen. Fragen, die ich seit Jahren vergesse habe.
Was haben wir getan? Nacht für Nacht, auf dem Boden liegend. Zerstörend kreativ und dann zu Kunst werden lassend.
Mit dem Wissen, dass unser Treiben an vielen Orten der Welt illegal ist, ziehen wir immer wieder los, um von Menschenhand Gebautes zu entfremden.
Um es zu nutzen. Um es zu benutzen. Um es abzunutzen.
Ich dokumentiere nicht. Ich bin Teil der Situation. Teil der Konsequenzen.
Der Kopf lebte weiter. Der Körper folgte.
Das Licht geht an. Das Licht geht aus.
Ende.


Anita Schneider

Submission — Anita Schneider

Bitterer Aufstieg

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Anita Schneider

Morgengrauen, warte doch noch ein bisschen, bevor du die Banalität der Nacht mit dem pragmatischen Realismus des Tages verdrängst.

In der Nacht haben Dinge viel mehr Bedeutung. Pläne wurden abgeschlossen, die am Tag weiter verfolgt werden. Was zählt ist lediglich das Jetzt, die Umgebung, das nicht Reibungslose.

In der Nacht verschwindet die Wärme der Sonne. In der Nacht glüht die Hitze, drängt die Rastlosigkeit der Menschen. Ideen entstehen für die Geschichtsbücher.

Am Tag sind wir formal, distanziert, wir tauschen aus… schnell… Nützliches… Körperliches?… Höchstens einen Händedruck, vielleicht eine Umarmung.

In der Nacht, egal was wir machen, sich im Arm halten, uns auf die Schultern klopfen, dem anderen über das Haar streichen, mit der Faust ins Gesicht schlagen… Jenseits eines animalisch-leidenschaftlichen sexuellen Akts liegen wir gemeinsam Haut an Haut, vielleicht eine Zigarette im Mund. Wer braucht ein Dach über dem Kopf, wenn man den warmen Körper eines Geliebten neben sich hat?

Rebellion ist die Nacht, in der wir uns die Freiheit nehmen, Drinks zu trinken, draußen Autos anzuzünden oder im Fluss nackt zu baden. Zigarrenrauch, Lachen und die nackte Freude sind Teil einer Nacht, die uns wie eine nie vergehende Ewigkeit einnimmt und absorbiert. Und es ist gut. Nichts soll uns diesen Höhenflug zum Sturz bringen.

Für uns Nachtkinder ist das aufgehende Licht des Morgengrauens der bittere Abschied von einer berauschenden Welt.

Tragische Helden sind wir, die zu Boden gehen, während wir noch einen Augenblick vorher an den unendlichen Aufstieg geglaubt haben. Der Aufprall ist umso härter, je höher wir gestiegen sind.

Doch schaue dir das an! Ich erkenne, wie unumgänglich und schön diese Gegensätze sind. Ich erkenne, dass es gut ist. Weisheit braucht keinen weißen Bart, sie offenbart sich auch im Lächeln einer 21-jährigen tragischen Heldin, welche noch unzählige, ungewisse, aufregende Aufstiege vor sich hat, in Nächten wie auch an Tagen.


Petra Holländer

Submission — Petra Holländer

Ausbruch

14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text & Foto: Petra Holländer

Ich saß im selben Raum. Wie lange wusste ich nicht, vielleicht seit Wochen oder Monaten. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Es musste mir auf dem Weg hierher aus der Tasche gefallen sein. Die Wände waren kahl wie eh und je. Kalt schauten sie auf mich herab, durchbohrten mich mit ihren kleinen schwarzen Äuglein.

Zu Beginn fühlte ich mich sehr unwohl hier. Ich wusste auch gar nicht, wie ich hierher geraten war, aber nun war ich hier und ich konnte nichts mehr daran ändern – da war ich mir ganz sicher. Aber man gewöhnt sich an alles.
Es war so still hier, so ruhig, also ob die Zeit stehen geblieben wäre. Kein Lüftchen wehte, kein Vogel zwitscherte, es war wie ausgestorben. Nur mein kleines Herz schlug, mal schneller, mal langsamer. Oft stand ich nahe am Abgrund, musste aufpassen, dass ich nicht fiel. Da begann es besonders zu schlagen.

An anderen Tagen saß ich in meinem Nest, ein Nest aus Träumen und Wünschen. Ich fühlte mich hier beschützt. Es war ein seltsamer Ort. Grau und nebelig, aber weit weg von allem. Tag und Nacht war ich hier. Ich war schwach und leer, nur mein kleines Herz schlug noch.

Eines Nachts passierte etwas Seltsames. Ich hatte einen Traum von einem hellen Licht, so schön, dass ich ihm folgen musste. Als ich aufwachte, erfüllte mich eine solche Sehnsucht, wie ich sie noch nie verspürt hatte. Etwas war in mir erwacht. Gedanken schossen mir durch den Kopf wie Blitze, ich war hellwach und voller Leben. Ich musste das Licht finden.

So quälte ich mich durch Wogen voller furchtbarer Gedanken, die sich vor mir aufbäumten, um wieder auf mich herabzustürzen. Ich lief durch Wälder, dessen Bäume nach mir griffen und kletterte über Berge, die mich gefangen nehmen wollten. Meine Flügel waren zerschunden und schmutzig, als ich endlich das kleine Licht fand. Es wartete schon lange. So lange, bis ich schließlich bemerkte, dass ich es selbst verdeckte. Dafür musste ich diesen langen Weg gehen, aber nun war ich bereit. Das Licht wurde größer und größer, bis es zu einem leuchtenden Rechteck wurde und sich ein Fenster in ihm öffnete.

Gestern Nacht entkam die kleine Krähe. Sie entkam ihr selbst. Es war ihre Nacht.


Andrew Brodhead

Submission — Andrew Brodhead

Moonlight

14. April 2013 — MYP No. 10 »My Night« — Text & Photo: Andrew Brodhead

Growing up in coastal Georgia, many of my nights were spent exploring the water, marshes, woods and beaches. As a kid my concept of the night did not go far beyond exploring new areas with my friends and finding new trouble to get in to. As I grew as an artist and then more specifically as a photographer, my appreciation for my surroundings began to grow. To me, day light reveals the obvious beauty of the coastal landscape while the night evokes a stronger feeling of my environment both past and present.

While the night may bring about associations of stillness and quiet for many people, for me the night brings about a kind of movement and restlessness that drives me to explore and produce. Between the constant movements of life in the water to the ceaseless presence of the Deep South’s dark history, the night is never without movement.

When I went to photograph sculptor and performing artist Emily Hadland’s work, the goal was to create a feeling of weightlessness and mystique. It was not until after the fact that the correlations between the night and water became so prominent. The water provided a dark and mysterious environment that makes the viewer feel immediately alone and disoriented. From her masked identity, to the ambiguous shape of the garment, she resembles a creature that could have originated from the hole above which she is hovering. The hopeful rays of moonlight that seem to cascade over her body leave the viewer to decide the outcome of what almost seems to be a power struggle between good and evil.


Marieke Mucks

Submission — Maximilian Mundt

Ich in Wiederholung

21. März 2013 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Text & Foto: Marieke Mucks

Du, mein Ritual.

Du gibst mir Halt.

Du gibst mir Licht.

Du gibst mir Alltag.

Du gibst mir Hoffnung.

Du gibst mir Sicherheit.

Du gibst mir Ordnung.

Du, mein Ritual.

Auf dich kann und

Will ich nicht verzichten.

Du, mein Ritual.