Marc Cantarellas-Calvó

Submission — Marc Cantarellas Calvó

Gefesselt (innerer Monolog)

3. Mai 2014 — MYP No. 13 »Meine Wut« — Text & Foto: Marc Cantarellas-Calvó

Jetzt sitz‘ ich hier wieder vor dem leeren Blatt Papier. Gefesselt von meinen Gedanken, meinen Selbsterwartungen, etwas Großes zu schaffen. Von außen regungslos und kalt wie das bleich-weiße Blatt vor mir, aber Innen herrscht die Unruhe der Unzufriedenheit, die Angst, meinen Erwartungen nicht standzuhalten. Tobende Hitze; von Pulsschlag zu Pulsschlag donnert es der Deadline entgegen. Wut macht sich breit, übernimmt die Kontrolle über mich, über mein Bewusstsein: Ich kann nicht mehr klar denken, ich sehe alles verzerrt, ich bin wütend! Wie Seile schneiden und zerren diese Gedanken in mir – der größte Kampf: der Kampf mit mir selbst.

Durchhalten, weiter machen, weiter kämpfen… durch die Schlacht bis zu diesem einen Punkt!

Neue Welten entdecken – dorthin wo noch keiner seine Spuren hinterlassen hat. Die Kraft meiner Vorstellung mit meiner Leidenschaft bündeln und zu 1.000 Prozent an sich glauben. Meine Erfahrungen aufgestellt als Gefährten, die mich auf meinem Weg begleiten. Und den Pfad zu bestreiten und seine eigene Grenze zu überschreiten, um ein ungeahntes Level zu erreichen, wo nun klar wird, dass alles möglich ist, wenn man nur will – wo sich die ganze Kraft bündelt und Großes erreicht werden kann.

Um Sachen zu schaffen, die noch keiner gesehen hat, muss man Sachen machen, die nicht „normal“ sind, muss man Sachen machen, die keiner macht.

Durchhalten, weitermachen, weiter kämpfen… bis zu diesem einen Punkt – der Punkt, wo sich die Fesseln lösen, die Seile sich zu Zügeln schmieden und ich Herr meiner Gedanken werde: Herr meiner Selbstzweifel, meiner Unsicherheit, meiner Unzufriedenheit. Mache diese schwarzen Gedanken zu Marionetten meines Kampfes und bekämpfe Feuer mit Feuer. Von der Idee bis zum letzten Strich.

Mit jedem neuen Werk bestreite ich ein neues Gefecht – von Projekt zu Projekt. Jedes Mal auf ein Neues, jedes Mal ein neuer Kampf. Doch ich weiß, ich muss da jedes Mal durch – Nein! Ich WILL da jedes Mal durch!

Durchhalten, weitermachen, weiter kämpfen… bis zu diesem einen Punkt!

Den reißenden Weg durch all‘ die Gedanken, das Zerren und Ziehen, um mein Ziel zu erreichen: Das Ziel meiner Zufriedenheit!


Sarah Victoria Schalow

Submission — Sarah Victoria Schalow

Schatten der Wut

3. Mai 2014 — MYP No. 13 »Meine Wut« — Text: Sarah Victoria Schalow, Foto: Andreas Schlieter

Die Wut, die tragen wir in uns. Sie gehört zu uns, ist unser Motor, treibt uns an. Wir sind wütend, noch ganz klein, weil wir mit unserer kleinen Schwester die Bonbons teilen müssen, weil wir nicht das Traumspielzeug vom Weihnachtsmann bekommen, ohne das wir nicht leben können, weil Sailor Moon abgesetzt wird.

Wir sind wütend, weil wir nicht, wie alle unsere Freunde auch, bis Mitternacht draußen bleiben dürfen, weil wir nicht diesen ultrasüßen Typen treffen dürfen, keine Festivals stürmen und nicht nach Spanien trampen dürfen, weil sich `Take That` trennt, ohne uns zu fragen, weil wir nur ne 3 in Mathe bekommen, obwohl wir definitiv ne 2 verdient haben, weil die beste Freundin immer alles nachkauft.

Wir sind wütend, weil wir von hunderten Bewerbern nicht die bezahlbare Bude in bester Lage bekommen, weil unser NC nicht für das Psychologiestudium reicht, weil immer die anderen auf der „sunny side of life“ stehen, weil wir keine size zero sind und unsere Herzensangelegenheit, der Eine für´s momentane Leben, einer gemeinsamen Zukunft keine Chance geben kann oder will.
Und oftmals, wenn wir uns ganz ehrlich anschauen, sind wir wütend auf uns selbst. Weil wir viele Dinge ändern können und es nicht tun und weil wir andere Dinge nicht verhindern können und es nicht akzeptieren wollen.

Wut, in gesundem Maße, hält uns lebendig und in Bewegung. Sie zeigt uns, wie sehr wir Dinge, Erlebnisse und Liebschaften wollen und begehren.

Ich mag meine Wut. Mittlerweile. Und habe ihr ein Zimmer hergerichtet. Ab und zu besucht sie mich und bleibt nie lang. Und immer, jedes Mal, hinterlässt sie etwas.Fotos, Poster, Konzertkarten, getrocknete Blumen, Briefe, Zeugnisse, Annoncen, Kleidung, zerplatzte Seifenblasen. Kleine Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit und Grundsteine neuer Wünsche und Träume, die zunächst Schatten meiner Wut sind, dann leise flüsternde Geheimnisse werden, um schließlich zu greifbaren, kunterbunt glitzernden Formulierungen heranzuwachsen.

Also lass uns einfach unheimlich wütend sein, lass uns unbegrenzt liebend sein, lass uns unaussprechlich glücklich sein.

Denn verlieren wie unsere Wut, verlieren wir unsere Liebe.


Benjamin Hanus

Submission — Benjamin Hanus

Die kleinen Dinge

3. Mai 2014 — MYP No. 13 »Meine Wut« — Text: Benjamin Hanus, Foto: Ines Heidrich

Ob ich wütend bin? Nein. Im Moment nicht. Im Moment liege ich auf einer Wiese in der Sonne, schwitze, leere ein Getränk nach dem anderen, esse gesalzene Pistazien, höre den Vögeln beim Singen zu und gebe mein Bestes diesen Text über Wut zu schreiben. Gar nicht mal so einfach bei der ganzen Harmonie, die mich hier zu umgeben scheint. Neben meinem Notizbuch macht sich eine Biene auf einer Löwenzahnblüte zu schaffen. Aufgeregt sitzt und brummt sie auf der gelben Blüte und sammelt fleißig den Blütenstaub ein. Gegenüber rollt, leise summend, eingepackt in eine Regenjacke und ausgestattet mit Schal und Mütze, ein Rollstuhlfahrer den Hügel hinauf. Und nebenan unterhalten sich zwei Männer, die sich augenscheinlich zufällig getroffen haben, über ihre Wochenendpläne. Für einen Augenblick verliere ich die Konzentration und vergesse warum ich hier liege. Ob ich wütend bin? Ich war selten entspannter.

Die Sonne versteckt sich hinter einer herannahenden Wolkenwand, die angrenzende Kirche spielt ein lautes Solo und die an- und abschwellenden Polizeisirenen lassen zum ersten Mal so etwas wie Ärger aufkommen. Na also, denke ich mir, jetzt kommen wir der Sache näher. Das Singen der Vögel hat sich zu einem sich überschneidenden Chaos aus Schreien und Pfeifen entwickelt. Reihenweise gezückte Handys, raschelnde Brötchentüten und der in meine Richtung durch die Luft wabernde Duft von Grillanzündern und verbranntem Fleisch, lassen meine innere Ruhe endgültig zerplatzen. Ob ich wütend bin? Ich denke ich mache unglaubliche Fortschritte.

Die Sonne lässt sich nun gar nicht mehr blicken und meine Blase, bis zum Anschlag gefüllt mit dem Inhalt von unzähligen geleerten Dosen, sendet in immer kleiner werdenden Abständen eindeutige Signale. Die von den herumliegenden Pistazienschalen und den klebrigen Resten der leeren Koffeingranaten angelockten Ameisen und die andauernd vor mir auf- und abziehenden Grillfraktionen geben meiner bereits mehrfach angezählten Laune den Rest. Mit einem beherzten Sprung stürzt sie sich vom Kap der schlechten Laune und schlägt mit einem leisen, monotonen Schnauben an einer ohrenbetäubend lauten Kreuzung auf.

Eine Gruppe von alten Männern wartet dort an einer roten Ampel darauf, dass diese auf Grün schaltet. Ihrer Unterhaltung entnehme ich, dass sie hier schon länger stehen. Mein Blick wandert ungeduldig an der Gruppe vorbei, bleibt für einen kurzen Moment im hämischen Licht der roten Ampel hängen und verhakt sich endgültig auf dem gelben, unbenutzten Ampelschalter.

Ich presse die Lippen aufeinander und versuche nicht die Beherrschung zu verlieren, als sich die Ampel, etliche Sekunden später, wie von Geisterhand dazu entschließt, uns mit Grün die Weiterreise zu gewähren und die Herren sich mit der stoischen Ruhe eines alten Berges schließlich in Bewegung setzen, um gemächlich die Straße zu überqueren. So langsam, dass die Ampel auf halber Strecke erneut ihre Meinung ändert, zurück auf Rot schaltet und die Männer im wahrsten Sinne des Wortes in einem unguten Licht erscheinen lässt. Begleitet vom Hupen und Fluchen der sich angestauten und wartenden Autofahrer, aber vollkommen unbeeindruckt, setzt die Gruppe ihre Reise auf der anderen Straßenseite fort und verschwindet schließlich im Licht der zurückgekehrten Abendsonne.

Verblüfft von soviel Gelassenheit, verharre ich nicht nur am Ort meiner Beobachtung, sondern ich lasse neben der langsam vor mir dahin fließenden Blechlawine, auch meine schlechte Laune vorbeiziehen. Ob ich wütend bin? Nein. Im Moment nicht. Im Moment stehe ich an einer roten Ampel und genieße die Ruhe.


MYP13 – Prolog "Meine Sehnsucht"

Editorial — MYP Magazine N° 13

Prolog »Meine Sehnsucht«

19. Januar 2014 — Muriel Wimmer fotografiert von Maximilian König

— Muriel Wimmer im Interview


Muriel Wimmer

Interview — Muriel Wimmer

Saudade de Berlim

Saudade – Schauspielerin Muriel Wimmer hat portugiesische Wurzeln und kennt diesen landesty-pischen Begriff für Sehnsucht ganz genau. Wir sind mit ihr ans Meer gefahren und sprechen mit ihr über die „Zehn wichtigsten Wörter des Lebens“, die einst Albert Camus formuliert hat.

19. Januar 2014 — MYP N° 13 »Meine Sehnsucht« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Maximilian König

Warum die Dinge sind, wie sie sind – wer weiß das schon. Es ist auch nicht wichtig. Denn nichts ist wirklich wichtig in diesem Moment, nichts kann in seiner Bedeutung gerade mithalten mit dieser berauschenden Unendlichkeit, die eine graugrüne Brücke baut zwischen unseren Augen und dem Horizont – und die unsere Beine mit kaltem Salzwasser umspült, wenn wir nicht schnell genug zurückweichen.

An diesem letzten Tag im November ist die Ostsee rau und unberechenbar – und dabei wunderschön. Auf ihren Wellen reitet ein eisiger Wind, den sie vorbei an unseren Nasen und Wangen ins dicht bewachsene Hinterland jagt. Gemeinsam mit der jungen Schauspielerin Muriel Wimmer stehen wir am Strand von Ahrenshoop, blicken fasziniert und voller Ehrfurcht aufs Wasser – und schweigen. Sekundenlang, minutenlang? Die Zeit hat aufgehört zu existieren, ist ertrunken in den dunklen Tiefen der Ostsee.

Hier, an einem der nördlichsten Punkte Deutschlands, scheint die Natur eine perfekte Balance gefunden zu haben zwischen dem großen Ganzen und den kleinsten Details, zwischen leuchtend und blass, zwischen ewig und vergänglich, zwischen Leben und Tod. Vielleicht sind es diese Gegensätze, die an einem solchen Ort ein tiefes Gefühl der Sehnsucht aus der Seele kitzeln.

Berlin, fünf Wochen später.

Das neue Jahr ist noch nicht wirklich in die Gänge gekommen und wirkt ein wenig lustlos. Sogar die Hackeschen Höfe im Herzen von Mitte wirken an dem heutigen Januarnachmittag unerwartet leer: Kein Krieg der Einkaufstaschen, keine Schlange bis zur Tür bei Starbucks.

Wir wagen es, für einen Moment innezuhalten, die Augen zu schließen und uns die Bilder der Ostsee wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ein leises Rauschen durchfährt unsere Ohren – natürlich pure Einbildung, aber dafür eine schöne.

Als wir die Augen wieder öffnen, steht plötzlich Muriel vor uns, mit der wir uns zum Interview verabredet haben. Sichtlich erholt und mit leichter Sonnenbräune wirft sie uns ein freundliches Lächeln entgegen – die junge Schauspielerin war zwischenzeitlich einige Wochen in Thailand. Wir betreten das wenige Meter entfernte Restaurant PanAsia, das für die nächsten beiden Stunden Teil unserer Exit-Strategie aus dem Berliner Januargrau sein soll.

Jonas:
Vor wenigen Tagen bist du von einem mehrwöchigen Thailandurlaub zurückgekehrt. Welche Eindrücke hast du mitgebracht?

Muriel:
Die Zeit in Thailand war wunderschön und sehr beeindruckend. Ich hatte unter anderem die Gelegenheit, einen Tag lang einen Nationalpark gut eine Stunde vor der Küste von Koh Samui zu erkunden. Die Fläche dieses Nationalparks ist zu etwa 90 Prozent mit Wasser bedeckt, die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf über 40 kleine Inseln. Die meisten davon sind unbewohnt und absolut naturbelassen. Es war ein seltsames Gefühl, diese vielen Flecken Erde zu sehen, auf die noch kein Mensch zuvor einen Fuß gesetzt hat.
Insgesamt hat mir Thailand sehr geholfen, etwas Ruhe zu finden und einen gewissen Abstand zu Berlin zu gewinnen. Interessanterweise hatte ich aber nach zwei Wochen nicht mehr das Gefühl, länger bleiben zu müssen – und plötzlich habe mich wieder total nach der Hauptstadt gesehnt.

Jonas:
Was genau hast du an Berlin so vermisst?

Muriel:
Ich bin vor wenigen Monaten aus der Wohnung meiner Mutter in Pankow ausgezogen und habe im Prenzlauer Berg mit zwei Freundinnen eine WG gegründet. Dort habe ich mir zum ersten Mal im Leben einen Raum geschaffen, der mir ganz alleine gehört.
Zwar war es bei meiner Mutter wirklich schön, aber ich hatte das Gefühl, dass es für mich an der Zeit ist auszuziehen. In meinem Kopf habe ich einfach nicht mehr den Spagat geschafft, mich auf der einen Seite zuhause bemuttern zu lassen und auf der anderen Seite mein Leben weitestgehend selbstständig zu regeln.
Ich glaube, dass ich am Ende meines Thailand-Urlaubs diese neu gewonnene Freiheit in meinem ersten eigenen Zuhause vermisst habe und daher unbedingt nach Berlin zurückkehren wollte.

Jonas:
In Berlin fing ja auch in Sachen Schauspielkarriere alles für dich an. Erinnerst du dich noch, wann du dein Interesse für die Schauspielerei entdeckt hast?

Muriel:
Mein Vater betreibt ein Café in Mitte. Gleich dahinter ist eine Schauspielagentur, in der immer viele Kinder ein- und ausgehen. Obwohl ich zuhause als Kind regelmäßig den Kasper gemacht habe und richtig aufgeweckt war, habe ich mich außerhalb unserer vier Wände nie irgendetwas getraut und war total schüchtern. Daher hat mich mein Papa am Tag der offen Tür zu dieser Schauspielagentur geschickt – da muss ich so um die neun Jahre alt gewesen sein. Er hoffte wohl, dass ich dort meine Schüchternheit ein wenig ablegen könnte und viele neue Leute kennenlernen würde. Ich bin auch tatsächlich hingegangen – aber ich habe mich nicht reingetraut.
Ich glaube, ich saß zwei Stunden lang vor der Tür auf einer Treppe und wusste nicht, was ich tun soll. Denn einfach wieder nach Hause gehen und meinem Vater sagen, dass ich mich nicht getraut habe, wollte ich nicht.
So saß ich da und starrte ins Leere. Plötzlich aber ging die Tür auf und jemand sagte: „Hey, komm’ doch rein! Wir beißen nicht.“ Wie erlöst ging ich mit und habe dann auch gleich an einer Probestunde teilgenommen. Viele andere Kinder waren da und wir hatten coole junge Schauspiellehrer. Das Ganze hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dann einige Jahre lang jeden Samstag zum Schauspiel- und Improvisationstraining sowie zur Castingvorbereitung vorbeikam. Im Laufe der Zeit wurde ich zu einigen Castings geschickt und bekam mit 13 Jahren meine erste Minirolle in der Serie „KDD – Kriminaldauerdienst“.

Jonas:
Und damit hattest Du Blut geleckt…

Muriel:
Ach ja, total. Damals hatte ich zwar nur drei Drehtage, aber alles war sehr aufregend. Ich weiß noch, dass ich sogar meinen Urlaub verschoben habe und den Flug umbuchen musste, damit ich am Dreh teilnehmen kann.

Jonas:
Deine zweite Rolle hattest du auch wieder in einer Krimiserie – dem Tatort!

Muriel:
Im deutschen Fernsehen gibt es ja wirklich etliche Krimiserien. Aber der Tatort ist zweifelsohne das Königsformat, das Millionen Menschen aller Altersklassen und Gesellschaftsschichten erreicht. Wie in zahllosen anderen Familien gibt es auch bei uns jeden Sonntagabend das Ritual, dass sich alle gespannt vor dem Fernseher versammeln und Tatort schauen. Dieses Ritual werde ich wahrscheinlich noch mit meinen Kindern abhalten.
Daher war es für mich absolut sensationell, dass ich für solch eine berühmte Produktion besetzt wurde – obwohl ich mir dafür anfangs gar keine Chancen ausgerechnet hatte. Ich wurde zwar zur zweiten und schließlich auch zur dritten Castingrunde eingeladen, aber die Regisseurin sagte meiner Mutter, dass die Produktionsfirma aus arbeitsrechtlichen Gründen ungern eine Dreizehnjährige besetzen wollte: Die Vorschriften zu den Arbeitszeiten sind für Kinder unter 16 Jahren einfach sehr strikt. Aber die Regisseurin wollte mich unbedingt haben, hat für mich gekämpft und mich schließlich bei der Produktion durchgeboxt. Und so hatte ich die Rolle!
Wir drehten damals über mehrere Wochen in Köln, weshalb ich von meiner Schule Sonderurlaub bekam und einen Privatlehrer hatte, mit dem ich den verpassten Unterrichtsstoff durchgehen konnte. Außerdem waren abwechselnd mein Vater, meine Mutter und meine Oma an meiner Seite – mit 13 Jahren braucht man ja noch eine Begleitperson.

Ich weiß aber, dass ich immer wahnsinnig glücklich bin, wenn ich spiele.

Jonas:
Mit 13 sieht man die Schauspielerei wahrscheinlich auch noch mehr als ein Hobby. Kam bei dir nicht irgendwann der Gedanke auf, dass aus dem Hobby auch mal ein Beruf werden könnte?

Muriel:
Dieser Gedanke ist ehrlich gesagt total aktuell und sehr präsent in meinem Kopf. Eine Entscheidung habe ich aber noch nicht getroffen. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, was mir die Zukunft bringen kann und wie sich mein Leben gestalten soll.
Ich weiß aber, dass ich immer wahnsinnig glücklich bin, wenn ich spiele. Darin finde ich eine gewisse Erfüllung und kann mich ausdrücken. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich durch das Spielen sehr viele Dinge für mich selbst verarbeiten kann. Allerdings ist das Schauspielbusiness mit allem, was dazugehört, nichts für schwache Nerven. Und ich selbst bin eher ein zart besaitetes Wesen.

Jonas:
Trotzdem hast du jetzt schon mit mehr deutschen Schauspielgrößen gespielt als andere in ihrem ganzen Leben: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Götz George – um nur einige zu nennen.

Muriel:
Den Dreh mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär habe ich noch mit ganz anderen Augen gesehen. Mir war damals mit meinen 13 Jahren und meiner kindlichen Naivität gar nicht bewusst, um welche Größen es sich bei den beiden handelt.
Leider ist diese kindliche Naivität im Laufe der Jahre verloren gegangen. Vor dem „Schimanski“-Dreh mit Götz George im letzten Jahr habe ich mir einen totalen Kopf gemacht und mich ehrfürchtig gefragt, wie ich überhaupt neben so einer Schauspielikone bestehen soll.
Umso überraschter war ich, als ich gemerkt habe, wie freundlich, unkompliziert und hilfsbereit Götz George ist. Jeden Tag kam er mit offenen Armen auf einen zu – ein sehr aufmerksamer und feiner Mensch. In einer Szene hat er sich sogar beim Kameramann dafür eingesetzt, dass ich besser ausgeleuchtet und dargestellt werde. Das hat mich sehr beeindruckt.

Ein Gefühl tiefer Dankbarkeit und zaghaften Stolzes breitet sich für den Bruchteil einer Sekunde auf Muriels Gesicht aus. Es scheint fast, als realisiere sie gerade, in welchem Tempo ihr Leben in den letzten Jahren nach vorne geprescht ist. Doch schon im nächsten Moment wendet sie schnell ihren Kopf zur Seite, als sei sie von ihrem eigenen Erfolg überrascht.

Die Stimme der jungen Schauspielerin klingt sanft, fast zart. Doch in ihren leisen Tönen transportiert sie Worte, die so aufrecht stehen, dass man nicht im Entferntesten an ihnen zweifeln wollte.

Es ist mittlerweile 15 Uhr, wir sind die einzigen Gäste. Wir halten das Aufnahmegerät für einige Minuten an und lassen schweigend unsere Blicke durch den großzügigen Raum wandern. Die breiten Fensterfronten eröffnen den Blick auf den hellgrauen Berliner Himmel. Würde man ihm etwas Grün beimischen, wäre das Licht fast wie vor fünf Wochen an der Ostsee…

Jonas:
Du hast im letzten Jahr neben deiner Hauptrolle in „Schimanski“ auch kleinere Rollen in diversen anderen Produktionen übernommen. Wie hast du diese Drehs erlebt?

Muriel:
Natürlich ist es immer toll, eine so große Rolle wie die in „Schimanski“ zu spielen. Aber ehrlich gesagt ist es mir wichtiger, mit unterschiedlichen Regisseuren und Crews zusammenzuarbeiten und dadurch neue Arbeitsweisen kennenzulernen – ganz abgesehen von der Bedeutung der Rolle. Ich freue mich auf jedes Projekt.
Dabei finde ich es generell cool, wenn ich Figuren spielen kann, die meilenweit von meiner eigenen Person und meinem Charakter entfernt sind. Letztes Jahr habe ich beispielsweise bei einem Dreh ein unausstehliches Schickimicki-Mädchen mit Gucci-Sonnenbrille gespielt – das war super! Für mich ist es immer ein spannender Prozess und überhaupt das Besondere an der Schauspielerei, wenn man sich langsam einer Figur nähert, die einem eigentlich vollkommen fremd ist.

Jonas:
Du hast bisher „nur“ in TV- und Kinoproduktionen mitgespielt. Kannst du dir vorstellen, auch mal auf einer Theaterbühne zu stehen?

Muriel:
Ich glaube, das würde mir wahnsinnig viel Spaß machen – aber mich gleichzeitig auch eine enorme Überwindung kosten.

Jonas:
Vielleicht brauchst du nur jemanden, der dir einen kleinen Anschub gibt – wie damals auf der Treppe…

Muriel:
Ja, das kann schon sein. Ich kenne meine Art zu spielen mittlerweile sehr genau und weiß, dass ich vieles eher klein und zurückhaltend spiele. Auf der Theaterbühne ist die Situation aber eine ganz andere als vor der Kamera: Dort muss man groß spielen, damit man auch die Menschen in der allerletzten Reihe erreicht.
Für mich würde das momentan einfach eine riesige Umgewöhnung bedeuten, da ich selbst in meiner Darstellung nie auf die Idee kommen würde, mich so groß zu machen. Für diesen Schritt bräuchte ich eventuell tatsächlich jemanden, der mich an die Hand nimmt und mir zeigt, wie’s geht.

Muriel lächelt.

Jonas:
Würdest du sagen, dass die Schauspielerei mittlerweile einen so festen und wichtigen Platz in deinem Leben eingenommen hat, dass du sie nicht mehr wegstreichen könntest?

Muriel:
Ich glaube, wenn man mir die Wahl lassen würde, welche Dinge ich in meinem Leben streichen könnte, würde ich immer dazu neigen, zuerst auf das zu verzichten, was nur mich selbst betrifft und nicht meine Familie – denn die ist das Wichtigste in meinem Leben.
Aber auch die Arbeit als Schauspielerin gibt mir persönlich seit Jahren so viel, dass ich sie als eine enorme Bereicherung für mein Leben ansehe. Daher wäre es für mich tatsächlich schwer vorstellbar, darauf zu verzichten.

Am Meer kann ich mich selbst und alles um mich herum am intensivsten wahrnehmen, vor allem wenn die See rau und gewaltig ist.

Jonas:
Der Philosoph Albert Camus hat mal die zehn wichtigsten Wörter seines Lebens aufgestellt – „Les dix mots préférés d’Albert Camus“: „die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer“. In welchem dieser Begriffe fühlst du dich persönlich am ehesten zuhause?

Muriel:
„Das Meer“ – mit diesem Wort verbinde ich so viele Erinnerungen, Ereignisse und Gefühle. Schon als Kind bin ich mit meiner Familie immer ans Meer gefahren, erst nach Kreta, später nach Portugal, wo meine Mutter eine alte Windmühle an der Algarve besitzt. Am Meer kann ich mich selbst und alles um mich herum am intensivsten wahrnehmen, vor allem wenn die See rau und gewaltig ist

Muriels Augen entwischt ein Funkeln, als hätte man die Tür zu einer Schatzkammer aufgestoßen. Wieder breitet sich auf ihrem Gesicht jenes Gefühl tiefer Dankbarkeit aus, das man vor einigen Minuten bereits kennenlernen durfte – nur dass sie diesmal nicht ihren Kopf abwendet, sondern der Welt ein breites Lächeln schenkt.

In ihrem Kopf scheinen gerade die Bilder der graugrünen Ostsee mit denen des türkisblauen Pazifiks an der sonnenverwöhnten Algarve zu konkurrieren. Zwei Meere, die um das Herz einer jungen Schauspielerin buhlen…

Jonas:
Mit welchen Plänen startest du in das Jahr 2014?

Muriel:
Ich habe vor wenigen Monaten erst mein Abi gemacht und fühle mich so frei wie nie zuvor in meinem Leben. Zur Zeit lese ich einige Drehbücher und bereite mich auf Castings vor. Was in 2014 passieren wird, ist noch total offen – aber ich freue mich auf alles, was kommt.

Man soll die Dinge dort beginnen, wo man sie auch zu Ende bringen wird.

Jonas:
Viele fahren zu diesem Zweck ja nach Thailand, wo du gerade herkommst.

Muriel:
Ich glaube, ich bleibe dazu besser in Berlin. Man soll die Dinge dort beginnen, wo man sie auch zu Ende bringen wird. Im April werde ich aber wieder einige Wochen in Portugal in der alten Windmühle verbringen – vielleicht schenkt mir diese Zeit ja neue Erkenntnisse.
Diese Windmühle ist eh ein absoluter Sehnsuchtsort für mich. Auf dem Dach hat man eine atemberaubende 360-Grad-Sicht und kann weit ins Landesinnere, zum Meer oder rüber nach Spanien schauen. Wenn man dort oben steht, wird alles andere plötzlich so unwichtig – und man hat das Gefühl, niemandem auf der Welt gerecht werden zu müssen.
Was man dort empfindet, kann man eigentlich am besten mit dem Begriff „Saudade“ beschreiben – ein Wort, das nur Portugiesen kennen und das sich ansatzweise mit „Traurigkeit“, „Wehmut“, „Sehnsucht“ oder „sanfte Melancholie“ übersetzen lässt. Die Portugiesen sind sehr stolz auf ihr „persönliches Wort“. Der Schriftsteller Fernando Pessoa drückt diesen Stolz folgendermaßen aus:

Saudades, só portugueses
Conseguem senti-las bem.
Porque têm essa palavra
para dizer que as têm.

Saudade – nur Portugiesen
können dieses Gefühl kennen.
Weil nur sie dieses Wort besitzen,
um es wirklich beim Namen zu nennen.

Obwohl ich keine Portugiesin bin, glaube ich, genau nachvollziehen und empfinden zu können, was Saudade ist. Das ist meine ganz persönliche Form von Sehnsucht – nicht nur, wenn ich in Portugal bin.

Muriels Augen leuchten gerade so blau, dass kein Zweifel daran besteht, dass die portugiesische Pazifikküste den Kampf um das Herz der jungen Schauspielerin gewonnen hat – zumindest für heute.

Wir zahlen und verlassen das Restaurant. Nur wenige Meter noch, dann trennen sich unsere Wege.

Was würde man nur darum geben, in diesen zähen, grauen Januartagen auf eine Windmühle zu steigen und in die Ferne zu schauen – in der Hoffnung, irgendwo das Meer zu sehen und sich an seiner Unendlichkeit zu berauschen.

Vielleicht würde man dann so etwas wie Saudade empfinden und ein Gefühl verstehen, das nur die Portugiesen kennen.

Wäre das nicht schön – so mitten in Berlin?


Left Boy

Interview — Left Boy

Was im Leben wichtig ist

Ferdinand Sarnitz alias Left Boy ist als knallbunte Stimmungskanone und Hipsterliebling bekannt. Im Gespräch mit uns stimmt der Österreicher ernste Töne an und erzählt uns, welchen furchtbaren Fehler er beinahe begangen hätte.

19. Januar 2014 — MYP No. 13 »Meine Sehnsucht« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Ole Westermann

Es ist doch immer wieder schön, im Leben überrascht zu werden – vor allem wenn man dazu neigt, sich allzu oft im Berliner Stadtteil Mitte aufzuhalten und dem Glauben zu verfallen, man habe auf den hiesigen Straßen eh schon alles gesehen und erlebt, was im Leben von Bedeutung ist.

Zum Glück aber gibt es die Hausnummer 23 in der ehrwürdigen Münzstraße. Das denkmalgeschützte Gebäude gehört zu den letzten Repräsentanten der „Berliner Altstadt“ und konnte sich bis heute dem anhaltenden Bau- und Rekonstruktionswahn der deutschen Hauptstadt verwehren.

Wer diese Nummer 23 zum ersten Mal betritt, die Treppe bis zur Belle Etage aufsteigt und die schweren Türen zum sogenannten „Münzsalon“ öffnet, wird sein Staunen kaum verbergen können – denn der Blick fällt auf ein vollständig erhaltenes Kaminzimmer aus dem 19. Jahrhundert. Schwere Ledersessel, holzvertäfelte Wände und ein opulenter Kronleuchter sind so ziemlich das letzte, was man in einem Wohnraum im Szenestadtteil Mitte erwartet hätte. Wie erfrischend!

Mindestens genauso erfrischend ist, dass wir hier nicht auf gesetzte und Zigarre rauchende Altherren treffen, sondern auf einen sympathischen jungen Musiker, der es sich bereits in einem Nebenraum des Kaminzimmers bequem gemacht hat. Ferdinand Sarnitz heißt der gebürtige Wiener, der seit geraumer Zeit unter dem Namen „Left Boy“ die HipHop-Szene bereichert.

Ferdinand empfängt uns höflich und bietet uns einen Platz in einem der tiefen Sessel an. Dabei wirkt er ab dem ersten Moment so vertraut, dass man glaubt, man wäre mal eben bei einem guten Kumpel vorbeigekommen, um Hallo zu sagen. Gut gelaunt lässt sich der junge Musiker neben uns auf einem Sofa nieder und lehnt sich entspannt zurück.

Jonas:
Du bist bereits im Alter von 18 Jahren nach New York gezogen und hast dort über ein Jahr lang gelebt. Wie kam es zu dieser grundlegenden Entscheidung?

Ferdinand:
Ich habe in Wien eine amerikanische Schule besucht, auf der es üblich war, nach dem Abschluss ins englischsprachige Ausland zu gehen und dort zu studieren. Und so war plötzlich auch mein halber Freundeskreis nach Großbritannien oder in die USA verschwunden. Ich selbst wollte unbedingt nach New York – aber in erster Linie, um mal etwas anderes zu sehen und endlich alleine leben zu dürfen. Außerdem ging es mir darum, andere Musiker, Produzenten und Gleichgesinnte kennenzulernen, mit denen ich künstlerisch zusammenarbeiten wollte.
Um solchen Leuten zu begegnen, erschien es mir einfach als die beste Strategie, nach New York zu gehen. Dort habe ich mich am „Institute for Audio Research“ orientiert, wo ich an einem Tag der offenen Tür gleich auch einige interessante Menschen kennengelernt und mich an der Schule eingeschrieben habe.

Jonas:
Kanntest du in New York schon vor deiner Ankunft irgendwelche Leute? Oder bist du in Sachen Kontakte bei Null gestartet?

Ferdinand:
Gott sei Dank kannte ich hauptsächlich über meine Eltern einige Leute, die seit längerer Zeit schon in New York lebten und arbeiteten. Ich hatte also bereits den ein oder anderen Kontakt.

Jonas:
Da hattest du großes Glück – man kann in einer Stadt wie New York ohne jegliche sozialen Kontakte auch schnell verloren gehen.

Ferdinand:
Auf jeden Fall. Dieses Verlorengehen war dabei aber trotzdem ein großes Thema: Das erste Jahr in New York war für mich auch gleichzeitig das schwierigste Jahr meines Lebens. Ich habe mich zu dieser Zeit extrem einsam gefühlt.
Es gab zwar die besagten Freunde und Bekannten, aber die waren alle von morgens bis abends in ihre Jobs oder ihr Studium eingebunden. Und da mein Unterricht immer schon um 13 Uhr endete, habe ich den Rest des Tages nicht wirklich gewusst, was ich machen soll. In den ersten Wochen habe ich dann ständig irgendwelche Videospiele gespielt. Ich dachte, ich kann ja jetzt alles machen, was ich will, und fand das irgendwie lustig.
Verständlicherweise wurde das aber nach kurzer Zeit ziemlich langweilig, meine Einsamkeit wurde größer und größer. Dabei habe Ich mich aber auch nicht getraut, einfach in ein Café zu gehen und irgendwelche Leute anzusprechen und kennenzulernen – mit so etwas fühle ich mich nicht wirklich wohl. Zwar gab es auch in meiner Schule interessante Leute, aber niemanden, der schon aktiv im Musikbusiness unterwegs war und mit dem man hätte arbeiten können.

Jonas:
Du hast einfach früher als andere gemerkt, dass du in deinem Leben irgendetwas mit Musik machen willst.

Ferdinand:
Ja, das war mir tatsächlich sehr früh klar. Obwohl ich immer schon HipHop-Texte geschrieben habe, dachte ich anfangs noch, dass sich mein Leben eher in die DJ-, Beatbox- oder Breakdance-Richtung entwickeln würde.
Als aber im Jahr 2004 das Programm “GarageBand“ für Apple rauskam und ich mit 16 Jahren meinen ersten Track geschrieben und veröffentlicht hatte, veränderte sich plötzlich alles: Ich habe gemerkt, dass ich genau das machen will und nichts anderes. So habe ich begonnen, Beats und Loops zu produzieren, dazu erste Samples zu schmeißen und einfach über die Instrumentals drüber zu rappen.

Jonas:
Wie haben sich die Dinge in New York für dich im Laufe der Monate entwickelt?

Ferdinand:
Nicht gut. Ich konnte mich in New York einfach nicht etablieren, was ich als eine riesengroße Niederlage empfunden habe. Daher bin ich nach 18 Monaten wieder nach Wien gezogen. Dort wollte ich verarbeiten, was in New York passiert ist – und ich hatte mir geschworen, nun meine Zeit nicht mehr so leichtfertig zu verschwenden, wie ich es noch in New York getan hatte.
Im Nachhinein hatte ich auch das Gefühl, mich nicht ausreichend bemüht zu haben, um das zu erreichen, was ich erreichen wollte. Das hat mich ehrlich gesagt total fertig gemacht. Trotzdem würde ich sagen, dass die Zeit in New York – ebenso wie die Zeit danach in Wien – sehr wichtig für mich war. In Wien sind eine Reihe von Songs entstanden, die von meiner Einsamkeit in New York handeln.

Jonas:
Du könntest dich damit trösten, dass viele Leute zuerst einmal tief fallen, wenn sie so einen großen Schritt wagen wie du.

Ferdinand:
Das stimmt zwar, aber das lasse ich für mich nicht als Ausrede gelten: It’s what you make it! Wenn man sich nicht ausreichend bemüht, im Leben voranzukommen, dann wird man einsam und alleine irgendwo rumsitzen – nicht nur in New York. Das habe ich mittlerweile gelernt.

Jonas:
Dein Leben hat sich aber recht bald wieder zum Guten gewendet: Im Februar erscheint dein Debutalbum „Permanent Midnight“. Wie kam es zu diesem Albumtitel?

Ferdinand:
Ich habe den gleichnamigen Film gesehen – eine Tragikomödie, die auf dem weitgehend autobiografischen Buch des Autors Jerry Stahl basiert. Der Begriff hat sich ab der ersten Minute irgendwie in meinem Kopf festgesetzt.

Für mich bedeutet „Permanent Midnight“ Dunkelheit, Einsamkeit und Leere.

Jonas:
Der Begriff der ständigen Mitternacht erzeugt ja auch direkt diverse Assoziationen, wenn man ihn zum ersten Mal hört.

Ferdinand:
Absolut! Der Begriff passt einfach sehr gut zu den Songs, die ich jahrelang für ein eigenes Album zur Seite gelegt habe – Originalkompositionen, die wenige oder gar keine Samples beinhalten. Für mich bedeutet „Permanent Midnight“ Dunkelheit, Einsamkeit und Leere, die man irgendwann durch den ganzen Partyblödsinn, die Drogen und flüchtige Beziehungen empfindet.
Aber allgemein ist die Nacht auch diejenige Tageszeit, in der ich mich am aktivsten und produktivsten fühle. Daher könnte ich ebenso die Album-Produktionszeit als „Permanent Midnight“ bezeichnen – die Nächte habe ich regelmäßig durchgearbeitet.

Jonas:
Auch in der Lyrik erscheint die Nacht oft als die bedeutungsvollere und magischere Tageszeit – man denke nur an Kafkas Briefe an den jungen Dichter Franz Xaver Kappus, dem er empfiehlt, sich selbst in der stillsten Stunde seiner Nacht die Frage zu stellen, wie tief sein Bedürfnis danach ist, Gedichte zu schreiben.

Ferdinand:
Die Nacht ist einfach die Zeit, in der man alles reflektiert. So passt sie auch auf hundert verschiedene Arten zu den Songs auf meinem neuen Album.

Jonas:
Du scheinst bei deiner Musik sehr viel Wert auf die visuelle Darstellung zu legen. Welche Bedeutung hat für dich diese visuelle Komponente bei „Left Boy“?

Ferdinand:
Für mich stehen die Musik, das Album-Artwork, die Musikvideos sowie die Website als gelichberechtigte Bestandteile meiner Kunst nebeneinander. Sie alle ergeben zusammen genau das, was ich ausdrücken will.
Es kann allerdings passieren, dass das eine oder andere davon in der Produktion und Fertigstellung etwas länger dauert. Das liegt daran, dass ich mich um alles intensiv kümmern will, um sicherzustellen, dass es auch meinen Qualitätsvorstellungen entspricht. Ich habe von Anfang an versucht, alles auf einem sehr hohen Level zu halten.
Ich finde, wenn sich jemand eines meiner Videos anschaut oder zu einem Konzert kommt und mir damit fünf Minuten bzw. eine Stunde seiner Zeit schenkt, dann hat er es auch verdient, dass ihm in dieser Zeit ein unvergesslicher Moment geboten wird. Wie ich bereits erwähnt habe: Ich möchte nicht mehr schlampig mit dem Faktor Zeit umgehen.

Jonas:
Woraus schöpfst du ganz allgemein die Inspiration für deine Arbeit?

Ferdinand:
Aus allem, was ich täglich erlebe. Meine Musik ist für mich wie ein Tagebuch – und ich verwende sie, um Gefühle wie Trauer oder Aggresion zu verarbeiten. Mit 16 Jahren habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass es sich auf eine seltsame Art und Weise gut anfühlt, wenn so ein Lied, das es vorher nur in meinem Kopf gab, plötzlich fertig vor mir sitzt. Das ist irgendwie befreiend.
Ich glaube, das liegt daran, dass ich mich mit Musik einfach besser ausdrücken kann als in einem persönlichen Gespräch. Denn mit Melodien und Beats kann ich meine komplexe Gefühlswelt wesentlich besser nach außen transportieren als mit Worten alleine.

Es ist faszinierend zu beobachten, wie der 25jährige im einen Moment noch lustig ist und um keinen Spaß verlegen wirkt und gleich im nächsten Moment sehr ernsthaft und fokussiert werden kann, um seinen Worten die gebotene Schwere zu verleihen – wie ein Pendel, das in gleichförmiger Bewegung danach strebt, den Idealzustand zu erreichen.

Jonas:
Du lebst nach wie vor in Wien. Fühlst du dich dort auch künstlerisch zuhause?

Ferdinand:
Wien ist zwar meine Basis, wo meine Familie und all’ meine Freunde und Bekannten leben und wo ich mich auch einfach sehr wohl fühle, aber für meine künstlerische Arbeit ist jeder andere Ort auf der Welt geeigneter. Ich bin ein Mensch, der viel zu schnell abzulenken ist – und da in Wien dauernd etwas los ist und man von Geburtstagsparty zu Familienfeier springt, komme ich dort einfach nicht dazu, mich auf meine Musik zu konzentrieren.
Anders ist das beispielsweise in Los Angeles: Dort habe ich die nötige Distanz, um mich voll und ganz meiner Arbeit zu widmen.

Jonas:
Geht es dir in Los Angeles besser als in New York?

Ferdinand:
Das würde ich schon sagen, ja. Ich habe L.A. einfach für mich als idealen Ort entdeckt, um zu arbeiten und mich weiterzuentwickeln.

Jonas:
Könntest du dir trotzdem vorstellen, irgendwann wieder in New York zu leben und deinen Frieden mit dieser Stadt zu machen? Vielleicht müsst ihr beide euch nur noch einmal eine Chance geben.

Ferdinand:
Das kann ich mir auf jeden Fall vorstellen. Für mich ist es momentan aber das Wichtigste, bei meinem kleinen Sohn in Wien zu sein. Trotz der vielen Termine versuche ich, so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Vielleicht ziehe ich ja eines Tages gemeinsam mit ihm und seiner Mama nach New York. Oder nach L.A. oder Paris.
Aber eigentlich kann ich gar nicht soweit im Voraus planen. Zur Zeit komme ich einfach nicht weiter als die Woche, in der ich gerade bin.

Ich möchte versuchen, mich weiterzubilden und aus mir den besten Menschen zu machen, der ich im Rahmen meiner Mittel und Fähigkeiten sein kann.

Jonas:
In deinem Leben ist ja gerade auch genug los. Hast du trotzdem eine Perspektive, wie es mit dir nach der Veröffentlichung des Albums Mitte Februar beruflich und persönlich weitergeht?

Ferdinand:
Ich möchte versuchen, mich weiterzubilden und aus mir den besten Menschen zu machen, der ich im Rahmen meiner Mittel und Fähigkeiten sein kann. Für die Zeit nach dem Albumrelease habe ich mir fest vorgenommen, mich noch stärker auf andere Aspekte des Lebens zu konzentrieren: Es wäre toll, wenn ich mein Wissen und meine Fähigkeiten in den Bereichen Musiktheorie, Klavier und Tanz ausbauen könnte. Es gibt da einen schönen Satz, den ich mir gewissermaßen als Leitspruch für mein Leben gegeben habe: „Nie was man will, immer was wird.“
Mit diesem Gedanken gehe ich alles an. Denn egal, was ich in meinem bisherigen Leben geplant habe: Es ist so oft etwas absolut anderes passiert. Das beste Beispiel hierfür ist mein Sohn: Als meine Freundin damals schwanger mit ihm war, war ich total dagegen, dass sie dieses Kind bekommt. Ich habe in meinem Leben noch nie so falsch gelegen wie in diesem Moment, denn mein über alles geliebter Sohn ist das größte und wunderbarste Geschenk, das mir je gemacht wurde.
Dieser kleine Mensch kann mich mit einem einzigen Blick wieder fröhlich machen und mich inspirieren. Daher muss ich auch gar nicht unbedingt wissen, was die Zukunft bringt. Musik ist zwar ein riesengroßer Teil von mir, aber nicht das Einzige, was im Leben wichtig ist.

Ferdinand wirkt gerade sehr ernst. Für einen Moment hält er inne und sortiert seine Gedanken. Nach einigen Sekunden der Ruhe formt sich sein Mund immer mehr zu einem breiten Grinsen: Energiegeladen springt der Wiener Musiker auf und lässt sich in den alten, holzvertäfelten Räumen in jeder noch so erdenklichen Pose fotografieren.

Als alle Bilder im Kasten sind, verabschieden wir uns und schließen hinter uns die Türen zum altehrwürdigen Münzsalon. Mit einem Lächeln verlassen wir Hausnummer 23 und spazieren noch eine Weile durch Berlin-Mitte.

Es ist doch immer wieder schön, im Leben überrascht zu werden.

Vor allem, wenn es so angenehm ist.


William Fitzsimmons

Interview — William Fitzsimmons

About Being Honest

Maxim rappt in seinem neuen Album gegen die Abstumpfung der Gesellschaft an. Wir sprechen mit ihm über die tröstende Kraft von Musik und seine Vorahnung, dass wir alle noch drastische gesellschaftliche Veränderungen erleben werden.

19. Januar 2014 — MYP No. 13 »Meine Sehnsucht« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Ole Westermann

Ach, was wäre die Schlesische Straße im Nordosten Kreuzbergs ohne das Lido! Jeden Abend, wenn die Dämmerung über die belebte Straße hereinbricht, weist das große, geschwungenes Logo vom Flachdach aus den Weg: Hell erleuchtet in Neonblau und flankiert von zwei blutroten Astra-Herzen leitet es wie der Polarstern alle Musikhungrigen zuverlässig zu seinen magischen Pforten.

Und was hat es nicht alles erlebt, das Lido! Als Kino präsentierte es in den 1950er und 60er Jahren die neuesten Westfilme und war eine beliebte Anlaufstelle für Cineasten aus allen Sektoren Berlins. Dann kam die Mauer und trennte räumlich, was gedanklich nicht zu trennen war: Der 13. August 1961 schnitt mit einem Mal das Haus direkt vor seiner Nase von seinem Ostberliner Publikum ab.

Die 70er kamen und man tanzte auf dem knarzenden Parkett des ehemaligen Kinos, was das Zeug hielt. Rock’n Roll hieß das Zauberwort und bescherte dem Gebäude mit der runden Ecke musikalische Freudenzeiten. In den 80ern fiel es in eine Art Schneewittchen-Schlaf und bemerkte gar nicht so recht, dass die Menschen auf der Ostseite ihr Herz und all’ ihren Mut in die Hand nahmen, um jene unsägliche Mauer einzustürzen – vollkommen friedlich und ohne einen einzigen Schuss.

Erst im Jahr 2006 wurde das Haus wieder zum Leben erweckt, startete eine musikalische Blitzkarriere und beherbergte innerhalb kurzer Zeit so einiges mit hohem Rang und großem Namen: Maximo Park, Cocorosie, Sportfreunde Stiller, die Beatsteaks – und heute Abend William Fitzsimmons.

Das Lido bezeichnet sich selbst als „Kreuzbergs Rock-Indie-Elektro-Pop-Wohnzimmercouch“. Und tatsächlich hat man das Gefühl, hier ein urgemütliches Wohnzimmer zu betreten – jedenfalls wenn man die Tür zum Backstage-Bereich öffnet. Kaum haben wir es uns auf der wenig hübschen, aber hoch komfortablen Couch bequem gemacht, sitzt plötzlich auch schon Fitzsimmons neben uns: „Na Jungs, wie geht’s Euch?“

Der 35jährige Singer/Songwriter strahlt uns mit seinen freundlichen kleinen Augen an und lässt unter seinem dichten Bart ein warmherziges Lächeln hervorblitzen. Dabei wirkt er ab der ersten Sekunde so offen und gastfreundlich, als hätte er uns in sein eigenes Wohnzimmer zuhause in Illinois eingeladen.

Jonas:
Im Vorwort zu deinem neuen Album „Lions“ erklärst du, dass in deinem Leben in den letzten Jahren unglaublich viel passiert ist…

William:
Oh ja, das ist es wirklich – Positives wie Negatives. Insgesamt waren die letzten Jahre äußerst lehrreich für mich: Ich habe das Gefühl, in zwei, drei Jahren mehr vom Leben gelernt zu haben als während meiner gesamten Schulzeit. Daher empfinde ich momentan einfach nur eine große Dankbarkeit und bin sehr glücklich.
Ich habe tolle Menschen kennengelernt und bin mit vielem in Berührung gekommen, das ich vorher nicht kannte. Ich musste harte Entscheidungen treffen und habe außerdem ein kleines Mädchen adoptiert – all’ diese einschneidenden Veränderungen haben mir eine wundervolle Zeit bereitet und mich an den Punkt gebracht, an dem ich jetzt stehe. Ich glaube, dadurch insgesamt für mich einen besseren Platz im Leben gefunden zu haben.

Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eine größere Distanz zwischen diesem Business-Part und meiner Musik schaffen muss, um im Kopf wieder frei zu sein.

Jonas:
Und vorher – so schreibst du – hattest du das Gefühl, auf dem falschen Weg zu sein?

William:
Ich will es mal so formulieren: Ich hatte einen etwas schlechten Geschmack im Mund. Die Business-Komponente rückte immer mehr in den Vordergrund und es gab vieles, um das ich mich neben meiner Musik kümmern bzw. für das ich Verantwortung übernehmen musste. Meine Kunst verlor dabei für mich selbst schleichend an Bedeutung – und so kam ich etwas vom Weg ab.
In meinem Umfeld gab es einfach zu viele Leute, die dauernd vom Geschäft gesprochen haben. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eine größere Distanz zwischen diesem Business-Part und meiner Musik schaffen muss, um im Kopf wieder frei zu sein.
Natürlich ist mir bewusst, dass der finanzielle Aspekt bei Musik immer eine mehr oder weniger große Rolle spielt. Schließlich muss man ja auch von etwas leben – selbst Beethoven wurde dafür bezahlt, dass er Symphonien schreibt. Aber er hat die Qualität seiner Musik nicht darunter leiden lassen und einen nahezu perfekten Weg gefunden, auf der einen Seite kreativ und glaubwürdig zu sein und auf der anderen Seite mit dieser Geld-Komponente professionell umzugehen.
Für mich war es anfangs sehr schwierig, dieses Gleichgewicht zu finden. Dabei wusste ich, dass ich erst diese Balance erzeugen muss, bevor ich damit starten kann, ein neues Album zu schreiben. Das ist mir Gott sei Dank in den letzten Jahren gelungen – und das Resultat heißt „Lions“.

Jonas:
Ist es für dich als sehr gefühlsorientierten Menschen nicht nahezu unmöglich, einer anderen Person zu sagen, dass du nicht mehr mit ihr arbeiten willst?

William:
Das war extrem hart. Es gibt ja Leute, die lieben das Drama und suchen die Konfrontation. Aber ich bin davon das absolute Gegenteil und scheue solche Situationen. Ich hasse Ärger und Streit – bei so etwas mache ich mir viel zu viele Gedanken und kann nicht einschlafen. Dennoch wurde die Belastung irgendwann so groß, dass ich mich total erschöpft gefühlt habe und die Nase voll hatte. In dem Moment wusste ich: Jetzt muss ich eine Entscheidung treffen.

Jonas:
Es war also eine dieser berühmten „Follow your heart“-Entscheidungen?

William:
Ja, das trifft es exakt – wobei diese Entscheidung ebenso vernünftig war. Ich denke oft daran zurück, wie ich als fünfzehnjähriger Teenager noch Led Zeppelin-Songs auf der Gitarre nachgespielt habe und es in meinem Leben nur zwei Fragen gab: „Wie bekomme ich dieses Gitarrenriff hin?“ und „Wie finde ich eine Freundin?“. Gedanken über Rechnungen und Deadlines waren damals noch weit entfernt. Aber es gehört zum Erwachsenwerden einfach dazu, dass man lernen muss, dass diese Dinge Teil des normalen Lebens sind.
Die ausgeglichensten Menschen, die mir bisher begegnet sind, sind die, die aus ihrem alten Leben ausgebrochen und als Einsiedler in den Wald gezogen sind. Ihre Einstellung war: „Welt, du kannst mich mal!“. Ich finde diese Haltung zwar bemerkenswert, aber als Einsiedler in den Wald ziehen kam für mich nie in Frage – wie gut, dass ich trotzdem einen Weg gefunden habe, mit allem gelassener umzugehen. William lacht.

Jonas:
Gab es in deinem Leben vorher schon entscheidende Wendepunkte?

William:
Jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens eine Vielzahl positiver wie negativer Wendepunkte – da schließe ich mich nicht aus. Und wie die meisten anderen Menschen lerne auch ich von Wendepunkt zu Wendepunkt, mit den Ereignissen besser umzugehen. Für mich persönlich habe ich dabei herausgefunden, dass es der absolut falsche Weg ist, diesen Wendepunkten kämpferisch und konfrontativ entgegenzutreten. Das kostet einfach zu viel Energie, die man anderswo besser einsetzen kann – etwa beim Schreiben neuer Songs. Daher habe ich für mich entschieden, allen Menschen und Lebenssituationen friedvoll zu begegnen.

Es gibt Persönlichkeiten, denen gelingt es, ihre Aussagen durch Mimik, Gestik und Stimmlage nahezu perfekt zu unterstreichen. William dagegen gehört zu jenem Schlag Menschen, bei denen man das Gefühl hat, dass sie eigentlich gar kein Wort sagen müssten, um sie zu verstehen. Und so wirken die wenigen Minuten mit dem Singer/Songwriter in dem kleinen Backstage-Wohnzimmer wie eine Entspannungskur für die Seele.

Leider ist die Zeit knapp bemessen, denn es gab heute schon acht Interviewtermine und bald fängt die Show an. Also unterbrechen wir für einige Minuten, verlassen den Backstage-Bereich und wechseln in die Haupthalle des Veranstaltungshauses.

Während sich William geduldig vor den ehrwürdigen Mauern und auf der Bühne ablichten lässt, nutzt er jede kleine Pause für einen lockeren Scherz – oder für einen kleinen Plausch über Musik. Und so entdecken wir eher zufällig unsere gemeinsame Passion für Gregory Alan Isakov, einen Singer/Songwriter-Kollegen aus Colorado: „Seine Musik sollten viel mehr Leute in Deutschland hören, sie ist einfach großartig! Gregory ist ein feiner Mensch, er hätte es verdient.“

Wir müssen einige Einstellungen verändern und so bleibt ein wenig Zeit, über Williams neue Platte „Lions“ zu sprechen, die im Februar erscheinen wird.

Wenn mich ein Fremder fragen würde, wer ich bin, könnte ich ihm die CD entgegenstrecken und sagen: Das bin ich, hör’ einfach zu!

Jonas:
Dein neues Album ist für dich das persönlichste, die du je gemacht hast. Was genau macht es dazu?

William:
Ohne meine früheren Platten jetzt zu nicht-persönlichen Alben degradieren zu wollen – aber „Lions“ handelt einfach komplett von mir selbst. Ich habe die intensiven Erfahrungen der letzten Jahre quasi direkt in Geschichten verpackt und zu Songs geformt. Daher fühle ich mich auf eine sehr intime Art und Weise mit dem neuen Album verbunden. Wenn mich ein Fremder fragen würde, wer ich bin, könnte ich ihm die CD entgegenstrecken und sagen: Das bin ich, hör’ einfach zu!

Jonas:
Das heißt, man lernt dich zu 100 Prozent kennen, wenn man sich die Songs auf dem neuen Album anhört?

William (lacht):
Nein, zu 100 Prozent lernt man mich erst kennen, wenn man eines meiner Konzerte besucht. Ich mag Lachen und Humor über alles – und ich liebe es, diesen Humor in meine Shows einzubauen. Ich finde es absolut wichtig, in den unterschiedlichsten Lebenssituationen auch mindestens einen Funken Humor zu finden. Das kann manchmal sehr hilfreich sein.
Ich würde aber jetzt keinen Song schreiben, der irgendwie witzig ist. Da ich innerhalb meiner Musik keinen Humor transportiere, ist mir das um die Musik herum umso wichtiger. Die Leute sollen sich bei meinen Shows einfach gut unterhalten fühlen und lachen können – ich mag diese Kombination aus meinen ruhigen, ernsteren Liedern und dem Spaß drumherum sehr.

Jonas:
Es gibt Menschen, die Leben nach der Maxime „Life’s about sharing“. Würdest Du diesem Satz zustimmen? Humor beispielsweise ist ja auch dann am schönsten, wenn man ihn mit einer anderen Person teilen kann.

William:
Das ist ein sehr großer Satz, der ohne Zweifel seine Existenzberechtigung hat. Für mich ist aber wesentlich wichtiger, dass ich mich darauf verlassen kann, dass andere Menschen ehrlich und aufrichtig mit mir umgehen – vor allem diejenigen, um die ich mich sorge und kümmere. Daher halte ich Aufrichtigkeit für einen noch bedeutsameren Wert als Teilen.

Jonas:
Mit deiner Musik sorgst und kümmerst du dich wahrscheinlich um viel mehr Menschen, als dir eigentlich bewusst ist. Für viele sind deine Songs wie eine Kuscheldecke, in die sie sich verkriechen können und in der sie sich sicher und geborgen fühlen. Gibt es für dich auch Musiker, die mit ihren Songs ähnliche Gefühle bei dir auslösen?

William:
Oh ja, absolut – allen voran Nick Drake. Bedauerlicherweise wurde seine Musik erst 30 Jahre nach seinem Tod richtig bekannt und populär. Seine Songs sind sehr emotional und ehrlich, stellenweise sogar tief traurig – wirklich großartig!
Ein weiterer Musiker, den ich sehr schätze, ist David Wilcox, ein hoch talentierter amerikanischer Singer/Songwriter. David macht seit vielen Jahrzehnten Musik, seine Songs waren die ersten, mit denen ich Gitarre gelernt habe. Die Texte von David Wilcox sind sehr klar und frei von irgendwelchen Geheimnissen. Wenn ich seine Musik höre, ist das für mich immer wie ein kleiner Ausstieg aus dem Alltag.

Jonas:
Kannst Du dich selbst in persönlichen Gesprächen genauso gut ausdrücken wie durch deine Musik?

William:
Nein, das geht über die Musik wesentlich besser. Dort ist es für mich viel einfacher zu sagen, was ich fühle. Und es nimmt mir die Angst. Ich glaube auch, dass meine Gitarre mir einen gewissen Halt gibt, wenn ich auf der Bühne stehe. Vielleicht liegt das daran, dass man im Leben etwas braucht, woran man sich festhalten kann.
Als beispielsweise der Kontakt zu meiner damaligen Ehefrau abgebrochen ist, eröffnete mir die Musik einen Weg, Dinge zu sagen, die ich sonst nicht hätte sagen können.

Jonas:
Du hast vor einiger Zeit ein kleines Mädchen adoptiert. Was möchtest du ihr mit auf ihren Lebensweg geben? Was ist dir wichtig im Leben?

William (lacht):
Sie soll sich vor den Jungs in Acht nehmen. Aber im Ernst: Ich würde Ihr sagen, dass sie immer ihre Mutter respektieren soll. Und wenn sie mich fragen würde, was das Wichtigste im Leben ist, würde ich ihr antworten: immer ehrlich und aufrichtig mit den Menschen umzugehen, die einen auf seinem Lebensweg begleiten. Das ist etwas, von dem ich hoffe, es ihr mitgeben zu können – aufrichtig sein gegenüber anderen und sich selbst: Life’s about being honest.

William zündet sich eine Zigarette an und inhaliert genüsslich den ersten Zug. Dann bläst er den Rauch in die Luft und lächelt.

Während der Musiker auf dem knarzenden Parkett des Lido steht, offenbart sich auf seltsame Art und Weise eine Parallele zwischen ihm und dem alten Veranstaltungshaus: Beide haben erst in den letzten Jahren wirklich zu sich selbst gefunden – das Lido hat dazu nur etwas länger gebraucht.

Während wir unser Equipment abbauen, leistet William uns noch für einige Minuten Gesellschaft, macht einige Späße und zieht sich dann in das Backstage-Wohnzimmer zurück, um sich auf seinen Auftritt vorzubereiten.

Bevor er die Tür hinter sich zuzieht, ruft er uns grinsend zu: „Ihr seid ja heute Abend dabei, oder? Sonst lernt ihr mich ja nie hundertprozentig kennen!“

Wir können uns das Grinsen ebenfalls nicht verkneifen und verabschieden uns herzlich von dem friedlichen Mann aus Pittsburgh.

Natürlich sind wir heute Abend dabei.

Aber das Wichtigste hat uns William ja schon mit auf den Lebensweg gegeben:

It’s about being honest.


Bombay Bicycle Club

Interview — Bombay Bicycle Club

Wie heiße Schokolade

Die Fanpost mit den meisten Kilometern zwischen Band und Hörer kam für Bombay Bicycle Club von einem Soldaten aus Afghanistan. Mit Jack Steadman und Ed Nash reden wir über die Kraft, andere zu bewegen.

19. Januar 2014 — MYP No. 13 »Meine Sehnsucht« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Maximilian König

Es gibt Tage, die scheinen schon im Vorfeld alle Klischees vorwegzunehmen, die einem im Laufe des Lebens so zum Thema Britishness begegnet sind – wie etwa der heutige Dienstag, an dem wir in Berlin zwei junge Londoner Musiker zum Interview treffen sollen: Zur besten Tea Time, bei miesem Wetter und in einem Raum, der sich tatsächlich „Whiskey Room“ nennt.

Doch so lustig diese Plattitüden auch sein mögen: Spätestens im 21. Jahrhundert dürfte sich auch in nicht-urbanen Gegenden herumgesprochen haben, dass das Schubladendenken zu jenen Sportarten gehört, die eher einen Platz im olympischen Museum verdient hätten als noch offen praktiziert zu werden. Schließlich erwartet man auch nicht von uns, dass wir in Tracht und Lederhosen zum Gespräch erscheinen.

Aber Scherz beiseite. Die beiden Musiker, denen wir in wenigen Minuten zum ersten Mal begegnen werden, heißen Jack Steadman und Ed Nash. Gemeinsam mit ihren Weggefährten Jamie MacColl und Suren de Saram haben sie vor knapp neun Jahren die Band „Bombay Bicycle Club“ gegründet und erobern seitdem von London aus die Indie-Welt.

Verabredet sind wir im beliebten Michelberger Hotel am U-Bahnhof Warschauer Straße, das in den letzten Jahren diverse nationale wie internationale Musiker beherbergt hat. Über den Innenhof erreichen wir den „Whiskey Room“, der seinem klangvollen Namen tatsächlich alle Ehre macht: Schwere Clubsessel aus rotem Leder, dunkles Holz und stimmungsvolles Licht zaubern eine ideale Atmosphäre, um dem miesen Wetter zumindest für eine Stunde zu entfliehen.

In dieser kleinen Wohlfühl-Bastion erwarten uns Jack und Ed bereits. Kaum haben wir den Raum betreten, erheben sich die jungen Männer höflich und begrüßen uns. Nach wenigen Minuten haben wir unser Set aufgebaut und lassen uns gemeinsam auf den schweren, roten Clubsesseln nieder.

Jonas:
Jack, du bist in den letzten Jahren sehr viel gereist und warst unter anderem in Indien, Japan, Europa und der Türkei unterwegs. Hattest du das Bedürfnis, mal aus London auszubrechen und etwas Neues zu sehen?

Jack:
Ja, ich glaube, diese Beschreibung passt ganz gut. Zwar sind wir mit der Band in den letzten Jahren in viele Länder der Welt gereist, dabei hatten wir aber nicht die Möglichkeit, wirklich viel von den jeweiligen Städten und Ländern zu sehen. Wir waren eher ziemlich rastlos – kaum kamen wir von einem Auftritt nach London zurück, ging es auch wieder los in eine andere Stadt, in ein anderes Land, auf einen anderen Kontinent.
London selbst ist ja auch eine großartige Metropole mit toller Musikszene und Menschen mit unterschiedlichsten kulturellen Backgrounds. Da wir selbst aber in London aufgewachsen sind, haben wir einen zu persönlichen und eher alltäglichen Bezug zu dieser Stadt.
Doch gerade wenn es darum geht, neue Songtexte zu schreiben und sich musikalisch weiterzuentwickeln, gibt es nichts Besseres, als irgendwo hinzufahren, wo man vorher noch nicht war, und sich inspirieren zu lassen. Aktives Reisen ist dazu einfach ideal, das öffnet die Sinne – nicht nur für die Musik eines anderen Landes.

Jonas:
Was heißt aktives Reisen für dich? Warst du als Bagpacker unterwegs und hast dir jede Nacht eine andere Unterkunft gesucht?

Jack:
Oh nein, das wäre nicht ganz so mein Fall gewesen. Aber ich habe im Internet nach Leuten gesucht, die für einen längeren Zeitraum einzelne Zimmer oder Wohnungen vermieteten. So habe ich beispielsweise in der Türkei bei einer Familie gelebt, die mich so sehr ins Herz geschlossen hatte, dass ich dachte, ich sei von ihnen adoptiert worden. Diesen Menschen fühle ich mich nach wie vor sehr verbunden – und wir stehen immer noch in Kontakt. Ich empfinde es als ein riesiges Geschenk, eine derartige Erfahrung machen zu dürfen.

Jonas:
Am 7. Februar erscheint euer neues Album, das den Namen „So Long, See You Tomorrow“ tragen wird. Hatten Jacks Reisen der letzten Jahre einen gewissen Einfluss auf den Sound dieser neuen Platte?

Ed:
Ja, es gibt sogar einen sehr direkten und starken Einfluss der Reiseimpressionen und Erlebnisse, die Jack gesammelt hat. Das neue Album fühlt sich optimistischer an als unsere letzte Platte, ist pulsierender und dynamischer.
Vielleicht liegt es daran, dass man in anderen Ländern wie etwa Indien mit einem anderen Gefühl durch den Tag geht – in London kann man ja häufig stundenlang am Fenster sitzen und nichts anderes tun, als den Regen zu beobachten. Vor allem bei dem Song „Feel“ spürt man die indischen Einflüsse sehr deutlich.

Auch wenn sich ein neues Album immer sehr komplett anhört, sollte man trotzdem für sich selbst überprüfen, ob das gut und richtig ist, was man da tut.

Jonas:
Am Fenster sitzen und den Regen beobachten schürt ja meistens eine gewisse Sehnsucht. Ist dies ein Gefühl, das euch auch allgemein bei eurer Arbeit und eurer Musik begleitet?

Ed:
Ich glaube, Sehnsucht hat für uns eine ganz spezielle Bedeutung. Immer wenn man ein Album fertiggestellt hat, sollte man mit einer gewissen Sehnsucht bzw. dem Verlangen zurückgelassen werden, sich selbst und seine Kunst immer wieder in Frage zu stellen. Auch wenn sich ein neues Album immer sehr komplett anhört, sollte man trotzdem für sich selbst überprüfen, ob das gut und richtig ist, was man da tut – sonst läuft man sehr schnell Gefahr, stehenzubleiben und auf der Stelle zu treten. Unsere Sehnsucht ist es daher, immer weiterzugehen.
Und so bringt das neue Album auch eine Besonderheit mit sich: Wir haben es komplett alleine produziert – zum ersten Mal in unserer Bandgeschichte. Als die Idee dazu aufkam, waren wir zwar anfangs noch sehr unsicher und haben viel darüber diskutiert, dennoch haben wir uns letzten Endes dafür entschieden, weil in uns das Bedürfnis danach so groß war.

Während Ed spricht, pflichtet ihm Jack still und mit leichtem Kopfnicken bei. Dabei verlieren sich seine Augen im wolkenbehangenen Himmel, der sein graues Licht durch die große Fensterfront des „Whiskey Room“ wirft.

Doch obwohl uns nur eine dünne Glasscheibe von der ungemütlichen Welt da draußen trennt, fühlen wir uns in dem warmherzigen Ambiente des Raums mehr als wohlbehütet – vielleicht wegen der schweren roten Clubsessel, in die wir uns immer mehr verkriechen.

Jonas:
Ihr sagt von euch selbst, dass ihr seit Jahren auf der Suche nach eurem ganz eigenen Sound seid. Seid ihr mit dem neuen Album näher an diesen Sound herangekommen als je zuvor?

Jack:
Man weiß ja nie, wann der Zeitpunkt genau gekommen ist, dass man wirklich seinen ganz eigenen Sound gefunden hat. Das kann man immer nur rückblickend und mit einem gewissen inhaltlichen Abstand sagen.
Generell versuchen wir immer, mit einem neuen Album etwas ganz anderes als vorher zu machen. Trotz der Verschiedenheit unserer Songs und Alben sagen uns die Leute aber, dass es etwas gibt, das alle Werke verbindet. Das ist für uns ein Indiz, dass wir irgendwie auf dem richtigen Weg sind.
Wie Ed bereits gesagt hat: Für uns ist es wichtig, dass wir uns ständig weiterentwickeln – wir wollen ja nicht dasselbe Album zweimal machen. Immer wenn man an den Punkt kommt, an dem man sich mit allem rundum zufrieden fühlt, muss man sich dazu antreiben, weiterzumachen.

Jonas:
Wir haben eben über das miese Wetter in London gesprochen, das es übrigens in ähnlicher Art und Weise auch in Berlin gibt. Man könnte eure Musik deshalb mit heißer Schokolade vergleichen: das beste Mittel gegen graue Regentage. War es von Anfang an euer Ziel, Musik gegen englisches Wetter zu machen?

Ed:
Das ist ein sehr schönes Bild, aber diese Philosophie gab es nicht – übrigens auch keine andere. Wir starteten als Band, als wir alle etwa 15 Jahre alt waren. Damals hatten wir kein Handbuch für das, was wir tun. In der Anfangszeit dienten uns unsere Konzerte auch mehr als heimliche Entschuldigung, um unsere Freunde zu treffen und Freibier zu ergattern. Wir waren verdammt jung und hatten eine ziemlich aufregende Zeit. Ed lacht.
Aber im Ernst: Auch heute noch analysieren wir unsere Musik eher selten. Unsere Band hat sich im Laufe der Jahre sehr natürlich entwickelt – ähnlich wie unsere Songs. Bei denen wird immer erst im Nachhinein ersichtlich, welchen Weg ein Sound gegangen ist, bis daraus ein fertiger Track wurde.
Für mich selbst gibt es übrigens auch diese sogenannte „Heiße Schokoloade-Musik“: Wenn draußen typisches London-Wetter aufzieht, könnte ich stundenlang Billy Holiday hören.

Jonas:
Euch ist aber bewusst, dass ihr mit eurer Musik etwas geschaffen habt, das einen festen Platz im Herzen vieler Menschen einnimmt?

Jack:
Auch wenn wir darüber nicht jeden Tag nachdenken, ist uns das natürlich bewusst. Ab und zu erhalten wir von unseren Fans auch einen kleinen Reminder, der uns diese Tatsache wieder in Erinnerung ruft.
In den letzten Tagen habe ich zum Beispiel die Nachricht eines Soldaten erhalten, der zur Zeit in Afghanistan stationiert ist. Er schreibt, dass er immer eines unserer Alben hört, wenn er sich entspannen und aus allem ausklinken will. Das ist ein wunderbares Kompliment, das mich sehr berührt hat.
Aber auch ganz allgemein ist es uns sehr wichtig, den Kontakt zu unseren Fans zu halten und etwa nach den Konzerten am Merchandising-Stand das Gespräch zu suchen: Uns interessiert einfach, was die Leute zu sagen haben.

Jonas:
Das Jahr 2008 hat euch als Band einen entscheidenden Schritt nach vorne gebracht: Ihr habt eure Schule abgeschlossen, eure erste Single herausgebracht und einen Plattenvertrag bei Island Records unterzeichnet. Wie schwierig fiel euch damals die Entscheidung zwischen Musikkarriere und Uni?

Jack:
Ich glaube, das war für uns alle keine wirklich schwere Entscheidung. Zwar fingen alle unsere Freunde an zu studieren, aber wir wollten unbedingt Musik machen und den Weg weitergehen, den wir eingeschlagen hatten. Für mich persönlich war auch schon in frühen Jahren klar, dass ich Musiker werden will – lange bevor wir unsere Band gründeten.

Jonas:
Haben euch eure Familien und Freunde in dieser fundamentalen Entscheidung unterstützt?

Jack:
Ja, alle waren sehr begeistert und haben uns auf unserem Weg begleitet und unterstützt. Interessanterweise haben viele unserer Freunde mittlerweile ihr Studium abgeschlossen und wissen trotzdem nicht, was sie mit ihrem Leben anstellen sollen. Sie befinden sich erneut in einer Orientierungsphase, die wir längst hinter uns gelassen haben.

Jonas:
Vielleicht hören sie dabei ja zur Unterstützung Bombay Bicycle Club…

Jack (lacht):
Ja, wer weiß.

Jonas:
Das Artwork eures neuen Albums ist von der nahezu in Vergessenheit geratenen „Moving Photography“ inspiriert, die von dem britischen Fototechnik-Pionier Eadweard Muybridge Ende des 19. Jahrhunderts erfunden wurde. Mit seinem „Zoopraxiskop“ hat er per Serienaufnahmen Studien über den menschlichen und tierischen Bewegungsablauf angestellt. Wie seid ihr auf diese über 130 Jahre alte Technik aufmerksam geworden?

Jack:
Ich habe zufällig in der Zeitung eine seiner Fotoserien gesehen, diese ausgeschnitten und gleich der Band gezeigt. Ich hatte das Gefühl, dass diese Art und Weise der visuellen Darstellung unser neues Album sehr gut repräsentieren könnte.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns noch nicht wirklich Gedanken über die Gestaltung gemacht, aber irgendwie passte das ziemlich gut zu der musikalischen Leitidee der Platte, die mit vielen Loops und Repititions arbeitet. Außerdem greifen viele unserer Lyrics diese Idee der Wiederholung auf – und auch der Albumtitel „So Long, See You Tomorrow“ nimmt darauf Bezug. Somit ist das Artwork eine perfekte visuelle Klammer für das ganze Projekt.

Jonas:
Nachdem ihr nun zum ersten Mal ein Album komplett alleine produziert habt: Könntet ihr euch vorstellen, in Zukunft auch das Artwork alleine zu gestalten?

Ed:
Wir waren natürlich maßgeblich daran beteiligt, das Artwork zu konzipieren, weil wir viele Bilder und Impressionen im Kopf hatten, die in die Gestaltung irgendwie einfließen sollten. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, dass einer von uns so etwas persönlich umsetzen könnte. Dafür braucht man jemanden, der das professionell macht und über die entsprechenden Skills verfügt. Umso schöner ist es daher, dass das fertige Artwork ein toller Mix all’ unserer Ideen ist und die Kommunikation untereinander so gut funktioniert hat.

Wir lassen uns einfach treiben und sehen unsere Sound dabei zu, wie er sich weiterentwickelt.

Jonas:
Welche Pläne habt ihr für das neue Jahr – abgesehen von Konzerten und offiziellen Promotion-Terminen?

Jack:
Das Jahr 2014 ist schon jetzt ziemlich durchgetaktet, da bleibt wenig Luft. Musikalisch gesehen planen wir aber nicht wirklich etwas, wir lassen uns einfach treiben und sehen unsere Sound dabei zu, wie er sich weiterentwickelt. Das Gute ist ja: Von Album zu Album sieht man immer klarer.

Jack und Ed wenden ihre Köpfe nun beide zu der großen Fensterfront am Ende des Raumes und betrachten für einige Sekunden den Himmel, der wahrscheinlich gerade in London eine ähnlich dichte und graue Wolkendecke zu bieten hat. Dann drehen sie sich wieder zu uns, verabschieden sich und lassen uns in aller Ruhe das Set abbauen.

Wir verlassen den „Whiskey Room“ und werden draußen sogleich vom miesen Dezemberwetter mit einem kratzigen Hallo begrüßt. Mit einem Schlag wächst in uns die Sehnsucht nach einer Wohlfühl-Atmosphäre, wie wir sie in der letzten Stunde erleben durften.

Da hilft nur eines: nachhause fahren, Füße hochlegen und heiße Schokolade trinken.

Wie schön, dass es meistens die einfachen Dinge im Leben sind, die helfen.

Und wenn es keine heiße Schokolade gibt, kann man immer noch Bombay Bicycle Club hören – das hat mindestens die gleiche Wirkung.


Maxim

Interview — Maxim

Der Mutmacher

Maxim rappt in seinem neuen Album gegen die Abstumpfung der Gesellschaft an. Wir sprechen mit ihm über die tröstende Kraft von Musik und seine Vorahnung, dass wir alle noch drastische gesellschaftliche Veränderungen erleben werden.

19. Januar 2014 — MYP No. 13 »Meine Sehnsucht« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Steven Lüdtke

Irgendetwas ist anders heute. Dieser 17. Dezember mag so gar nicht in das Schema eines vorwinterlichen Tages im Osten Deutschlands passen, das man sich über Jahre wie selbstverständlich im Kopf zurechtgeschnitten hat. Schneematsch, kalter Wind und Nieselregen? Fehlanzeige. Dafür strahlt die Sonne, als gäbe es kein Morgen.

Fast unheimlich wirken die vielen freundlichen und gut gelaunten Gesichter rund um die Warschauer Brücke, die uns auf dem Weg in den Berliner Stadtteil Friedrichshain entgegenschlendern. Die sonst so gebückten und in Mäntel versunkenen Oberkörper strecken sich aufrecht und sonnenhungrig dem Himmel entgegen. Und als stünde der Frühling vor der Tür, scheint man schnell die hauptstadttypische Kratzbürstigkeit unter den Asphalt gekehrt zu haben.

Vor uns liegt das RAW-Gelände, auf dem sich in den letzten Jahren eine bunte Szene aus Clubs, Bars und Cafés etabliert hat. Nur wenige Meter entfernt von der Warschauer Straße begrüßt uns das Astra Kulturhaus, das zu DDR-Zeiten als Kulturhaus der Deutschen Reichsbahn den Menschen musikalische Unterhaltung bot – staatlich kontrolliert versteht sich. Nach der Wende geriet das Haus ein wenig in Vergessenheit, doch im Jahr 2009 feiert es sein Comeback, legte den miefigen Namen ab und hat sich in kürzester Zeit zu einem der charismatischsten Veranstaltungsorte Berlins entwickelt.

Vorbei an einem ebenfalls sonnentankenden Sicherheitsmann betreten wir das Astra durch den Hintereingang und laden unser Equipment im Backstage-Bereich ab. Wie in einem typisch deutschen Wohnzimmer der 1970er – BRD und DDR bekleckern sich da beide nicht mit stilistischem Ruhm – springen uns diverse Tapeten in sonderbarsten Farbtönen und Wellenmustern an. Dazu gibt’s schwere Ledersofas, dunkle Holzfurniere und einen Perserteppich wie bei Oma – Imitat natürlich.
Doch auch wenn die Räume an Skurrilität kaum zu überbieten sind, kann man ihnen eines nicht absprechen: ihren sympathischen und auf ihre Weise eigenständigen Charme.

Kaum haben wir in einem der Räume unser Set aufgebaut, betritt auch schon Maxim die Szene. Freundlich und mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen begrüßt er uns und lässt sich auf einem der Ledersofas fallen. In wenigen Stunden wird er mit seiner Band hier im ausverkauften Astra auftreten. Wir rücken noch schnell einen Lampenschirm gerade, dann kann es losgehen.

Jonas:
Wer sich mit deiner Musik befasst, gewinnt den Eindruck, dass Du jemand bist, der etwas zu sagen hat im Leben.

Maxim (lacht):
Stimmt, das Bedürfnis, mich mitzuteilen, ist bei mir eindeutig vorhanden.

Jonas:
War es auch schon immer so stark ausgeprägt?

Maxim:
Ich habe tatsächlich schon immer versucht, mich irgendwie künstlerisch auszudrücken – wenn man das überhaupt so sagen kann. Mein Medium war anfangs aber eher weniger das Texte schreiben: Als 16jähriger habe ich viel Breakdance und Graffiti gemacht, die ganze HipHop-Geschichte habe ich voll mitgenommen.
Irgendwann habe ich auch eigene HipHop-Texte geschrieben, dann kam der Reggae und schließlich die Musik, die ich heute mache – wie auch immer man sie bezeichnen mag.

Jonas:
Das heißt, es fällt dir schwer, deine eigene Musik zu kategorisieren?

Maxim:
Ich mache mir darüber natürlich so meine Gedanken, denn gerade Journalisten mögen es ganz gerne, wenn es eine Schublade gibt, in der man mich und meine Musik verorten und darauf ein Schild kleben kann.
Aber das scheint bei mir irgendwie grandios zu scheitern, weil ich in jedem Interview in eine andere Schublade geworfen werde: Die einen vergleichen mich mit Clueso, Philipp Poisel und Tim Bendzko, die anderen mit Casper, Prinz Pi und was auch immer. Es besteht also eine gewisse Hilflosigkeit, mich irgendwo zuzuordnen – daher habe ich es selbst auch aufgegeben, eine Kategorie für meine Musik zu definieren.

Jonas:
Es ist ja auch wesentlich wichtiger, das Gefühl zu haben, mit seiner Musik am richtigen Platz zu sein.

Maxim:
Stimmt. Und meine Musik ist genau das, was ich machen will. Ich habe aber ganz allgemein den Eindruck, dass sich dieses Genre-Denken immer mehr verläuft. Ich kenne keinen Menschen mehr, der nur eine einzige Musikrichtung hört – höchstens vielleicht noch die Punk- oder Rap-Fans.
Aber Rap wiederum ist auch inspiriert von unterschiedlichsten Musikstilen wie etwa Soul, Indie Rock oder Electro, sodass man eigentlich nicht von einem eigenen Genre sprechen kann. Ich persönlich finde diese Vielfältigkeit aber gut, weil Musik total davon lebt, offen für anderes zu sein.

Jonas:
War dir immer klar, dass du mit deiner Kunst genau den Punkt ansteuern musst, an dem du heute bist? Oder hat sich alles auf ganz natürliche Art und Weise entwickelt?

Maxim:
Ich würde behaupten beides. Rückblickend kann ich sagen, dass ich schon immer das Gefühl hatte, dass das, was ich damals gemacht habe, noch nicht so ganz richtig war. Wenn ich einen Song geschrieben hatte, fühlte sich das zwar irgendwie gut an, trotzdem wurde mir noch nicht deutlich, wohin ich damit eigentlich will.
Dieses klare Gefühl hatte ich erst bei meinem aktuellen Album „Staub“. Als die Platte fertig war, habe ich gespürt, dass das der Punkt ist, auf den ich mich seit Jahren zubewegt habe.
Aber so etwas kann man natürlich nicht planen. Es ist nicht so, dass ich mir vor Jahren gesagt habe, dass ich erst zwei Reggae-Platten machen will, dann ein Singer/Songwriter-Album herausbringe und im Anschluss eine Platte mache, die eben das ist, was sie ist. So etwas passiert einfach und hängt wesentlich von den Leuten ab, die man im Laufe seines Lebens trifft – und von der Inspiration, die man sammelt.

Jonas:
Ist es dir wichtig, in deiner Musik auch politisch zu sein?

Maxim:
Ich bin sehr picky, wenn es darum geht, etwas Politisches oder Sozialkritisches in einen Song reinzubringen. Ich mag es einfach nicht, den Zeigefinger plakativ auf etwas zu richten und „Bush ist doof“ oder „Nazis finde ich scheiße“ zu brüllen.
Dennoch gibt es auf dem aktuellen Album den Song „Wut“, bei dem es ganz gut geklappt hat, eine bestimmte politische Thematik anzusprechen. In dem Stück geht es darum, dass ich eine gewisse Abstumpfung bemerke – nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch an mir selbst. Denn obwohl ich kein überpolitischer Schreiber bin, mache ich mir natürlich Gedanken darüber, was mit mir und um mich herum passiert.
Generell ist es aber eher schwierig, Dinge in einem Song zu verbraten, die ganz weit weg von einem sind, weil sie dadurch schnell unpersönlich werden. Aber ein Song ist ja immer gerade dann gut, wenn er sehr persönlich ist.

Jonas:
Du hast vor vielen Jahren ein BWL-Studium angefangen und wieder abgebrochen, bist dann in einen anderes Studium gewechselt, aber das ebenfalls bald hingeworfen. War Dir damals noch nicht so wirklich klar, was du mit deinem Leben anfangen willst?

Maxim:
Doch, ich wusste eigentlich schon immer, dass in meinem Leben der Fokus ganz klar auf der Musik liegen muss. Deshalb habe ich mich auch schon in sehr jungen Jahren dazu entschieden, Musiker zu werden. Anfangs glaubte ich aber noch, mir irgendein zweites Standbein schaffen zu müssen und bin auf die Schnapsidee gekommen, BWL zu studieren. Ich dachte, ich könnte das später vielleicht mal in irgendeiner Form mit der Musik kombinieren und beispielsweise ins Musikbusiness einsteigen.
Aber ich habe recht schnell gemerkt, dass so etwas für mich absolut keinen Sinn ergibt. Musiker ist man entweder voll und ganz oder eben gar nicht – etwas dazwischen funktioniert nicht. Dieser Beruf verlangt einfach zu viel Leidenschaft, Herzblut, Zeit und Schweiß, da kann man nicht noch etwas nebenbei machen.

Ich finde, diese tröstende Kraft von Songs ist etwas sehr Magisches – und für mich der eigentliche Grund, warum ich Musik mache.

Jonas:
Vor kurzem hat mir ein junger Mann erzählt, dass ihm dein Song „Meine Soldaten“ wochenlang dabei geholfen hat, über die Trennung von seiner damaligen Freundin hinwegzukommen. Ich habe das Gefühl, dass dieser junge Mann beispielhaft für viele andere Menschen steht, die etwas ganz Bestimmtes mit deiner Musik verbinden – und denen du in gewisser Weise Mut machst. Ist dir diese Tatsache überhaupt bewusst? Und wenn ja, wie gehst du mit dieser Verantwortung um?

Maxim (schweigt für einen Moment):
Auf der einen Seite ist mir schon bewusst, dass da draußen Menschen rumlaufen, die tatsächlich bestimmte Ereignisse mit meiner Musik verbinden – auch wenn diese Ereignisse nicht immer positiv behaftet sind. Ganz allgemein verbindet man oft vor allem negative Lebensereignisse wie etwa Trennungen mit einer ganz bestimmten Musik, weil man darin in dem Moment einen gewissen Halt findet.
Ich finde, diese tröstende Kraft von Songs ist etwas sehr Magisches – und für mich der eigentliche Grund, warum ich Musik mache. Für mich gehört es zur absoluten Königsdisziplin, Songs erschaffen zu können, mit denen ein Mensch eine ganz bestimmte Lebenssituation oder einen besonderen Menschen verbindet – und sich jedes Mal an die Situation oder Person erinnert, wenn er das Lied hört.
Ich sehe das aber nicht als Verantwortung: Im Endeffekt habe ich das Lied ja nur aus meiner eigenen Position heraus geschrieben. Dennoch texte ich immer offen und würde beispielsweise nie einen Namen in das Stück schreiben. In dem Moment, in dem ich einen Song herausgebe, geht es darin nicht mehr um die Person, die ich selbst meine, sondern um die, die jeder einzelne Hörer meint. Mir ist es total wichtig, dass dieser Mechanismus bei all’ meinen Songs funktioniert.
Darüber hinaus ist es in vielen meiner Stücke auch bewusst offen gehalten, ob es etwa eher um eine Trennung geht oder doch vielleicht um so etwas wie den Tod – das ist reine Interpretationssache der Person, die den Song hört. Das Lied „Wenn mein Herz nach dir ruft“ ist dafür ein gutes Beispiel. Ich habe von einigen Leuten erfahren, dass ihnen dieser Song dabei hilft, ihren Drogenentzug zu schaffen: Für sie persönlich handelt der Text von der Droge, von der man sich irgendwie abschotten will und auf die man sich nicht mehr einlassen kann, weil man gemerkt hat, dass sie einem nicht gut tut – und daher alle Grenzen dicht machen muss.

Jonas:
Erreichen dich viele Nachrichten von Menschen, die konkret davon berichten, was deine Musik bei ihnen ausgelöst hat und welche Lebenssituation damit verbunden war?

Maxim:
Ja, vor allem über Facebook. Ich finde solche Nachrichten total berührend und stehe dem mit einer großen Wertschätzung gegenüber, weil ich weiß, dass das etwas sehr, sehr Besonderes ist.
Ich hätte früher nie gedacht, dass mir so etwas einmal passiert. Als ich angefangen hatte, Reggae-Musik zu machen, war diese inhaltliche Dimension immer sehr klein. Der Schritt zu meiner Musik von heute war daher gewaltig: Plötzlich schreibt man so einen Song wie „Meine Soldaten“, mit dem man an die tiefsten Gefühle von Menschen herankommt. Das erwartet man ja nicht.
Das Stück ist zwar keiner dieser Mega-Radiohits, die jeder mitsingen kann, trotzdem ist es wunderschön zu sehen, dass ein so spezieller Song so weit kommt.

Wir unterbrechen unser Interview für einige Minuten, bauen einen Teil des Equipments ab und wechseln die Location. Vom Backstage-Bereich aus laufen wir zum Hauptraum des Astra, wo gerade die Bühne für das heutige Konzert aufgebaut wird. Ein dunkler Vorhang trennt den Konzertsaal vom Bar- und Eingangsbereich, der von großen, ballonförmigen Deckenlampen in ein warmes Licht gehüllt wird.

Maxim beobachtet das Geschehen rund um die Bühne, schiebt den dunklen Vorhang zurück und positioniert sich zwischen den beiden großen Räumen. Die großen Lampenballons wirken dabei wie Sterne, die ein sanftes Gelborange in die Dunkelheit streuen.

Jonas:
In Deutschland haben sich in den letzten Jahren viele junge, talentierte Künstler entwickelt, die mit ihrer Musik ebenfalls auf einer ganz bestimmten emotionalen Ebene unterwegs sind und herzergreifende Songs schreiben. Deine Musik scheint allerdings eine etwas andere Wirkung zu haben: Es gibt ein Video von deinem Auftritt bei TV Noir, in dem man bei der Akustikversion des Songs „Meine Soldaten“ erkennen kann, wie eine junge Frau im Publikum leise den Songtext mitflüstert – fast regungslos, aber aufrecht sitzend und mit einem gewissen Stolz im Gesicht. Ist deine Musik eher Mutmacher und Rückenstärker als Kuscheldecke und Trostpflaster?

Maxim:
Ich habe absolut keine Ahnung – ich mache das ja nicht bewusst. Ich schreibe einfach mit einer absoluten Ehrlichkeit und würde niemals versuchen, jemand anderes zu sein oder so zu tun, als seien die Dinge anders passiert.
Mein Album „Staub“ ist einfach von vorne bis hinten komplett ehrlich. Nichts ist ausgedacht, alles ist so geschehen und von mir emotional auf diese Art erlebt – nur verallgemeinert und in Bilder gepackt, damit ich nicht das Gefühl habe, mich auszuziehen.
Ich glaube, dass man jemandem in erster Linie Mut machen kann, wenn man ihm das Gefühl gibt, nicht alleine zu sein. Selbst wenn ich wie im Song „Einsam sind wir alle“ sage, dass ich alleine bin, nicht weiterkomme und festhänge, gebe ich damit jemandem, der ähnlich empfindet, trotzdem das Gefühl, nicht alleine zu sein in seiner Situation. Das ist zwar paradox, aber es funktioniert – auch wenn es ein typisches Singer/Songwriter-Klischee erfüllt.

Maxim lacht.

Ich finde übrigens, dass diese Art und Weise des Erzählens mehr Mut macht als die typische Poesiealbum-Lyrik à la „Geht nach vorne, denn die Sonne wird aufgehen am Horizont! Wir werden die Segel hissen und durch den symbolischen Regen die Straße entlang marschieren!“.

Jonas:
Das Bild einer Straße kommt in einem deiner Texte ebenfalls vor – nur in einem anderen Zusammenhang: An der Straße steht das Glück, hält den Daumen raus, aber du rauschst vorbei. Hast du selbst in deinem Leben öfter das Glück verpasst?

Maxim:
Die Hauptaussage bei dem Song „Rückspiegel“ ist nicht, dass ich das Glück die ganze Zeit verpasse, sondern dass ich es nicht schaffe, in diesen einen Moment zu kommen und im Jetzt zu sein. Wenn man irgendwann glücklich sein kann, dann geht das nur im Jetzt. Man kann nicht in der Zukunft glücklich sein und auch nicht in der Vergangenheit.
Wir Menschen lieben es aber, ständig in die Zukunft zu starren oder in Erinnerungen zu schwelgen. Wir sagen entweder „Irgendwann wird das alles noch total geil in meinem Leben!“ oder „Damals war es doch am schönsten!“. Aber das bringt einem nichts, es funktioniert nicht. Entweder ist man jetzt glücklich oder gar nicht.
Das meine ich auch mit dem Rückspiegel-Bild: Man schaut in den Spiegel und erkennt, dass eigentlich in dem Moment eben alles cool war und man nicht rechtzeitig gemerkt hat, dass man eigentlich hätte glücklich sein können.

Jonas:
Würdest du zustimmen, dass Zufriedenheit wichtiger ist als Glück?

Maxim:
Ich glaube, das ist reine Definitionssache. Eigentlich geht es viel eher um die Frage, ob sich Glück nur bedingen kann durch Unglück oder ob Glück eher im buddhistischen Sinne als absolute Ausgeglichenheit verstanden werden muss.
Ich persönlich glaube, dass man Glück in Gestalt totaler Euphorie nur empfinden kann, wenn man vorher das Gegenteil erlebt hat: Depression, Leid, Schmerz – wie Schwarz und Weiß, das funktioniert nicht ohneeinander.

Jonas:
Ist Sehnsucht ebenfalls ein Gefühl, das dich bei deiner Arbeit bzw. in deinem Leben begleitet?

Maxim:
Jeder meiner Songs handelt letztendlich von der Sehnsucht – dem eigentlichen Hauptmotiv. Man kann sich im Leben ja nach vielerlei sehnen: Auf dem Album gibt es daher Songs, in denen ich mich mal nach der Ferne sehne, mal nach der Heimat, mal sehne ich mich nach Menschen, mal nach der eigenen Wut, die ich verloren habe.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich zu meinen Lebzeiten noch drastische gesellschaftliche Veränderungen vollziehen werden.

Jonas:
Warum glaubst du, dass dir deine Wut abhanden gekommen ist?

Maxim:
Ehrlich gesagt habe ich gerade das Gefühl, dass sie wieder ein wenig zurückkommt – ausgelöst durch so einige Umstände, die ich zur Zeit beobachte. Viele Leute leben mittlerweile mit der Einstellung: „Es passiert ja nichts!“, „Es wird eh nichts besser!“ oder „Warum soll man auf die Straße gehen? Das bringt doch alles nichts!“.
Diese resignative Einstellung führt dazu, dass man in sich keine Wut mehr zulässt – in erster Linie, um sich zu schützen. Man will ja nicht den ganzen Tag stinksauer durch die Welt laufen. Irgendwann sitzt man dann nur noch vor der Glotze und denkt über die vielen Probleme in der Welt einfach nicht mehr nach – obwohl die Kacke in Deutschland krass am dampfen ist. Und das wird meines Erachtens noch schlimmer.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich zu meinen Lebzeiten noch drastische gesellschaftliche Veränderungen vollziehen werden. Man merkt ja jetzt schon, dass unten vieles nicht mehr so klappt, wie man es oben gerne hätte.
Diese unendliche Resignation, die sich gerade breit macht, ist erdrückend: Viele Leute würden ja auch gerne teilhaben, aber sie wissen einfach nicht, was sie wählen sollen. Ich selbst habe beispielsweise noch nie eine Wahl wie die letzte Bundestagswahl erlebt. Ich stand vor dem Wahlzettel und dachte: eigentlich scheißegal, wo ich mein Kreuzchen mache – es passt nicht. Ich wähle letztendlich nur irgendeine demokratischen Partei, damit ich nicht die Rechten stärke.
Ich habe zwar nach langem Zögern irgendeine angekreuzt, aber glücklich war ich mit meiner Entscheidung nicht. Sollte es nicht so sein, dass man bei einer Wahl das Gefühl hat, dass es mindestens eine Partei gibt, bei der man sich gut aufgehoben fühlt und die genau das widerspiegelt, was man denkt? Überhaupt erst einmal denken – ich habe das Gefühl, das wollen viele gar nicht mehr.

Jonas:
Vielleicht geht es uns einfach noch zu gut.

Maxim:
Ja, wahrscheinlich. Aber sobald es uns wieder schlechter geht, werden sich die Menschen auch wieder mehr mit der Materie befassen. Ich hoffe nur, dass diese schlechteren Zeiten nicht die üblichen Mechanismen wie etwa einen Anstieg von Ausländerfeindlichkeit in Gang setzen. Man sucht in der Krise ja gerne einen Schuldigen. Und fündig wird man immer zuerst bei schwachen Minderheiten.

Jonas:
In der Hoffnung, dass das neue Jahr nicht schlechter, sondern besser wird: Hast du dir persönliche Ziele gesetzt?

Maxim:
Meine Hauptaufgabe in 2014 wird sein, neue Songs zu schreiben, denn ich will im neuen Jahr auf jeden Fall mein fünftes Album herausbringen. Aber jetzt fahre ich erst einmal für vier Wochen nach Vietnam, um den Reset-Button zu drücken und alles auf Null zu setzen. Das wird bestimmt super. Und wenn ich zurück bin, stehen wieder eine Tour und einige Festivals an.

Ich fühle mich nie so, als wäre ich wirklich angekommen. Aber ich habe den Eindruck, auf meinem Weg immer authentischer zu werden – wie bei jedem Menschen, der älter wird.

Jonas:
Ständig in Bewegung…

Maxim:
Stimmt. Ich fühle mich nie so, als wäre ich wirklich angekommen. Aber ich habe den Eindruck, auf meinem Weg immer authentischer zu werden – wie bei jedem Menschen, der älter wird.
Wenn man 16 ist, denkt man noch, man ist total cool und hat die Welt begriffen. Alles springt noch hin und her, in der einen Woche hat man die Frisur und in der nächsten Woche eine andere. Aber das wird Gott sei Dank immer weniger.
Ich bin zwar erst 31, aber ich merke, dass sich diese ständige Suche nach der eigenen Identität ziemlich gelegt hat. Man ist jetzt so, wie man ist, akzeptiert sich und mag sich selbst eigentlich ganz gerne.

Maxim lächelt zufrieden, legt die Hände in den Nacken und dreht seinen Kopf in Richtung Bühne – jemand benötigt seine Hilfe. Wir verabschieden uns daher von dem jungen Musiker, schießen noch einige Fotos und laufen zurück zum Backstage-Bereich, in dem unser restliches Equipment liegt.

Die Sonne, die vor gut einer Stunde noch die Gesichter der Menschen rund um die Warschauer Brücke zum Strahlen gebracht hat, wirft nun ihr geballtes Licht in das skurrile 70er-Jahre-Wohnzimmer – als würde sie uns nach draußen bitten. Also packen wir zusammen, verlassen das Astra und treten ins Freie. Wie eine warme Dusche prasseln die Sonnenstrahlen auf uns ein, drücken unsere Rücken durch und lassen die Mundwinkel nach oben schnellen. Mitten im Dezember. Mitten in Berlin.

Ist gibt Tage, die passen in keine Schublade.

Sie sind einfach nur da, um Mut zu machen – und Kraft zu geben für den Winter.


Will Brandt

Interview — Will Brandt

Like A Chameleon

Will Brandt hates to be put in a box. So we will do the LA-based actor a favor when we try to not describe him.

19. Januar 2014 — MYP N° 13 »My Desire« — Interview: Jonas Meyer, Photography: Max Motel

His smile’s sincerity is no match for his weathered motorcycle jacket. In a small LA coffee shop filled with artists and pre-holiday buzz, Mr. Brandt’s blend of youthful exuberance and gruff easily fits in, and yet, he unassumingly pops. A refreshing kindness resonants as he greets me by name and offers me a coffee. I quickly observe Will, a ringer for Brad Pitt’s younger brother, is neither cookie-cutter nor baddie but something else entirely. Fresh from doing doughnuts in a vintage mustang at the LA riverbank, he talks with a grounded excitement.

It’s not his first trip to the rodeo, but he describes the scene with such detail you’d think it is. He’s non-threatening in the best way. He talks about his love of dirt bikes and downtown LA, and a passion for playing diverse characters, including his most recent “Jeff” in the film Shock Value, which is touring the film festival circuit this year. I’m taken aback as I notice him actually listening as he returns my questions with questions for me, and our interview quickly becomes a conversation. There’s vulnerability and fight in Will, perhaps the result of being raised by a military father and an artistic mother, or the influence of his acting coach – whose name sounds like a female organ.

Either way, he is unafraid of his femininity, and that makes his masculinity all the more accessible and his acting portfolio all the more diverse. In an industry where actors are mostly cast to play themselves, Will is still finding out who that is – and enjoying every minute of it.

Erin:
I read that you were an army brat.

Will:
Yah, my dad was an attack helicopter pilot.

Erin:
Whoa.

Will:
Yah, for the first Gulf War. I was born in Yuma. They filmed some of Star Wars there. It looks like the moon. And I, I just moved around a ton. Every couple of years we would move somewhere else, so I had to learn how to make friends really fast.

Erin:
I would imagine that certainly prepared you to take on different types of roles, yes?

Will:
I think it gives you a good insight into humanity and that we’re all the same. We all put our pants on the same way. It gave me a lot to draw from cuz like, I just was never the cool kid in school. I think I always had that like “going against the grain” or the off beat friends… that was kind of my comfort zone, I think. It was always difficult. Unless I was going to military school, where all the kids are displaced. That’s a whole ‘nother world. They’re all feeling it. You get the sense that they’re all like in a bit of upheaval and not so happy.

Erin:
Oh God. That sounds like a terrible holiday family gathering.

Will (laughing):
Yah there was a lot of fighting going on. Throw downs in the bathroom. We all don’t want to be here. We’re angry.

Erin:
Did you find yourself adapting to your location a lot? Changing who you were to fit in?

Will:
I was always myself. When I would get to a new school, I would kind of relish in the fact that, for at least a little while, they didn’t know who I was. So I could kind of be a chameleon, until they figured out I was like sort of weird and a bit of a goof ball. I knew I wouldn’t fit in at that point, and that things would be a bit tough until I made really good friends. It was difficult but I would look forward to that newness, and I think that’s why I constantly crave more interesting stuff as an actor. I still get that feeling, I guess, of moving with different characters.

Erin:
Having a military father sometimes equates a lack of encouragement to pursue an acting career. Was your dad supportive?

Will (laughing):
No. Um… no, not at all. I guess he… yah… I’m really close to my mom, but without going into some strange, ridiculous sob story, yah, no he’s not supportive at all. I guess I don’t blame him, you know what I mean? I don’t know really how to answer that question.

Erin:
I think you did.

Will laughs.

Erin:
I get it. I think a lot of artists struggle with not having the support of their family at times.

Will:
Yah, It felt like I was always fighting. It took me until kind of recently where I felt I didn’t. My mom and I were very close when I was a kid. It was my mom who really nurtured my creativity as a kid.

Erin:
How so?

Will:
She was a singer when she was younger, and I think if she wouldn’t of had children, she might have been a professional. I remember watching her sing when I was little, in front of crowds and stuff and she… it seemed like an angel. She was so beautiful, you know? It felt like me and her against the world at times. My dad wasn’t really around very much for the first six years of my life. She was singing a lot and put me in art camps, and I would do little plays when I was a kid… a lot of that kind of stuff, and I used to paint with my grandma. I think early on that acting bug was there, and then I started playing sports and things like that as I got a bit older.

Erin:
How did you transition into being a professional actor? Is that something you went to school to study?

Will:
I worked with a wonderful lady for a number of years who trained Jeremy Renner. Her name’s Julie Ariola.

Erin (pausing):
Lovely.

Will (laughing):
It’s the Italian spelling! I did some stuff in school off and on whenever it would be available, like school plays and musicals, but nothing really serious. And to be honest, I was miserable in Tucson. I was going to the University of Arizona and I started taking some acting classes there that were terrible, like completely terrible, and I was miserable. So, my girlfriend and I packed up a car and moved out here. It was really rough at first. But once I got involved with Julie – and I still work with her – things moved here for me. I think she helped me get in more touch with myself.

Erin:
Is that something you were seeking out?

Will:
I wanted to know myself and not know myself. It was this really strange light and dark, and when I got close to things that scared me, I would run away from them. It wasn’t until she really got ahold of me that I realized I didn’t have to do that.

Erin:
What was your first gig out here?

Will:
A commercial for Hyundai. It paid my rent and I was pretty stoked about that.

Erin:
How did you come to be involved with Shock Value?

Will:
I had auditioned for the casting director a month or two before, and I didn’t get that project but she called me back in for this. I had to audition for this for like a month – they just kept calling me back in again, and again, and again, and again. I’ve been through that process with television shows before, and it didn’t work out, but it was different with this. I knew if I didn’t get it I was gonna be a mess. I would think about it when I wasn’t there. I would take the character out in public and it was just so much fun.

Erin:
Out in public?

Will:
I’ve done that before with some theater roles. It’s fun.

Erin:
Well what is your character Jeff like? Does he pick up the tab?

Will (laughing):
He wants to be seen and loved, I guess as most humans do, but he has like an insatiable need for it. He has like zero idea how to accomplish that. And he’s incredibly angry.

Erin:
Is there a part of you that could relate to his desire for that, or the anger from not having it?

Will:
I felt like there were a lot of things in my life and Jeff’s life that were parallel. And, um, it just kind of came out. I was able to learn a lot from Jeff about myself too. And some of it wasn’t so comfortable. I think towards the end of playing Jeff, I was exhausted. Jeff’s talented, good-looking, he has everything and still… there’s just a lot of destitution and there doesn’t need to be.

Erin:
He sounds like a Gen-Xer.

Will:
Yes! He’s a typical Gen-X!! Lonely. Angry as shit.

There was a real aliveness – a serious electric energy that was there from all of us.

Erin:
What was it like working with a mix of veterans and “newbies” on this film?

Will:
It was interesting working with Doug and Greg. They had a really strong vision going into it, which I think is super important. Doug, to me, from the get-go, is a really character-driven director, and I like that kind of stuff. It’s a fun way to work. There were a lot of us who this was our first big project to work on, so there was a real aliveness – a serious electric energy that was there from all of us – the crew, the makeup. It felt like a team. Everyone wanted to be there every day, hustling their ass off.

Erin:
That’s gotta be a great feeling.

Will:
Yah. We had a great script and we wanted to make something awesome.

Erin:
So the topic of this issue is ‘My Desire’. You’ve expressed Jeff’s desire for love and to be seen. What’s yours?

Will:
To be fearless. I think I always strive for it, but I really suck at it sometimes.

Erin:
I think fearlessness is often misunderstood for being perfect.

Will:
Absolutely.

Erin:
It’s usually messy and uncomfortable.

Will (laughing):
Definitely. That’s my experience.

Erin:
How long have you been in LA?

Will:
Four years.

Erin:
Do you like it?

Will:
I hated it at first… I loved it and I hated it, but I knew I couldn’t leave. I had so many random jobs when I moved out here, and that was a blessing, but it was really tough. I love it now. I traveled a lot last month. I was in Tokyo and Berlin for work, and I really enjoy Europe a lot… and I love London – the openess that is there… but I missed life here. So I guess this is home now. There’s a certain energy that runs here that’s like a drug and it gets you

Erin:
Coming back to your desire, what’s the next goal for you in your career? My guess is you’re more interested in the character you’ll play rather than say, booking a series regular on a TV show.

Will:
Yah it’s more about the character. I like comedy. Something that scares me a bit, and that’s challenging and uncomfortable makes me go those places. I enjoy that stuff. However that presents itself.

Erin:
Playing a diverse array of characters is something we really don’t see anymore, especially from younger actors. Have you had problems with “branding yourself”?

Will:
Yah everyone here is trying to shove me into a box and tell you you’re gonna be like this. And I’m sorry, that’s not interesting. I have a ton of trouble with it. I still do. I’m not going to be so obstinate, cuz we all wanna have a job, but yah. I’m not comfortable with that. I didn’t grow up with a square frame of mind or be the same person all the time because I couldn’t.

I think what I’ve had to learn, and am still learning, is to be myself with people.

Erin:
Have you found a solution to getting Hollywood to seeing you as a chameleon?

Will:
I think what I’ve had to learn, and am still learning, is to be myself with people. That might sound so lame. Be authentic with the industry and whatever that means in that moment. Like if I feel like goofing off – just do it.

Erin:
Balance and self-exploration, that seems to be a big part of your process.

Will:
Yes. I have to or else I get crazy. You find a lot of ways to… I don’t want to use “check out”… that sounds terrible. I check in with myself a lot. And I write… I don’t know… I like to ride motorcylces. I have good friends that’ll tell me if I’m being a moron. That’s important. I think knowing that a lot of people would give their right arm to maybe be where you are… I don’t know, it helps me to take a step back.

Erin:
Any last question you’re dying to answer? Favorite color?

Will:
I eat a lot of chocolate.

I walk away with a feeling that I just spent the day with a friend, rather than the subject of an article I’m writing. He thanks me numerous times and heads off with just as much muster as when we started. I can’t tell if I’m more inspired by his blend of old school craftsmanship with new age awareness, or the fact that he refuses to be anything else. Perhaps that’s the key for those artistic chameleons still out there: keep adapting. Risk going where it’s dark until it’s light again.