Lila Khosrovian
Submission — Lila Khosrovian
An Urge To Protect
29. November 2015 — MYP No. 19 »My Protest« — Text & Photo: Lila Khosrovian
I have always been attracted by nature, and comfortable in and around it. I grew up in the Armenian countryside surrounded by mountains and forests, maybe that explains why I am so attached to nature. I am active in protecting wildlife and nature worldwide.
I try and spend as much time as possible in new landscapes, camp and travel as often as possible. I moved to California several years ago and this part of the world has been inspiring me a lot. The nature here is so diverse, so wild that I am amazed everywhere I go.
Quickly it became an urge to protect parks and beaches, as many people are still littering. I strongly feel that there should be much more repressive laws to prevent people from littering. Between that and a very agressive tourism, that part of the United States seems to be suffering a lot and the coast as well as the parks tend to get damaged.
I hope our generation and the ones to come will understand the importance of nature for our well being and survey, and stop on harming something that created us and could very much destroy us.
Lila Khosrovian is a 28-year-old photographer living in Los Angeles.
Tasha Liv
Submission — Tasha Liv
Communicate With People
29. November 2015 — MYP No. 19 »My Protest« — Text & Photo: Tasha Liv
What is a protest? Under protest we usually understand regarding open public reaction to the situation: sometimes in support, but usually against it. There are different types of protests: Political, Social, Cultural protests. I want to talk about cultural protests, such as the underground vs. mainstream.
What is the underground? The underground – a set of creative directions in contemporary art (music, literature, film, visual arts, etc.), contrasted popular culture, mainstream and formal art. Underground includes informal, independent or prohibited by the censorship of the kinds and works of art.
The line between underground and mainstream is always blurred, as many of the kinds and works of art that began as an underground, eventually became a popular and widespread.
Underground means a distinctive break with the dominant ideology, ignoring the stylistic and linguistic limitations, the rejection of conventional values, norms, social and artistic traditions, often shock value( Lady Gaga, Madonna), rebellion. Underground rejects and often violates socially accepted political, moral and ethical attitudes and behaviours, introducing into the everyday life new patterns of behavior.
What is the mainstream? Mainstream – the prevailing direction in any area (academic, cultural, etc.) for a period of time. Often used to refer to any popular, mainstream trends in the art to contrast with the alternative, underground, nemas, elitist direction.
I think the mainstream will always exist – like the underground. Because no matter what decade/century, people always will “chase” for all fashionable. So there will always be people who will despise those people and will create something new and unusual for the current person. Also I don’t support the protests and riots, because I think what you need is to communicate with people, and not to go outside and scream.
Tasha Liv is a 16-year-old fine art and portrait photographer living in Russia.
Jewgeni Roppel
Submission — Jewgeni Roppel
Following Rio Sucio
29. November 2015 — MYP No. 19 »Mein Protest« — Text & Foto: Jewgeni Roppel
Im südspanischen Andalusien gibt es ein Gebirgstal am Fluss Rio Sucio, wo sich Menschen aus Protest an der Konsumgesellschaft einen Ort geschaffen und ihn “Beneficio” genannt haben. Es sind Hippies, Aussteiger und Naturverbundene, die aus England, Deutschland und Frankreich zusammengekommen sind, um im naturgeschützten Gebirgskessel in Zelten, Wohnwagen und selbstgebauten Hütten aus Lehm und Holz zu leben. Sie teilen sich diesen Raum mit der Natur und realisieren ihren Wunsch nach einem selbstverwalteten Sehnsuchtsort jenseits der konsumorientierten Gesellschaft.
Was zum Teil aussieht wie ein Flüchtlingslager, ist in Wirklichkeit eine bewusste Entscheidung für eine unkonventionelle Lebensform. Den Kommune-Gedanken der 68er Bewegung und dem Gedankengut von Bagwan Bhagwan Shree Rajneesh folgend, zählt “Beneficio” heute zu den letzten großen Hippie-Generationen Europas.
Vor gut 20 Jahren war es der Ursprungsgedanke der Gemeinschaft “Rainbow Family”, ihren Lebensort auf den Namen “Beneficio” zu taufen. Abgeschieden von Normen der Gesellschaft und befreit von bürgerlich-verklemmter Sexualität, konnte dort jeder, egal welcher Herkunft, nach dem Bhagwan Shree Rajneesh-Prinzip im Einklang mit der Natur leben.
Spirituelle Entfaltungsmöglichkeiten, kreatives Schöpfen und lebendiger Kontakt mit dem nackten Körper waren Ziele dieser Zusammenkunft, die heute nur noch durch Erzählungen in die Gegenwart gerufen werden.Heute hat dieser Ort nicht mehr den Charakter einer Community, die bestimmten Regeln und Aktivitäten folgt.
Neben “Benificio” haben sich einige Kilometer entfernt zwei weitere Lebensorte gebildet, an denen Individuen zusammenleben. Niemand erwartet von ihnen, dass sie dauerhaft bleiben oder etwas gemeinsam aufbauen. Jeder kann kommen, bleiben oder weiterziehen. Jeder bringt eigene Motive und Geschichten mit, die ihn oder sie zu dieser Lebensform bewegt oder inspiriert haben.
Bhagwans Grundsätzen aus den Sechzigern gelten dort noch heute: “Solange du dich hier wohl fühlst, kannst du bleiben. Sobald du dich unwohl fühlst, steht dir die ganze Welt offen (…)Ansonsten gibt es keinerlei Auflagen. Arbeiten habe ich komplett abgeschafft, es sei denn, du möchtest arbeiten, weil es dein Ding ist. In der Kommune war Arbeit zum Überleben absolut notwendig. Hierher dagegen kommst du, wann immer es dir finanziell möglich ist und solange du dir den Aufenthalt leisten kannst. Aber es kann keine Rede davon sein, dass dir hier eine Arbeit aufgezwungen wird. Du kannst wählen, ob du etwas tun oder dich einfach nur ausruhen möchtest, ob du schwimmen gehst, an dem einen oder anderen Kurs teilnimmst, meditierst – oder auch nicht an Kursen teilnimmst, nicht meditierst und einfach nur bist.”
Das fotografische Essay ist eine heutige Momentaufnahme dieser Lebensform, die als Protest und Schutzraum dient, in dem Freiheitsgedanken mit Lebensbedingungen und Isolation vereinbart werden.
Jewgeni Roppel ist 32 Jahre alt, Fotograf und lebt in Hamburg.
Davide Hjort
Submission — Davide Hjort
Du musst trainieren
29. November 2015 — MYP No. 19 »Mein Protest« — Text & Aquarell: Davide Hjort
Meine Ernährung sei der Grund, warum ich so dünn sei, meinte der Trainer im Fitness-Studio. Ich würde nicht genug essen, vor allem nicht ausreichend Proteine. Das Problem sei meine körperliche Konstition: “Deine Knochenstrukur wirkt sehr weiblich, deine Muskeln sind lang und schmal. Besonders an deinen Schultern und Armen musst du Muskeln aufbauen, um überhaupt irgendwelche Resultate zu erzielen.”, sagte er, der Trainer mit den rasierten Beinen und viel zuviel Gel im Haar. Seine Waden, glatt und braun vom Solarium, glänzten wie zwei Schinken in einem Supermarkt.
Nach anderthalb Jahren im Fitness-Studio, wo ich allen Ratschlägen folgte und mir wirklich Mühe gab, fragte ich mich: Warum tue ich mir das nochmal an? Ich sah mich um. Die meisten Männer, die im Fitness-Center schwitzten und beim Gewichteheben schnauften, waren regelmäßig dort und kamen zu festen Zeiten. Als neugieriger Mensch konnte ich meistens meine Zunge nicht hüten und kam daher öfter mit solchen Pumpern ins Gespräch. Es war und ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele Menschen – meistens Männer, aber auch viele Frauen und Teenager – so viel Zeit, Energie und Geld in ihr Training investieren. Nach einiger Zeit habe ich verstanden, dass Fitness für sie nicht mehr bloß ein Mittel ist, um sich in ihrem Körper wohlzufühlen: Es ist zu einer Lebensbeschäftigung geworden. Und gleichzeitig ersetzt es jedes Hobby. “Wie viele Proteine am Tag muss ich essen? Zu welchen Zeiten muss ich die Shakes trinken? Wie oft muss ich trainieren, um so auszusehen?” Solche Gespräche hört man andauernd.
Wenn man sich mal mit einem dieser Menschen unterhält, dauert es nicht lange, bis man zu der Schlussfolgerung kommt, dass sie kaum noch andere Interessen haben. Und um das so zu erklären, muss man sich nur im Alltag umzuschauen: Jede Werbung, jede Zeitschrift und die meisten Fernsehprogramme erinnern einen standig daran, wie man aussehen sollte. Tut man es nicht, wird man gleich als Schwächling und Versager betrachtet.
Wann hat eigentich der Sport aufgehört, eine Möglichkeit zu sein, und wann hat er angefangen, zu einem Kulturzwang zu werden? “Du musst trainieren, um gesehen zu werden. Du musst trainieren, um dich als Teil dieser Gesellschaft fühlen zu können. Du musst trainieren, um deine Unsicherheit zu verstecken. Du musst trainieren, um deine Selbstliebe aufzubauen.” Solche Botschaften könnten auch auf den Verpackungen der Proteinshakes abgedruckt sein. Es muss wohl ein menschlicher Instinkt sein, wie ein Schaf in der Herde immer genau dem zu folgen, was allgemein als Schönheitsideal bezeichnet wird.
Dass unser Selbstbild ständig unter Druck gesetzt wird, kann man übrigens auch an der Freimütigkeit und Oberflächlichkeit dieser ganzen Dating-Apps und Webseiten feststellen, wo es Profiltexte wie beispielsweise diesen gibt: “Nur muskulöse und durchtrainierte Typen, bitte!” Für Frauen sind die Voraussetzungen leider auch nicht besser. Man muss also trainiert sein, um „Liebe” zu finden. Aha.
Mein Leben lang habe ich Komplexe wegen meines Aussehens gehabt. Aber nach der Zeit im Fitness-Center und einer tiefen Überlegung darüber, wie und warum ich das tue, habe ich realisiert, dass ich so etwas wirklich nicht brauche, nur um der Gesellschaft zu gefallen. Genauso wie ich es nicht brauche, meine Ängste und Zweifel auf mein Aussehen zu projizieren.
Warum? Weil es in meinem Leben wichtigere Leidenschaften gibt. Weil ich nicht möchte, dass solche Schönheitsideale meine Persönlichkeit und Authentizität zerstören. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich heute ungesund ernähre oder überhaupt keinen Sport mehr treibe. Aber ich muss kein falsches und krankes Ideal verfolgen, um meinen Körper zu akzeptieren. Das ist mein Protest.
Was bleibt denn am Ende für die meisten Gym-Besessenen? Ein Spiegel. Und vielleicht ein Proteinriegel.
Davide Hjort ist 25 Jahre alt, Erzieher und Künstler und lebt in Kopenhagen.
Daniel Santalla
Submission — Daniel Santalla
Black Holes
29. November 2015 — MYP No. 19 »My Protest« — Text & Photo: Daniel Santalla
Women and their daily struggle with the world that surrounds us, a society full of men who undervalue the role of women in the society where they must fight every day to prove his worth, his effort and his work.
Out ties and we begin to feel we are free, free to do what we want with our lives, is time to open the mind in this current society full of black holes.
Daniel Santalla is a 27-year-old photographer living in Ferrol (A Coruña), Spain.
Jonas Meyer
Submission — Jonas Meyer
Von oben herab
29. November 2015 — MYP No. 19 »Mein Protest« — Text & Foto: Jonas Meyer
Hier oben hat man seine Ruhe.
Nichts, was uns stören könnte.
Kein Fremder hier.
Hier oben hat man keine Sorgen.
Nichts, worum wir uns kümmern müssten.
Kein Fremder hier.
Hier oben hat noch alles seine Ordnung.
Nichts, was nicht in unser Weltbild passen würde.
Kein Fremder hier.
Hier oben hat man alles für sich alleine.
Nichts, was wir teilen müssten.
Kein Fremder hier.
Hier oben gibt es von allem mehr als genug.
Nichts, was uns ärmer machen könnte.
Kein Fremder hier.
Von hier oben schaut man auf die anderen herab.
Auf die, die da unten sind.
Und die für uns die Fremden sind.
Wer hier oben ist, der schaut schnell wieder weg.
Denn gut geht’s uns hier oben auf dem Berg.
So richtig gut.
Jonas Meyer ist freiberuflicher Art Director und Publizist und lebt in Berlin.
Emelie Kucharzik
Submission — Emelie Kucharzik
Brief an die Sucht
29. November 2015 — MYP No. 19 »Mein Protest« — Text: Emelie Kucharzik, Foto: Nico Kaczmarczyk
It’s alright not to be alright.
Ich habe immer gerne Briefe geschrieben. Schreiben war lange meine einzige Möglichkeit, Gefühle auszudrücken und ehrlich zu sein. Meine Zuhörer waren die Buchstaben und die sich langsam füllenden Seiten, nicht eine Person – und das nahm mir Scham und Angst.
Diesen Sommer habe ich einen Brief verfasst, der es mir ermöglichte, ehrlich mir selbst gegenüber zu sein. “Hallo, ich bin Emelie und ich genese von atypischer Bulimie. ” Hinter diesem Satz stehen vier Jahre Ohnmacht und Verzweiflung, Geheimnisse und Lügen, Selbstverletzung und Tränen – aber auch Momente der Klarheit, in denen ich mir nah sein konnte und endlich gelernt habe, gut zu mir zu sein.
Und nach den Jahren, in denen ich alles mit mir selbst ausgemacht habe, habe ich das Bedürfnis laut zu sein. Ganz da zu sein. Und das ist mein Protest.
Mein Protest gegen eine Gesellschaft, die von unserem Selbstzweifel profitiert, in der Selbstliebe mit Egoismus verwechselt wird. In der man nie genügen kann. In der Schwäche und Gefühle keinen Platz finden. Das ist mein Protest gegen die oberflächliche Diskussion über Essstörungen. Es geht nicht nur um Models und Teenager, um Schlankheitswahn und Diäten. Millionen von starken und reifen Frauen wird die Stimme genommen, ihre Not auszudrücken, weil es niemanden zu interessieren scheint, welcher Druck auf ihnen liegt.
Und schlussendlich ist dies ein Protest gegen die Sucht in mir, der mir immer noch zu erzählen versucht, dass ich zu dick bin, um auf einem Foto gut auszusehen, und mir eh niemand zuhören will.
Hallo Sucht,
du hast vielleicht gemerkt, dass ich mich zurückgehalten habe, mich auf dich einzulassen. Der Abstand hat mir gut getan und ich merke, dass wir keine Chance auf Gleichgewicht in unserer Beziehung haben. Das nennt man dann wohl Abhängigkeit. Ich habe gelitten, habe viel aufgegeben – zu guter Letzt mich selbst.
Und doch, du hast viel für mich getan. Du warst für mich da und ich war immer willkommen, mit jeder Laune und jedem Problem; du hast mir wohlwollend die Tür geöffnet, hast mich eingeladen auf Kakao und zwei oder auch drei Tafeln Schokolade. Du warst für mich Rückzugsort und Schutzraum, und ich dachte, du wärst mein einziger Trost, meine beste Freundin.
Du warst Unterstützung, wenn ich mehr schaffen wollte, weil ich dachte, dann wäre ich auch mehr. Mit dir zusammen konnte ich mich Leistungsdruck und Perfektionismus hingeben. Ich konnte mich taub machen, so dass es keine Grenzen mehr gab, dass ich meine Erschöpfung und Müdigkeit ignorieren konnte. Und solange ich mich mit Essen beschäftigte, musste ich mich nicht mit meinen Ängsten und meiner Unsicherheit auseinandersetzen.
Wenn ich an „guten“ Tagen dem Hunger und der Rebellion meines Körpers standhalten konnte fühlte ich mich stark. Und dann war es Erlösung, nach Wochen der Anstrengung und des Kampfes gegen meinen Körper einfach loszulassen, bewusst die Kontrolle zu verlieren und mich taub zu machen, bis ich außer Benommenheit nichts mehr spürte. Ich hing so sehr an diesem Moment, in dem ich das Steuer loslassen konnte und nicht mehr dafür kämpfen musste, schlanker, interessanter, intelligenter, sportlicher, anders zu sein.
Zu genügen. Dieser Moment, in dem alles egal war – in dem ich mir aber zunehmend selbst egal wurde.
Doch in den letzten Wochen habe ich immer mehr gemerkt, wie überflüssig du wurdest, wenn ich achtsam und nachsichtig, liebevoll mit mir umgehe. Es waren nur Momentaufnahmen meines Kopfes in tauber Trunkenheit, die durch ewige Wiederholungen zu meiner instabilen Realität wurden.
Und wie viel habe ich geopfert für diesen bittersüßen Moment. Ich bekam Angst vor Dingen, die mich eigentlich erfüllten, mied Kontakte, weil ich mich als schlecht und ungenügend empfand. Und über allem hing dieses vergiftende Schamgefühl. Scham für meinen Körper und mein Verhalten. Du hast mich so weit gebracht, dass ich mich selbst als verabscheuungswürdig, ekelhaft und hässlich empfand; dass ich all mein Selbstbewusstsein, meine Lust und Leichtigkeit aufgab. Ich bin über meine Grenzen gegangen und habe zugelassen, dass andere über meine Grenzen gehen, weil ich nichts mehr gespürt habe. Ich wurde so verschlossen und unehrlich, und weil ich nicht für mich da war konnte ich auch nicht für andere da sein. Du warst eiskalt und hast nur drei Gefühle zugelassen: Verzweiflung, Scham und Selbsthass – und erst jetzt wird mir bewusst, wie anstrengend es war, alle anderen zu unterdrücken.
Ja, ich dachte, du seist meine engste Vertraute, aber jetzt nehme ich dich als unehrlich wahr, als heuchlerisch, selbstsüchtig und verbittert. Wie oft war ich wütend auf mich; habe gedacht, ich sei zu schwach, um es mit dir aufzunehmen. Aber jetzt ist da Wut auf dich, und hinter dieser Wut steht ganz viel Enttäuschung und Traurigkeit.
Ich brauche Zeit, um herauszufinden, was ich ohne dich sein kann. In den letzten Wochen habe ich neue Freunde gefunden, die eigentlich alte Freunde sind und die für mich dagewesen wären, hätte ich es zugelassen – Gefühle.
Ich werde Zeit brauchen, um zu lernen, welchen Weg sie mit mir einschlagen wollen. Sie wollen, dass ich mir vertraue, meine Grenzen und Bedürfnisse wahrnehme. Mit ihnen bin ich lebendig. Ich habe Empathie und Selbstliebe kennengelernt, Ehrlichkeit und Vertrauen. Ich vermisse das Gefühl von Unbeschwertheit, weiß aber, dass ich es wiederfinden kann.
Ich habe viel gegen dich gekämpft in den letzten Jahren, weil ich dachte, mit Disziplin und Willensstärke könnte ich dich loswerden. Doch es geht nicht um Loswerden, sondern um Loslassen. Und hiermit lasse ich den Kampf und die verzweifelten Kontrollversuche los und gebe zu, dass du deinen Platz in mir hast – und trotz der Wut und Enttäuschung bist du willkommen.
Ich will mich nicht mehr selb stverletzen und ich muss mir wohl eingestehen, dass ich das nur schaffen kann, wenn ich zulasse, dass du da bist. Ich werde lernen, was dein Verlangen nach Essen und Hungern in der Sprache der Bedürfnisse bedeutet. Ich werde dein Anklopfen ernstnehmen – als Weckruf, der mich in komplizierten Metaphern an meine Grenzen erinnert.
Ich brauche Platz für mich, für Selbstliebe, Akzeptanz und Freiheit, also wird dein Platz in mir kleiner werden, aber du darfst sein. Irgendwo bin ich auch zu Dankbarkeit verpflichtet, denn du hast mir Sicherheit und Schutz gegeben. Zwar nicht empfehlenswert, aber du bist auch nur ein Weg zu klarzukommen.
Und jetzt bist du mein lebendiges Gedächtnis an das, was ich nicht mehr will, und dafür bin ich dankbar.
Bis bald!
Emelie
Emelie Kucharzik ist 21 Jahre alt, studiert Produktdesign und lebt in Berlin.
MYP18 – Prolog "Meine Suche"
Editorial — MYP Magazine N° 18
Prolog »Meine Suche«
5. Juli 2015 — Apparat fotografiert von Franz Grünewald
— Sascha Ring alias Apparat im Interview
Apparat
Interview — Apparat
Neue Heimat
Aufgewachsen in der ostdeutschen Provinz und im Vakuum der Nachwendezeit, gilt Sascha Ring heute international als feste Größe – sowohl als Musiker und Komponist. Ob alleine unter dem Namen Apparat oder mit Gemeinschaftsprojekt Moderat: Sascha Ring schafft beeindruckende Klangwelten, die im Ohr bleiben.
5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Franz Grünewald
Manchmal muss man einfach raus. Aus dem Bett. Aus dem Alltag. Vor die Tür. Vor die Stadt. Einfach raus – vor allem, wenn man glaubt, keine Luft mehr zu bekommen.
Oft hilft schon eine Fahrt ins Grüne, zum Beispiel in den Grunewald. Natürlich gibt es in Berlin nicht nur diesen Flecken Erde, an den man sich zurückziehen könnte. Zumindest wer ein paar Stunden Ruhe und Einsamkeit sucht, ist mit einem anderen Stück Natur oft besser beraten – jedenfalls an einem belebten Sonntagnachmittag.
Aber wir finden es einfach schön hier. Und obwohl heute ausgerechnet Sonntag ist, ist das Glück auf unserer Seite: Die Anzahl an Joggern, Hundebesitzern und Spazierstock- haltern ist überschaubar, der Parkplatz an der Teufelsseechaussee nur mäßig belegt. Es sieht also ganz so aus, als ob wir den Grunewald in den nächsten Stunden mit nur wenigen Mitmenschen teilen müssten. Wahrscheinlich steckt der gestrige Sturm den meisten noch zu tief in den Knochen.
Wir parken unser Auto, schnallen die Rucksäcke um und laufen los – erst über befestigte Wege, dann mitten in den Wald hinein. Wir sind mit dem Berliner Musiker Sascha Ring unterwegs, der bereits seit den späten 90ern als Solokünstler unter dem Namen Apparat agiert und einige Jahre später mit der Band Modeselektor das Gemeinschaftsprojekt Moderat gegründet hat.
Je tiefer wir in den Wald vordringen, desto mehr Licht wird von den dichten Baumwipfeln verschluckt. Unter unseren Schuhen knirschen Zweige und kleine Äste, Blätter rascheln. Für einen Moment fühlt sich das Ganze wie ein abenteuerlicher Jungsausflug an, die Locationsuche mitten im Wald wird für uns zu einer kleinen Entdeckungsreise. Kindheitserinnerungen werden wach, wir haben sogar Saft und Kekse im Rucksack – jetzt fehlen nur noch ein paar Holzschwerter.
Einige Minuten später. Wir erreichen die große Sandgrube südöstlich des Teufelssees. Auch hier ist glücklicherweise wenig los. Es dürften maximal ein Dutzend Familien sein, die sich über das weite Areal verteilt haben. Während die recht jung wirkenden Mütter und Väter auf großen karierten Picknick-Decken sitzen und diverse Obstsorten in mundgerechte Stückchen schneiden, springen ihre Kinder im Sand herum. Holzschwerter haben sie keine. Aber manche von ihnen Sicherheitswarnwesten.
Wir durchqueren die Sandgrube und gelangen an einen kleinen Tümpel. Auf einer großen Infotafel am Rande des Gewässers wird mit Fotos und Illustrationen die Flora und Fauna des hiesigen Naturschutzgebiets erklärt. Wir lernen Zwergtaucher, Erdkröte, Ringelnatter und Graureiher kennen. Fast wie damals in der Heimat, als man mit Papa stundenlang durch die Natur spazierte.
Jonas:
Du bist in der beschaulichen Stadt Quedlinburg aufgewachsen und mit 19 Jahren nach Berlin gezogen. Was genau hat dich Mitte der 90er aus dem Harz in die Hauptstadt getrieben?
Sascha:
Ich musste damals einfach aus Quedlinburg raus. Die Ecke dort war ziemlich schlimm – eine einzige Party- und Drogenhölle. Und alle Leute arbeitslos.
Jonas:
Du bist ausgerechnet nach Berlin gezogen, um dem Partyleben zu entfliehen?
Sascha:
Naja, vor 18 Jahren war Berlin noch ein bisschen anders. Es gab hier zwar auch Partys und Drogen, aber irgendwie ist das damals noch anders abgelaufen. Diesen anonymen Partytourismus, wie man ihn heute kennt, hatte man Mitte der 90er in Berlin noch nicht. Man hat eher im engen Kreis gefeiert, jeder kannte sich.
Ich selbst kannte hier allerdings noch niemanden und war dementsprechend auch nicht bei den Partys dabei – jedenfalls nicht in meiner Berliner Anfangszeit. Für mich waren das ideale Voraussetzungen, um ein wesentlich ruhigeres Leben führen zu können. Eigentlich absurd.
Jonas:
Und wie hast du dein neues, ruhiges Leben in Berlin gestaltet?
Sascha:
In den ersten drei Jahren habe ich in einem kleinen Designbüro eine Ausbildung zum Werbe- und Medienvorlagenhersteller gemacht. Ein recht kantiger Begriff – aber so hieß der Beruf nun einmal. Mit der Zeit habe ich natürlich auch wieder neue Leute kennengelernt, um mich herum war es dann nicht mehr ganz so ruhig. Aber wirklich rückfällig bin ich nicht geworden: So, wie mein Leben in Quedlinburg war, ist es in Berlin zum Glück nie geworden. Ich habe hier sogar für ein paar Jahre aufgehört zu rauchen und zu trinken.
Jonas:
Hattest du denn absolut gar keine gute Zeit in Quedlinburg?
Sascha:
Glücklicherweise funktioniert das Gehirn so selektiv, dass man sich fast nur an die guten Sachen erinnert. Dadurch wird einem vorgegaukelt, dass alles gar nicht so schlimm war – man vergisst einfach recht schnell die Schattenseiten. Nur was meine Jugend angeht, ist das leider andersherum: Aus dieser Zeit habe ich irgendwie die positiven Dinge vergessen und erinnere mich nur noch an die weniger schönen.
Jonas:
Was ist passiert?
Sascha:
Wenn man 18 oder 19 Jahre alt ist, erlebt man emotional eine wahnsinnig intensive Zeit. Tage, Wochen und Monate erscheinen endlos lang. Verkackt man diese Zeit, weil man ständig darunter leidet, keine Perspektive zu haben, und denkt, irgendwann als Asi zu enden, brennt sich dieses Gefühl dauerhaft ein. Wenn ich an meine Zeit in Quedlinburg zurückdenke, sehe ich mich, wie ich morgens auf der Couch sitze, eine Bong rauche und glaube, niemals ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden zu können. Vielleicht habe ich diese stille Befürchtung auch später noch mit mir herumgetragen – sozusagen als Motor. Das würde erklären, warum ich jahrelang so ruhelos war und immer wieder neue Sachen ausprobiert habe. Ich wollte wohl nie wieder auf dieser Couch in Quedlinburg landen.
Wir haben uns wie auf einem riesengrossen Spielplatz gefühlt, der ganz allein uns gehörte.
Aber es gibt auch schöne Erinnerungen an damals – immerhin habe ich dort diese ganze Techno-Urzeit erlebt.
Wir haben uns wie auf einem riesengroßen Spielplatz gefühlt, der ganz allein uns gehörte. Um uns herum hat sich ja niemand um irgendetwas gekümmert. Man durfte einfach alles. Und für eine ganze Weile schienen wir in einer mehr oder weniger rechtsfreien Zone zu sein. Zwar ist irgendwann auch mal die Polizei gekommen und hat gesagt: „Jetzt macht mal nicht so dolle!“ Aber das war’s auch schon.
Jonas:
War der Ur-Techno der 90er das Erste, mit dem du musikalisch in Berührung gekommen bist?
Sascha:
Nein, ich bin schon wesentlich früher mit Musik in Kontakt gekommen, da mein Vater in den 80ern in einer Coverband spielte. Als kleiner Junge durfte ich oft mit zu den Konzerten kommen – dabei hatte ich auch immer schon ein Auge auf die Bühne geworfen. Etwas später habe ich angefangen, Schlagzeug zu spielen, und durfte damit sogar im Probenraum meines Vaters etwas rumbolzen. Eine gewisse Zeit lang habe ich auch die örtliche Musikschule besucht, um das Instrument richtig zu lernen, aber irgendwann habe ich es wieder gelassen und mir einen Plattenspieler gekauft.
Jonas:
Aber beruflich wolltest du anfangs nichts mit Musik machen, sondern mit Grafik.
Sascha:
Quatsch, natürlich wollte ich etwas mit Musik machen! Aber wer denkt denn bitte, dass das eine wirklich realistische Option für die Zukunft ist, wenn man in Quedlinburg aufwächst? Dazu hat man dort nicht wirklich eine Beziehung. Für meinen Vater war die Musik ja auch kein Beruf, sondern eher Spaß und ein nettes Hobby.
Ich wusste gar nicht, dass es auf der Welt so etwas wie Berufsmusiker gibt. Oder Leute, die damit klarkommen, ihr Leben in erster Linie nach der Musik auszurichten. Das musste ich in Berlin erst einmal lernen – und meinen Horizont gründlich erweitern. Und erst in dieser Stadt habe ich gemerkt, dass es auch noch viele andere Lebensentwürfe gibt, die tatsächlich funktionieren können.
Jonas:
In welchem Teil Berlins bist du damals gestrandet?
Sascha:
Ich bin zu allererst in eine WG in der Brunnenstraße gezogen. In diesem Teil der Stadt zwischen Mitte und Prenzlauer Berg – mit all seiner Bürgerlichkeit – bin ich auch immer noch zuhause.
Ich bin zwar zwischendurch ein paar Mal umgezogen und habe einige andere Ecken Berlins kennengelernt, aber so richtig weggeschafft aus der Ecke habe ich es nie. Meine aktuelle Wohnung ist gerade einmal fünfhundert Meter entfernt von meiner allerersten Adresse.
Ich bin ja auch älter geworden und finde es gar nicht schlecht, dass ich in dieser Gegend mehr oder weniger meine Ruhe habe. Trotzdem spüre ich in mir gewisse Ambitionen, irgendwann einmal in den Wald zu ziehen – ein wenig steckt immer noch der Quedlinburger in mir.
Jonas:
Hast du in deiner Heimatstadt bereits damit begonnen, deine eigene Musik zu produzieren?
Sascha:
Nee, ich habe dort nur Platten aufgelegt – so richtig harten Techno auf diversen Partys. Vor kurzem habe ich den Film „Als wir träumten“ gesehen, zu dem wir unseren Moderat-Track „A New Error“ als Titelsong beigesteuert haben. Interessanterweise gibt es ziemlich viele Parallelen zwischen diesem Film und meiner Jugend: permanente Angst vor Nazis, Autos klauen und zwischendrin immer Techno.
Jonas:
Warum hast du dich bei deiner Flucht aus Quedlinburg ausgerechnet für eine Grafiker-Ausbildung entschieden?
Sascha:
Ich wollte irgendetwas Handfestes machen. Grafik war auf der einen Seite kreativ genug, um überhaupt für mich in Frage zu kommen, und auf der anderen Seite ausreichend solide, dass ich meiner Oma sagen konnte: Ich mache jetzt etwas Richtiges.
Nach meiner Ausbildung habe ich sogar noch ein Jahr lang in diesem Beruf gearbeitet. Aber irgendwie musste der Job immer mehr mit der Musik konkurrieren, die bereits permanent in meiner Freizeit stattfand. In Berlin war es damals noch ziemlich leicht zu sagen: Ich arbeite jetzt nicht mehr. Das habe ich dann einfach mal gemacht. Zu dieser Zeit war auch mein erstes Album fertig und ich habe so langsam angefangen, Konzerte zu spielen. Trotzdem musste ich mich damals nach wie vor mit Grafikjobs über Wasser halten, denn so richtig hat’s mit der Musik noch nicht gereicht.
Eine Dauerlösung war das natürlich nicht, es musste eine Grundsatzentscheidung her. Doch als ich kurz davor war, mich voll und ganz für die Musik zu entscheiden, habe ich diese Grundsatzentscheidung noch einmal angezweifelt und einen Rückfall gehabt: Irgendwie war so ein richtiger, handfester Beruf zu verlockend.
Ich habe mich daher nach einem Job als Art Director umgeschaut und hatte bald einige Vorstellungsgespräche. Ein Unternehmen hat mir sogar wenig später einen Arbeitsvertrag zugeschickt.
Aber als ich diesen Vertrag durchgelesen habe, habe ich mit jeder Seite gedacht: Das kann es irgendwie nicht sein. Ich habe das Dokument langsam zerrissen – und habe diesen Akt für mich selbst so richtig inszeniert. In diesem Moment war für mich absolut klar, dass es ab sofort in meinem Leben keine Grafik mehr gibt, sondern nur noch Musik. Dieses Bild habe ich noch ganz genau im Kopf.
Jonas:
Gibt es in Berlin bestimmte Menschen, die dir in deiner Anfangszeit geholfen haben, die ersten musikalischen Schritte zu machen?
Sascha:
Ja, da gibt es einige. Der erste, den ich in Berlin kennengelernt habe, war Marco Haas vom Label Shitkatapult. Mein Mitbewohner hatte ihm ein Demoband von mir gegeben und sagte eher aus Spaß: „Hör mal rein!“ Marco wollte das direkt herausbringen, hat es aber alleine nicht wirklich gebacken bekommen. Er war selbst gerade nach Berlin gezogen und vom Labelbusiness völlig überfordert, weil sein Geschäftspartner in Heidelberg geblieben war. Um meine Platte irgendwie releasen zu können, musste ich also kurzfristig Teil des Labels werden – und saß am Ende stellenweise ziemlich lange im Büro. Wenig später habe ich dann Ellen Allien, Gernot Bronsert und Sebastian Szary von Modeselektor sowie die Leute des Designkollektivs Pfadfinderei kennengelernt. Mit dieser ganzen Clique habe ich immer noch sehr viel zu tun.
Jonas:
Gemeinsam mit den Jungs von Modeselektor hast du das Projekt Moderat gestartet – allerdings habt ihr dafür zwei Anläufe gebraucht. Was ging denn beim ersten Versuch im Jahr 2002 schief, was knapp sieben Jahre später funktioniert hat?
Sascha (grinst):
Zu diesem Thema muss ich eine lustige Geschichte erzählen. Es gibt einen Fake-Pressetext zu unserem ersten gemeinsamen Album aus dem Jahr 2009, der bestimmt noch irgendwo im Internet herumgeistert. Dieser Text ist damals in einer Nacht- und Nebelaktion entstanden, nachdem uns in letzter Minute der Texter versetzt hatte. Gernot, Sebastian und ich saßen damals in Gernots Wohnung auf der Couch und mussten dringend irgendetwas verfassen – die Deadline war am nächsten Morgen. Wir dachten, es wäre voll lustig, wenn wir einen totalen Quatsch- Text veröffentlichen würden. Also haben wir beispielsweise geschrieben, dass wir die Platte in den berühmten Hansa-Studios aufgenommen hätten. Und wir haben erzählt, dass wir für die Produktion ein tonnenschweres Plate Reverb aus L.A. nach Berlin verschifft hätten. Außerdem haben wir behauptet, dass wir uns 2002 total zerstritten hätten und uns daher zuerst wieder menschlich annähern mussten, bevor wir uns musikalisch annähern konnten.
Wie bereits gesagt, das war alles absoluter Quatsch, den wir dann natürlich zur Strafe in gefühlt 80 Interviews immer wieder runterbeten mussten. So weit hätte man eigentlich auch mal vorher denken können. Die wahre Antwort auf deine Frage ist: Wir haben uns nie schlecht verstanden. Aber wir haben auch nie wirklich das Bedürfnis gehabt, eine richtige Band zu sein. Wir wollten einfach gemeinsam Spaß haben – und so war Moderat ursprünglich ein reiner Fun-Live Act. Wir haben uns zusammen auf die Bühne gestellt und losgejammt. Darüber hinaus hatten wir aber einfach kein so großes Interesse daran, musikalisch weiter zusammenzuarbeiten – auch weil wir in unsere eigenen Projekten Apparat und Modeselektor recht stark eingespannt und viel unterwegs waren.
Irgendwann haben wir aber festgestellt, dass wir uns privat so gut wie gar nicht mehr sehen. Also haben wir beschlossen, wieder mehr zusammen abzuhängen. Und so ist nebenbei unser erstes Album entstanden. Lustigerweise war das im Jahr 2006 bei meinem gemeinsamen Album mit Ellen Allien genauso: Wir wollten einfach wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Und das Ergebnis war „Orchestra of Bubbles“.
Wenn ich die Musik zu einem Film oder Theaterstück entwickle, möchte ich nicht irgendein Dienstleister sein, der einfach nur so den Sound liefert.
Jonas:
Wann hat sich bei dir ein konkretes Gefühl dafür entwickelt, welche Musik du machen willst?
Sascha:
Ganz am Anfang findet man ja alle Sachen toll, von denen man sich auch vorstellen könnte, sie selbst zu machen. Im Laufe der Zeit häufen sich diese Einflüsse – und dann entsteht daraus im besten Fall etwas Eigenes.
Wann genau ich selbst zum ersten Mal an diesem Punkt war, weiß ich nicht mehr. Aber es gab den Punkt definitiv. Das Problem ist: Mit der Arbeit an jeder neuen Platte habe ich das Gefühl, dass ich diesen Punkt von Neuem erreiche – und erreichen muss. Deswegen hört sich jedes meiner Alben auch anders an.
Jonas:
Das kann ja auch etwas sehr Motivierendes sein.
Sascha:
Wenn ich das höre, was ich bei der letzten Platte gemacht habe, denke ich mir: Ich habe irgendwie keinen Bock, das nochmal zu machen. In dieser Situation versuche ich, neue Inspiration zu finden.
Das wird natürlich von Album zu Album schwieriger, weil man zur Ideenfindung bereits etliche musikalische Bereiche durchforstet hat. Seit neuestem höre ich mir recht viele Jazz-Platten an, aber so wirklich komme ich darauf gerade noch nicht so klar.
Jonas:
Es gibt nicht wenige Künstler, die die unterschiedlichen Projekte, in die sie involviert sind, strikt voneinander trennen. Wie handhabst du es bei Apparat und Moderat?
Sascha:
Für mich lässt sich das sehr schwer voneinander trennen – alleine deshalb, weil ich beides schon so lange mache.
Bei Moderat läuft die Zusammenarbeit auch eher blockartig ab, das heißt, man steckt zwei bis drei Jahre ziemlich tief in diesem Projekt. Im Anschluss daran kann man natürlich nicht einfach sagen: Ich habe damit nichts mehr zu tun und mache solo als Apparat sofort eine ganz andere Platte. Das, was ich als Apparat wenig später produziere, hört sich noch ziemlich stark nach Moderat an – und umgekehrt. Es dauert einfach eine ganze Weile, bis man sich von so einem gemeinsamen Projekt musikalisch wieder freigemacht hat.
Ich bin auch nicht der Typ, der im Kopf mehrere Projekt-Schubladen hat, die er öffnen kann, wenn er Songs schreibt. Ein Song kommt einfach so aus mir heraus. Danach kann ich mir immer noch überlegen, in welche Richtung ich ihn produzieren will.
Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es eigentlich richtig toll ist, diese beiden Projekte zu haben, weil ich dadurch aus Apparat ein wenig die Ambitionen herausnehmen kann. Ich muss dort nicht mehr unbedingt Songs mit richtigen Hooks schreiben. Und genauso muss ich nicht mehr etwas zwangsläufig für die große Bühne produzieren – das kann ich alles mit Moderat bedienen.
Apparat hat sich dadurch für mich zu einer riesengroßen Spielwiese entwickelt, auf der viel mehr erlaubt ist. So spiele ich beispielsweise als Apparat zur Zeit nur bestuhlte Konzerte. Und wenn dort mal für sechs Minuten ein einziger Ton läuft, ist das auch ok. Diesen Zustand empfinde ich als eine große Befreiung.
Jonas:
Hast du auf dieser Spielwiese auch die Film- und Theatermusik für dich entdeckt? Vor allem in den letzten Jahren war deine Musik in diversen Produktionen vertreten.
Sascha:
Ich habe nicht unbedingt danach gesucht. Aber es hat sich in den letzten Jahren gehäuft, dass mir Leute gesagt haben, dass meine Musik auch sehr gut in einem Filmkontext funktionieren könnte. Bis mich diesbezüglich aber mal jemand konkret kontaktiert hat, hat es ein wenig gedauert. Die erste Anfrage dieser Art kam von Sebastian Hartmann – einem sagen wir mal nicht besonders traditionell arbeitenden Theaterregisseur. Das alleine hat mich schon irgendwie gereizt.
Sebastian hatte damals gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, seine Bühnenadaption von Tolstois „Krieg und Frieden“ zu vertonen. So hat sich eine nach wie vor wirklich interessante Zusammenarbeit ergeben.
Für mich kommt es bei solchen Kooperationen vor allem darauf an, dass man einen Partner hat, mit dem man sich nicht nur perfekt ergänzt, sondern mit dem man sich auch auf einer gleichberechtigten Ebene trifft.
Wenn ich die Musik zu einem Film oder Theaterstück entwickle, möchte ich nicht irgendein Dienstleister sein, der einfach nur den Sound liefert. Ich möchte über einen gewissen künstlerischen Freiraum verfügen. Sobald sich eine Konstellation ergibt, in der der eine den anderen bedient, funktioniert das für mich nicht mehr.
Jonas:
Der Regisseur Andreas Dresen verwendet in seinem neuen Film „Als wir träumten“- den Song „A New Error“, der nicht eigens für den Film komponiert wurde, sondern bereits 2009 auf der ersten Moderat-Platte erschienen ist. Wie war es für dich, diesen Track zum ersten Mal in Kombination mit den Filmbildern zu erleben? Hast du in dem Moment deine Musik von einer anderen Seite kennengelernt?
Sascha:
Für mich ist es wirklich schwierig, meine Musik in einem völlig anderen Kontext zu erleben. Da so ein Apparat- oder Mode- rat-Song meistens in langer, kleinteiliger Arbeit entstanden ist, hat man dazu auch eine ganz besondere Beziehung. Daher denke ich auch in acht von zehn Fällen: Das passt ja überhaupt nicht – meine Musik wirkt in dem Film wie ein Fremdkörper! Wenn man sich die Szenen aber wieder und wieder anschaut, versteht man allmählich, was derjenige damit gemeint hat, der Musik und Bewegtbild zusammengebracht hat.
Eine ähnliche Erfahrung habe ich im letzten Jahr mit dem italienischen Film „Il Giovane Favoloso“ von Mario Martone gemacht, für den ich die Filmmusik komponiert habe. Dazu muss man wissen: Regisseure versehen ihre Filme in der Editing-Phase gerne mit sogenannten Temp Tracks – temporäre Musikpassagen, die dazu dienen, vorab eine gewisse Stimmung zu erzeugen, um den Komponisten eine grobe musikalische Richtung vorzugeben. Bei Musikern sind solche Temp Tracks nicht wirklich beliebt, weil sie schon im Vorfeld eine gewisse künstlerische Einschränkung bedeuten. Mario Martone hatte vorab sage und schreibe 15 bereits existierender Songs von mir als Temp Tracks in die erste Editing-Version seines Films gepackt. Als ich mir das Ganze angesehen habe, dachte ich:
Was für eine Katastrophe, da passt ja absolut kein Song! Zwei, drei Runden später habe ich aber langsam verstanden, was Mario meinte – und wie er selbst meine Musik hörte. Jeder Mensch nimmt Musik anders und hat dementsprechend auch eine andere, ganz persönliche Beziehung dazu. Irgendwann bin ich daher bei etwa 60 Prozent Verständnis angelangt – die restlichen 40 Prozent musste ich durch Veränderung meiner Skizzen erreichen.
Jonas:
Immerhin scheint das, was am Ende dabei herausgekommen ist, nicht das Schlechteste gewesen zu sein: Im Sommer 2014 habt ihr auf dem großen Filmfestival in Venedig den Filmscorepreis „Premio Piero Piccioni“ gewonnen.
Sascha:
Alles in allem war die Zusammenarbeit mit Mario super. Im Endeffekt hat er mich einfach machen lassen. Er hat sich meine Vorschläge angehört und gesagt: „Das ist zwar anders, als ich es mir vorgestellt habe, aber trotzdem gut.“ Wenn man so eine Arbeitsweise gelten lässt und einander vertraut, kann es passieren, dass am Ende etwas viel Größeres daraus hervorgeht.
Das ist auch extrem wichtig, wenn ich mit Gernot und Sebastian von Modeselektor im Studio sitze. Bei einigen Ideen, die die beiden entwickeln, denke ich am Anfang auch manchmal: Naja, geht so. Wenn aber ein gewisses Grundvertrauen besteht und man der Idee die Chance gibt, ein wenig zu reifen, kommt am Ende vielleicht etwas dabei heraus, das viel geiler ist als das, was ich mir vorher eher eindimensional vorgestellt habe. Man muss einfach andere Meinungen zulassen – erst dann erhält das Ganze, was man da tut, auch eine gewisse Tiefe.
Wenn das Ganze nicht unbedingt für RTL II produizert ist, kann es passierenm dass sicher der Zuschauer schnell manipuliert fühlt.
Jonas:
Bei der Musik für den Film „Traumland“ von Petra Volpe hast du für meine Begriffe eine besonders starke und tiefgehende Emotionalität geschaffen. War das von Anfang an dein Ziel? Oder ist dir erst am Ende der Komposition bewusstgeworden, wie gefühlvoll und berührend dieser Soundtrack ist?
Sascha:
Die Musik zu „Traumland“ ist folgendermaßen entstanden: Ich habe mir den Film angeschaut und dazu einfach vor mich hingejammt. Das war ziemlich cool. So eine spielerische Herangehensweise ist aber nur möglich, wenn man die entsprechende Zeit und auch den Freiraum hat.
Ich mache ohnehin von Haus aus Musik, die sehr gefühlvoll ist. Allerdings muss man aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Vor allem bei dem Genre der Filmmusik habe ich gelernt, dass man extrem vorsichtig sein muss, da hier der Schritt zur Manipulation besonders klein ist. Man darf nicht versuchen, musikalisch die Stimmung zu verstärken, die eh schon durch den Film erzeugt wird. Denn wenn das Ganze nicht unbedingt für RTL2 produziert ist, kann es passieren, dass sich der Zuschauer schnell
manipuliert fühlt und einem das, was er da sieht, nicht mehr abnimmt.
Jonas:
Würdest du sagen, dass die Musik, die du bei Apparat und Moderat erschaffst, eine grundsätzlich andere Wirkung auf Menschen hat als beispielsweise Schlager oder Metal?
Sascha (grinst):
Das kommt auf die Menschen an. Es gibt sicherlich auch Leute, auf die die Musik von Helene Fischer eine unfassbar emotionale Wirkung hat und denen das richtig nah ans Herz geht.
Jonas:
Emotionale Wirkung kann rein theoretisch auch Aggression bedeuten.
Sascha:
Absolut. Ich bin sowieso der Überzeugung, dass es bei jeder Art von Musik – jeder Art von Kunst – wichtig ist, dass sie irgendeine Reaktion hervorruft.
Wenn sie einfach nur an den Leuten vorbeigeht, hat es nichts gebracht.
Irgendwann kommt man doch wieder zu der Musik von damals zurück – mit all den vielen Kindheitserinnerungen, die daran hängen
Jonas:
Zu deinem Album „The Devil’s Walk“ aus dem Jahr 2011 gibt es einen Kurzfilm, in dem du die langsame, aber stetige Veränderung deiner Musik beschreibst: Du erzählst, dass sich zu dem rein elektronischen Sound deiner Anfangsjahre mit der Zeit immer mehr Akustikelemente addiert haben. Fühlst du dich zwischen elektronischer und akustischer Musik hin- und hergerissen?
Sascha:
Zu meiner Anfangszeit um die Jahrtausendwende gab es noch wahnsinnig viel zu entdecken. Die ganze Computermusikwelt schien zu explodieren: Ständig wurden neue Plugins entwickelt, die wiederum ganz neue Sounds generieren konnten.
Und wenn da noch nichts Passendes dabei war, hat man sich seine Sounds einfach selbst programmiert.
In den letzten Jahren sind für mich elektronische Geräusche aber zunehmend langweilig geworden. Ich habe immer seltener einen Aha-Effekt, wenn ich elektronische Musik höre – das Thema ist einfach etwas abgegessen.
Für mich haben mittlerweile akustische Signale einen größeren Reiz, weil sie nie hundertprozentig perfekt sind. Außerdem bekommen sie meiner Meinung nach den Ohren wesentlich besser – jedenfalls, wenn sie gut aufgenommen sind. Nach wie vor liegt für mich persönlich die Magie immer noch darin, elektronische Sounds mit akustischen zu kombinieren.
Jonas:
Gibt es ganz aktuell für dich Musik, bei der du das Gefühl hast, etwas zu entdecken?
Sascha:
Ich höre zur Zeit sehr viel ältere Musik, vor allem die 80er haben es mir angetan. Dieses Jahrzehnt habe ich musikalisch immer noch nicht vollständig erkundet. Ich entdecke aus dieser Zeit immer wieder Sachen, die ich richtig toll finde.
Damals wurde Musik noch richtig aufgenommen. Doch leider gab es irgendwann einen Zeitpunkt, von dem an man alles tot- komprimiert hat, nur damit es besonders gut im Radio knallt.
Jonas:
Mit der Musik der 80er verbindet unsere Generationen einfach unzählige Kindheitserinnerungen.
Sascha:
Das ist absolut wahr. Ich habe immer noch vor Augen, wie ich als Kind mit meinem Vater auf der Wohnzimmercouch saß und wir auf einem Tonbandgerät Westradio-Shows mitgeschnitten haben. So haben wir das Programm für die Konzerte seiner Coverband „zusammengeraubkopiert“.
Das Absurde dabei war: Mein Vater sprach kein Englisch, daher hat er sich alle Texte in Lautschrift mitgeschrieben. Und mit diesem Fantasie-Englisch hat er dann auf der Bühne beispielsweise seine Cover-Versionen von Roxy Music gespielt.
Durch solche Geschichten baut man natürlich eine besondere emotionale Bindung zu dieser Musik auf – Roxy Music finde ich auch heute noch geil. Zwar fand ich später als Teenager die Musik von meinem Vater doof und dachte, ich müsse rebellieren und Techno hören. Aber irgendwann kommt man doch wieder zu der Musik von damals zurück – mit all den vielen Kindheitserinnerungen, die daran hängen.
Jonas:
Bist du ab und zu noch in Quedlinburg?
Sascha:
Ich bin gerade dabei, ein neues Verhältnis zu meiner Heimatstadt herzustellen. Und ich habe das Gefühl, das klappt bisher ganz gut. Wenn man länger nicht an einem Ort war, verändert sich einfach die Beziehung dazu.
Mittlerweile finde ich es echt schön, wieder dorthin zu fahren. Ich sehe die Stadt heute einfach anders – und die Stadt sieht auch tatsächlich anders aus: Vor 15 Jahren war Quedlinburg noch total grau, heute ist daraus eine mega Touri-Stadt geworden.
Jonas:
Du selbst hast dich in all den Jahren ja auch sehr verändert. Vielleicht lernt ihr beide euch gerade neu kennen.
Sascha:
Vielleicht. Vor 18 Jahren bin ich aus Quedlinburg geflohen, um den vielen negativen Einflüssen zu entkommen – aber die gibt’s jetzt ja nicht mehr. Ich finde, das ist eine recht gute Voraussetzung.
Sascha Ring alias Apparat ist 37 Jahre alt, Musiker und lebt in Berlin.
K.Flay
Interview — K.Flay
Still Surprising
Strong women drink strong Bourbon! Gladly, US-American musician K.Flay is not just a good one to party with – she´s also an interesting conversational partner.
5. Juli 2015 — MYP N° 18 »My Quest« — Interview: Maxim Tsarev, Photography: Roberto Brundo
Maxim:
Is this your first time in Berlin?
K.Flay:
No, this is my second time here. We played here in January. But never before then, so I’m still getting to know the city.
Maxim:
You had more tour dates in Germany, didn’t you?
K.Flay:
We did. They were cancelled, which, in a twist of fate, turned out to be a good thing. I’m bummed to miss those shows but we’ve gotten to stay in Berlin, do press for the album, and get to know the city. I feel like I’m starting to figure it out.
Maxim:
Where do you call home right now?
K.Flay:
Kind of L.A. at the moment, I guess. My last apartment was in New York but that was two years ago. Since then most of my stuff has been in storage, and I’ve been sub-letting a place here, a place there, for a month or two at a time.
Honestly, I’m kind of getting sick of it. I feel too untethered. In Los Angeles, I’ve mostly stayed at friends’s places while I’m on the road. It feels like most of my music friends moved to L.A. because it’s too expensive in New York right now. I have a lot of people there.
Maxim:
You were signed to a major label when you lived in New York, right?
K.Flay:
Yeah, I was with RCA. Those were the dark days.
Maxim:
The dark days?
K.Flay:
They weren’t really so dark but it took me about a year to get off the label. All that shit takes a while. After that I left my apartment, and just went floating in the wind. It was a frustrating experience because I wanted to put out a full-length record while I was on the label, and never got to. It was a formative experience in many other ways. It taught me how I wanted to do it when I finally got the opportunity. We’re all still friends so there aren’t any hard feelings.
Maxim:
It all turns out in the end, I guess?
K.Flay:
Eh, they don’t really care over there. They make so much money, and I was never really profitable for them.
Maxim:
This isn’t your first turn in California though, is it? I read somewhere that you had gone to Stanford.
K.Flay:
I grew up outside of Chicago, and then I moved to the Bay for school. I ended up staying there for a while, and now my mom and stepdad live in Oakland. I have a bunch of extended family over there. It’s always been a home-type of place.
Maxim:
If you were forced to categorize yourself, and say, ‘’I am a rapper, or a musician, from XYZ,’’ which city would you choose? Is there a scene you would lay claim to?
K.Flay:
I wouldn’t say I was part of a scene, just because I don’t think that I am. I would definitely say I was based out of San Francisco because that’s the city that I started making music. It’s where people supported me, and it’s where I came up, playing music.
Sometimes I’ll feel sad because I never belonged to a scene. My drummer was super into pop punk back in the day. It was a cohesive scene, and there was a real sense of community. And I’ll say to myself, ‘’Man, you should have been making that music fifteen years ago’’. It seems so fun. There is a community of musicians from the Bay that I know. We’ve been criss- crossing paths in the last four years or so.
Maxim:
You mentioned before that you were born outside of Chicago. Are we talking sub- urbia here?
K.Flay:
One hundred percent. I was born in Evan- ston, and I grew up a ten minute’s drive from there. It was very leafy, not a lot of crime.
Maxim:
Were you in Chicago proper often?
K.Flay:
Fairly often. As I got older definitely more so, especially when I started going to shows, and ventured outside of the little bubble. Everything in Evanston closed around 21.00, and that eventually got old. My brother and sister, my parents – almost everyone – left Chicago. I’m not there for the holidays which is weird because it is where I grew up. Maybe it isn’t that weird anymore. Who knows.
Maxim:
I grew up all over the place, so I can relate. You said you started going to shows in Chicago – were those rap shows, punk gigs, or something else entirely?
K.Flay:
No, to be honest I was a late bloomer, musically. Back then I would mostly just go to indie rock shows. That was the stuff my friends listened to. I never really spear- headed the effort. I didn’t get into music as a lifestyle until college which is odd. I lis- tened to music but I was never immersed in it. Now I love going to shows. I’ve been here a week, and I’ve already seen two.
Maxim:
Being a musician isn’t second nature to you then?
K.Flay:
Funnily enough it is though. Imagine you’ve been walking the same way home your entire life, and suddenly you realize that there’s another path that is shorter and way cooler.
Sometimes I’ll feel sad because I never belonged to a scence.
Once you find it, you ask yourself why you ever did things differently. When I did discover music for myself it was a really easy fit. To the point that – and I was completely sober at the time – I never felt nervous, never wanted a drink before a show. It just felt very natural and easy.
It’s kind of like dating someone you love. When you meet them it falls into place but before that it’s just terrible.
Maxim:
Speaking of sobriety, in one of your songs you talk about sucking on a bottle of Jim Beam.
K.Flay:
Oh, my mom loves that one!
Maxim:
That’s my personal favorite on the album! So you do drink now, right?
K.Flay:
I do drink. Jim Beam is good. Nobody has paid me to say that!
Maxim:
I’m from Kentucky so hearing that warms my heart!
K.Flay:
Whiskey is a great thing to drink when you have no reliable access to ice or soda. It became my backstage go-to. You never know what misfortune lurks back there, so I adopted it because it’s nice to drink neat. Warm gin just doesn’t really taste that good.
Maxim:
I spent many a warm night in college on the way to, or from, a show or house party, passing a bottle of bourbon back and forth. Just something that comes naturally, I guess.
You said that you started making music professionally in college.
K.Flay:
Yeah, not professionally. Very horribly in fact. Everything was delayed for me. That was my time for figuring things out, experimenting, and playing really weird shows. My philosophy was to say yes to every- thing. Not to people neccessarily, but to anything music-related.
For example, somebody could be throwing a house party really far away, and it might not be clear whether anyone would show up, and I would still have said yes if asked to play. You never know where opportunity is going to strike. That’s why it’s cool to say yes like that.
My first serious release was in 2010 – “the Green EP”. That was my tippy-toes release.
If you’re cool in middle school, you’re probably never going to be cool again.
Maxim:
And then later you had a couple of mix- tapes?
K.Flay:
Yes, “I Stopped Caring in ‘96” and “West Coast”, and then the full-length record.
Maxim:
How do you come by your titles? “Life as a Dog” is just such a cool title. It reminds me of the Bulgakov novel “Heart of a Dog”. I was wondering where you get the inspiration.
K.Flay:
The inspiration literally comes from things I’ve said. For “Life as a Dog” I was fresh off the label, I was super bummed out, and I was staying in New York. Anyway, I got out of the shower one day, and my hair was really fucked up looking, and I was really fucked up looking for some reason, and I took a picture of myself. I think it’s still on instagram. I captioned it, totally off the cuff, with “Life as a Dog”. Later that day I started a Soundcloud stream of demos with the same title, and it just naturally became the album title.
With “I Stopped Caring in ‘96” I was talking to a friend, and just said exactly that. That was the year I stopped caring what anyone thought. Obviously I still wanted to be a kind person but I just didn’t care what other people thought about my clothes, or whatever. These are just things I’ve said.
Maxim:
Wow, so in ‘96 you must have been ten. That seems like a pretty early age to quit giving a fuck.
K.Flay:
Yeah, I was in Mr Spangenburger’s class. He was a terrible teacher by the way. I don’t really want to tarnish his image but he really wasn’t very good. The one really cool thing about him was that he was missing half of his index finger. He would make up stories about how it happened but they were all lies. Probably he just didn’t use a saw correctly.
Maxim:
He wasn’t your shop teacher, was he?
K.Flay:
No, he was my fifth grade teacher. He was in charge of everything, except for math and Spanish. I literally did not learn any- thing that year, except for the lyrics to “Shantily Lace” and “Lemon Tree” because he would do sing-alongs.
Maxim:
Was that the Peter, Paul and Mary “Lemon Tree”?
K.Flay:
I honestly have no idea but I know the words! I remember that I came to school wearing shorts over sweatpants, and I have no idea what compelled me to do this but one of my friends asked me what I was doing. Everybody thought it was weird but nobody really cared, and I remember thinking that I could do whatever I want. That’s really liberating for a kid. It’s difficult being that age but I just kind of acquiesced to my status as a weirdo. It was nice.
Maxim:
Have you ever read Sylvia Plath?
K.Flay: I have!
Maxim:
Okay, so there’s this scene in “The Bell Jar” where the protagonist is eating at this fine dining restaurant but she’s doing it with her hands instead of utensils.
And she claims that if you do something with enough self-assurance, you can get away with anything.
That’s what your shorts and sweatpants made me think of.
K.Flay:
It’s true. Especially when you’re young – nobody knows what they’re doing. Everyone is so lost that if you move for- ward with confidence, you can get away with it.
I hope I have a weird kid who studies a lot. I really hope that my kid is not cool!
Maxim:
I feel like there are phases of coolness. If you’re cool in middle school, you’re probably never going to be cool again.
K.Flay:
I think it’s good to be kind of niche cool in high school. Friends with some of the cool kids but not getting super fucked up when you’re fourteen, sleeping around. I’m not about to become a parent though. Just putting that out there.
Maxim:
Damn, I’m not breaking the story, am I?
K.Flay:
That would be bad news for me right now.
Maxim:
Speaking of parents, your dad died when you were fairly young, right?
K.Flay:
Yeah, he died when I was fourteen. That was the big reason why I was sober for so long. Him not being sober was the cause of his demise.
Often, when you have a parent who’s an addict, you gravitate towards these extremes. Either you start very young, or you swear to never do any of it, which is more where I fell on the spectrum. It was cool because I did eventually find the grey area of moderation. It’s nice to go out, and be able to enjoy wine with friends. As a kid my view was much more polarized. Growing up, all of my friends experimented.
In a way it was nice to never have a hang- over though. When I was in college I would get up every Saturday to go to the library, so that I could get my work done for the weekend. People were always tired, and didn’t want to go anywhere, which I just couldn’t relate to.
Then I had my first hangover, and realized what was going on. I was like an alien for a while.
It’s bizarre because I had no concept of what it was like to be altered. At parties I would act crazy just because that was the atmosphere there. I didn’t know what it was like to actually be –
Maxim: Twisted?
K.Flay: Yeah, twisted.
Maxim:
I’m the guy who’s been having hangovers since he was fourteen, so I have a lot of trouble relating to this. It’s fascinating but way out there for me.
K.Flay:
It’s so weird doing it all in reverse. I know a lot of people who were really crazy when they were kids, and now they’re calming down. They don’t go out much.
I was going out all that time but I didn’t have my first drink until I was 23. I missed out on all the shitty alcohol.
Maxim:
I think that’s one of the problems when you start young: You drink really cheap booze that makes you sick to the point where you get flashbacks just from smelling it. I couldn’t drink vodka at all for a long time because of that.
K.Flay:
It’s true. You just drink swill when you’re young because you have no money.
When I started drinking I was having these nice craft beers. I entered at a much more civilized place than my friends did at seventeen.
Maxim:
You were never curious, watching your friends?
K.Flay:
Oh, I was unshakeable. Not at all. I believed that I had this moral imperative not to do it. This is gonna sound extreme but it would never occur to me to steal from someone. I’m not tempted. I’m not curious. That’s how I felt about alcohol.
Maxim:
That’s cool in its own way though.
K.Flay:
It didn’t affect my social life at all. My friends just always had a designated driver, which was tight.
Maxim:
What did you study at Stanford?
K.Flay:
I was a psychology-sociology major. Mostly I was interested in power structures, and how they affect the way people act, and think, and vote, and do a million other things.
Maxim:
Could you see yourself as a sociologist if you weren’t making music?
K.Flay:
I don’t know what the hell I’d be doing. I really loved school, and learning. I like being in an academic environment because there are a lot of ideas floating about.
The same goes for music – there are so many different ideas. I really have no clue what I’d be doing. It’s kind of terrifying when I think about it.
Maxim:
On the other hand it’s great because it’s working for you the way you’re doing it. For me there are always fifty other things I could see myself myself doing, and I often wonder, ‘’What the hell am I doing now?’’
K.Flay:
Most people think about the what-ifs, or wonder about opportunities that they missed out on. To a certain extent I engage in that line of thinking. Once I’ve made a decision to do something though, I don’t spend time thinking about what I could have done instead. It’s liberating on the one hand but weird on the other. I never even day-dream about doing other stuff. It’s strange that I even started doing music. One day I just decided to start doing it.
Sometimes it’s great to be on different sides of the planet, and have the elements converge unexpectedly.
Maxim:
So you’ve remixed one of Danny Brown’s songs, or have you actually recorded with him in the studio?
K.Flay:
Both. A friend played XXX for me real early. I had never even heard of him up until then. That album had just come out, and obviously I was struck by its difference. It’s a very interesting record. I love the song “Party All the Time”, so I just remixed it on my own. It premiered on some magazine, and he saw that and reached out. Then we played a couple of festivals together, so we got to hang out. Around that time I was working on an EP, and it had this really weird and nutty song on it. I thought it would be cool to have him on it so I asked, and he said yes.
Maxim:
How does that work? Do you ask, and he sends in a verse, or does he physically come into the studio.
K.Flay:
It totally depends. I was on tour at the time, so I couldn’t be in the studio. He recorded it wherever he was, and sent it to me. I’ve done it both ways though. With rap stuff it’s more common to just record it wherever, and email it in. For the more electronic collaborations it’s really cool to get together in a room because it can change everything about a track. Sometimes it’s great to be on different sides of the planet, and have the elements converge unexpectedly.
Maxim:
In a way you sound like a prime example of the universal musician: Collaborate with anyone, feature on anything. I remember hearing one of your tracks on “Girls”, and I love that show. It must be awesome to have exposure across so many different mediums and platforms.
K.Flay:
I started out in more of a hip-hop/rap capacity but I don’t think you could call the latest record a rap album. I would call it more of an alternative album. Obviously it does have some rhythmic speaking and singing but I feel like I’ve embraced the chaos of having no genre.
It’s great because there are no rules. Nobody expects a specific thing from me, which is liberating. I can be creative without constraint. At first it was troubling because people thought it was all over the place but I came to terms with it.
Maxim:
Is there a sense of disconnect to hear one of your songs play during an episode of television?
K.Flay:
No, it doesn’t seem weird. It is really exciting. There are layers of performance with every song: If I sang right now, that would be the closest I get to my art. When I hear myself on a record there’s a layer of separation. Then a music or concert video is another layer. Finally, when your music is part of something that has nothing to do with you, that’s another layer of abstraction. It almost feels like it isn’t you. In that way it can be weird.
Maxim:
Have you gotten used to hearing your own voice?
K.Flay:
Yeah, I’ve gotten used to it. Almost everyone I know hates hearing their own voice. I actually had to record my mom’s voicemail message because she doesn’t want to be on it. Sometimes it still surprises me, even though I’ve heard it a mil- lion times.
Maxim:
Are you touring until the end of this year?
K.Flay:
In terms of confirmed things, I’m booked until mid-August. Hopefully we’ll be back in Europe in the fall. Maybe around October/ November. I still need to figure out what the next thing is gonna be. I have a couple of ideas but I need a month or two to sit down, and write somewhere. I definitely don’t want to be on tour the whole time.
Nobody expects a specific thing from me, which is liberating.
K.Flay:
It’s a good mix of the two. We’re doing a couple of indie festivals. Then some radio stuff because two of my songs are getting air time. Then just some regular headline club shows.
I’m opening for AWOLNATION for part of the summer, and then for a week with Third Eye Blind. That’ll be cool because they will be really big shows. Way more people than show up for my shit. It’s really interesting to open for someone because it isn’t really your party. You’re like the appetizer but you still have to be good. You’re not the steak. Afterwards, ideally, people would still say, ‘’That bruscetta was good!’’
Maxim:
When you are on tour you must spend a lot of time with other musicians. Just as an example, I saw that you got a shout-out from Carly Rae Jepsen recently.
K.Flay:
Yeah, I actually met her through a writer friend of mine who was helping her out with a track. He’s an awesome dude, and a really big support. He played her my record, so she decided to come to a show, and we ended up hanging out afterwards.
Now we hang out when both of us are in L.A. She’s super awesome. You meet all kinds of people: Metal, pop, hip-hop. Make friends everywhere you go. That’s the seamlessness of the whole experience. We did the Warped tour last year, and that’s very much in line with what I do.
It’s very DIY. Everyone’s really humble because you’re all out there together in 120 degree sun, sweating like a goddamn animal.
We made friends with people who play in all of these heavy-ass bands. Music I hadn’t listened to my entire life, and these were the nicest people. Have you read the new Kim Gordon book?
Maxim:
I haven’t but it’s on my list.
K.Flay:
Okay, well there’s this part in it where she talks about Courtney Love, and a couple of other heavier singers. Many of them would finish a show, and then go back to the bus to watch Coneheads – do something really subdued.
Some of them were insane but their main outlet was playing. The point being that you have to get that energy out somehow, and if the music is crazy enough, you don’t necessarily have to be crazy the rest of the time with partying and drugs.
Kristine Flaherty aka K.Flay is a 30-year-old musician and producer living in Los Angeles, California.