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Kerim Becker

Submission — Kerim Becker

Warten auf den Flow

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Kerim Becker

Ok. Erstmal die Musik ausmachen.
Man braucht Ruhe zum Schreiben.

Aber wenn die Ruhe unerträglich wird und
dieses Rauschen im Kopf einsetzt?
Was braucht man dann zum Schreiben?
Pilze? Kokain? LSD? Gummibärchen?

Immerhin regnet es jetzt endlich und diese
schwüle Luft verzieht sich.

Also Fenster auf und Kopf abkühlen.
einatmen, reinhorchen, einfühlen

Die Fakten: Heute ist der 13. und am 15.
ist die letzte Abgabemöglichkeit.
Zwei Tage. Scheiße! Unter Druck schreiben
ist scheiße! Das klappt nie.

Warum eigentlich nicht? Muss einen immer
die blöde Muse küssen, damit was kommt?
Kann sich nicht mal einfach so was
ergießen? Ich mein’, beim Masturbieren
klappt’s doch auch…

Über was reg’ ich mich eigentlich so auf?
Im Prinzip nervt mich doch nur, dass
ich es schlicht nicht hinbekomme, diesen
blöden Text auf Anfrage zu schreiben.

„Deine Probleme will ich haben!“, das könnten
jetzt locker 1,4 Milliarden Menschen zu mir
sagen – also wenn die alle hier wären und
deutsch sprechen würden.
(Hmmm… 1,4 Milliarden auf 42 m³; das wär’
dann schon ziemlich harte Materie…)

Aber so einfach ist das nunmal nicht mit dem
Schreiben! Das muss von innen kommen.
Alles andere ist nur Kompromiss.

Keine Kompromisse! Zumindest nicht hier!
Nicht auf dieser Ebene!

Das ganze Leben, unsere Systeme, Gesell-
schaften, Regeln, wach sein und schlafen
müssen – alles ein einziger Kompromiss!

Hart bleiben!
dranbleiben, aufschreiben

Tick, tick, tick, tick, tick, tick – und wieder
stirbt ein Kind unter fünf Jahren an Hunger
und ich spür’ nichts…

Weich werden.
klein werden, zulassen, aufnehmen,
Luft werden, leicht werden

Kompromiss.

…irgendwas läuft doch schief hier.


Timo Rud

Submission — Timo Rud

Flug A348

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Timo Rud

Der Raum ist da um ihn zu suchen
Der Raum ist da um Teer zu atmen
Der Raum ist pure Sucht
Der Raum – oh filtrierte Luft

Der Raum ist da um gelb zu werden
Der Raum ist da um Krebs zu kriegen
Der Raum ist purer Rauch
Der Raum – oh ich such’ ihn auf

Ich irr’ umher
mich steuert Sucht
Frag hier, frag da
hol’ schnappend Luft

Ich irre noch
schier endlos lang
da vorne da
das Licht im Gang


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Anne Puhlmann

Submission — Anne Puhlmann

Im Nirgendwo

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Anne Puhlmann

Manchmal, mitten im Nirgendwo, finde ich mich.
Und dann wieder nicht.

Mein Körper. Gespalten.
Ein Teil jagt den anderen.
Und so drehe ich mich im Kreis.

Niemals da wo ich sein soll.
Nichts ist greifbar.
Tagein. Tagaus.
Die richtigen Worte.
Vernebelt in meinem Kopf.

Menschen ändern sich.
Gefühle ändern sich.
Nichts bleibt wie es ist.
Und so drehe ich mich im Kreis.

Weiß nie was ich will.
Aber ich will mehr.

Ein Weg. Allein.
Lauf ich links, lauf ich rechts
oder bleib ich stehen?
Gefangen im Labyrinth.
Und so drehe ich mich im Kreis.

Manchmal, mitten im Nirgendwo, finde ich mich.
Und dann wieder nicht.


MYP-Magazine-18-Submission-Florian-Wenzel-Flaschenpost

Florian Wenzel

Submission — Florian Wenzel

Flaschenpost

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Florian Wenzel

Ich weiß nicht, nach was ich suche.

Mein Ziel ist ungewiss. Wie die Reise
einer im Meer treibenden Flaschenpost.

Man weiß nicht, wo, wann, oder ob
man überhaupt ankommt.


MYP-Magazine-18-Submission-Astrid-Theis-Am-Ende-der-Suche

Astrid Theis

Submission — Astrid Theis

Am Ende der Suche

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Astrid Theis

„Wer sucht, der findet nicht, aber wer
nicht sucht, wird gefunden.“ – Franz Kafka

Die Suche. Jeder sucht mal. Sei es nach einer Hose, nach einem Job oder nach der Liebe. Wenn wir suchen, verbinden wir damit gleichzeitig Hoffnung und Erwartung, weil wir fündig werden wollen. Eine Suche kann oft mit einer Erkenntnis zusammenhängen. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass suchen oftmals gar nicht weiterhilft, sondern, dass man lediglich die Dinge auf sich zukommen lassen sollte und dann schaut, was passiert.

Oft hat man sich schon in der Situation befunden, in der man nach etwas Bestimmtem sucht, sei es ein Gegenstand oder etwas nicht Greifbares, und findet dann gerade dieses nicht. Vielleicht, weil zu viel Bemühung und Angestrengtheit dahinter steckt, sodass man es nur weiter von sich wegtreibt.

So oder so geht eine Suche Hand in Hand mit Empfindungen. Was am Ende unserer Suche für eine Empfindung bleibt, erfahren wir erst, wenn wir diese beendet haben.


MYP-Magazine-18-Submission-Hannes-Lippert-Urknall

Hannes Lippert

Submission — Hannes Lippert

Urknall

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Hannes Lippert

Es ist Mittwoch 20:15 Uhr. Eigentlich ist das egal, denn auch an den anderen Wochentagen sitze ich um die gleiche Zeit – sozusagen zur Primezeit – auf meinem mittlerweile leicht abgewetzten Ikea-Ledersofa. Vor mir steht eine geöffnete Flasche lauwarme Hopfenbrause und mein Blick ist auf meinen Fernseher gerichtet… nicht so ein neues Teil… nein, noch Röhre.

Das Bild zeigt lauter kleine Punkte, schwarze und weiße. Ich habe mal gelesen, dass der Ursprung des sogenannten „Weißen Rauschens“ hier vor mir in meiner Berliner Altbauwohnung im Urknall liegt. Nun liegt ja der Ursprung von allem, das wir kennen, irgendwo bzw. irgendwie im Urknall, so ‘ne halbe Milliarde Jahre in der Vergangenheit. Hmm… nun stellt sich mir die Frage: Liegt auch die Ursache unserer heutigen Probleme irgendwo da vergraben?

Wie der festgefahrene Stellungskrieg zwischen schwarzem und weißem Punkt, kämpft alles, das ich kenne, irgendwie gegeneinander an. Religionen, politische Ansichten und fanatische Fußballproleten sind nur winzige Beispielfussel in meiner beschränkten Vorstellungskraft. Aber davon abgesehen: Was wäre denn, wenn neben der Ursache der unzähligen Probleme auch die Lösung derselben im Urknall liegen würde?

Und nun sitze ich hier und suche zur besten Sendezeit, inmitten des Geflimmers – dieser einzigen mir bekannten Verbindung zum Urknall – nach einer Lösung der unzähligen Konflikte um uns herum.

Dauert wohl ‘ne Weile.


MYP-Magazine-18-Submission-Julia-Wengenroth-Die-Muehe-wert

Julia Wengenroth

Submission — Julia Wengenroth

Die Mühe wert

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Julia Wengenroth

Ich bin auf der Suche nach besonderen Fotografien. Ich kann nicht genau sagen, seit welchem Zeitpunkt ich hiernach suche, weil ich schon immer von einzigartigen Bildern beeindruckt war. Vielleicht kann man aber sagen, dass ich selbst aktiv danach suche, seit ich im Jahr 2011 das erste Mal eine Spiegelreflex Kamera in den Händen gehalten und meine ersten eigenen Aufnahmen gemacht habe.

Diese Suche stellt für mich eine große Herausforderung dar, weil hierfür vieles zusammenkommen muss – ein interessanter Ort, ein gutes Timing, stimmige Lichtverhältnisse, passende Ausrüstung und die richtige Wahl der Einstellungen an der Kamera. Durch meine Suche hat sich mein Blick für Details deutlich geschärft, denn am Ende sind es Kleinigkeiten, die ein besonderes Foto ausmachen und somit den Moment für die Ewigkeit einfangen und einfrieren.

Meine ständige Suche führte mich schon zu außergewöhnlichen Orten. So bin ich beispielsweise im letzten Jahr nach Island gereist. Neben den Bildern, die ich dort geschossen habe, habe ich unzählige schöne Erinnerungen sammeln können. Und wenn ich mir die Fotos am Ende eines Tages anschaue, weiß ich, dass die Suche die Mühe wert ist.


Jonas Meyer

Submission — Jonas Meyer

Moonstone Beach

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Foto: Jonas Meyer

Wer ich sein will,
wo ich hingehöre,
was ich machen soll –
ich weiß es nicht.

Eine Suche ohne Ziel.
Und ohne Antworten.

Doch gerade scheint es,
als hätte ich den besten Ort
der Welt gefunden.

Frisch und wärmend ist es hier.

Karg und sanft.
Rau und lebendig.

Und unendlich schön.


MYP-Magazine-18-Submission-Florian-Tenk-Letzte-Fragmente

Florian Tenk

Submission — Florian Tenk

Letzte Fragmente

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Fotos: Florian Tenk

Alles, was ich von ihm habe, hat er mir gesagt. Oder: Das, was ich von ihm haben kann, ist bereits gesagt.
Endlich ist es wieder soweit für den nächsten Herzschlag, nur alle zwei, drei Wochen, wenn wir unsere Wege an diesem Tisch kreuzen lassen. Welche Seite wem gehört, weiß inzwischen keiner mehr.
Vorbei die Jagd, vorbei.
Jetzt spricht er zu mir in letzten Fragmenten.
Was wird jetzt noch passieren, geht mir durch den Kopf.
Ich mag Orangen sagt D. und da erscheint das Bild von einer perfekten Orange auf dem Tisch. Nur ein Stück Stängel ist dran, er ist noch grün und zeigt nach Norden.
Magst du auch Orangen? Ich ja schon.
Ich glaube, ich mag keine Orangen.
Weißt du, ich mag auch Türen, sagt D.

Also beiße ich doch schnell in die Orange, bevor D. auch eine Tür auf den Tischen malen kann. Etwas zu schnell, um dabei ehrlich zu wirken. Ihr Geschmack trägt die Bitterkeit meiner Gedanken, denn ich weiß jetzt schon, zum Norden hinaus gehen wird er trotzdem bald, das weiß er auch. Und ich weiß auch, alle, die aus seiner Gegend kommen, haben einen starken Willen, wenn ich es aber schaffe, dass er noch ein, zwei Momente länger bleibt, werde ich wieder vergessen, was ich ihm zuerst an den Kopf werfen wollte.

Dass er mir ein Wort erfunden hatte:
Und dann doch noch eines hinterher schob, es heißt ichwollteesnureinfachhaben.
Und wenn alle Probleme unserer Zeit, doch nur noch Übersetzungsprobleme sind, habe ich noch nicht gelernt, wie man das buchstabiert.

Wenn er später zurück sein wird, in seiner Gegend und einer an seinem Tisch sitzt, oder zwei, die über mich lachen, weil man mir die Herkunft ansieht und ich seine Worte nicht übersetzen kann. Alles richtig machen, kann man doch eh nur, wenn man gar nichts mehr macht – und so spucke ich ihm einen Orangenkern an den Kopf. Ich habe alle Kerne hinter meinen Zähnen gesammelt, sie sind der einzige Teil von meiner Orange, den ich jetzt beginne zu mögen.
Diese Menschen, die dann an seinem Tisch sitzen werden, schütteln den Kopf über mich, denn alle, die aus seiner Gegend kommen, schütteln den Kopf über die mit meiner Herkunft, die nie finden und nur denken im Suchen stark zu sein.

D. schaut mich heute zum ersten Mal an, so wenn man angesehen wird und darin neu entsteht, mit seinem schrägen Blick, von unten herauf in die Augen.

Vielleicht hat ihn der gespuckte Kern getroffen, doch unter seine Haut hat er es sicher nicht geschafft. Schon als er meinen Mund verlassen hatte, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Daran wird nichts mehr wachsen, weil an D. keine Dinge hängen bleiben.

Langsam hebt sich seine Lippe, ob es ein Lachen ist, kann man nicht mehr erkennen, nur seine Zahnreihen aus Kernen, die er schon lange mit sich trägt. Mit dem letzten Rest meiner Orange, den ich nicht vermissen werde, ist seine Zahnreihe nun ganz. Die Laute aus seinem Mund sind die seiner Zukunft, unsere Sprachen sind jetzt ganz verschieden.
In dieser Sprache malt er auf den Tisch seine ersten Rudimente. Ich kann es jetzt noch nicht lesen, aber ich denke, für ihn heißt es gehen, für mich heißt es bleiben.


MYP17 – Prolog "Mein Ritual"

Editorial — MYP Magazine N° 17

Prolog »Mein Ritual«

21. März 2015 — The Kooks fotografiert von Moritz Jekat

— The Kooks im Interview