Hannes Lippert
Submission — Hannes Lippert
Urknall
5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Hannes Lippert
Es ist Mittwoch 20:15 Uhr. Eigentlich ist das egal, denn auch an den anderen Wochentagen sitze ich um die gleiche Zeit – sozusagen zur Primezeit – auf meinem mittlerweile leicht abgewetzten Ikea-Ledersofa. Vor mir steht eine geöffnete Flasche lauwarme Hopfenbrause und mein Blick ist auf meinen Fernseher gerichtet… nicht so ein neues Teil… nein, noch Röhre.
Das Bild zeigt lauter kleine Punkte, schwarze und weiße. Ich habe mal gelesen, dass der Ursprung des sogenannten „Weißen Rauschens“ hier vor mir in meiner Berliner Altbauwohnung im Urknall liegt. Nun liegt ja der Ursprung von allem, das wir kennen, irgendwo bzw. irgendwie im Urknall, so ‘ne halbe Milliarde Jahre in der Vergangenheit. Hmm… nun stellt sich mir die Frage: Liegt auch die Ursache unserer heutigen Probleme irgendwo da vergraben?
Wie der festgefahrene Stellungskrieg zwischen schwarzem und weißem Punkt, kämpft alles, das ich kenne, irgendwie gegeneinander an. Religionen, politische Ansichten und fanatische Fußballproleten sind nur winzige Beispielfussel in meiner beschränkten Vorstellungskraft. Aber davon abgesehen: Was wäre denn, wenn neben der Ursache der unzähligen Probleme auch die Lösung derselben im Urknall liegen würde?
Und nun sitze ich hier und suche zur besten Sendezeit, inmitten des Geflimmers – dieser einzigen mir bekannten Verbindung zum Urknall – nach einer Lösung der unzähligen Konflikte um uns herum.
Dauert wohl ‘ne Weile.
Hannes Lippert ist 31 Jahre alt, 3D-Artist und lebt in Berlin.
Julia Wengenroth
Submission — Julia Wengenroth
Die Mühe wert
5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Julia Wengenroth
Ich bin auf der Suche nach besonderen Fotografien. Ich kann nicht genau sagen, seit welchem Zeitpunkt ich hiernach suche, weil ich schon immer von einzigartigen Bildern beeindruckt war. Vielleicht kann man aber sagen, dass ich selbst aktiv danach suche, seit ich im Jahr 2011 das erste Mal eine Spiegelreflex Kamera in den Händen gehalten und meine ersten eigenen Aufnahmen gemacht habe.
Diese Suche stellt für mich eine große Herausforderung dar, weil hierfür vieles zusammenkommen muss – ein interessanter Ort, ein gutes Timing, stimmige Lichtverhältnisse, passende Ausrüstung und die richtige Wahl der Einstellungen an der Kamera. Durch meine Suche hat sich mein Blick für Details deutlich geschärft, denn am Ende sind es Kleinigkeiten, die ein besonderes Foto ausmachen und somit den Moment für die Ewigkeit einfangen und einfrieren.
Meine ständige Suche führte mich schon zu außergewöhnlichen Orten. So bin ich beispielsweise im letzten Jahr nach Island gereist. Neben den Bildern, die ich dort geschossen habe, habe ich unzählige schöne Erinnerungen sammeln können. Und wenn ich mir die Fotos am Ende eines Tages anschaue, weiß ich, dass die Suche die Mühe wert ist.
Julia Wengenroth ist 30 Jahre alt, Fotografin und lebt in Krefeld.
Jonas Meyer
Submission — Jonas Meyer
Moonstone Beach
5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Jonas Meyer
Wer ich sein will,
wo ich hingehöre,
was ich machen soll –
ich weiß es nicht.
Eine Suche ohne Ziel.
Und ohne Antworten.
Doch gerade scheint es,
als hätte ich den besten Ort
der Welt gefunden.
Frisch und wärmend ist es hier.
Karg und sanft.
Rau und lebendig.
Und unendlich schön.
Jonas Meyer ist freiberuflicher Art Director und Publizist und lebt in Berlin.
Florian Tenk
Submission — Florian Tenk
Letzte Fragmente
5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Fotos: Florian Tenk
Alles, was ich von ihm habe, hat er mir gesagt. Oder: Das, was ich von ihm haben kann, ist bereits gesagt.
Endlich ist es wieder soweit für den nächsten Herzschlag, nur alle zwei, drei Wochen, wenn wir unsere Wege an diesem Tisch kreuzen lassen. Welche Seite wem gehört, weiß inzwischen keiner mehr.
Vorbei die Jagd, vorbei.
Jetzt spricht er zu mir in letzten Fragmenten.
Was wird jetzt noch passieren, geht mir durch den Kopf.
Ich mag Orangen sagt D. und da erscheint das Bild von einer perfekten Orange auf dem Tisch. Nur ein Stück Stängel ist dran, er ist noch grün und zeigt nach Norden.
Magst du auch Orangen? Ich ja schon.
Ich glaube, ich mag keine Orangen.
Weißt du, ich mag auch Türen, sagt D.
Also beiße ich doch schnell in die Orange, bevor D. auch eine Tür auf den Tischen malen kann. Etwas zu schnell, um dabei ehrlich zu wirken. Ihr Geschmack trägt die Bitterkeit meiner Gedanken, denn ich weiß jetzt schon, zum Norden hinaus gehen wird er trotzdem bald, das weiß er auch. Und ich weiß auch, alle, die aus seiner Gegend kommen, haben einen starken Willen, wenn ich es aber schaffe, dass er noch ein, zwei Momente länger bleibt, werde ich wieder vergessen, was ich ihm zuerst an den Kopf werfen wollte.
Dass er mir ein Wort erfunden hatte:
Und dann doch noch eines hinterher schob, es heißt ichwollteesnureinfachhaben.
Und wenn alle Probleme unserer Zeit, doch nur noch Übersetzungsprobleme sind, habe ich noch nicht gelernt, wie man das buchstabiert.
Wenn er später zurück sein wird, in seiner Gegend und einer an seinem Tisch sitzt, oder zwei, die über mich lachen, weil man mir die Herkunft ansieht und ich seine Worte nicht übersetzen kann. Alles richtig machen, kann man doch eh nur, wenn man gar nichts mehr macht – und so spucke ich ihm einen Orangenkern an den Kopf. Ich habe alle Kerne hinter meinen Zähnen gesammelt, sie sind der einzige Teil von meiner Orange, den ich jetzt beginne zu mögen.
Diese Menschen, die dann an seinem Tisch sitzen werden, schütteln den Kopf über mich, denn alle, die aus seiner Gegend kommen, schütteln den Kopf über die mit meiner Herkunft, die nie finden und nur denken im Suchen stark zu sein.
D. schaut mich heute zum ersten Mal an, so wenn man angesehen wird und darin neu entsteht, mit seinem schrägen Blick, von unten herauf in die Augen.
Vielleicht hat ihn der gespuckte Kern getroffen, doch unter seine Haut hat er es sicher nicht geschafft. Schon als er meinen Mund verlassen hatte, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Daran wird nichts mehr wachsen, weil an D. keine Dinge hängen bleiben.
Langsam hebt sich seine Lippe, ob es ein Lachen ist, kann man nicht mehr erkennen, nur seine Zahnreihen aus Kernen, die er schon lange mit sich trägt. Mit dem letzten Rest meiner Orange, den ich nicht vermissen werde, ist seine Zahnreihe nun ganz. Die Laute aus seinem Mund sind die seiner Zukunft, unsere Sprachen sind jetzt ganz verschieden.
In dieser Sprache malt er auf den Tisch seine ersten Rudimente. Ich kann es jetzt noch nicht lesen, aber ich denke, für ihn heißt es gehen, für mich heißt es bleiben.
Florian Tenk ist 27 Jahre alt, studiert Kunst mit Schwerpunkt Fotografie und lebt in München.
MYP17 – Prolog "Mein Ritual"
Editorial — MYP Magazine N° 17
Prolog »Mein Ritual«
21. März 2015 — The Kooks fotografiert von Moritz Jekat
— The Kooks im Interview
The Kooks
Interview — The Kooks
Listen To Your Heart
Der große Indie-Hype ist verflogen, aber eine Lieblingsband der Millenials hat sich standhaft gehalten: In der geschichtsträchtigen Columbia-Halle in Berlin-Tempelhof sprechen wir mit Luke Pritchard und Peter Denton von The Kooks über Zerstörung und Neuerschaffung.
21. März 2015 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Moritz Jekat
Wir sind mal ausnahmsweise viel zu früh da – passiert uns ja nicht oft. Seit etwa zwanzig Minuten stehen wir vor der Columbiahalle im Berliner Stadtteil Tempelhof und warten auf Viktor, unseren Kontaktmann von Universal Music.
Doch was sind schon unsere zwanzig Minuten Wartezeit gegen das, was die vielen jungen Fans noch vor sich haben, die sich bereits jetzt zu Dutzenden vor der Konzerthalle versammeln? In Grüppchen sitzen und stehen sie auf den Treppenstufen vor dem Eingang und warten darauf, heute Abend hier The Kooks feiern zu können – idealerweise direkt von der ersten Reihe aus. Einlass ist um acht, jetzt ist es kurz vor zwei. Nur noch sechs Stunden also, die es zu überbrücken gilt.
Sind die denn verrückt geworden?
Mal Hand auf’s Herz: Was würde man selbst denn alles tun und geben für die eigene Lieblingsband? Wie viele Stunden, wie viele Tage würde man warten, um die eine große Show zu erleben? Spätestens seit dem Tag, an dem man als Siebenjähriger auf Papas Schultern Genesis vor 80.000 Leuten erlebt hat, kann man doch gar nicht anders, als Musik als etwas Großes, etwas Magisches zu begreifen, das alles Rationale über Bord wirft. Kopf aus, Herz an – ein Ritual des Rock’n Roll.
Viktor ist da, pünktlich auf die Minute. Gemeinsam laufen wir über den Parkplatz der Konzerthalle zum Hintereingang, vorbei an dunkelgrauen Tour-Bussen und einem wortkargen Wachmann mit Bulette in der Hand. Kaum haben wir den Backstage-Bereich betreten, kommt uns Tony Brookes entgegen, seit etlichen Jahren der Manager von The Kooks. „Schaut Euch doch einfach um und sagt Bescheid, wo ihr das Interview machen wollt!“, ruft er uns freundlich zu. Na wenn das keine Ansage ist!
Im ersten Stock der Columbiahalle finden wir eine Ecke, die einen äußert gemütlichen Eindruck macht – umso wichtiger, wenn es draußen so ungemütlich ist wie heute.
Einige Minuten später. Luke Pritchard, Lead-Singer von The Kooks, und Bassist Peter Denton stehen plötzlich vor uns. Drummer Alexis Nunez und Gitarrist Hugh Harris lassen sich entschuldigen, nach der langen Anreise mit dem Tourbus wollen sie sich noch etwas ausruhen, um fit für die Show zu sein.
Jonas:
Vor kurzem habt ihr in Amsterdam eure diesjährige Europa-Tour gestartet. Ist die erste Show einer Tour immer etwas Besonderes?
Luke:
Wenn man nach einer Pause von drei Jahren mit neuem Material auf Tour geht, ist man natürlich immer ein wenig aufgeregt: Man weiß nie, was einen erwartet. Da wir aber vor dem Tourauftakt in Amsterdam bereits einige Konzerte in Australien gespielt haben, waren wir gewissermaßen schon im Rhythmus.
Jonas:
Ihr habt seit eurer Gründung im Jahr 2004 unzählige Shows gespielt. Empfindet ihr vor einem Auftritt trotzdem noch so etwas wie Nervosität?
Peter:
Wirklich nervös bin ich nie, eher energiegeladen.
Luke (lächelt):
Um ehrlich zu sein, habe ich vor unserer Europa-Tour schon eine gewisse Nervosität gespürt – aber die hat sich mit der ersten Show in Luft aufgelöst, meine Nerven
waren nach kürzester Zeit beruhigt.
Jonas:
Die Sorgen waren ja auch eigentlich unbegründet – euer neues Album wirkt wie ein guter Freund, der einige Jahre um die Welt gereist ist und nun darauf brennt, alles zu erzählen, was er erlebt hat. Wie habt ihr selbst die Zeit nach „Junk of the Heart“, eurem letzten Album aus dem Jahr 2011, empfunden?
Luke:
Mit The Kooks hatten wir immer Ups und Downs. Aber vor allem diese letzten drei Jahre haben sich für uns als Band überaus turbulent angefühlt – die Arbeit an der neuen Platte war Zerstörung und Neuerschaffung zugleich. Wir alle wollten nach „Junk of the Heart“ auf eine völlig andere Art und Weise Musik machen.
Und so war „Listen“ letztendlich für uns so etwas wie eine Katharsis – eine seelische Reinigung. Uns bedeutet dieses Album nicht nur musikalisch sehr viel, sondern auch lyrisch: Ich habe das Gefühl, dass ich beim Schreiben der Texte viel tiefer in mein Inneres vorgedrungen bin als je zuvor. Das war wie eine Therapie – was Musik ohnehin auch immer sein sollte.
Wir alle wollten nach „Junk of the Heart“ auf eine völlig andere Art und Weise Musik machen.
Jonas:
Das hört sich nach einem sehr heilsamen Prozess an.
Luke:
Ja, für mich war es wie Medizin.
Peter:
Schreiben ist grundsätzlich etwas sehr Beruhigendes und Heilsames.
Luke:
Wir hatten das Glück, mit einem Brian Eno-artigen Producer zusammenarbeiten zu können: Unser Produzent Inflo war für uns fast wie ein Guru.
Peter:
Stimmt! Er hat uns dazu gebracht, dass wir wirklich alles streng danach ausgerichtet haben, wie wir uns in dem jeweiligen Moment fühlten: Wir sind in uns gegangen und haben daraus spontan und völlig frei Songs entwickelt. Aus mentaler Sicht war daher die Arbeit an dem neuen Album absolut fantastisch.
Gleichzeitig bedeutete dieser Prozess für uns alle eine große Veränderung: Keine Drogen, keine Partys – wir wollten uns ausschließlich auf die Musik konzentrieren, intensive Gespräche führen und diese Inhalte in unsere Texte einfließen lassen. Das Album ist daher weitaus durchdachter als seine Vorgänger – nicht verkopft, aber mit einer gewissen Tiefe. Mit jedem der Songs versuchen wir, einen Akzent zu setzen.
Luke:
Es war wirklich großartig, wieder den Fun zurückzugewinnen.
Peter:
Den Fun – und den Funk.
Luke (lacht):
Genau, den Fun und den Funk! Ich glaube, bei diesem Album kann man wirklich den Spaß und die Freiheit spüren, die wir bei der Arbeit daran hatten. Für mich wirkt „Listen“ fast debutartig – vielleicht erinnert es mich deshalb auch ein wenig an unser erstes Album.
Wir haben es geschafft, den Ballast früherer Platten völlig von uns abzuschütteln und dabei trotzdem wie The Kooks zu klingen. Unser neues Album ist Welten entfernt von allem, was wir davor gemacht haben. Und dabei steht es wie keine andere Platte für uns als Band. Das ist wahre Freiheit.
Es schien, als würden wir mit aller Kraft dagegen ankämpfen, wer wir sind.
Jonas:
Zwischen den Veröffentlichungen eurer vier Alben lagen bisher immer zwei bis drei Jahre. Wie wichtig ist es, sich nach einem Release und der anschließenden Tour zurückzuziehen und physisch wie mental zu regenerieren?
Peter:
Ein Album zu produzieren und auf Tour zu gehen, ist immer ein sehr intensiver und kräftezehrender Prozess. Daher ist es für uns extrem wichtig, auch Phasen zu haben, in denen wir entspannen können und den Kopf frei bekommen.
Natürlich würden auch wir gerne mehr Zeit im Studio verbringen und schneller neue Alben veröffentlichen.
Aber manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit – eine neue Platte kann man nicht erzwingen.
Jonas:
Trotzdem ist man immer dem Druck des Marktes ausgesetzt: denn je besser das Produkt, desto höher und drängender die Nachfrage.
Peter:
Ja, aber um so etwas Komplexes wie ein Musikalbum zu erschaffen, muss man in einer bestimmten mentalen Verfassung sein. Sobald man sich zu kreativer Leistung zwingt, geht es mit Sicherheit schief.
Jonas:
Die Arbeit an dem neuen Album hat euch ermöglicht, Musik auf eine – wie ihr sagt – völlig andere Art und Weise zu machen. Heißt das in der Konsequenz, dass ihr auch die Muster über Bord geworfen habt, wie ihr euch bisher habt inspirieren lassen?
Luke:
Für uns hat sich alles wie ein absoluter Neustart angefühlt, was nicht zuletzt an unserem Produzent Inflo lag: Er hat wesentliche und für uns wirklich neue Impulse gesetzt.
Doch dieser Neustart war für uns gar nicht so einfach: In den ersten Tagen und Wochen breitete sich ein seltsames Gefühl innerhalb der Band aus. Es schien, als würden wir mit aller Kraft dagegen ankämpfen, wer wir sind – nicht weil wir uns selbst hassten, sondern weil wir das große Bedürfnis hatten, in irgendeiner Form eine neue Magie zu erschaffen. Dabei hat keiner von uns diese Gedanken tatsächlich in Worte gefasst – es gab eher ein stilles Einverständnis, dass wir nichts auf den Tisch packen wollten, was uns irgendwie an die Vergangenheit erinnert hätte. So haben wir letztendlich alle an einem Strang gezogen, es gab unter uns einen großen gemeinsamen Nenner. Jeder wollte ein Teil des neuen, großen Ganzen sein.
Jonas:
Dieser umfassende Neustart erklärt die vielen Musikstile auf „Listen“, die zu dem typischen Kooks-Sound addiert wurden. Darüber hinaus wirkt das Album insgesamt sehr energetisch. Welche Rolle hat euer neuer Drummer Alexis Nunez bei der Entwicklung der neuen Songs gespielt?
Peter:
Alexis ist ein unglaublich talentierter Schlagzeuger, der unsere Musik mit seinem lebendigen Spirit auflädt. Ich glaube, dass unser aktueller Sound wesentlich von ihm geprägt wurde. Für den gesamten Entwicklungsprozess des neuen Albums war es enorm wichtig, einen Drummer mit solch einem Durchhaltevermögen zu haben.
Jonas:
Wie seid ihr auf ihn aufmerksam geworden?
Luke:
Wir haben Alexis im Jahr 2011 über einen gemeinsamen Freund namens Nat Jenkins kennengelernt. Wir waren damals auf der Suche nach einem neuen Drummer.
Peter:
Wieder einmal.
Luke:
Ja, wieder einmal. Es ist nie wirklich leicht, einen guten neuen Drummer zu finden, wenn ein anderer die Band verlassen hat. Wie auch immer – Alexis spielte damals bei den „Golden Silvers“ und ich war ein großer Fan dieser Band. Irgendwann einmal erzählte mir Nat eher nebenbei, dass sich die Gruppe aufgelöst hatte.
Ich fragte Nat sofort nach Alexis’ Nummer und habe mich mit ihm auf ein Guiness verabredet. Und nach diesem Bier war er unser Drummer. Dabei dachte ich noch auf den ersten Blick, dass dieser Kerl niemals ein guter Schlagzeuger sein könnte: Er wirkte einfach zu cool. Aber kurz darauf hat Alexis uns allen bewiesen, wie verdammt gut er sein Instrument spielen kann – und was für eine gute, treue Seele er ist.
Jonas:
Ich kann mir vorstellen, dass es gar nicht so leicht ist, seine eigenen Ideen einzubringen, wenn man der Neue ist.
Luke:
Das stimmt, aber Alexis hat sich von Anfang an voll eingebracht. Dabei hätte er ja auch einfach nur die Lücke ausfüllen können, die unser letzter Drummer hinterlassen hatte – aber dafür ist er zu ambitioniert und zu gut. Wenn wir im Studio sind, herrscht ohnehin eine sehr offene Atmosphäre unter allen Beteiligten. Es gibt zwar eine generelle Richtung, die wir mit unserer Musik verfolgen, aber wenn die Chemie stimmt, probieren wir gerne alles Mögliche aus und schauen, ob es funktioniert.
Jonas:
Der deutsche Musikblog „laut.de“ bezeichnet euren Song „Westside“ als eine „cheesige Dance-Hymne, die einen Gruß an Metronomy schickt“. Seht ihr das ähnlich?
Luke (lächelt):
Wir alle sind große Metronomy-Fans, ich persönlich liebe diese Band total. Aber diesen Vergleich höre ich tatsächlich zum ersten Mal. Weder bei „Westside“ noch einem anderen Song war es unsere Intention, diesen ganz speziellen Metronomy-Sound zu interpretieren. Zwar ist unser neues Album von einer Vielzahl guter Bands beeinflusst – darunter beispielsweise Ariel Pink und natürlich auch Metronomy – aber ich glaube, dass wir einen ganz eigenen Style of Rock’n Roll haben.
Jonas:
Vor etwa einem Jahr haben wir Joseph Mount portraitiert, den Gründer und Frontmann von Metronomy. Wir hatten damals zu unserem Gespräch den Cornwall-Reiseführer „Eat. Surf. Live.“ mitgebracht, in dem viele wunderschöne Fotos der südenglischen Küste abgebildet sind. Joseph erzählte uns von dem Einfluss dieser Landschaft auf sein erstes Metronomy-Album „The English Riveira“. Ist eure Musik ebenfalls inspiriert von eurer Umwelt – von den Orten, an denen ihr lebt und arbeitet?
Luke:
Joseph scheint zu den Menschen zu gehören, deren Kunst in ganz besonderer Art und Weise von ihrer Umwelt inspiriert ist. Ich erinnere mich an ein Fernsehinterview mit ihm, in dem er ausführlich über die Französische Riviera spricht und erzählt, wie seine Musik zu der damaligen Zeit von dieser Landschaft konzeptionell beeinflusst wurde.
Für uns selbst und unsere eigene Musik spielen zwei Städte eine ganz besondere Rolle: London und Los Angeles. In London haben wir seit unserer Gründung im Jahr 2004 unzählige Songs produziert und in L.A. sind viele Tracks des neuen Albums entstanden. In sie ist ein gewisser „Californian Vibe“ eingesickert. Generell würde ich aber sagen, dass unser Songwriting weniger von der Landschaft beeinflusst ist, sondern vielmehr von unseren innersten Gefühlen.
Jonas:
Was hat euch in L.A. denn am meisten beeindruckt?
Peter:
Für mich ist L.A. gerade deshalb so inspirierend, weil man überall von einer gewissen Scheinheiligkeit umgeben ist. Die meisten Menschen dort tragen zwei grundverschiedene Charaktereigenschaften in sich, die in einem ständigen Wettstreit miteinander stehen: Auf der einen Seite haben sie eine extrem positive Lebensenergie, die wahrscheinlich im kalifornischen Klima begründet liegt. Auf der anderen Seite tragen sie eine mysteriöse Dunkelheit in sich – wie in einem David Lynch Film. Alle sind irgendwie durchgeknallt. Und wirklich jeder könnte ein Serienmörder sein. So jedenfalls fühle ich mich, wenn ich in L.A. bin – ein wirklich skuriller Ort. Die Stadt bietet einem dafür aber auch mehr Freiheitsgrade: Vieles ist wesentlich günstiger als in Europa, man kann sich für wenig Geld wochenlang ein Auto mieten und durch die Gegend fahren. Und wenn ich ehrlich bin, mag ich auch diese wirklich verrückten HipHop-Clubs total, die es dort überall gibt.
Jonas:
Dafür sieht es dort in Sachen elektronische Musik leider schlecht aus.
Peter:
Das stimmt. In Downtown L.A. gibt es aber ein paar Electro-Clubs, die ganz ok sind.
Das Bild eines herausgerissenen Herzens beschreibt recht passend das, was ich in den letzten Jahren erlebt habe.
Jonas:
„Listen“ ist die erste Platte von The Kooks, bei der auf dem Cover kein Foto zu sehen ist, sondern eine Illustration in Form eines blauen Herzens. Welche Bedeutung hat das Artwork des neuen Albums für euch?
Luke:
Als wir angefangen haben, mit unserem Grafiker Hayden das Artwork von „Listen“ zu besprechen, hat er uns einige wirklich coole Vorschläge gemacht. Aber es fehlte die eine, große Idee. Als ich daraufhin seine Mappe mit allen bisherigen Arbeiten und Skizzen durchblätterte, hatte ich plötzlich dieses Herz vor meinen Augen. Diese Zeichnung hat sich irgendwie direkt mit mir verbunden, es hat Klick gemacht. Das Herz ist das zerbrechlichste, intimste Organ des Menschen und Sinnbild für seine verwundbare Seele.
So steht diese Illustration für alles, wofür auch das Album steht – und stellt nebenbei auch noch einen direkten Bezug zu mir ganz persönlich her: Das Bild eines herausgerissenen Herzens beschreibt recht passend das, was ich in den letzten Jahren erlebt habe. Aber diese Geschichte ist zu privat.
Jonas:
Wenn man das Albumcover eine Zeit lang betrachtet, scheint das Gehirn irgendwie den Titel „Listen“ mit dem illustrierten Herz zu kombinieren: Plötzlich hat man den Satz „Listen to your heart“ im Kopf – ein interessanter Effekt.
Luke (lächelt): Schön, oder?
Jonas:
Auch wenn ihr euch bei diesem Albumcover zum ersten Mal für eine Illustration entschieden habt, gibt es eine Konstante, die sich seit „Inside In/Inside Out“ – eurer ersten Platte aus dem Jahr 2006 – nicht verändert hat: die unverkennbare The Kooks-Schriftart. Man könnte sie fast als ein Sinnbild für eure Band-DNA bezeichnen.
Luke:
Wir wollten von Anfang an ein Logo haben, das auf der einen Seite eher subtil wirkt, auf der anderen Seite aber einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Dieses Logo verändert sich nicht – aber dafür alles drumherum.
Jonas:
Bob Dylan hat es sich bei seinem neuesten Album „Shadows in the Night“ nicht nehmen lassen, ebenfalls diese Schrift für das Artwork einzusetzen.
Peter (lächelt):
Ja, das finde ich ziemlich cool – und spricht für die Schrift.
Jonas:
Eure Band gibt es jetzt seit elf Jahren. Seid ihr euch der Tatsache bewusst, dass es Menschen gibt, die sozusagen mit eurer Musik groß geworden sind – und die bestimmte Kooks-Songs mit ganz persönlichen Lebensphasen verbinden?
Peter:
Das wird uns immer wieder klar, wenn wir mit den Fans sprechen. Ich empfinde es als etwas ganz Besonderes – auch weil es mich daran erinnert, wie ich selbst Musik erlebt habe, als ich noch an der Uni war.
Luke:
Manchmal hören wir auch, dass Leute zu einem unserer Songs geheiratet haben. So etwas ist absolut großartig!
Ich glaube, dass wir über die Jahre gemeinsam mit unseren Fans gewachsen sind.
Peter (lacht):
Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass das Publikum gar nicht so wirklich altert. Gestern Abend zum Beispiel waren die Leute verdammt jung.
Aber im Ernst: Es bleibt ja niemand so, wie er ist. Man entwickelt sich im Leben ständig weiter. Ich glaube daher, dass wir über die Jahre gemeinsam mit unseren Fans gewachsen sind.
Jonas:
Ihr habt im Laufe der Zeit einige echte Klassiker geschrieben, Songs wie „Naive“, „Ooh La“ oder „She Moves In Her Own Way“ haben auf YouTube viele Millionen Klicks. Habt ihr selbst einen Lieblingssong von The Kooks?
Peter (lacht):
Ich hasse „Naive“! Wir müssen diesen Song an jedem verdammten Abend unseres Lebens spielen. Wir hätten diesen Track nie aufnehmen dürfen.
Luke (lächelt):
Hör auf, sonst denken die Jungs, wir meinen das ernst! Ich muss mal nachdenken: Hmm, ich mag eigentlich alle unserer Songs. Aber es gibt einige, die für mich eine ganz besondere Bedeutung haben: “Ooh La“ vom ersten Album zum Beispiel. Oder „Sway“ von unserer zweiten Platte. Live haben diese Songs nochmal eine ganz andere Energie. Im Moment ist aber „See me now“ mein Favorit.
Peter (grinst):
Das wäre doch super für eine Show: ein Set, das nur aus zwei, drei Songs besteht.
Luke:
Können wir ja mal ausprobieren, die Kids mögen’s bestimmt.
Peter:
Mein absoluter Favorit unter allen Songs, die wir jemals geschrieben haben, ist „Around Town“. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass dieses Lied weltweit so erfolgreich werden würde. Das Besondere an diesem Song ist, dass er sich über die gesamte Länge ständig verändert. Für mich ist er daher auch ein Symbol für die generelle Wahrnehmung von Musik – die verändert sich bei jedem Menschen ständig. Genauso wie sich auch der Mensch ständig verändert.
Luke Pritchard und Peter Denton sind Teil der Band The Kooks und leben in London.
Karin Park
Interview — Karin Park
Apocalypse Interrupted
Good or bad – these questions keep singer-songwriter Karin Park up at night. When the Sweden-based artist is not currently working on her inner demons, she follows her big fertile passion: fishing.
21. März 2015 — MYP N° 17 »My Ritual« — Interview: Maxim Tsarev, Photography: Roberto Brundo
Winter in Berlin is rough. While the city isn‘t as snowy as Munich, or as windy as Ham- burg, the incessant darkness wears you down day for day, week for week. After a while, the lack of sunlight gets to you. By the time we met with Karin Park, the acclaimed Swedish singer-songwriter, in mid January, that point had been surpassed, and there was only the drudgery of February to look forward to.
In that atmosphere, listening to her newest album „Apocalypse Pop“ for the first time was a revelation. The soundscapes are lush with desolation, while the peaks and valleys that Park‘s voice probes are rife with sadness, tempered only hesitantly by hope. Darkness presses in from all sides, but there is a hint of spring in songs like „Shine“.
At 1.90m Karin Park cuts an imposing gure. For her size, and striking appearance, she is surprisingly soft-spoken and elegant. She is also incredibly con dent. When we met, she was self-assured enough to open the conversation while I was still fumbling with my recorder.
Karin:
Are you from Berlin?
Maxim:
Not originally. I‘m an American. I haven‘t lived in the States for a long time though. I grew up in Russia, and now I live here – one of the expats who never goes home, I guess.
Karin:
Where in the States are you from?
Maxim:
Kentucky. Famous for bourbon and horseracing. Do you know it?
Karin:
Of course. I was in Chicago yesterday, actually. I was home for five minutes before I few on to Berlin.
Maxim:
So you only just flew in?
Karin:
Yeah, I woke up at four this morning to take the flight here.
Maxim:
Are you still jetlagged?
Karin:
I guess I should be but I don‘t think I ever really switched to begin with. I was there for a week, and I woke up at five o‘clock in the morning, every morning. And then I would go to bed at nine. We were recording in a studio, and when we were done, we were exhausted. But it was nice. We got to see a bit of the city.
Maxim:
The windy city. Was it cold?
Karin:
It was very cold when we first got there. Like 15 below. Not on the last day though. We took the day o to drive around, and it was like spring. It was really nice.
Maxim:
I saw on your twitter feed that you had recorded in London. Is that where you normally record, or do you go wherever it pleases you at that moment?
Karin:
No, normally I record with people in London. For this record I spent a lot of time there. But I have a studio at home, as well. I haven‘t had a fully equipped studio until now, so I‘m building one. Then I‘ll be able to record my synthesizers and vocals – do the sketches for songs – from home. If I need drums, I‘ll have to go somewhere else.
Maxim:
Speaking of drums, I saw that your brother sometimes tours with you. Do you get him in the studio often? Do you two jam together?
Karin:
I bring him in when I want the rhythmic part of the song. Sometimes, but not often, he‘ll help me to write songs. Not on this album though. On this one I‘ve mostly written alone, or with other people. He does all of the drumming. In one of the songs he even plays the vacuum cleaner. Oh, and for one of the sessions he played the flute.
I bring my brother in when I want the rhythmic part of the song.
Maxim:
You grew up in a musically talented family?
Karin:
Yes, my brother started playing the drums when he was three. There was a point when my brother was playing the drums, my sister was playing the violin, my other brother was playing the cello, and I was singing and playing the flute. It was a very noisy period. But then it shifted. My brother started playing the electric bass, and my sister quit playing music completely. It was a bit quieter then. We were always playing something though.
Maxim:
You grew up in a small town in Sweden, right?
Karin:
I grew up in a town of 374 people. I lived there until I was seven, and then we moved to Japan. We stayed there for three years. Moving to the other side of the planet had a big impact on me. This was pre-internet, pre-mobile phone. We would call home once a month, and everyone would gather around the house telephone.
My dad was the principal at a Swedish missionary school in Japan. It was in the jungle. The kids were aged anywhere between seven and eighteen, but there were only thirty of us. So I hung out with older kids. There was only one other person my age. We didn’t have European television. We missed out on everything that young people had back home, including magazines and music. I lived three years without any commercial in influence, and that impacted me significantly. Everything we do is emulated. Young people try to t in by doing the same things as their peers. I had to develop my own identity without the bene t of youth culture. Later on, when we moved back to Sweden, it was impossible for me to t back in. I didn’t understand what you were supposed to talk about, or the way you were supposed to talk about things. I was completely o when it came to clothes. I didn’t even realize that your clothes could tell someone else something about your personality. That’s what in influenced me most during my childhood. I moved away as soon as I could.
Maxim:
How old were you?
Karin:
I was fifteen.
Maxim:
Do you ever go back?
Karin:
I actually bought the church in the village. I live there now.
Maxim:
Inside the church?
Karin:
Yeah, it’s 500 square meters. I just bought it.
Maxim: Congratulations.
Karin:
Thanks. We’re building a studio there. I’ve lived there for a while now, but I didn’t buy it until recently.
We’ve had a little festival there, and we’re trying to get more started culturally. There wasn’t much going on before.
Music was my whole world. It was the only thing I wanted to do.
Maxim:
That’s incredible. I have missionaries in my family.
They are Evangelicals, and they’ve lived in some very far-flung places. Did your parents actively pursue the mission in Japan?
Karin:
They were teachers for the missionary children. It was a Christian school but they weren’t missionaries in that sense. The children lived on the school grounds, and many only saw their parents once every five weeks.
Maxim:
You didn’t visit Sweden once in your time there?
Karin: No.
Maxim:
I myself grew up away from home. In Russia for the most part. Our house was incredibly far away from the place where my peers lived, so I had my own outlet. For me it was literature. Was music your outlet?
Karin:
No, not an outlet. Music was my whole world. It was the only thing I wanted to do. In Japan it was great because we played music together with friends and family. After I came back though, the only thing I could think about was leaving home to become an artist and a musician. It’s what drove me. I hated going to school.
Maxim:
This is your fourth studio album, right?
Karin:
No, it’s my fifth.
Maxim:
I guess Spotify was a little off then.
Karin:
My second album isn’t on there because I don’t think it’s very good.
Maxim:
Oh, so you get to decide what goes on there, and what doesn’t?
Karin: Yeah.
I write about preoccupies me, and then I can go on living like a normal person.
Maxim:
Awesome, that’s really cool. I’ve listened to „Apocalypse Pop“ a couple of times now, and I noticed how dark the titles of songs were as I took them down. „Opium“ was a title that really stuck out. Your sound is very atmospheric. Are you exorcising demons here, or do you simply write about what interests you?
Karin:
I’m definitely working on my inner demons. On that song particularly. But all of them are about my inner life – it’s how I process my feelings. I write about what preoccupies me, and then I can go on living like a normal person. The way I write is dramatic because the books that I have at home, and the movies that I see are dramatic. Dante’s „Inferno“ has a special place on my bookshelf. I grew up with the Bible. All of that fascinates me. Good and bad. The Apocalypse is the end of the world but it also means that light wins out over the darkness in the end. That fascinates me. You think the album is dark but to me it’s just honest. I think it’s actually quite light in some ways. Not in a frivolous way, but it has tracks like „Shine“ on it that are very hopeful. It’s just the truth.
Maxim:
It’s like a cathartic thing?
Karin: Yeah.
Maxim:
You also starred in a horror film, right? Do you have any plans to act in the future?
Karin:
I would do it if it was a role that I felt suited me. I was asked to play this role. They asked me to audition for another role but I didn’t get it. I was supposed to speak Norwegian, and I think that I speak good Norwegian. It was supposed to be a special dialect though, and I guess they didn’t like my rendition of it. The roles I play have to be suited to me – I couldn’t just play anything. When I really get into something, I excel at it.
As a kid I was really into fishing. I was obsessed with the hook, line, and sinker. I wanted a boat so badly. I think I broke my dad down psychologically because I wanted that boat so much. There wasn’t really anywhere to fish around where I lived though. But I get hung up on things. I totally get into it, and at some point I’m able to snap out of it.
That’s what happens on stage as well. By the end of the show I couldn’t really say what happened.
Maxim:
Are you still passionate about fishing?
Karin:
Yes, I still love to sh. The problem is that I never catch anything. My boyfriend’s family lives by the sea, and we always go fishing when we’re there. But I never catch a fucking thing. Everyone else around me always catches something, so I’m a bit bored now.
Maxim:
My brother is the one who always gets the fish.
Karin:
So unfair, right?
Maxim:
I think I’m just a really bad fisher.
Karin:
Yeah, I think I just don’t have a natural talent for it, at all.
Karin Park is a singer-songwriter living in Djura, Sweden.
Anna Bullard-Werner
Interview — Anna Bullard Werner
Zwischen den Welten
Pfarrerstochter und Schauspielerin Anna Bullard-Werner studiert in Philadelphia internationale Beziehungen, Wirtschaft und Politik – in Deutschland ist sie durch Rollen in Tatort & Co. ein bekanntes TV-Gesicht. Ein Gespräch über Entscheidungsfreiheit, die USA und die Macht des Films.
21. März 2015 — MYP N° 17 »Mein Ritual« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Steven Lüdtke
In der Kinobranche gilt: Die Masse macht’s. Sogenannte Filmpaläste schießen überall wie Pilze aus dem Boden. „Erlebniskino“ ist ihr größtest Wahlversprechen: Filmvorstellungen auf mehreren Etagen, Dienstleistung rund um die Uhr. Wie Wurstmaschinen saugen sie von vorne große Zuschauerportionen an, um sie nach erfolgtem Film- und Genussmittelkonsum hinten wieder auszuspucken. Vollautomatische Unterhal- tungsfabriken aus Glas, Stahl und Beton – gepolt auf Erfolgsmaximierung und Kosteneffzienz.
Was hilft bei so viel Maximierungswahn? Ganz einfach: die Gelassenheit des Alters. Wer wie das kleine und sympathische Kino Intimes im Berliner Stadtteil Friedrichshain auf eine über hundertjährige Geschichte blickt, kann im Leben nicht alles falsch gemacht haben. Das Intimes gehört zu den wenigen Berliner Filmhäusern, in denen seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Spielbetrieb nahezu durchgehend aufrecht erhalten wurde: Filme zeigt man hier seit 1909. Und mit seinen 83 Sitzplätzen zählt es obendrein noch zu den kleinsten Kinos der Hauptstadt – na, wenn das mal nicht entspannend ist.
Ein Samstagmorgen im Januar. Vor dem traditionsreichen Intimes, das noch unter dem Namen „Lichtspiele des Ostens“ gegründet wurde, treffen wir die 22-jährige Schauspielerin Anna Bullard-Werner. Zwar wirkt ihre eigene Filmgeschichte im Vergleich zum alten Lichtspielhaus geradezu jugendlich: Vor zehn Jahren stand sie zum ersten Mal vor einer Kamera. Bezogen auf ihr Alter aber ist das knapp ihr halbes Leben.
Eine Mitarbeiterin des Hauses hat uns die Tür aufgeschlossen. Kaum haben wir das Intimes betreten, eröffnet sich uns schon nach wenigen Schritten das Herzstück des Hauses: der Kinosaal. Urgemütlich ist es hier: Mit seinen roten Plüschsesseln, großzügigen Holzvertäfelungen und Großmutters Blumenvase auf dem Kachelofen wirkt der gesamte Raum wie ein Wohnzimmer aus den Siebzigern.
Anna lässt sich auf einem Sessel in der mittleren Reihe nieder. So ganz ohne Publikum wirkt der kleine Kinosaal fast ein wenig andächtig. Also muss Musik her. Auf den Playlists unserer Telefone ist schnell etwas gefunden, und so liefern Sekunden später „The War on Drugs“ und „Future Islands“ den Soundtrack zu unserem ganz persönlichen Kinotag.
Jonas:
In deiner Vita findet man unter „Wohnmöglichkeiten“ die Angaben „Philadelphia/USA, Esslingen“. Wie kommt es zu dieser eher ungewöhnlichen Kombination?
Anna (lächelt):
Ich bin in Esslingen aufgewachsen, lebe aber in Philadelphia. Nach dem Abi stand ich vor der Entscheidung, mich entweder an einer deutschen Schauspielschule zu bewerben oder raus in die Welt zu ziehen. Irgendetwas in mir hat mir gesagt, dass ich noch ein wenig von der Welt sehen muss – und so wurde es Option zwei.
Jonas:
Und warum fiel die Wahl gerade auf Philadelphia?
Anna:
Ich habe mich in den USA an diversen Unis beworben. Dass es ausgerechnet das Harverford College in Philadelphia wurde, liegt unter anderem an meinem Patenonkel – er hat selbst mal dort studiert. Über ihn bin ich auf die Hochschule aufmerksam geworden, habe mich für ein Stipendium beworben und wurde genommen. Seitdem studiere ich dort internationale Beziehungen, Wirtschaft und Politik.
Jonas:
Würdest du aus heutiger Sicht sagen, dass du damals die richtige Entscheidung getroffen hast?
Anna:
Absolut! Ich mag meine Uni und das Studium sehr. Und da ich jeweils ein Auslandssemester in Paris und Shanghai absolvieren konnte, habe ich in den letzten Jahren auch tatsächlich einiges von der Welt gesehen.
Jonas:
Dein Vater ist Schwabe, deine Mutter Amerikanerin. Waren die USA etwas so Neues für dich?
Anna:
Etwas Neues nicht, immerhin haben wir jedes Jahr in den Sommerferien für einige Wochen meine Großeltern in Kalifornien besucht. Zwar habe ich neben der deutschen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft, aber richtig in den USA gelebt habe ich nie. Ich wollte das unbedingt einmal ausprobieren und mehr über diesen amerikanischen Teil in mir herausfinden – diese Kultur gehört ja irgendwie auch zu mir.
Jonas:
Heißt das, dass du zuhause mit zwei Kulturen aufgewachsen bist?
Anna:
Ja, dieses Gefühl habe ich total. Meine Eltern haben sich Ende der 80er während ihres Studiums in San Francisco kennengelernt und sind nach ihrer Hochzeit nach Tübingen gezogen. Im Schwabenland wirkt meine Mutter mit ihrem amerikanischen Akzent immer noch wie eine Exotin, auch wenn sie mittlerweile seit über 20 Jahren in Deutschland lebt.
Wenn sie mir früher etwas vorgelesen hat, waren das immer englischsprachige Bücher – ich glaube, mein gesamtes Englisch habe ich mir als Kind nur aus diesen Geschichten und aus amerikanischen Kinderserien angeeignet.
Jonas:
Würdest du Esslingen als deine Heimat bezeichnen?
Anna:
Ich würde eher sagen, dass das Land Deutschland meine Heimat ist. Esslingen ist mein Zuhause, weil meine Familie dort lebt. Seit vier Jahren fühle ich mich aber auch genauso in den USA zuhause, weil ich dort lebe und studiere.
Und komischerweise ist für mich in den letzten Jahren Berlin immer wichtiger geworden, weil ich hier gedreht und viel Zeit im Synchronstudio verbracht habe.
Und da ich mich nach dem Abschluss meines Studiums im Mai voll und ganz auf die Schauspielerei konzentrieren will, gibt es definitiv die Überlegung, hierher zu ziehen – oder nach New York.
Meine Eltern sind beide Pfarrer, Schauspielerei ist überhaupt nicht ihre Welt.
Jonas:
Ist das, was du studierst, nicht sehr weit weg von der Schauspielerei?
Anna:
Mein Studium und die Schauspielerei sind wirklich zwei absolut verschiedene Welten. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir mein Studium auch irgendwie schauspielerisch hilft, da ich durch die Uni viele interessante Menschen kennenlernen durfte und außergewöhnliche Orte auf der Welt gesehen habe. Das erweitert den Horizont sehr.
Jonas:
Deine ersten schauspielerischen Erfahrungen hast du bereits im Jahr 2005 gemacht, als du in der Kinder-Detektivserie „Ein Fall für B.A.R.Z.“ mitgespielt hast – mit gerade einmal 13 Jahren. Wie bist du zu dieser Rolle gekommen?
Anna:
Als ein halbes Jahr vorher im Raum Stuttgart das Casting für die Serie ausgeschrieben wurde, wollte ich unbedingt mitmachen. Ich habe mich einfach angemeldet und wurde nach einigen Wochen und mehreren Casting-Runden für die Rolle der „Detektivin“ Anja Westermann besetzt.
Jonas:
Du hast dich damals selbst angemeldet?
Anna:
Ja. Meine Eltern sind beide Pfarrer, Schauspielerei ist überhaupt nicht ihre Welt. Aber als die Zusage für die Rolle kam, haben sie gesagt: „Kannste machen.“
Ich bin meinen Eltern total dankbar, dass sie mich immer in allem unterstützt haben, was ich getan habe – auch wenn sie nicht unbedingt einen Bezug dazu gehabt haben. Sie haben mir auch später immer das Gefühl vermittelt, dass im Leben alles möglich ist. Besonders als junge Frau ist das unglaublich gut zu hören.
Jonas:
Mit dieser Serie hattest du recht früh den Fuß in der Tür zur Schauspielerei.
Anna:
Naja, richtige Schauspielerei war das damals noch nicht. Vor allem in den ersten Episoden merkt man deutlich, dass da ein kleines Kind am Werk ist, dass nicht so wirklich weiß, was es da tut. Eine Schauspielausbildung hatte ich nicht, aber mit jeder Folge wurde ich besser. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass diese Zeit für mich eine super Möglichkeit war, mich zu entwickeln und sehr viel zu lernen. Ich empfinde es als ein riesiges Geschenk, dass ich in dieser Serie mitmachen durfte.
Jonas:
Insgesamt warst du ganze drei Jahre in „B.A.R.Z.“ eingebunden – wahrscheinlich war dieser „Job“ für dich so selbstverständlich wie für andere Kinder der wöchentliche Schwimm- oder Geigenunterricht. Wie bist du damit umgegangen, als das Drehen plötzlich nicht mehr Teil deines Alltags war?
Anna:
Für mich war das sehr schade. Allerdings durfte ich nur kurze Zeit später schon eine Nebenrolle im Stuttgarter Tatort spielen. Jemand vom SWR, der mich noch von der „B.A.R.Z.“-Produktion kannte, hatte mich dem Regisseur empfohlen. Also bin ich wieder einmal zu einem Casting gegangen und habe glücklicherweise auch diese Rolle bekommen.
Jonas:
Wurdest du damals schon von einer Agentur vertreten?
Anna:
Nein. Jaqueline Rietz, meine heutige Agentin, habe ich erst später kennengelernt. Nach dem Dreh für den Stuttgarter Tatort habe ich an einem offenen Casting für „Die wilden Hühner“ teilgenommen, Jaqueline war dort für die Besetzung verantwortlich. Ich habe zwar nicht auf die Rolle gepasst, aber sie mochte mein Spiel trotzdem und hat mich in ihre Agentur aufgenommen.
Jonas:
Hast du immer gezielt nach neuen Rollen und Möglichkeiten Ausschau gehalten?
Anna:
Ja, ich wollte dieses Schauspiel-Ding unbedingt machen, es gab da einen richtigen Drive in mir. Durch die Aufnahme in die Agentur habe ich auch immer mehr gedreht. Im Jahr 2011 habe ich sogar eine tragende Rolle im Münsteraner Tatort übernommen – eine der krassesten Rollen, die ich je gespielt habe.
Jonas: Inwiefern?
Anna:
Ich habe in diesem Tatort eine intersexuelle Tennisspielerin namens Nadine gespielt. Zum ersten Mal musste ich richtig viel Zeit und Arbeit in die Vorbereitung einer Rolle investieren. Vorher habe ich immer nur Figuren gespielt, die mir selbst sehr ähnlich waren und für die ich mich nicht großartig verändern musste. Diesmal aber war es völlig anders: Da Nadine zwar äußerlich wie eine Frau wirkte, innerlich aber ein Mann war, musste ich intensiv an meiner Stimme arbeiten und hartes Krafttraining über mich ergehen lassen.
Mich hat diese Rolle gar nicht richtig losgelassen. Ich erinnere mich noch, dass ich damals sehr schlecht geschlafen habe, weil ich dauernd an die Person denken musste, die ich gespielt habe.
Jonas:
Das hört sich wie ein Wendepunkt an: vom Hobby zum Beruf.
Anna:
Das war es auch, sogar in doppelter Hinsicht: Zum einen habe ich durch diese Rolle gelernt, dass der Beruf eines Schauspielers richtig harte Arbeit bedeutet. Und zum anderen war es das allererste Mal, dass sogar mein Vater anerkennend genickt hat. Meine früheren Rollen wie etwa in der Kinderserie hatte er immer nur belächelt. Aber der Tatort war eine richtige Institution im TV – auch für ihn.
Jonas:
War dir damals bewusst, welche Bedeutung der Tatort im deutschen Fernsehen hat?
Anna:
Nein, ich habe erst im Nachhinein gecheckt, wie viele Millionen Zuschauer mit diesem Format erreicht werden. Ich wurde nach der Ausstrahlung sogar einmal von jemandem beim Optiker angesprochen. Einfach verrückt.
Viele Schauspieler können sich den Luxus nicht leisten, frei zu entscheiden.
Jonas:
Schauspieler zu sein bedeutet auch, Dinge auf einer anderen Ebene ansprechen zu können, beispielsweise wenn es darum geht, menschliche Probleme oder gesellschaftliche Missstände zu thematisieren.
Anna:
Diese Möglichkeit hängt leider wesentllich von der Rolle ab, die einem gegeben wird: Nur innerhalb dieser Rolle hat man die Macht, inhaltlich etwas zu transportieren.
Zwar kann man natürlich immer grundsätzlich wählen, ob man eine Rolle annimmt oder nicht, allerdings gilt das oft nur für die Theorie: Viele Schauspieler können sich den Luxus nicht leisten, frei zu entscheiden – sie müssen nehmen, was ihnen angeboten wird, damit sie die Miete zahlen können.
Ich finde es daher gut, dass es Formate wie den Tatort gibt. In solchen Formaten hat man in seiner Rolle die Möglichkeit, die Gesellschaft öffentlich zu hinterfragen und Dinge zu thematisieren, die wichtig sind.
Für mich sind Filme immer dann am besten, wenn sie politische oder gesellschaftliche Themen behandeln. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich am liebsten nur solche Filme drehen.
Jonas:
Das Theater übernimmt im Gegensatz zum Fernsehen bereits seit Jahrhunderten die Aufgabe, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Wäre die Bühne nichts für dich?
Anna:
Ich habe noch nicht professionell Theater gespielt, nur ab und zu mal beim Jugendschauspielclub und momentan eher laienhaft an der Uni.
Als Schauspieler muss man auf der Bühne viel größer werden als vor der Kamera, dafür fehlt mir einfach die Technik. Wenn ich so darüber nachdenke, frage ich mich, ob ich mich nicht doch vielleicht mal an einer Schauspielschule bewerben sollte, um es von Grund auf zu lernen.
In New York habe ich mal an einem Casting am Broadway teilgenommen. Am Anfang lief es wirklich super. Aber dann hat der Caster gesagt: „So jetzt, öffnen wir das mal!“ Dann ist er ist von der Bühne gegangen und hat sich hinter einen Tisch gestellt.
Ich musste plötzlich ganz alleine den Raum füllen – und mit einem Mal lief es nicht mehr. Ich wusste einfach nicht, wohin mit meinem Körper. Und ich habe gemerkt, dass ich vor allem in Bezug auf das Theater noch sehr viel lernen muss.
Jonas:
Im Jahr 2009 – zwei Jahre vor deinem Umzug in die USA – wurdest du für eine Rolle in der ZDF-Krimiserie „SOKO Stuttgart“ besetzt und hast bis 2014 die Tochter der Kommissarin Seiffert gespielt.
Wie konnte es funktionieren, in den USA zu studieren und gleichzeitig in Deutschland eine Serie zu drehen?
Anna:
Ich hatte das Glück, dass die „SOKO“- Drehs immer in den Semesterferien stattgefunden haben. Für die Produktionen bin ich regelmäßig nach Deutschland zurückgekommen und habe in dieser Zeit bei meinen Eltern in Esslingen gewohnt.
Stellenweise hatte man am Set ein richtig mulmiges Gefühl im Bauch, wenn man darüber nachgedacht hat, wie brutal an diesem Ort Menschen im Namen des Herrn misshandelt werden.
Jonas:
Nach fünf Jahren „SOKO“ hast du im Sommer 2014 für den Kinofilm „Freistatt“ von Regisseur Marc Brummund vor der Kamera gestanden – ein Jugenddrama, das unter anderem mit Louis Hofmann, Max Riemelt, Uwe Bohm und Alexander Held besetzt ist.
Der Film hat vor kurzem auf dem Max-Ophüls-Festival Premiere gefeiert und wurde mit dem Publikums- und den Jugendjurypreis ausgezeichnet. Worum geht es genau?
Anna:
Der Film spielt in den 1960er Jahren und erzählt die Geschichte eines Jungen, der in einer norddeutschen Erziehungsanstalt der Diakonie physisch und sexuell misshandelt wird. Das Drehbuch beruht auf wahren Begebenheiten, diese schlimmen Taten gab es dort tatsächlich.
Ich habe die Rolle der Tochter des Anstaltsleiters übernommen: Sie verliebt sich in diesen Jungen, kann ihm aber nicht wirklich helfen kann, da sie selbst letztendlich auch ein Teil dieses Systems ist.
Jonas:
Ein sehr ernstes und brisantes Thema.
Anna:
Absolut. Daher war es auch umso wichtiger, darüber einen Film zu machen und die Geschehnisse aufzuarbeiten. Gedreht wurde am Originalschauplatz, die damalige Anstalt für schwer Erziehbare ist allerdings heute eine Anlaufstelle für Alkoholkranke. Stellenweise hatte man am Set ein richtig mulmiges Gefühl im Bauch, wenn man darüber nachgedacht hat, wie brutal an diesem Ort Menschen im Namen des Herrn misshandelt wurden. Ich hoffe sehr, dass dieser Film von vielen Menschen gesehen wird und in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür schafft, was damals passiert ist.
Jonas:
Film kann eine erstaunliche Macht haben.
Anna:
Ja, aus diesem Grund kann ich mir auch gut vorstellen, später einmal in der Filmproduktion zu arbeiten. Schon als ich 2013 für ein halbes Jahr in Paris war, habe ich ein Praktikum bei der Arte Filmförderung gemacht.
Das war absolut super, auch weil ich dort vorab einige spannende Drehbücher lesen konnte – beispielsweise das Skript des indischen Kino lms „The Lunchbox“ oder das Drehbuch zu Lars von Triers „Nymphomaniac“.
Jonas:
Kino scheint dich einfach nicht lozulassen.
Anna:
Im Kino kann man sich überall hin katapultieren lassen – an fremde Orte und zu Lebensgeschichten, von denen man vorher nichts geahnt hätte.
Deshalb liebe ich das Kino über alles, ich weiß gar nicht, wie viel Zeit ich schon dort verbracht habe. Ich liebe einfach die Atmosphäre, den Popcorn-Geruch und die Vorfreude auf den Film.
Für mich fühlt sich Kino immer wie ein Stück Zuhause an – der Ort, an dem man sich geborgen fühlt.
Anna Bullard-Werner ist 22 Jahre alt, Schauspielerin und lebt in Philadelphia, Pennsylvania.
Occupanther
Interview — Occupanther
Down To Earth
Martin Brugger alias Occupanther ist der wohl entspannteste Interviewpartner, den wir bisher getroffen haben. Mit dem jungen Musiker und Produzenten aus München sprechen wir über seine Sympathie für Underdogs und darüber, was er von Nationalstolz hält.
21. März 2015 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Franz Grünewald
Seinen eigenen Kosmos zu verlassen, ist manchmal gar keine so schlechte Idee. Wohin es einen treibt, ist dabei aber gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist das Bestreben, etwas Neues zu entdecken. Was kann es schon schaden, eine andere Perspektive einzunehmen – und sei es nur für eine bestimmte Zeit?
Unser Ausbruch aus dem Alltäglichen beginnt an einem frühen Samstagmorgen im Berliner Stadtteil Dahlem, genauer gesagt an der U-Bahn-Station Oskar-Helene-Heim am Rande des Grunewalds. Im Vergleich zu vielen anderen Ecken, die man von der Hauptstadt so gewohnt ist, ist es hier geradezu unaufgeregt. Verfechter des Urbanitätshypes würden diesen Ort sogar als surreal bezeichnen.
Und zugegeben: Viele Straßenzüge nördlich der U-Bahn-Station wirken mit ihren modern-funktionalen Neubaucontainern so sauber und glattgebügelt, als hätte dort noch nie ein Mensch gelebt. Oder zumindest ein Kaugummipapierchen fallen lassen.
Trotzdem: Frische Luft tut gut. Und manchmal muss man einfach mal ins Grüne. Wir sind mit Martin Brugger unterwegs, der eigentlich in München lebt und seit gut einem Jahr unter dem Namen Occupanther die Welt mit feiner elektronischer Musik bereichert. Der 25-Jährige ist für einige Tage nach Berlin gekommen – zwar eher aus privaten Gründen, aber man kann die Gelegenheit ja nutzen, um mit ihm mal über seine Musik zu plaudern.
Irgendwie war uns heute nach Spazierengehen im Grunewald: Die Sonne scheint, die Vögel raffen sich zum ersten Zwitschern auf und Leute führen ihre Hunde aus. Kann man die Tiere noch halbwegs auseinanderhalten, wirken die Besitzer erschreckend konform: meist Anfang 40, meist in Grüppchen unterwegs, meist mit teuren Funktionsjacken und Sonnenbrillen dekoriert, meist in regelmäßigen Abständen ihre Vierbeiner herbeirufend oder -pfeifend. Sie heißen Lisa, Bertha, Luis oder George – die Hunde wohlgemerkt.
In der einen Hand das iPhone, in der anderen Hand die Leine, kommen uns im Wald ihre Frauchen und Herrchen entgegen. Ab und zu haben wir das Glück, die inhaltlichen Höhepunkte ihrer Unterhaltungen aufzuschnappen. Unser Favorit: „Gott sei Dank habe ich eine Katzenhaarallergie. Eine gute Ausrede, um nicht dauernd zu meiner Schwiegermutter zu fahren.“
Wir schauen uns an und grinsen. Für einen Moment hatten auch wir das Gefühl, in einer surrealen Umgebung gelandet zu sein. Und das lag definitiv nicht am Wald – den kennen wir ja. Schließlich sind nicht nur wir in ländlichen Regionen aufgewachsen, sondern auch Martin Brugger alias Occupanther.
Höchste Zeit, über seine Musik zu sprechen.
Jonas:
Vor kurzem bin ich auf der Website des BR auf eine interessante Beschreibung deiner Musik gestoßen. Dort heißt es, dein Sound sei perfekt für lange Zug- und Autofahrten, außerdem passe er zum Joggen, Radfahren, Schwimmen, Chillen, Tanzen oder die Wolken anschauen. Ich musste sofort an so etwas wie eine Gebrauchsanleitung denken. Ist deine Musik ein Allzweckmittel?
Martin:
Das klingt zwar ganz lustig, aber ich weiß nicht, ob man so universell über Musik sprechen kann – dafür funktionieren schon alleine die ganzen Musikgenres zu unterschiedlich. Natürlich bin ich absolut dabei, wenn es heißt, dass Musik einen hoch- oder runterziehen kann: Wenn man schöne Musik hört, fühlt man sich einfach besser. Aber das war’s für mich auch schon – alles, was darüber hinaus geht, kann in meinen Augen sehr schnell esoterisch werden. Und davon möchte ich mich eher fernhalten.
Ganz allgemein ist es ja nichts Neues, dass Menschen versuchen, Musik mit einem bestimmten Zweck zu verbinden. Wenn ein Musiker beispielsweise von sich sagt, dass er Clubmusik macht, hat diese Musik automatisch eine ganz besondere Funktion: Sie muss im Club so richtig bummsen. Das tut meine Musik zum Beispiel nicht.
Ich möchte mich mit dem, was ich tue, auch gar nicht kategorisieren lassen. Natürlich muss der Sound immer irgendwie gut klingen und gewissen Standards gerecht werden. Aber da ich meine Musik eher als Zuhör-Musik beschreiben würde, muss ich mir auch nicht die Frage stellen, ob sie in einen Club passt oder nicht. Es gibt sicher Musiker, die das als eine Einschränkung empfinden würden, vor allem in der elektronischen Musik. Aber ich persönlich mag es sehr, auch mal einen Track ohne irgendeinen Kick darin zu machen.
Jonas:
Wann in deinem Leben hast du gemerkt, dass Musik etwas Wichtiges und Relevantes für dich ist?
Martin:
Mit Musik in Berührung gekommen bin ich schon relativ früh. Als mein Zwillingsbruder und ich eingeschult wurden, hat uns unsere Lehrerin empfohlen, ein Musikinstrument zu lernen. An der Musikschule meines Heimatortes Planegg standen damals drei Instrumente zur Auswahl: Saxophon, Geige und Gitarre. Ich habe mich für die Gitarre entschieden und tatsächlich auch viele Jahre lang den Gitarrenunterricht besucht – und als ich auf’s Gymnasium kam, habe ich in der dortigen Schul-Big Band angefangen.
Kurze Zeit später, da war ich etwa zwölf Jahre alt, habe ich meine erste eigene Band gegründet: Bei uns im Dorf gab es damals einen neuen Bandproberaum, der eigentlich eher ein Baucontainer war und der Jugend von der Gemeinde Planegg großzügig zur Verfügung gestellt wurde. Ich fand es irgendwie cool, dass in diesem Container Bands spielen durften, und habe meinen Eltern eröffnet, dass ich das auch machen will. Meinte Mutter sagte, das ginge nur, wenn ich eine eigene Band hätte.
Also habe ich kurzerhand meinen Bruder zum Schlagzeuger gemacht und dazu noch einen Schulkameraden gefragt, der ebenfalls Gitarre spielte. Somit waren wir eine Band und durften im Container proben. Ich glaube, dass ab diesem Punkt Musik ein ziemlich großes Ding für mich geworden ist: Ich konnte mir das grundsätzlich für mein Leben vorstellen.
Ich möchte mich mit dem, was ich tue, gar nicht kategorisieren lassen.
Jonas:
Es heißt, dass Menschen besonders durch die Orte beeinflusst werden, an denen sie leben oder längere Zeit verbringen. Fühlst du dich von der Gegend geprägt, in der du aufgewachsen bist?
Martin:
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass der Mensch in erster Linie regional geprägt ist, durch seine Heimat und sein Zuhause – und nicht durch das Land oder die Nation. Deswegen empfinde ich auch diesen sogenannten Nationalstolz als eine äußerst schwierige Sache. Es ist etwas sehr Abstraktes, das sich anfühlt, als sei es von ziemlich weit hergeholt.
Ich persönlich bin ganz sicher geprägt von der Region, in der ich aufgewachsen bin. Wie sich das aber konkret in meinem Charakter widerspiegelt, kann ich nicht sagen – das müssen andere beurteilen. Eine schwierige Kindheit hatte ich nicht, ich bin in einer sehr guten und intakten Familie groß geworden. Das war schon alles echt cool.
Jonas:
Wie du eben gesagt hast, hat Musik die Fähigkeit, einen Menschen hoch- oder
runterzuziehen. Hast du die Musik, die du als Teenager gehört hast, eher als aufbauend oder als deprimierend in Erinnerung?
Martin:
Das ist schwierig zu beantworten. Damals habe ich die Musik mit ihrer gesamten Funktionalität noch nicht so begriffen, wie ich das heute tue. Sie war einfach da und hat mich auf irgendeine Weise fasziniert.
Wissenschaftlich hinterfragt habe ich das Ganze erst sehr viel später: als ich angefangen habe, Jazz-Bass zu studieren. Ab da habe ich mich wesentlich ernster und vielleicht auch auf einer gewissen philosophischen Ebene mit Musik befasst.
In diesem Studium habe ich viele interessante Sachen aufgesaugt und für mich persönlich auch Einiges an Inspiration gefunden.
Jonas:
Ist dein Zwillingsbruder beruflich ebenfalls bei der Musik geblieben?
Martin:
Mein Bruder und ich haben bei der Einschulung zusammen mit der Musik angefangen, aber irgendwann war ich ihm einfach ein bisschen voraus. Er spielt aber immer noch Schlagzeug und ist seit längerer Zeit auch Drummer in einer Band namens „Hadern im Sternenhagel“. Die Band ist zwar ziemlich gut, aber hauptberuflich arbeitet mein Bruder als Filmemacher. Er hat für mich auch alle Occupanther-Clips produziert, worüber ich sehr glücklich bin.
Jonas:
Dein Bruder erzeugt in diesen Videos eine ganz besondere Ästhetik. Ich denke da vor allem an die Clips „Chimera“ und „Down“, weil man hier als Zuschauer eine riesige Empathie für die Protagonisten entwickelt – in Kombination mit der Musik ist das einfach wunderschön.
Martin:
Vielen Dank! Ich glaube, die dargestellten Persönlichkeiten wirken deshalb so interessant, weil sie absolute Underdogs sind. Der Zuschauer kann bei ihnen alles zwischen Neugier, Mitleid und Schauer erleben.
Jonas:
Die Ästhetik der Clips scheint auch deswegen eine so besondere zu sein, weil plötzlich Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, die einem auf der Straße vielleicht gar nicht auffallen würden. Diesen Figuren wird dadurch eine enorme Würde und Authentizität gegeben.
Martin:
Meiner Meinung nach kommen die Figuren in den Videos deshalb so authentisch rüber, weil sie real sind. So ist beispielsweise der Alleinunterhalter in „Down“ auch im echten Leben Alleinunterhalter – zumindest nebenberuflich. Als mein Bruder ihn gecastet hat, ist er zu ihm nach Hause gefahren. Im Keller seines Hauses gab es ein kleines Privatkonzert: Mit leuchtenden Augen hat ihm der Mann seine ganzen Songs wie etwa „Summer of 69“ vorgespielt. Irgendwie war das schon witzig, aber trotzdem voll sein Ding.
Ich glaube, dass es ganz allgemein bei solchen Musikvideos hilfreich ist, wenn
man nicht primär versucht, irgendwelche Rollen zu besetzen, sondern reale Personen zeigt – sofern das geht. Daher haben wir auch für den „Chimera“-Clip einen echten Tänzer ausgewählt.
Jonas:
Die Visualität deiner Videos wirkt sehr stringent und durchdacht. Hattest du dazu von Anfang an eine Idee im Kopf?
Martin:
Nein, das kam alles erst, nachdem ich die ersten Occupanther-Tracks fertig hatte: Erst als ich mir meine Musik wieder und wieder angehört habe, wollte ich sie irgendwie auch visuell umsetzen – und habe weitergesponnen. So haben sich dann nach und nach konkrete Ideen zu Bildern und Content ergeben.
Jonas:
Du hast in deinem Leben schon in diversen Bands gespielt und dich in den unterschiedlichsten Musikstilen ausprobiert. Hast du mit Occupanther einen Punkt erreicht, der dir das Gefühl gibt, musikalisch angekommen zu sein?
Martin:
Als ich mit dem Occupanther-Projekt angefangen habe, habe ich gemerkt, dass ich zum ersten Mal Musik mache, die aus mir ganz persönlich kommt und sich nicht an irgendetwas orientiert. Gleichzeitig ist mir klar geworden, dass ich bis zu diesem Punkt immer irgendeinem Sound nachgelaufen bin – quasi seit ich angefangen habe, mit Bands zu spielen. Ich habe dort einfach immer versucht, dem Sound der Musiker nachzueifern, die ich selbst cool fand. Im Nachhinein war es für mich absolut klar, dass da einfach die Roots gefehlt haben und es deshalb letzten Endes auch nicht authentisch war.
So ist die erste EP, die ich unter dem Namen Occupanther produziert habe, auch eher im Affekt entstanden. Aber gerade dadurch hat sich das Ganze für mich so ehrlich angefühlt: Ich habe bei Occupanther nachhaltig das Gefühl, befreiter Musik zu machen. Diesen Zustand habe ich mir in der Vergangenheit oft gewünscht. Doch je länger man nach einem ganz bestimmten Schema Musik macht, desto schwieriger wird es, sich ganz und gar davon zu lösen.
Ich habe mich nie gefragt, was für eine Art von Künstler ich sein will.
Jonas:
Trotzdem ist es dir gelungen. Kann man sagen, dass das ganze Occupanther-Projekt alleine aus dem Instinkt heraus entstanden ist?
Martin:
Ich habe für diese Sache nie eine musikalische Agenda gehabt. Und ich habe mich nie gefragt, was für eine Art von Künstler ich sein will oder wie ich mich am besten auf der Bühne darstellen und bewegen muss. Von daher passt „aus dem Instinkt heraus“ vielleicht ganz gut. Leider wird das Wort Authentizität heute in inflationär benutzt, aber ich glaube, genau darum ging es mir beim Start von Occupanther: Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich gemerkt habe, dass ich mich all die Jahre mehr oder weniger verstellt habe – und zwar in zweierlei Hinsicht: auf einer musikalischen Ebene, weil ich versucht habe, wie jemand anderes zu klingen oder einem Sound hinterherzurennen. Und auf einer persönlichen und optischen Ebene, weil ich irgendwie die ganze Zeit nicht der war, der ich wirklich bin. Das Occupanther-Projekt kann man daher auch mehr oder weniger als eine Trotzreaktion beschreiben: „Ich mach’ das jetzt einfach so, wie es aus mir rauskommt.“
Jonas:
Verspürst du eine gewisse Wehmut, weil du dich nicht schon viel früher getraut hast, so etwas wie Occupanther zu erschaffen?
Martin:
Nein, ich bin eher jemand, der froh ist, dass er diese Erkenntnis jetzt haben durfte und nicht erst in fünf Jahren. Ich könnte nicht dafür garantieren, dass ich mit 30 noch gesagt hätte, dass das genau mein Ding ist: Wenn man in dem Alter in der Szene noch nicht Fuß gefasst hat, wird es wirklich schwierig.
Jonas:
Zur Not hättest du ja ein zweites Standbein: Wie kam es, dass du irgendwann Produzent von Film- und Werbemusik geworden bist?
Martin:
In meinem Freundeskreis in München gibt es viele Leute, die im Film- und Werbebereich arbeiten. Das ist so eine Art Clique aus Regisseuren, Kameramännern, Cuttern und so weiter. Zu dieser Clique gehört auch mein guter Kumpel Alex Schiller, der im Jahr 2012 an einem Kurzfilm über die Formel 1-Legende Hans-Joachim Stuck und dessen Brüder gearbeitet hat. Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, die Musik für diesen Film zu komponieren. Ich habe zugesagt – und von da an ging es dann irgendwie immer weiter.
Ich persönlich würde nie aufgrund irgendeines Feedbacks etwas an meiner Musik ändern.
Jonas:
Vor einem halben Jahr haben wir eine skandinavische Band interviewt. Eines der Bandmitglieder hat ebenfalls eine Zeit lang Werbejingles komponiert – und war damit ziemlich unglücklich. Hast du damit ebenfalls Bauchschmerzen?
Martin:
Nein, ich sehe das absolut pragmatisch. Ich muss auch zugeben, dass ich mittlerweile das Glück habe, in diesem Bereich ziemlich viele coole Projekte machen zu können. Sagen wir mal so: Diese Projekte sind zwar auch Werbung, machen aber trotzdem Spaß. Natürlich ist das immer so ein Ding, an das man sich gewöhnen und mit dem man klarkommen muss: Sobald jemand Geld dafür zahlt, dass man irgendetwas komponiert, hat man halt nicht mehr das letzte Wort. Damit muss man sich abfinden. Aber ich persönlich sehe es eher als ein Privileg an, mit Musik Geld verdienen zu können – da kann man auch mal nachgeben.
Jonas:
Als Musiker hat man noch einen weiteren Vorteil: Plattformen wie YouTube und Soundcloud bieten einem heute die Möglichkeit, nicht nur mit seiner Kunst wesentlich mehr Menschen zu erreichen als noch vor 15 Jahren, sondern auch mit seinen Positionen zu bestimmten Themen.
Martin:
Was den Teil mit der Musik betrifft, gebe ich dir recht. Zum zweiten Punkt muss ich sagen, dass natürlich auch ich zu vielen Themen eine Meinung habe – eine politische Meinung. Aber für mich ist das eher etwas Privates, das ich von mir als Künstler lieber fernhalten möchte.
Mir geht es in erster Linie darum, die Musik in den Mittelpunkt zu stellen. Es passiert heutzutage auch viel zu schnell, dass man als Musiker für alle Ewigkeit auf eine ganz bestimmte Meinung reduziert wird, wenn man sich mal zu einem Thema geäußert hat.
Jonas:
Spielt es für dich eine Rolle, wie deine Musik bei anderen Menschen ankommt?
Martin:
Jeder Musiker freut sich, wenn er merkt, dass seine Musik den Leuten gefällt und sie ihm positives Feedback geben.
Ich persönlich würde aber nie aufgrund irgendeines Feedbacks etwas an meiner Musik ändern – auch wenn ich merken würde, dass die Musik, die ich mache, nicht mehr so gut ankommen würde.
In solch einem Moment muss man einfach konsequent sein Ding durchziehen. Das ist in jedem Fall nachhaltiger, als irgendwelche Trends zu bedienen.
Was mein heutiges Dasein angeht, versuche ich immer zu vermeiden, dass sich irgendetwas festfährt.
Jonas:
Du machst mittlerweile seit etlichen Jahren Musik. Stellst du fest, dass es bestimmte Dinge gibt, die immer wiederkehren? Hast du Rituale, die dich begleiten?
Martin:
Nicht wirklich. Was meine Zeit vor Occupanther betrifft, habe ich im Vergleich zu heute auf eine ganz andere Art Musik gemacht: Als Band sitzt man ja gemeinsam im Proberaum rum und probiert etwas aus. Daher könnte ich nicht sagen, dass ich mir aus dieser Zeit irgendetwas warm gehalten hätte.
Was mein heutiges Dasein angeht, versuche ich immer zu vermeiden, dass sich irgendetwas festfährt. Eine gewisse Routine ist natürlich wichtig, trotzdem versuche ich immer, das Feld interessant zu halten. Was meinen Work flow angeht, probiere ich viele Sachen aus.
Insgesamt bin ich aber mit allem recht entspannt, wahrscheinlich weil ich auch immer schon das Gefühl hatte, meine Skills ganz gut einschätzen zu können. Und mittlerweile bin ich sogar relativ diszipliniert, was das alles angeht.
Das liegt vielleicht auch ein wenig an meinem Musikstudium: Dort ist man die ganze Zeit von Leuten umgeben, die professionell Musik machen und für die Musik einfach nur ein Beruf ist. Da muss man niemandem etwas beweisen. Deswegen bin ich auch relativ „down to earth“.
Jonas (lächelt):
Ich war fast etwas enttäuscht, als ich gelesen habe, dass der Name Occupanther keine absolut ausgefeilte Wortneuschöpfung von dir ist, sondern „nur“ von dem Titel eines Albums deiner Lieblingsband „Midlake“ abgeleitet ist.
Martin (lacht):
Ein kleiner Geheimtipp: Bandnamen sind viel weniger deep, als man das allgemein annehmen möchte.
Ich habe einfach einen Namen für mein Projekt gesucht und die Augen offen gehalten. Und als ich plötzlich über die Midlake-Platte „The Trials Of Van Occupanther“ gestolpert bin, die ich schon in meinen Teenagerjahren gehört habe, war der Name da. Ich fand es einfach passend.
Martin Brugger alias Occupanther ist 25 Jahre alt, Musiker und lebt in München.
Henning Kreitel
Submission — Henning Kreitel
Dinge des Bösen
21. März 2015 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Text & Foto: Henning Kreitel
Mein Vater ist schon lange tot. Er kam einst aus der großen Stadt hierher. Hat sich das alles aufgebaut. Mit Blut, Schweiß und einem Ziel vor Augen. Meine Mutter lernte er auf der Nachbarfarm kennen. Gemeinsam haben sie sieben Kinder großgezogen.
Meine Geschwister sind fast alle weg. Leben jetzt in der Stadt. Bis auf meine Schwester. Ihr gefällt es bei uns. Wir leben zusammen. Die Berge und der Himmel sind ganz allein für uns. Unser Leben folgt alten Traditionen. Wir gehen ins Bett, wenn es dunkel wird. Stehen auf mit dem ersten Hahnenschrei. So war es und wird es immer bleiben. Komme was wolle.
Aber etwas hat sich verändert. Etwas Gravierendes. Dinge des Bösen passieren. Es begann mit zwei Hügeln. Dann wurden es immer mehr. Von Jahr zu Jahr. Vor allem im Sommer, wenn der Weizen wachsen soll, sind die Schandflecke überall. Bald sind auf den Feldern nur noch Hügel zu sehen. Das muss aufhören. Ich beobachte diese Kreaturen, ich weiß, was sie tun. Diese Würmer des Teufels fressen die Erde auf und spucken ihren Kot oben aus. Mit ihren Krallen schaben sie alles kaputt. Ich höre die Highlands schreien. Jeden Morgen höre ich sie.
Diese Würmer rauben dem Boden alles. Wo sie waren, geht nichts mehr auf. Das überträgt sich auch auf Menschen. Meine Frau ist unfruchtbar geworden, weil sie über den von den Ratten des Teufels verseuchten Boden läuft. Das Land meines Vaters gehört mir. Ich habe ihm geschworen, gut darauf aufzupassen. Meine Nachbarn werden nicht heimgesucht. Nur ich. Warum bin ich verdammt? Hat Vater etwas verbrochen, wofür ich die Strafe zahlen soll?
Man muss sie zur Hölle zurückschicken und ich habe endlich ein Gegenmittel gefunden. Meine ganz spezielle Technik und es scheint zu funktionieren.
Henning Kreitel ist 32 Jahre alt, Fotograf und lebt in Berlin.