Giant Rooks
Interview — Giant Rooks
Fünf Freunde
Die Giant Rooks klingen, als würden sie seit Jahrzehnten gemeinsam Musik machen und Songs für die Bühnen dieser Welt schreiben. Dabei kommen sie aus Hamm, haben gerade erst ihr Abi gemacht und weigern sich, in ihrer Muttersprache zu singen. Kann nicht funktionieren? Funktioniert sehr wohl. Und überraschend gut.
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Widerstand« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Steven Lüdtke
Man stelle sich folgende Situation vor: Es ist Wochenende und zum ersten Mal ist man bei guten Freunden zum Essen eingeladen. Man mag und schätzt sich zwar schon eine ganze Weile, aber bekocht wurde man noch nie. Da die guten Freunde eher aus einem jüngeren Semester stammen und zu fünft eine WG bestreiten, geht man davon aus, dass der Abend wohl nicht von einer über Jahrzehnte gewachsenen Küchenexpertise geprägt sein wird, sondern eher vom unterhaltsamen, jugendlichen Miteinander. Wie gesagt, man mag sich ja, und kulinarisch, so vermutet man, wird’s wohl irgendetwas zwischen kann man essen und solide. Und wenn nicht: Eine Pizza ist schnell bestellt und auf dem Balkon steht bestimmt noch eine Kiste Bier kalt.
Die Tür geht auf, man betritt die Wohnung – und erlebt gleich die erste Überraschung: Eine festlich gedeckte Tafel baut sich in der Mitte des Wohnzimmers auf, und ehe man sich versieht, hält man ein Glas Prickelndes in der Hand. Kaum hat der Apéritif den Gaumen gekühlt und das Herz aufgewärmt, hat man auch schon seinen Platz an der Tafel eingenommen.
Der erste Gang wird serviert, natürlich von rechts. Es folgt ein zweiter. Ein dritter. Ein vierter. Dazu jeweils der passende Wein. Mit jedem neuen Gang gibt es auch eine neue Überraschung: So liebevoll sind die Teller angerichtet, so akribisch sind die Zutaten ausgewählt, so raffiniert sind die Gerichte abgeschmeckt. Und überhaupt: So detailversessen ist der ganze Abend arrangiert. Als hätten die fünf Freunde ihr junges Leben lang nichts anderes getan, als gemeinsam für andere zu kochen.
Einen solchen Abend zu erleben, und sei es auch nur in Gedanken, ist das Gleiche, wie zum ersten Mal mit der Musik der Giant Rooks in Berührung zu kommen. Die fünf Jungs aus Hamm haben gerade erst ihr Abi gemacht und sind in einem Alter, in dem andere erst anfangen, sich mit Musik zu beschäftigen. Wer lediglich den Sound der Jungs kennt und noch keinen Blick in ihre jungen Gesichter werfen konnte, hat das Gefühl, es hier mit einer Band zu tun zu haben, die schon seit Ewigkeiten zusammen spielt und große, liebevoll gemachte Songs für die Bühnen dieser Welt im Gitarrenkoffer hat. Dabei singen sie ausschließlich auf Englisch und stemmen sich damit bewusst gegen den aktuellen Trend junger deutschsprachiger Musik.
Wir treffen Frederik Rabe, Finn Schwieters, Finn Thomas, Jonathan Wischniowski und Luca Göttner in Berlin-Neukölln, wenige Stunden vor ihrem Auftritt im Tempodrom als Support für die „Mighty Oaks“.
Jonas:
Seit etwa vier Jahren macht ihr gemeinsam Musik. Wie genau habt ihr zueinander gefunden?
Finn S.:
Frederik und ich sind Cousins, wir haben schon mit acht, neun Jahren angefangen, zusammen Musik zu machen und eigene Songs zu schreiben. Vom Stil her ging das am Anfang eher in Richtung Punk Rock – mit Texten wie „Beat the heat and stop the global warming!“ Nach einer gewissen Zeit haben wir uns musikalisch aus den Augen verloren und Fred hat für eine Weile in einer Blues Band gespielt.
Anfang 2014 haben wir beide beschlossen, uns einfach mal wieder im Probenraum zu treffen und zusammen ein bisschen Musik zu machen. Kurze Zeit später sind dann noch ein Schlagzeuger und ein Bassist zu uns gestoßen, das hat aber nicht so richtig gepasst. Auf der Suche nach einem neuen Bassisten haben wir – über einen Kumpel aus der Schul-Big Band – Johnny kennengelernt, das muss Mitte 2014 gewesen sein. Johnny wiederum kannte Finn Thomas, der Ende 2014 unser neuer Schlagzeuger wurde. Und Anfang 2015 kam Luca dazu, den wir wiederum über eine gemeinsame Freundin kennengelernt hatten. So hat es letztendlich ein ganzes Jahr gedauert, bis die Band komplett war.
»Wenn man wie wir aus einer Stadt wie Hamm kommt, ist es leider sehr schwierig, die richtigen Leute zu finden, um ernsthaft Musik zu machen.«
Fred:
Immer wenn wir einen der Jungs kennengelernt haben, haben wir ihn gefragt, ob er Bock hätte, einfach mal bei uns rumzukommen und ein wenig rumzujammen. Irgendwie hat es bei allen drei von Anfang an gepasst. Als wir dann zum ersten Mal zu fünft im Probenraum standen und zusammen gespielt haben, hatten wir das Gefühl, dass das mit uns als Band wirklich funktionieren kann – das, was wir da gehört haben, klang einfach richtig gut.
Bei den ersten beiden Jungs, die ganz am Anfang zu uns gestoßen waren, hieß es während der Proben oft: „Lasst mal lieber gleich nach oben gehen und Bier trinken.“ Finn und ich hatten da aber eine etwas andere Vorstellung, wir wollten ernsthaft Musik machen. Leider ist es sehr schwierig, dafür die richtigen Leute zu finden, zumindest wenn man wie wir aus einer Stadt wie Hamm kommt – und nicht aus Berlin. Daher sind wir alle auch sehr glücklich, dass wir uns in dieser Konstellation als Band gefunden haben.
Jonas:
Nun ist es das Eine, sich als Band zu finden. Etwas anderes ist es, auch einen gemeinsamen musikalischen Stil zu entwickeln – so ein Giant Rooks-Sound fällt ja nicht einfach vom Himmel. Wie habt ihr euch darauf verständigt?
Fred:
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Es fühlt sich tatsächlich so an, als wäre dieser Sound mehr oder weniger vom Himmel gefallen. Unsere Band kann man als eine sehr spezielle Kombination aus unterschiedlichen Leuten bezeichnen, die alle jeweils einen etwas anderen Musikgeschmack und musikalischen Background haben. Finn Thomas zum Beispiel hat vorher in einer Schul-Big Band gespielt und bringt dadurch einen anderen Schlagzeug-Stil mit. Und Luca setzt sich sehr stark mit elektronischer Musik auseinander. Darüber hinaus gibt es bei uns aber auch große Überschneidungen – es gibt wirklich viel Musik, die wir alle gut finden. So kam irgendwie alles zusammen und hat sich zu einem gemeinsamen Sound entwickelt.
Jonas:
In den Kompositionen und Arrangements eurer Songs steckt sehr viel Liebe zum Detail. Wie viel Zeit investiert ihr in eure Musik?
Finn T.:
Grundsätzlich kann man sagen, dass wir sehr viel Zeit im Probenraum verbringen – wir proben eigentlich täglich. Dabei kann es durchaus passieren, dass wir einen Song über einen ziemlich langen Zeitraum entwickeln. An „Bright Lies“ zum Beispiel haben wir zwei Jahre lang gearbeitet.
Fred:
Stimmt. Wenn man als Außenstehender die ursprüngliche Fassung von „Bright Lies“ hören würde, würde man den Song nicht wiedererkennen. Wir haben an diesem Song unzählige Stunden gesessen und ihm sehr viel Zeit gelassen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum du – wie du sagst – so viele Details identifizieren kannst.
Jonas:
Wenn man sich bei YouTube durch die Videos eurer Auftritte und Konzerte klickt, hat man das Gefühl, dass es ohnehin nicht die eine finale Fassung eines Songs gibt – so unterschiedlich sind stellenweise die jeweiligen Interpretationen eines Stücks.
Fred:
Was unsere älteren Songs – sprich die Songs unserer ersten EP „The Times Are Bursting The Lines“ – angeht, spielen wir diese live zum Teil tatsächlich ganz anders und verändern sie stark. Bei den Songs unserer „New Estate“-EP haben wir dagegen schon den Anspruch, die Lieder immer so zu spielen, wie wir sie auch aufgenommen haben. Allerdings erwische ich mich selbst immer wieder dabei, wie ich meine eigenen Gesangslinien variiere. Es gab schon Situationen, da haben uns nach solch einem Auftritt sogar einige Fans angesprochen, weil sie einen Song nicht eins zu eins mitsingen konnten.
Jonas:
Gibt es in eurer Band eine feste Rollenverteilung, was das Komponieren und Texten angeht?
Finn S.:
Meistens bringt Fred eine grundsätzliche Idee mit in den Probenraum, die er sich zuhause am Piano oder an der Gitarre ausgedacht hat. Auf Basis dieser Idee fangen wir dann an, ein wenig herumzujammen, bis wir das Gefühl haben, dass da etwas wirklich Neues heranwächst. Im Anschluss entwickeln wir nach und nach alle Arrangements und Sounds, entweder im Probenraum oder bei unseren Live-Auftritten. Dabei fragen wir uns immer wieder, welche Elemente der Song noch braucht und welche man wieder herauswerfen kann. Beispielsweise ist es oft so, dass wir nach einer gewissen Zeit feststellen, dass es mehr Sinn macht, wenn ein bestimmtes Instrument nicht mehr in der Strophe auftaucht – weil es vielleicht einen viel größeren Effekt hat, wenn es erst wieder in der Bridge zu hören ist.
»Man neigt am Anfang immer dazu, einen Song zu überladen. In den meisten Fällen ist es aber besser, das Ganze zu reduzieren.«
Fred:
Man neigt am Anfang immer dazu, einen Song zu überladen. In den meisten Fällen ist es aber besser, das Ganze zu reduzieren. Wie sagt man so schön: Weniger ist mehr.
Finn S:
Beim ersten gemeinsamen Jammen spielen eben alle gleichzeitig und bringen die unterschiedlichsten Elemente mit in den Song ein. Das ist zwar cool, aber häufig merkt man im Laufe der folgenden Wochen und Monate, dass man ein bestimmtes Element, das der eine spielt, herausnehmen muss, weil das Element eines anderen für die entsprechende Stelle im Song bereits vollkommen genügt. Wir versuchen aber immer, uns da gegenseitig auszugleichen.
Jonas:
Und wie entstehen eure Texte?
Finn S.:
Die schreiben Fred und ich gemeinsam – im Anschluss an die Komposition.
Jonas:
Das hört sich nach einer festen und geordneten Struktur an. Gibt es in eurer Band so etwas wie Demokratie? Oder macht Fred als Frontmann grundsätzlich die Ansage?
Fred:
Ne, ich mache keine Ansage. Ich gebe eher Anreize. Es ist ja meistens nicht mehr als eine Idee, mit der ich in den Probenraum komme. Und diese Idee entwickeln wir gemeinsam zu einem Song. Es ist ja nicht so, als hätte ich vorher schon alles durchdacht.
Ganz davon abgesehen glaube ich aber nicht, dass Demokratie beim Songwriting unbedingt das Richtige ist. Ganz im Gegenteil: Wenn jemand wirklich von seiner eigenen Idee überzeugt ist, dann sollte er auch voll und ganz dahinter stehen und sein Ding durchziehen, und zwar so, dass es für alle am Ende gut funktioniert – ganz egal, ob ich derjenige bin oder jemand anderes aus der Band.
Jonas:
Was ich persönlich an eurer Musik sehr schätze, ist die Tatsache, dass man immer wieder überraschende Momente erlebt, stimmlich wie instrumental. Plant ihr solche Stellen innerhalb eines Songs bewusst? Oder entstehen diese überraschenden Momente ganz automatisch – sozusagen als Nebenprodukt des Songwriting?
Fred:
Das, was du da beschreibst, ist definitiv ein Nebenprodukt. Für unsere Songs haben wir viele komplexe Ideen – und manchmal führen wir sogar zwei eher unterschiedliche Songs zu einem zusammen. Daraus entsteht dann vielleicht etwas, was man vorher nicht erwartet hätte.
Jonas:
Was man bei einer jungen deutschen Band heutzutage auch nicht unbedingt erwartet hätte: dass sie sich bewusst für die englische Sprache entscheidet – auch gegen einen aktuellen Trend in Deutschland…
»Für uns stand es gar nicht zur Debatte, auf Deutsch zu singen. Im Englischen gefällt uns die Sprachästhetik einfach viel besser.«
Fred:
… Ne, wir haben uns überhaupt nicht entschieden. Für uns stand das gar nicht zur Debatte! Wir alle haben nie wirklich deutsche Musik gehört und ich persönlich habe zu deutscher Musik auch nie einen Draht gehabt. Im Englischen gefällt mir die Sprachästhetik einfach viel besser. Und ich glaube, da spreche ich auf für uns alle. Das soll aber nicht heißen, dass es keine gute deutschsprachige Musik gibt.
Jonas:
Fällt es einem in seiner Muttersprache nicht leichter, genau das zu beschreiben, was man denkt und fühlt? Immerhin greift man dort auf einen wesentlich größeren, quasi angeborenen Wortschatz zurück.
Finn S.:
Am Anfang war es tatsächlich schwierig, auf Englisch zu texten. Wenn ich vor einem Songtext saß, dachte ich oft: Mist, wie komme ich jetzt weiter? Das klappt mittlerweile aber viel besser und flüssiger. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir so viel englischsprachige Musik hören und dadurch viel öfter mit der englischen Sprachästhetik in Kontakt kommen als mit der deutschen. Ich glaube sogar, dass es für uns heute viel schwieriger wäre, einen deutschen Text zu schreiben.
Jonas:
In eurer Spotify-Playlist On the road with Giant Rooks gibt es aber schon den einen oder anderen deutschsprachigen Titel.
Fred:
Stimmt, da haben wir tatsächlich auch ein paar deutsche Songs drin, zum Beispiel von Faber, Element of Crime oder Bilderbuch. Aber das war’s dann auch schon.
Jonas:
Apropos unterwegs: Ihr seid in den letzten Jahren relativ viel herumgekommen. Wie hat euch dieses ständige Touren geprägt? Stellt ihr an euch irgendwelche Veränderungen fest?
Luca:
Entwicklungen und Veränderungen sind ein ganz normaler Prozess. Durch das Herumreisen nimmt man viel mit, ich kann aber nicht sagen, was genau. Auf jeden Fall keine Routine.
»Ich finde es ohnehin super, wenn es Bands gibt, bei denen man beispielsweise das erste Album total mochte und man sich an das zweite erst gewöhnen muss, weil es komplett anders klingt.«
Fred:
Wir haben interessanterweise gestern noch über dieses Thema gesprochen. Ich habe Finn gefragt, ob ich mich in den letzten Jahren verändert habe. Er konnte mir nicht wirklich eine Antwort geben, da wir uns in den letzten Monaten fast jeden Tag gesehen haben und es daher sehr schwierig ist, irgendwelche Veränderungen an seinem Gegenüber festzustellen. Ich selbst könnte ihm die gleiche Frage auch nicht beantworten.
Was das Musikalische angeht, haben wir uns schon ein wenig verändert. Das finde ich aber auch cool. Ich finde es ohnehin super, wenn es Bands gibt, bei denen man beispielsweise das erste Album total mochte und man sich an das zweite erst gewöhnen muss, weil es komplett anders klingt. Wenn sich eine Band so stark weiterentwickelt, ist das einfach interessant. Und noch interessanter ist es, wenn sie sich nicht nur weiterentwickelt, sondern immer wieder neu erfindet – wie etwa Bob Dylan. Ich glaube, das ist der Grund, warum er es geschafft hat, über Jahrzehnte so erfolgreich zu sein.
Jonas:
Ich kann mir vorstellen, dass man relativ wenig Privatsphäre genießt, wenn man ständig im Fünferpack unterwegs ist. Gelingt es euch trotzdem, auf euren Reisen private, individuelle Räume für jeden Einzelnen zu schaffen?
Fred:
Lustig, auch darüber haben wir uns vor kurzem unterhalten. Ich selbst habe gar kein so großes Problem damit, immer aufeinander zu hocken. Den privaten Raum, den ich für mich brauche, habe ich, wenn ich wieder zuhause bin.
Luca:
Ich könnte es etwas pathetisch ausdrücken: Wir sind einfach gute Freunde.
Johnny:
Es gibt immer die Möglichkeit, sich ein paar Freiräume zu schaffen, beispielsweise an unseren Off-Days. Oder wenn wir ein paar Stunden im Auto sitzen: Da macht einfach jeder etwas für sich. Aber Luca hat es ja gerade schon gesagt: Wir verbringen unsere Zeit auch gerne miteinander.
Finn S.:
Es ist ja auch so, dass es in unserem Leben keine klare Grenze zwischen Beruf und Privatleben gibt. Wir sind einfach 24 Stunden lang die Band und mit unseren Gedanken permanent bei der Musik. Das kann auch mal zum Problem werden. Wenn wir jeden Tag zur Uni oder ins Büro fahren würden, wäre das wahrscheinlich anders – da hat man irgendwann Feierabend.
Fred:
Dieses Loslassen fehlt mir auch ein bisschen. Wir alle haben in den letzten zwei Jahren keinen Urlaub gemacht.
Jonas:
Immerhin wart ihr gerade in Norwegen – als Support für die „Mighty Oaks“.
Fred:
Stimmt, das war zwar kein Urlaub, aber trotzdem wunderschön.
Jonas:
Ihr habt euch bewusst dafür entschieden, dieses Leben zu führen. Sich für etwas zu entscheiden heißt auch immer, sich gegen etwas anderes zu entscheiden – beispielsweise gegen ein Leben, das vielleicht etwas konventioneller wäre, aber dafür mehr Zeit für Familie, Freunde oder Beziehung bieten würde. Gibt es etwas, was ihr in eurem Leben vermisst?
Luca:
Es gab bei uns von Anfang an den einen festen Vorsatz: Wenn wir gemeinsam Musik machen wollen, dann wollen wir es auch richtig machen. Und dafür haben wir uns entschieden.
»Manchmal vermisse ich eine ganz normale Routine in meinem Alltag. So ungern ich zur Schule gegangen bin, war es trotzdem irgendwie ganz geil, jeden Morgen aufzustehen, zu frühstücken und dann loszugehen.«
Fred:
Manchmal vermisse ich eine ganz normale Routine in meinem Alltag. So ungern ich zur Schule gegangen bin, war es trotzdem irgendwie ganz geil, jeden Morgen aufzustehen, zu frühstücken und dann loszugehen. Diese Routine habe ich überhaupt nicht mehr. Man ist jetzt sein eigener Chef und muss sich seine Aufgaben immer wieder selbst geben – und dann auch angehen. Manchmal fällt mir das etwas schwer. Mir sagen viele Freunde, die beispielsweise gerade irgendwo in der Ausbildung sind: „Du hast es so gut, du hast so viel Abwechslung. Ich selbst mache immer nur das Gleiche.“ Aber ab und zu denke ich mir: So eine kleine Alltagsroutine würde auch mir gut tun. Ich glaube, es ist auch etwas einfacher für den Geist und das Wohlbefinden, wenn man permanent eine Aufgabe hat und weiß, was man tut.
Jonas:
Von außen betrachtet sieht man bei erfolgreichen Bands eh nur die Sonnenseiten des Lebens. Dabei gibt es überall auch Schatten. Mit welchen Problemen hattet ihr in den letzten vier Jahren zu kämpfen? Auf welche Widerstände seid ihr gestoßen?
Fred:
Richtig problematisch war es bis jetzt nie. Und so ein wirkliches Gehate haben wir Gott sei Dank auch noch nicht abbekommen. Klar, da draußen gibt es bestimmt auch Leute, die unsere Band so richtig kacke finden. Aber das beschäftigt uns nicht.
Finn S.:
Dafür beschäftigt wir uns umso öfter mit uns selbst und hinterfragen permanent, was wir da tun. Ich finde, das gehört auch irgendwie dazu, wenn man Musik macht. Jeder von uns hat immer mal wieder Phasen, in denen er sich fragt, ob das, was wir zusammen da gerade machen, auch wirklich gut ist und funktioniert. Und ob das alles einen selbst auch wirklich glücklich macht. Aber eigentlich gab es bei uns allen nie einen wirklichen Zweifel daran, dass diese Band das Richtige für uns ist – zumindest gab es diesen Zweifel nicht bei mir. Ich glaube aber, den anderen geht es ähnlich.
(Fred, Luca, Finn und Johnny stimmen zu)
Ich mache das alles unglaublich gerne und bin superdankbar, dass wir Fünf gemeinsam Musik machen dürfen. Und dass wir heute hier bei einem Interview sitzen und später im Tempodrom vor den „Mighty Oaks“ spielen dürfen. Das ist einfach ein unglaublich krasser Traum, der gerade in Erfüllung geht. Wenn man uns vor zwei Jahren gesagt hätte, dass wir mal in Berlin im Tempodrom spielen würden, hätte ich bis jetzt nicht mehr schlafen können. Klingt cheesy, ist aber so. Es ist wichtig, dass man das alles zu schätzen weiß und damit zufrieden ist, was man schon erreicht hat. Alleine das macht doch schon glücklich!
Jonas:
Jetzt hast du mir meine nächste Frage vorweggenommen: Wie geht ihr persönlich mit Zweifeln um? Man zweifelt in erster Linie ja nicht kollektiv, sondern individuell.
Fred:
Wir reden darüber – und zwar relativ offen. Es gibt ja immer wieder Situationen, in denen irgendetwas nicht gut läuft oder einer von uns irgendwie unzufrieden ist. Ich selbst habe zum Beispiel relativ viele Ups und Downs: Gestern war ich mit einer Idee noch total happy, heute morgen habe ich sie schon wieder verworfen. Das ist manchmal echt absurd.
»Es ist immer schwer, auch mit dem im Reinen zu sein, was man selbst tut.«
Jonas:
Ab Januar 2018 werdet ihr auf eurer eigenen Tour unterwegs sein. Auch wenn ihr nicht weit in die Zukunft schauen wollt: Gibt es trotzdem irgendetwas, was ihr euch wünscht?
Fred:
Ich wünsche mir, dass wir richtig gute neue Songs schreiben, mit denen wir alle auch zufrieden sind – es ist ja immer schwer, auch mit dem im Reinen zu sein, was man selbst tut. Was unsere Auftritte angeht, wäre es ein Traum, noch mehr internationale Konzerte zu spielen und bei den Festivals auftreten zu dürfen, bei denen auch unsere eigenen Lieblingsbands am Start sind.
Jonas:
Wenn ihr mich alle so anschaut, stimmt ihr dem wahrscheinlich zu.
Luca:
Kann man so unterschreiben.
Jonas:
Ist Giant Rooks am Ende eine Band Story oder eine Friends Story?
Fred:
Ha! Ich würde schon sagen, eine Band Story. Giant Rooks ist ja ursprünglich nicht durch eine Gruppe von guten Freunden entstanden, die gesagt haben: „Wir machen jetzt einfach mal Mucke. Der eine kann das spielen und der andere das.“ Bevor es die Band gab, haben wir uns – bis auf Finn und mich – überhaupt nicht gekannt.
Finn S.:
Wir alle sind aber durch diese Band gute Freunde geworden.
Fred:
Hmm. Vielleicht ist es am Ende ja doch eine Freunde-Story, wer weiß?
Manuel Martin
Editorial — Manuel Martin
Thirst For Freedom
In February 2014, when thousands of Venezuelans were protesting delinquency, food shortage, and rising prices, motion designer Manuel Martin and his wife decided to take to the streets and to declare civil disobedience. During the following years, Manuel converted his experiences into an illustration editorial called “No más”—“No more”.
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Resistance« — Text & Illustration: Manuel Martin
After patching up our wounds and resting for a few hours, we woke because of the residual noxious plastic stench of expired lachrymatory gas and looked for where the sky was blackened by smoke. We knew that where the smoke billowed, there was a fight to be joined, and where there was none, a fight needed to be started. Our only weapons were our resilience, our perseverance, and our thirst for freedom.
Manuel Martin is a motion designer and art director living in Boston.
behance.net/ManuelMartinDucharne
@manuel_martin
Sigrid Grajek
Portrait — Sigrid Grajek
Lebe, wie es dir passt!
Sie lebte offen lesbisch und soff am liebsten Korn: Claire Waldoff war in den 1920ern der Star des Berliner Varietés. Kabarettistin Sigrid Grajek verwaltet ihr künstlerisches Erbe. Wir sprechen über die Parallelen zweier außergewöhnlicher Frauenleben.
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Widerstand« — Interview & Text: Katharina Weiß, Fotos: Manuel Puhl
Sigrid Grajek hat einen Vogel. Eigentlich sogar drei. In ihrer Wohnung im Berliner Bergmannkiez lebt sie zur Zeit mit Fideli und Sir Francis, der wiederum Flattermann Freddie aus dem Fenster vertrieben hat. Letzterer war so nahe am Talent von Queen-Frontmann Freddie Mercury dran, wie es ein Kanarienvogel nun mal sein kann. „Freddie war ein Goldstück, er ist mir damals quasi zugeflogen. Dafür ist Sir Francis ein richtiger Rotzlöffel. Ich wollte eines Tages bei Karstadt Futter für die anderen beiden holen, als ich diesen knallorangenen Schlingel mit Inbrunst an seinen Gitterstäben rütteln sah. Zwei Tage später habe ich ihn dann für 34 Euro rausgehauen aus dem Bunker.“
»Ich habe mich direkt furchtbar in Berlin verknallt – da ging es mir genau wie Claire.«
Wer der Kabarettistin Sigrid Grajek zuhört, stellt schnell fest: Alle ihre Geschichten leuchten. Egal, ob vom Glanz einer vergangen Ära angestrahlt oder mit einer ordentliche Portion verschrobenem Humor bestäubt – hier trifft herzlicher Ruhrpott-Charme auf angelernte Berliner Schnauze, ein Amüsement par excellence. Mit diesem Geheimrezept schaffte es schon hundert Jahre zuvor eine junge Dame aus dem „Rheinisch-Westfälischen Industriebezirk“ auf die ganz großen Bühnen Berlins: Genau wie Sigrid Grajek kommt auch Claire Waldoff aus dem Westen, die Vorfahren der beiden Damen malochten in der Kohle. Sigrid folgte dem Ruf der Hauptstadt mit 20, Claire war damals 21. „Ich habe mich direkt furchtbar in Berlin verknallt – da ging es mir genau wie Claire,“, erzählt Sigrid Grajek, während wir unsere Mäntel über die Kleiderbügel der Bar Ludwig hängen.
Vielleicht hat Claire Waldoff selbst einmal hier ihren geliebten Korn getrunken, denn seit 1909 war die Kiezkneipe durchgehend als gemütliches Absturzlokal für die Neuköllner Nachbarschaft in Betrieb. „Als ich den Laden übernommen habe,“ erzählt Maurus Knowles, der mit seinem Partner seit Juni 2016 das Ludwig betreibt, „habe ich durchaus ein paar historische Funde gemacht. Im Hinterzimmer verbargen sich noch recht gruselige Zeitungsreste. Stellenanzeigen aus den Jahren 1933/34, die alle eine Abkürzung enthalten: „(mit nat. Gesi.)“ – gesucht wurden nur Arbeiter ´mit nationaler Gesinnung`. Da liefen mir schon ein paar Schauer über den Rücken.“ Der Laden wurde nie grundlegend saniert, sondern immer einfach nur weitergegeben. Teile der Einrichtung, wie zum Beispiel die verspiegelte Theke, sind einbetoniert und stehen vermutlich seit dem Bau des Hauses an ihrem Platz. Einige Überraschungsfunde lassen auch auf eine Multifunktionalität des Ortes schließen: „Ich habe in einigen durchsichtigen Plastiktüten nicht ganz saubere Damenunterwäsche gefunden.“, fügt Maurus Knowles hinzu, während er uns ein delikates Schnäpschen kredenzt. Mit seinem vielgestaltigen Programm aus Performances und Dragshows, Livemusik und Impro-Abenden, Filmscreenings und Video-Art, Lesungen und Buchpräsentationen und mit wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Kunst wäre das Ludwig sicherlich auch für die junge Claire Waldoff ein zweites Wohnzimmer geworden.
Die widerspenstige junge Frau, als eines von über zehn Kindern in ein proletarisches Milieu geboren, zeigte früh ihren eigenen Kopf. Sie setzte durch, an einem der ersten Mädchengymnasien im Deutschen Reich, das von Frauenrechtlerin Helene Lange in Hannover gegründet wurde, Kurse belegen zu dürfen. Schon früh begann die unprätentiöse Claire mit der „Revolverschnauze“, sich Rechte herauszunehmen, die damals für Frauen nicht vorgesehen waren. Ihr ursprüngliches Ziel, Medizinerin zu werden, wurde schnell verworfen, als sie in Hannover auf Tourneeschauspieler traf und sich kurzerhand der Truppe anschloss.
Claire Waldoff lebte einen Entwurf des Frauseins, der damals mindestens revolutionär war.
Mit den Füßen in kaltem Kaffee – damals herrschte der Aberglaube, dass dies wach hält – lernte sie nächtelang Texte und eignete sich das Handwerk der „Schmiere“ an. Lukrativ war dieses Lotterleben freilich nicht. Ohne eine Mark in der Tasche machte sie sich 1906 auf, um Berlin zu erobern. Im keuschen und gesitteten Berlin des Kaiserreichs fiel diese bräsige Person mit der riesigen Klappe von Anfang an auf. Umgeben von zierlichen Damen mit Spitzenhandschuhen und gesenktem Blick lebte sie somit einen Entwurf des Frauseins, der damals mindestens revolutionär war. Was im bürgerlichen Leben nicht möglich war, konnte zumindest im Künstlermilieu ein Zuhause finden – und so fand Claire Waldoff zum Kabarett. Im Theater an der Potsdamer Straße trat sie im Etonboy-Anzug auf, was ihr eigentlich untersagt worden war. Für die kaiserliche Zensurbehörde galt eine Frau im Anzug als unschicklich, ganz zu schweigen von Bühnenauftritten solcher Art nach 23 Uhr.
Doch Claire Waldoff sorgte nicht nur mit ihrer Kleiderwahl für einen Flüsterskandal. Auch das Liedgut, mit dem sie ihr Publikum beglücken wollte, wurde wegen antimilitaristischer Tendenzen verboten. Kurz vor dem Auftritt legte ihr deshalb der befreundete Komponist Walter Kollo einen Alternativtitel vor, der davon handelt, wie sich ein liebestoller Erpel mit einem sogenannten Schmackeduzchen (neudeutsch für Rohrkolben) vergnügt. Die Pflanze hatte zuvor allerdings eine heiße Affaire mit einem Schwan gehabt, die sie nicht ganz unbefleckt überstanden hatte. Diese polyamore Dreiecksgeschichte samt unehelichem Nachwuchs wäre von der Zensur natürlich als zutiefst unmoralisch bewertet worden, hätte der Komponist sie im Reich der Menschen angesiedelt. Durch den metaphorischen Griff ins Tierreich wurde das Stück aber durchgewinkt – und Claire Waldoff wachte am Tag nach der Vorstellung als neuer Star am Varieté-Himmel auf. Von da an zierten Plakate mit ihrem Konterfei und dem Slogan „Der Stern von Berlin“ die Vergnügungsmeilen der Stadt.
Sigrid Grajek hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe dieser außergewöhnlichen Künstlerin für die Nachwelt zu visualisieren. „An Marlene Dietrich im Anzug erinnern sich alle, weil sie für ewig auf die Leinwand gebannt wurde. Von Claire gibt’s nur körnige Schwarzweißaufnahmen. Und von wem es heute keine YouTube-Videos gibt, wird vergessen.“
Sich das Kostüm der Claire wie eine zweite Haut anzuziehen, war jedoch eine ordentliche Herausforderung für Sigrid Grajek: „Das sind unglaublich große Schuhe.“ Die Künstlerin entschied sich bewusst dafür, nicht den ikonischen, feuerroten Bubikopf-Schnitt von Claire Waldoff zu imitieren, sondern mit ihrem eigenen Kopf das Werk Legende aus den 1920ern zu interpretieren. Wie ikonographisch das Wirken der Waldoff in einer ganzen Generation nachwirkte, erfuhr Sigrid Grajek bei einer ganz besonderen Begegnung: Als sie vor zehn Jahren ihre Premiere als Claire Waldorf feierte, wurde sie kurz danach zum Radiointerview gebeten. Als zweiten Gast hatte der Sender einen alten Herrn eingeladen, der sich mit Rollator langsam ins Studio bewegte. Im Laufe der Aufzeichnung stellte sich heraus, dass ebendieser Herr zu seinen Teenagerzeiten die berühmte Claire Waldoff im Varieté Wintergarten – das ja bis heute noch existiert – bestaunen durfte. Sein Geselle hatte Karten über die Gewerkschaft bekommen und schenkte dem jungen Burschen das allererste Theatererlebnis seines Lebens.
„Und als dieser alte Mann, der eben noch so hinfällig wirkte, mit einer ausladenden Gestik vom dem Moment erzählte, als Claire die Bühne betrat, wurde mir klar, was für eine unglaubliche Begeisterung diese Frau ausgelöst haben muss. Er beschrieb, wie das Publikum unter reißendem Applaus aufsprang – und dabei stand er selber auf. Er durchlebte diese Szene noch einmal und war – ob dieser Erinnerung – energetisch total geladen. Kaum war er mit der Erzählung fertig, sackte er wieder in sich zusammen. Aber der Moment wirkte nach: Noch Jahrzehnte später haut es die Leute vom Stuhl, wenn sie sich an Claire Waldoff erinnern.“
Die Erinnerungen an die hochkomplexe Emotionalität jener Zeit, in der Claire Waldoff wirkte, ist dabei ein ständiger Begleiter: Sinnbildlich steht sie für die goldenen 20er, „die Zeit davor, in der alles noch gut war.“ Sigrid Grajek erzählt von einem jüdischen Pärchen, das bei ihr in der ersten Reihe saß und quasi eine ganze Vorstellung lang weinte. „Ich musste lange mit mir hadern, ob ich das überhaupt darf. Ob ich das Recht habe, vor diesem Hintergrund überhaupt Claire Waldoff interpretieren zu können. Aber diese beiden meinten: ‚Sie müssen sogar!’ Diese Geschichten dürfen nicht vergessen werden.“, erzählt Sigrid Grajek.
Fast immer, wenn die Kabarettistin in ihrem Waldoff-Bühnenprogramm das Datum des Berliner Bombardements nennt, stehen den ältesten Besuchern im Publikum Tränen in den Augen. In der Nacht vom 22. auf dem 23. November 1943 starben tausende Menschen und Hunderttausende wurden obdachlos. Auch Claire Waldoff verlor in dieser Nacht ihre Berliner Wohnung.
Mit 16 teilte Sigrid Grajek ihrem Umfeld mit, dass sie Mädchen liebt – 1980 in der Provinz des Dortmunder Umlands ein einsames Schicksal.
Wie schmerzlich die Erfahrung ist, kein Zuhause mehr zu haben, kann Sigrid Grajek nachfühlen, wenn auch auf eine vollkommen andere Art und Weise. Mit 16 teilte sie ihrem Umfeld mit, dass sie Mädchen liebt – 1980 in der Provinz des Dortmunder Umlands ein einsames Schicksal: „Heute ist meine Mutter meine größte Unterstützerin, aber damals hatte sie kein Verständnis. Ich komme aus einem alkoholisierten Gewalthaushalt mit Depressionshintergrund, das war alles ziemlich scheiße bei uns. Meine Mutter war einfach komplett überfordert. Die Trennung von meinem Vater war gerade durch, alles war furchtbar und dann kam ich noch mit meinem Coming-out, das war einfach zu viel.“, sagt Sigrid Grajek. Ihr blieb nur übrig, sich die Jacke zu schnappen und zu gehen.
Zuerst schlief sie bei Freunden, die sie in Dortmund kennengelernt hatte, wo es eine Frauengruppe mit Lesbenzentrum gab. Danach zog sie, noch minderjährig, in ein besetztes Haus. Drei Tage nach ihrem 18. Geburtstag wurde dieses von der Polizei geräumt – und Sigrid wurde verhaftet, da sie ihr neues Zuhause nicht schon wieder verlieren wollte. An die Stunden hinter Gittern erinnert sie sich noch genau: „Die Akustik in dem Gefängnis war gut, da habe ich viel gesungen.“ Bei der Gerichtsverhandlung verteidigte sie sich selbst. „Ich hab’ denen gesagt, wie es war. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt alleine in Dortmund keine Wohnung bekommen und zuhause hatte ich niemanden. Dort im besetzen Haus wurde ich zum ersten Mal so angenommen, wie ich war. Die haben auf mich aufgepasst! Zudem konnte ich nachweisen, dass ich nach der Arbeit zur Abendschule gegangen bin, um mein Abitur nachzuholen.“
Die Richter hatten Mitgefühl, sie kam mit einer jugendrichterlichen Ermahnung davon. Arbeit, das hieß für die junge Sigrid Grajek vier Jahre lang: Akkordarbeit in der Fabrik, nicht als Studentenjob, sondern als langfristige Perspektive. Eine prägende Zeit. Vor allem die Unterstützung der anderen Fabrikarbeiterinnen half der jungen Frau. „Die waren unglaublich solidarisch.“, erzählt sie in dankbarem Tonfall. „Alle diese Damen saßen dort fest, weil ihre Biografien so waren, wie Frauenbiografien zu jener Zeit eben oft waren. Keine von denen wollte dort bleiben, aber sie haben es nie geschafft zu gehen. Deshalb haben die mich regelrecht zur Schule getreten.“
Von der Fabrik in Dortmund konnte sie 1983 nach Berlin zu Siemens wechseln. Die angehende Schauspielerin arbeitete häufig mit einer Neuköllner Arbeiterin namens Uschi zusammen, die ihr viel Unterstützung und eine ganz besondere Bitte zukommen ließ: „Bitte mach’ immer nur Sachen, die wir auch verstehen.“ Seitdem hangelte sich die Kabarettistin immer an der Richtschnur entlang, Kunst zu machen, die auch von Menschen ohne größerem kulturellen Kapital verstanden wird. „Das bin ich meinen Kolleginnen auch schuldig!“
Der Einstieg ins Showbusiness gestaltete sich für die junge Künstlerin schwierig. Gefragt waren hübsche Gretchen, doch Sigrid Grajek waren Kleider und Koketterie ein Graus. Bereits als Sechsjährige hatte sie einen riesigen Zoff mit der Mutter, da sie zur Schule ihre Hose anziehen wollte: „In den 60er Jahren gingen Mädchen im Kleid zur Schule, Punkt.“ Doch sie setze sich durch und musste nur noch ein einziges Mal im Kleid erscheinen – zur heiligen Kommunion, ihre Eltern waren Katholiken. Später rieten ihr Regisseure: „Du musst deine Weiblichkeit betonen, schmink dich doch mal.“
„So wie ich bin – als rustikale Frau –, kam ich in den 80ern, 90ern gar nicht an, als ich meinen Beruf begonnen habe. Als ich mir dann mal eine Dauerwelle gemacht und mich dezent geschminkt hatte, wurde ich von einer Schauspielagentur, bei der ich mich beworben hatte, prompt für eine Drag Queen gehalten. Also kamen die Haare sofort wieder ab, ich bin halt anders – und so musste ich damit leben, dass ich im klassischen Theater meine Schwierigkeiten hatte. So bin ich alte Butch dann eben im Kabarett gelandet – genau wie Claire.“, erzählt Sigrid Grajek.
Es fällt überhaupt nicht schwer, das zu glauben. Doch gleichzeitig erscheint es wahnsinnig eigenartig, dass wir in der deutschen Kulturlandschaft so viele Damen à la Veronica Ferres haben und so wenige Frauen wie Sigrid Grajek. Dabei ist es gar nicht leicht, den Blick von ihr zu lösen. Ihre Mimik hat etwas Anziehendes, das über reine Begehrlichkeit hinausgeht. Ihre raue Stimme ist so klar verständlich, dass man stundenlang zuhören könnte.
»Wenn ich auf der Bühne stehe, dann spüre ich das Verstreichen der Zeit nicht...«
Dass einen dieses freie Künstlerleben fernab der konventionellen Karriereleiter kaum zu Krösus werden lässt, liegt nahe. „Ich lebe sehr am untersten Ende der Einkommensabteilung. Arbeitslos gemeldet war ich aber nur zwei Monate meines Lebens, im Jahr 1983. Ich habe es immer geschafft zu improvisieren und durchzukommen. Bin quasi mit ‘ner Bohrmaschine zur Welt gekommen!“, erzählt Sigrid Grajek ohne Reue. In den Zeiten, in denen sie nicht von ihrem Beruf leben konnte, arbeitete sie als Handwerkerin und renovierte Frauenhäuser oder Privatwohnungen. „Je älter man wird, desto beschwerlicher wird das natürlich. Ich wollte mit diesem Beruf aber nie reich werden. Reich werden oder gar berühmt ist für mich vollkommen uninteressant. Mir ging es immer darum: Wenn ich auf der Bühne stehe, dann spüre ich das Verstreichen der Zeit nicht…“
Genau diesen Reiz – vom Widerstand gegen alles Vergängliche, vom Widerstand gegen Norm und Langeweile – verströmt die Ära der Claire Waldoff bis heute. Claire kämpfte sich mit der Machete durch den Großstadtdschungel und ebnete den Weg für viele andere Frauen. Was der Dandy Christopher Isherwood für die homosexuellen Männer war, stellte Claire Waldoff für die urbanen Frauen ihrer Generation da. Mit ihrer großen Liebe Olga von Roeder – beide blieben über 40 Jahre, bis zum Tod, beieinander – zeigte sie sich häufig im berühmten Bermuda-Dreieck: Narrenfreiheit zwischen der Bülowstraße und dem Winterfeldtplatz.
Ihre Damenrunden waren legendär. Einmal hatte sie zum Fest geladen und die berüchtigte Bowle „Rio de la Plata“ aufgetischt, eine wilde Mischung aus Champagner und Schnaps. Als die beschwipste Gesellschaft gerade zum Glücksspiel übergegangen war, kam eine Lieferung eleganter Seidenunterwäsche des Kaufhauses Wertheim an. Claire Waldoff ging der monetäre Einsatz aus. Sie setzte kurzerhand die exquisite Lieferung aufs Spiel – und verlor ihre gesamte neue Unterwäsche.
Wenn sie nicht gerade in ihrer Wohnung im Bayerischen Viertel arbeitete und feierte, ging sie flanieren. Die Motzstraße war ihre Meile. Mit Marlene Dietrich besuchte sie die beliebten Travestie-Shows im El Dorado. Am Häufigsten war sie vermutlich im Damenclub Pyramide, der sich im dritten Hinterhaus in der Schöneberger Schwerinstraße traf. Für 30 Pfennig Eintritt konnte man hier mit Nackttänzerin Anita Berber einen Absacker trinken, es wurde wild geschwoft und gesoffen.
In ihren Erinnerungen schreibt Claire Waldoff höchstselbst über diese Zeit: „Man sah bekannte Maler von der Seine; und schöne elegante Frauen, die auch mal die Kehrseite von Berlin, das verruchte Berlin kennenlernen wollten; und verliebte kleine Angestellte; und Eifersüchteleien gab’s und Tränen am laufenden Band; und immerzu mussten die Pärchen verschwinden, um ihren Ehezwist draußen zu schlichten. Zum soundsovielten Male ertönte im Laufe des Abends die berühmte ‚Cognac-Polonaise‘, die man auf dem Tanzboden kniend und mit dem gefüllten Cognac-Glas vor sich zelebrierte.“
Die Kabarettistin war keine Aktivistin im eigentlichen Sinne, sie stellte keine politischen Forderungen oder zettelte Revolutionen an. Sie lebte einfach ganz selbstverständlich so, wie es ihr passte. „Und das“, findet Sigrid Grajek, „ist manchmal das Größte, was du machen kannst.“
Sigrid Grajek ist Kabarettistin und lebt in Berlin.
Dillon M. Hayes
Editorial — Dillon M. Hayes
Points Of Access
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Resistance« — Text & Photography: Dillon M. Hayes
The gates of acceptance are first forged by family, childhood friends, and those who don’t care much for us at all. In the malleability of our youth, they take turns bringing the frame of the gate to its melting point, shaping it, and letting it cool in place. The most influential hands, I’m glad, were determined to grant a wide berth – one through which I could see and be seen. I could be accessed by those I don’t already know.
I twisted the gates of others, too. Each kindness and transgression manipulated a threshold’s shape. I’m no more skilled a metalworker than the next, but we all share the capacity to heat the iron then leave it cold.
But in adulthood, those gates, however world-worn, are heated and shaped by our own aspirations. We have the capacity to open and re-open our hearts to the world that may have deformed us. As a means of re-shaping and of granting access, we must accept, forgive, and love even those who seem to deserve it least.
I’m not always accessible, vulnerable, or bearing the energy to be those things. But when we see others as they are and accept them through our gates, we fortify them against the hazards of tyranny and hate. In turn, they will do the same for us. In that way, kindness is a form of resistance. The transmission of positive energy subverts the wills of the selfish and greedy. And when we open our gates to others, it’s easy to see that we’re made from the same material to begin with.
Dillon M. Hayes is a director, editor, producer, and photo artist living in Los Angeles.
Eoin Coveney
Submission — Eoin Coveney
Trumpthing
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Resistance« — Text & Illustration: Eoin Coveney
Based on John Carpenter’s „The Thing“: A grotesque mutation of hatred and negative energy, burst forth from the ultimate fiction delivery system: „Reality“ Television.
Built on the rubble of real-estate wars, paid for by gullible millionaires and unpaid contractors.
Watched at all times by News and Social Media, obsessed with every disturbing paroxysm of lies and hate.
Having watched the rise of this person to the GOP nominee and ultimately POTUS, I felt compelled to say something with the tools I have at my disposal: Pencils, pens and brushes. Interesting times are now also dangerous times. In the year that News and Entertainment seemed to lurch towards each other, this is a World Leader whose only interest in the job is to be on television to compensate for an Emmy he thought he deserved for bullying people. A compliant and largely mute GOP, fidget with their poll reports and try to look the other way. Resistance is the only option.
Eoin Coveney is an illustrator living in Cork, Ireland.
Michel Diercks
Editorial — Michel Diercks
Acqua Alta
22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Widerstand« — Text & Fotos: Michel Diercks
Wenn in Venedig Winter ist, verschwinden die Tauben vom Markusplatz. Zumindest für ein paar Stunden gehört die Stadt den Möwen. Das Hochwasser kommt, und schlaue Touristen trotzen den Fluten mit Einweggummistiefeln. Noch schlauere Venezianer machen damit ein Geschäft, widerwillig. Denn sie haben es nicht leicht. Wegen der Touristen gibt es kaum noch Venezianer, die Mieten sind zu hoch. Wer sich Wohnraum leisten kann, richtet Ferienwohnungen ein und unterbietet die Hotels.
Im Sommer letzten Jahres gab es Aufstände, weil große Kreuzfahrtschiffe immer wieder bedrohliche Wassermassen in den Altstadthafen schieben, der Stadt buchstäblich die Sonne nehmen und ihre lächelnde Ladung an Land lassen – welche zum Leidwesen der Venezianer den Großteil ihres Geldes bereits an Bord ausgegeben hat.
Im Winter ist es ruhiger. Die Möwen kreischen, die Tauben gurgeln. Ein paar schlaue Touristen genießen die leeren Gassen und das trotz allem türkisfarbene Meer.
Michel Diercks ist Schauspieler und Fotograf und lebt in London.
Ancient Methods
Interview — Ancient Methods
Im Bann der Achtsamkeit
Seit Mitte der 90er steht Michael Wollenhaupt mit seinem Sound für die rohe und durchtriebene Seite des Techno. Wir wollten mit dem Berliner ein wenig in der Vergangenheit schwelgen, doch am Ende wurde es ein Gespräch über die Gegenwart – inklusive der Erkenntnis, dass Schranz nicht nur ein fürchterlicher Name ist und die Band „Dead Can Dance“ gottgleich über allem steht.
30. Dezember 2017 — MYP N° 21 »Ekstase« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Franz Grünewald
Als im Mai 2005 das Gebäude des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in Berlin-Mitte abgerissen wurde, war das für viele Menschen nicht nur ein Schock, sondern auch das Ende einer Ära. Denn das, was von außen so grau und unscheinbar aussah, beherbergte in seinem tiefsten Innern – genauer gesagt im ehemaligen Tresorraum des Hauses – den damals wohl berühmtesten Techno-Club der Welt: den Tresor.
Als er im März 1991 eröffnet wurde, war der Tresor der allererste Techno-Club Berlins und setzte mit seinem harten, maschinellen Sound Maßstäbe in der Welt des Techno. 14 Jahre lang galt der Club an der Leipziger Straße 126 als eine musikalische Institution und war die erste Anlaufstelle für Techno-Liebhaber aus aller Welt. Bis die Abrissbirne kam.
Nun ist es nicht jedermanns Geschmack, allzu lange in der Vergangenheit zu schwelgen und dem nachzutrauern, was mal war. Manche Menschen haben einfach viel mehr Spaß daran, die Gegenwart zu greifen und sich auf das zu freuen, was noch kommt. Zu diesen Menschen gehört Michael Wollenhaupt. Seit Mitte der 90er Jahre bereichert er als Techno-Künstler die Welt mit seinem rauen, schlagenden Sound und gilt als feste Größe in der Berliner Techno-Szene. Daneben arbeitet er als Rechtsanwalt.
Bis zum April 2005 gehörte Micha auch zum musikalischen Stammpersonal des Tresor und prägte so – gemeinsam mit den anderen Residents – den Sound einer ganzen Generation. Als der Club im Jahr 2007 an anderer Adresse wieder öffnete, entschloss sich Micha, seine Residency nicht fortzuführen, und gründete zusammen mit Conrad Protzmann das Label und Musikprojekt Ancient Methods. Heute ist Michael Wollenhaupt alleine unter diesem Namen unterwegs und steht mit seiner Musik nach wie vor für die resoluteste und durchdringendste Facette, die Techno zu bieten hat. In einem Park in Berlin-Pankow haben wir ihn zum Gespräch getroffen.
Jonas:
Ich würde mit Dir gerne einen Blick zurück ins Jahr 2007 werfen. In diesem Jahr hat nicht nur der Tresor wiedereröffnet, du hast auch dein Referendariat abgeschlossen, dich als Rechtsanwalt selbständig gemacht und nebenbei Ancient Methods aus der Taufe gehoben. Welches dieser Ereignisse berührt dich heute, zehn Jahre später, noch am stärksten?
Micha:
Die Ereignisse, die du aufzählst, sind für mich mehr oder weniger gleichbedeutend. Alle sind natürlich wichtig für mein Leben. Aber dass mir ein einzelnes besonders stark in Erinnerung geblieben wäre oder mich in besonderer Weise berühren würde, kann ich nicht behaupten. Dennoch war 2007 natürlich ein Jahr, in dem wirklich viel passiert ist. Aber mindestens genauso viel hat sich seitdem auch verändert, alleine musikalisch: etwa dieser Buzz oder dieser Hype, den man heute bei so Vielem wahrnehmen kann, was neu entsteht. Das gab es 2007 einfach nicht.
Was speziell die Entstehung von Ancient Methods angeht, war das auch vielmehr ein Prozess als ein singuläres Ereignis. Im Jahr 2007 haben wir ganz langsam damit angefangen und im Laufe der Zeit einfach geschaut, wohin es sich entwickelt. Bis das Label dann überhaupt mal auf eine gewisse Wahrnehmung gestoßen ist, hat es eine ganze Weile gedauert.
Jonas:
Im Jahr 1991, als der Tresor in der Leipziger Straße in Mitte eröffnet hat, war Techno-Musik noch Teil einer kleinen Subkultur und im Gegensatz zu heute alles andere als Massenware – im Tresor fanden die Partys im wahrsten Sinne des Wortes im Untergrund statt. Auch wenn du 1991 noch nicht ganz im ausgehfähigen Alter warst, hast du dich dennoch bereits mit Techno beschäftigt. Wie und wo bist du dieser Musik zum ersten Mal begegnet?
Micha:
Im Radio – damals hat man ja noch Radio gehört. Anfang der 90er gab es zwei Sendungen, die man fleißig auf Tape mitgeschnitten hat. Als ich dann zwei, drei Jahre später im – wie du sagst – ausgehfähigen, aber immer noch minderjährigen Alter war, bin ich mit Freunden öfter mal nach Potsdam ins „Waschhaus“ gefahren. Die Partys dort waren so ein bisschen jugendclubmäßig: Wirklich jeder wurde reingelassen und das Bier hat nur ne Mark gekostet. Zum ersten Mal im Tresor gefeiert habe ich dann irgendwann Mitte der 90er.
Jonas:
Aktuelle Bücher wie Berlin Wonderland oder Der Klang der Familie beschreiben sehr detailliert, wie sich die ersten Jahre nach dem Mauerfall in Ost- und West-Berlin angefühlt haben müssen. Vor allem was die Entstehung der Techno-Szene angeht, scheint es eine regelrechte Aufbruchsstimmung und Euphorie gegeben zu haben. Welche Erinnerungen hast du selbst an diese Zeit? Wie hat sich Berlin damals für dich angefühlt?
Auch wenn man als Teenager in der Regel noch nicht so reflektiert ist, hatte ich in dieser Zeit das Gefühl, bei etwas komplett Neuem dabei zu sein. Das war alles sehr, sehr punkig. Und wirklich besonders.
Micha:
Damals kam alles zusammen: der gesellschaftliche Wandel und gleichzeitig Techno als musikalische Revolution. Das war Techno übrigens tatsächlich: eine Revolution.
Auch wenn man als Teenager in der Regel noch nicht so reflektiert ist, hatte ich in dieser Zeit das Gefühl, bei etwas komplett Neuem dabei zu sein. Zwar bin ich in der Berliner Vorstadt aufgewachsen, wo alles nochmal anders ist als im Zentrum, aber gerade wenn man von der Vorstadt nach Berlin reingefahren ist, hat sich alles sehr frei und wild angefühlt. Damals ist man einfach in irgendwelche Keller reingeklettert, in denen dann Techno-Partys veranstaltet wurden. Das war alles sehr, sehr punkig. Und wirklich besonders.
Allerdings weiß ich nicht, ob dieses Gefühl des Besonderen allein durch die damalige Situation in Berlin entstanden ist oder doch eher durch die generelle Faszination der Jugend: In diesem Alter geht man zum ersten Mal weg, man hört zum ersten Mal seine Musik, man ist einfach nur jung – das ist schon besonders genug. Und sehr intensiv. Im Nachhinein fällt es mir wirklich schwer, das auseinanderzuhalten. Möglicherweise würde ich eine ähnliche Faszination auch heute verspüren, wenn ich zum ersten Mal ausgehen würde. Aber klar, die Freiräume, die man damals kurz nach der Wende hatte, waren natürlich ganz andere.
Jonas:
Gab es für dich einen Schlüsselmoment, in dem du gewusst hast: Techno ist etwas, das du nicht nur hören und dazu tanzen willst – du willst diese Musik auch machen?
Anfang der 90er war es viel schwieriger, sich bestimmte Dinge zu erschließen: An das Know-how eines DJs und insbesondere eines Produzenten kam man nicht so ohne Weiteres heran. Heute macht man zwei Klicks und weiß, wie’s geht.
Micha:
Naja, ich habe schon immer selbst Musik gemacht, auch vor Techno. Ich habe eine klassische Musikausbildung, Musik war für mich auch immer mehr als nur Konsum. Daher gab es nicht diese eine Entscheidung, dass ich unbedingt Produzent werden wollte. Das war einfach ein natürlicher Flow. Ich habe Platten gekauft und mich dafür interessiert, was die DJs da an ihren Geräten machten – und wie sie es machten.
Ich glaube, irgendwann habe ich in den Clubs mehr herumgestanden als getanzt, weil ich die Arbeit der DJs genau beobachten wollte. Und dann habe ich mir nach und nach eigene Geräte angeschafft, weil ich dachte, damit könnte ich jetzt auch diese Art von Musik machen. Aber ich habe ganz schnell gemerkt: Damit alleine geht’s halt doch nicht.
Man muss sich auch vorstellen, dass das alles lange vor dem Internet-Zeitalter war. Anfang der 90er war es viel schwieriger, sich bestimmte Dinge zu erschließen. Heute macht man zwei Klicks und weiß, wie’s geht. Aber zu jener Zeit kam man an das Know-how eines DJs und insbesondere eines Produzenten nicht so ohne Weiteres heran. Wenn man wie ich niemanden kannte, der das irgendwie auch machte und von dem man das lernen konnte, musste man sich alles im Try-and-error-Prinzip selbst beibringen.
Genauso schwierig war es übrigens auch, eine ganz bestimmte Platte zu finden, wenn man den entsprechenden Track nur als Radiomitschnitt auf Tape hatte und weder wusste, wie dieser Song heißt, noch wer der Interpret ist. Es gab ja kein Shazam oder so etwas ¬– man musste den Sachen manchmal jahrelang nachjagen. Wenn man dann durch Zufall in einem Plattenladen genau die Platte gefunden hatte, nach der man seit Jahren gesucht hatte, war das wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Dieses Glücksgefühl kann man gar nicht beschreiben – es existiert in dieser Form auch heute nicht mehr: Mit Shazam braucht man zwei Klicks, danach verrottet der Song auf der Festplatte.
Jonas:
Irgendwann hast du es geschafft, von der Tanzfläche zu dem Platz hinter dem DJ-Pult zu wechseln. Weißt du noch, wann du zum ersten Mal im Tresor aufgelegt hast?
Micha:
Ja, das weiß ich sogar ziemlich genau. Das war 1998, also vor knapp 20 Jahren.
Jonas:
Interessanterweise war das auch das Jahr, in dem du angefangen hast, Jura zu studieren.
Micha:
Ja, der erste Auftritt im Tresor war knapp vor Semesterbeginn.
Jonas:
Rechtswissenschaft gehört zu den Studiengängen, für die man besonders viel Zeit und Energie braucht. War es für dich jemals ein Problem, Musik und Studium unter einen Hut zu bringen?
Micha:
Nein, so richtig problematisch wurde das für mich nie. Ich habe mir einfach Prioritäten gesetzt und das Studium irgendwie durchgezogen. Mein großes Glück war es, dass ich als Student bei Hard Wax jobben konnte. Dadurch hatte ich eine permanente Verbindung zu Musik. In diesen Jahren habe ich mir selbst immer mehr Platten zugelegt und hier und da ein bisschen aufgelegt…
Jonas:
… und wurdest im Tresor einer der Residents, bis der Club im April 2005 geschlossen wurde – eine Zäsur für die Berliner Techno-Szene. Zum Abschied gab es ein zweiwöchiges Event namens „Leaving Home“, du selbst warst damals einer der Letzten, die im alten Tresor spielen durften. Was geht dir durch den Kopf, wenn du dich an die letzten Tage und Stunden dort erinnerst? Was war das für eine Stimmung?
Micha:
Der alte Tresor war sehr intensiv und diese letzten Nächte waren nochmal intensiver. Der Laden war gefühlt wesentlich kleiner als der neue Tresor und dementsprechend immer sehr voll. Es gab dort eine unglaubliche Energie, die über die letzten zwei Wochen nochmal gesteigert wurde.
Ich selbst habe in diesen zwei Wochen aber nicht alles mitgemacht. Ich neige übrigens auch nicht so zum Pathetischen, dass ich jetzt unbedingt sagen würde: Das war das Ende einer Ära. Dennoch gab es in Berlin – und anderen Gegenden – in der Zeit nach dem alten Tresor ein großes Loch, nicht nur in Bezug auf die Clublandschaft, sondern auch musikalisch: Was bis zum Schluss im April 2005 im Tresor lief, gab es danach in Berlin so gut wie nicht mehr.
Jonas:
Dort, wo früher der Tresor war, findet man heute die Garageneinfahrt zu einem Bürokomplex. Wie geht es dir, wenn du an der Leipziger Straße 126 vorbeifährst?
Micha:
Es gibt so viele Plätze in Berlin, die überhaupt nicht wiederzuerkennen sind. Zeitlich kann man sogar noch weiter zurückgehen, beispielsweise in die 1990er Jahre. Da gab es etwa am Kollwitzplatz irgendwelche Keller von irgendwelchen zerschossenen Gebäuden, in denen man Techno-Partys feierte. Alles weg.
Jonas:
Und heute wird sich am Kollwitzplatz beschwert, wenn nach 22 Uhr noch laute Musik zu hören ist.
Ich bin nicht allzu sentimental – ich glaube auch, dass jede neue Zeit nicht nur ihre Nachteile, sondern auch ihre Vorteile hat.
Micha:
Ach, laute Musik läuft dort schon lange nicht mehr. Aber ich bin da auch nicht allzu sentimental. Ich erinnere mich zwar gerne an die Dinge, die ich an den jeweiligen Orten gemacht habe. Aber ich glaube auch, dass jede neue Zeit nicht nur ihre Nachteile, sondern auch ihre Vorteile hat. Es ist natürlich immer schade, wenn so eine kulturelle Institution wie der Tresor einem Bürogebäude weichen muss. Aber irgendwie geht’s auch immer weiter und an anderen Stellen entstehen neue Sachen.
Jonas:
Als 2005 der Tresor geschlossen wurde, hattest du gerade dein erstes Staatsexamen in der Tasche und bist ins Referendariat gestartet. Danach – zwei Jahre später – hast du zusammen mit Conrad Protzmann Ancient Methods gegründet, und zwar kurze Zeit nachdem der neue Tresor im Kraftwerk Mitte eröffnet hatte. Wie kam es dazu?
Micha:
Der neue Tresor ist mit fast allen DJs gestartet, die auch im alten Club als Residents vertreten waren. Für uns alle war das eine unglaublich schwierige Zeit, denn Techno war absolut tot. Oder besser gesagt: Die Form von Techno, die man gut fand, gab es so nicht mehr in Berlin, in den Clubs wurde nun ein anderer Sound gespielt. Man hörte hauptsächlich House und Minimal, auch in den vielen alternativen Läden, die zu dieser Zeit gegründet wurden. Die Musik, die ich selbst so mochte, konnte ich nirgendwo mehr finden. So ist Ancient Methods aus einer Krise heraus entstanden.
Jonas:
Was genau hast du vermisst?
Micha:
Das, wofür der alte Tresor stand: diesen roughen Birmingham-Sound, den wir dort gespielt haben. Aber 2007 war all das Physikalische, Raue, Punkige plötzlich einem biederen Lounge-Techno gewichen, der meiner Meinung nach nichts mehr mit Techno zu tun hat. Die Musik, die man nun überall in den Clubs hören konnte, war eher so im House-Bereich angesiedelt – das ist zwar nett, aber für mich persönlich eine ganz andere Welt. Dieses Minimal-Housige wurde zu einer große Strömung, in der immer mehr Künstler mitgeschwommen sind. Dementsprechend haben sich auch die Bookings der Berliner Clubs angepasst. Für mich war das letztendlich ein wesentlicher Grund, warum ich im neuen Tresor die Residency nicht fortgeführt habe.
Zwar haben Freunde von mir damals noch versucht, eigene Partys auf die Beine zu stellen, um diesen alten Tresor-Sound am Leben zu halten. Aber das Ganze war mittlerweile so nischenartig geworden, dass man kaum noch Leute finden konnte, die das hören wollten.
Jonas:
Hast du die Gründung des Berghain im Jahr 2004 als eine Bereicherung empfunden? Oder ist man dort musikalisch ebenfalls in Richtungen gelaufen, mit denen du nichts anfangen kannst?
Micha:
Egal wo ich zu der damaligen Zeit hingegangen bin: Diese Form von Techno, die ich gesucht habe, gab es einfach nicht mehr. Viele DJs, die für diese Musik standen, haben ihren Sound plötzlich verändert. Ob sie sich nicht mehr getraut haben oder das Interesse an diesem Sound verloren haben – ich weiß es nicht. Ich selbst jedenfalls habe mich dann fast nur noch auf EBM- und Industrial-Partys herumgetrieben. Das kam dem noch am nächsten, was ich unter Techno verstehe – und was heute, zehn Jahre später, wieder populär geworden ist und in vielen Läden wieder gespielt wird.
Jonas:
Glaubst du, dass das, was in den Clubs aufgelegt wird, auch in irgendeiner Art und Weise von der jeweils aktuellen gesellschaftlichen Stimmung beeinflusst wird?
Der etwas härtere Techno verlor von Jahr zu Jahr an Strahl- und Innovationskraft und wurde zunehmend in andere Richtungen entwickelt. Am Ende kam dabei so etwas wie Schranz heraus – ein fürchterlicher Name für fürchterliche Musik.
Micha:
Dazu gibt es ja viele Theorien – zum Beispiel die, dass man in dunkleren Zeiten auch dunklere Musik spielt. Ich finde, man kann viel über solche eventuellen Zusammenhänge theoretisieren. Woran macht man überhaupt fest, ob die Zeiten gerade besser oder schlechter sind? An der ökonomischen Situation? An der gesellschaftlichen? An der politischen? Wenn man schaut, was gerade so in der Welt los ist, kann man nicht unbedingt sagen, dass wir in besseren Zeiten leben. Aber ist die Musik in den Clubs daher gerade dunkler oder härter? Ich weiß es nicht. Diese Theorien sind für mich immer etwas vage und abstrakt, man kann da schnell vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Ich persönlich sehe solche Entwicklungen eher rein musikalisch: In mehr oder weniger regelmäßigen Zyklen entstehen immer wieder bestimmte Strömungen, die stärker und stärker werden, bis sie irgendwann ihren Sättigungspunkt erreichen. Danach geht mit einem anderen Trend alles wieder von vorne los.
Was die Situation Ende der 1990er, Anfang der 2000er angeht, als dieser roughe Sound immer mehr aus den Berliner Clubs verschwand, sind die Gründe viel trivialer und in der Musik selbst zu suchen. Damals verlor der etwas härtere Techno von Jahr zu Jahr an Strahl- und Innovationskraft und wurde zunehmend in andere Richtungen entwickelt. Am Ende kam dabei zum Beispiel so etwas wie Schranz heraus – ein fürchterlicher Name für fürchterliche Musik.
Dieses brachiale, aber blutleere Loop-Gebrettere hat all die Leute, die sich nicht dauerbetrogt haben, relativ schnell abgetörnt. Also haben sie nach etwas anderem gesucht und sind wieder in die komplett andere Richtung gedriftet – wie das eben so ist mit Trends und Strömungen, die vom einen Pol zum anderen schwanken. Letztendlich hat dieser Overkill damals die härtere Form von Techno total ausgelöscht.
Jonas:
Hattest du nicht die Sorge, dass du gerade in dieser Situation mit deiner Musik und der Rückbesinnung auf den roughen Birmingham-Sound niemanden erreichen kannst?
Micha:
Mir war am Anfang des Projekts natürlich klar, dass diese Musik zu dieser Zeit keiner hören wollte. An dieser Stelle hat das für mich aber überhaupt keine Rolle gespielt. Mein Gedanke war eher: Wenn es gerade niemanden gibt, der ernsthaft solche Musik macht, machen wir’s halt selbst. Eine große Hilfe dabei war uns übrigens Torsten aus dem Hard Wax, der sich das Ganze angehört und uns von Anfang an unterstützt hat. Ohne seinen Support wäre es uns zu der damaligen Zeit nicht möglich gewesen, das Label Ancient Methods überhaupt zu vertreiben. Es hat auch ganze zwei Jahre gedauert, bis die wirklich kleine Auflage unserer ersten Platte verkauft war.
Jonas:
Wann hast du gespürt, dass sich das Ganze dennoch irgendwie entwickelt und die Leute so langsam auf den Trichter kommen?
Micha:
Wenn ich sage, dass niemand diese Musik hören wollte, ist das nicht ganz richtig. Es gab eine klitzekleine Community, die von Anfang an sehr wohlwollend wahrgenommen hat, was wir da getan haben. Das war natürlich ein kleiner Hoffnungsschimmer, der mich in meinem Gefühl bestätigt hat, dass es da draußen auch Menschen geben muss, die sich nach dieser Musik sehnen und sie vermissen. Und die hoffen, dass aus dieser Richtung wieder irgendetwas kommt. So konnte sich das Projekt über die Jahre allmählich entwickeln.
Ungefähr ab dem Jahr 2009, 2010 war zu bemerken, dass sich in diesem musikalischen Bereich auch andere Projekte und Labels gründeten, deren Sound in eine ähnliche Richtung ging. Diese Szene hat dann immer mehr Fahrt aufgenommen und Musik hervorgebracht, die man selbst wieder kaufen und hören wollte. Und heute sind wir meiner Wahrnehmung nach in einer Situation, in der diese Form von Techno-Musik zwar noch keinen Hype ausgelöst hat, aber zumindest wieder auf eine breitere Akzeptanz und auch auf Assimilation stößt.
Jonas:
Die Kollegen der Wiener Festwochen beschreiben dich als einen Künstler, der „seit gut zehn Jahren als einer der absoluten Erneuerer der lokalen Technoschule gesehen werden“ kann. In diesem Zusammenhang wirkt der Name Ancient Methods, den man etwa mit „altertümliche Praktiken“ übersetzen könnte, wie ein absoluter Gegensatz – der durch deine mit Kupferstichen gestalteten Platten-Artworks noch verstärkt wird. Wo verortest du dich selbst? Bist du Erneuerer oder Konservator?
Jeder, der denkt, seine Musik sei irgendwie objektiv neu, hat vermutlich noch nicht genug andere Musik gehört in seinem Leben.
Micha:
Das ist eine reine Geschmacksfrage – der eine sieht das so und der andere ganz anders. Ich selbst denke darüber aber gar nicht nach. Ich mache einfach das, was ich gut finde. Ob das dann wirklich neu ist – so eine Selbstwahrnehmung wäre mir zu narzisstisch. Musik macht man ja nicht, um etwas absolut Neues zu erschaffen. Das ist kein wirklich naheliegender Ansatz.
Ohnehin hat jeder, der denkt, seine Musik sei irgendwie objektiv neu, vermutlich noch nicht genug andere Musik gehört in seinem Leben. Egal worauf man zurückgreift: Spätestens wenn man im Internet recherchiert, erfährt man, dass alles schon mal da war und es alles bereits in ähnlicher oder sehr ähnlicher Weise gegeben hat. Zwar entstehen immer wieder mal neue musikalische Kombinationen, die einen gewissen neuheitlichen Charakter haben, letztendlich wirkt das alles aber nur subjektiv neu. In der Musik ist seit Jahren, seit Jahrzehnten nichts tatsächlich Neues mehr erschaffen worden. Daher wäre es auch verrückt oder müsste in Ernüchterung enden, sich mit dem Anspruch eines Erneuerers an seine Geräte zu setzen.
Jonas:
Im Hintergrund läuft gerade Elvis Presley – diese Musik wurde mal als eine Revolution empfunden, weil sie etwas absolut Neues war.
Micha:
Ja, wie Techno im Jahr 1991. Aber Techno war auch die letzte große musikalische Revolution – oder besser gesagt elektronische Musik allgemein, ich will das gar nicht auf Techno herunterbrechen. Ich denke, danach war alles, was an Musik geschaffen wurde, nur noch eine Melange, ein Crossover. Das bedeutet nicht, dass es nicht ständig neue, absolut großartige Musik geben würde. Dieses Attribut der Neuheit, das gerade im Bereich von elektronischer Musik inflationär gebraucht wird, ist ja auch keinesfalls ein Garant für musikalische Qualität – vielmehr finde ich, dass dies im Bereich der Musik schlicht irrelevant ist.
Jonas:
Ist die Art und Weise, wie heute die Menschen im Club auf Techno reagieren, eine andere als Anfang der 90er, als diese Musik noch etwas absolut Neues war?
Die Mechanismen, wie Techno-Musik auf Menschen wirkt, sind immer noch dieselben wie vor 25 Jahren: Erst gibt’s den Break, dann setzt wieder die gerade Bassdrum mit der offenen Hi-Hat ein und alle drehen plötzlich durch.
Micha:
Ganz allgemein hat sich für meine Begriffe kaum verändert, wie die Leute zu Techno feiern. Die Mechanismen, wie diese Musik auf Menschen wirkt, sind auch immer noch dieselben wie vor 25 Jahren: Erst gibt’s den Break, dann setzt wieder die gerade Bassdrum mit der offenen Hi-Hat ein und alle drehen plötzlich durch.
Auch wenn sich das gerade so negativ anhört, will ich das gar nicht schlecht machen: Diese supersimple Formel scheint immer noch genauso zu funktionieren wie Anfang der 90er: Bass raus, Bass rein – das ist eines der Kernelemente. Techno funktioniert schlicht und einfach über die Physis.
Zu meiner eigenen Musik kann ich sagen: Als ich mit Ancient Methods gestartet bin, habe ich immer vor einem sehr speziellen, kleinen Publikum gespielt. Die Leute wussten genau, was sie erwartet – Irritationen gab’s da relativ selten. Glücklicherweise ist es auch heute noch so, dass ich so gut wie nie auf Partys spiele, wo die Leute mit dem Sound absolut gar nichts anzufangen wissen. Meistens schauen sich die Promoter der Party vorher auch ganz genau an, was der betreffende Künstler macht und ob das passt. Gerade habe ich beispielsweise auf einem Festival in Saint-Étienne bei Lyon gespielt, das war ziemlich crossover-mäßig. Es gab viele Post Punk-Bands, EBM-Artists und Techno-Leute – also genau der Querschnitt, den ich auch persönlich sehr mag. Wer eine solche Veranstaltung besucht, trifft eine sehr bewusste Entscheidung und weiß ziemlich genau, was er bekommt. Dass dort jemand eher zufällig landet, passiert wirklich selten.
Jonas:
Wie entsteht bei dir ein Track? Wie fängst du an?
Micha:
Meistens wächst in meinem Kopf eine sehr konkrete Idee heran, die ich dann – mit meinen begrenzten musikalischen und technischen Fähigkeiten – versuche umzusetzen. Das ist auch der Grund, warum ich nicht der Allerschnellste im Produzieren bin. Bis ein Track bei mir fertig ist, dauert es wirklich lange. Aber wenn ich einmal eine konkrete Idee vor Augen habe, will ich absolut nichts anderes machen und daher experimentiere ich auch nicht sehr viel herum.
In der Techno-Welt gibt es sicher auch viele Künstler, die einen anderen Ansatz wählen und sich mehr von den Maschinen inspirieren lassen. Sie lassen ihre Geräte so lange laufen, bis sie etwas haben, das ihnen gefällt. Bei mir ist das eher nicht so. Ich will mich nicht von den Maschinen treiben lassen, sondern von meinen Ideen. Aber um diese Ideen umzusetzen, habe ich mit diesen Maschinen einen musikalischen Werkzeugkasten, auf den ich immer wieder zurückgreifen kann.
Jonas:
Hast du für dich einen Kompass, wo du mit deiner Musik hinwillst? Oder gibt es diese eine, große Idee gar nicht?
Micha:
Außerhalb des rein Musikalischen habe ich überhaupt kein Konzept, in dem ich festgelegt habe, wann ich was erreicht haben will. Dafür habe ich aber immer sehr viele musikalische Bilder im Kopf, die alle schon recht greifbar sind. Diese Bilder verlassen mich nicht, auch nicht, wenn ich eine Nacht darüber schlafe. Nur leider ist es manchmal für mich sehr schwierig, meine Bilder in Musik zu transformieren. Klar, einzelne Ideen oder Melodien hat man natürlich schnell mal niedergeschrieben. Aber in meinem Kopf gibt es mehr oder weniger komplette, relativ konkrete Song-Ideen, die ich seit gut zwei Jahren mit mir herumtrage und die meinen Kopf noch nie verlassen haben.
Es gibt da sogar Ideen, die musikalisch ganz anders sind als das, was ich zur Zeit mache – ich würde damit das Feld des klassischen Techno komplett verlassen. Ich habe den großen Wunsch, auch diese Ideen mal umzusetzen, allerdings weiß ich einfach nicht wann – die größte Restriktion, mit der ich zu kämpfen habe, ist die fehlende Zeit.
Jonas:
Aber du hast ja noch ein ganzes Leben vor dir.
Micha: (lächelt)
Hm, naja. Der Countdown tickt zwar schon, aber ja – ein bisschen Zeit ist noch.
Jonas:
Du hast eben den Moment im Club angesprochen, in dem alle Leute durchdrehen und in Ekstase verfallen. Derartige Reaktionen des Publikums gab es in der Geschichte der Musik immer wieder, insbesondere wenn es plötzlich etwas zu hören und zu sehen gab, das die Welt vorher nicht kannte – beispielsweise bei Elvis Presley, über den wir bereits gesprochen haben, oder den Beatles. Gibt es für dich selbst außerhalb des Techno bestimmte Genres oder Bands, die bei dir ähnlich starke Emotionen auslösen?
Ekstase beschreibt einen Zustand, in dem man über eine vollkommen ungeteilte Achtsamkeit verfügt. In unserer heutigen Zeit, in der man am laufenden Band Links um die Ohren gehauen bekommt, ist es sehr schwierig, Musik mit ungeteilter Achtsamkeit zu hören.
Micha:
Das kommt darauf an, was man genau unter Ekstase versteht. Ekstase ist für mich in erster Linie etwas Körperliches. Bei mir ist das allerdings weniger stark ausgeprägt – zumindest was die Musik angeht. Oder um es einfacher zu sagen: Ich bin nicht so der Tänzer. (Micha lächelt)
Daneben hat Ekstase für mich aber auch einen sehr starken aktiv-meditativen Aspekt und beschreibt einen Zustand, in dem man über eine vollkommen ungeteilte Achtsamkeit verfügt. In unserer heutigen Zeit, in der man am laufenden Band Links um die Ohren gehauen bekommt, ist es sehr schwierig, Musik mit ungeteilter Achtsamkeit zu hören. Es gibt auch relativ wenig Musik, die die Sogkraft hat, einen aus seinem täglichen Information Overload herauszuziehen. Aber es gibt diese Musik! Auch für mich persönlich – und auch außerhalb des Techno. Es gibt Stücke, die ich schon hundertmal oder tausendmal gehört habe und bei denen ich immer noch Gänsehaut bekomme, wenn ich sie höre.
Die dafür absolut prädestinierteste Band ist meiner Meinung nach Dead Can Dance. Diese Band ist für mich eine Institution, die gottgleich über allem anderen steht, was man als Musik bezeichnen kann. Dead Can Dance spielt mit vielen traditionellen Elementen und kombiniert sie auf völlig neue Art und Weise. Daraus entsteht eine unglaubliche Musikalität, die an der einen Stelle auf sehr simplen Formeln basieren kann und an der anderen Stelle äußerst anspruchsvolle Kompositionen und raffinierte Arrangements beinhaltet. Auch wenn es abgedroschen klingt: Immer wenn ich diese Band höre, erlebe ich aufs Neue, wie ich alles um mich herum vergesse und in den Bann der Achtsamkeit hineingezogen werde.
Jonas:
Auf deiner Website findet sich nur ein einziger Satz: „Music will tear down walls.“ Das ist ein wunderschöner, aber auch hoch gesteckter Anspruch an sich selbst. Wie lange begleitet dich dieser Satz schon?
Micha:
In Deutschland gab es leider ein sehr ausgeprägtes Genre- und Szenendenken, das die musikalischen Stile stark voneinander separiert haben. Vor allem in der Techno-Welt fand man immer schon Leute, die nichts voneinander wussten oder wissen wollten, weil sie sich teilweise auch nicht mochten. Das fand ich immer ein bisschen schade. So ist Ancient Methods damals auch mit der Idee entstanden, Brücken zu schlagen, Grenzen von Subkulturen zu überwinden und bestimmte musikalische Welten miteinander zu verbinden, die stark voneinander separiert waren – und in manchen Köpfen immer noch separiert sind. So wie ich das wahrnehme, ist diese Entwicklung gerade in vollem Gange, nicht nur bei meiner Musik.
Jonas:
Jetzt könnte man scherzhaft sagen, dass auch David Hasselhoff fest davon ausgeht, dass er mit seiner Musik die Mauer niedergesungen hat. Aber Spaß beiseite: Glaubst du, dass Musik – und insbesondere Techno – irgendeinen Anteil daran hat, dass es den 9. November 1989 geben konnte?
Ich kann ich sehr gut nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn man sich nach Musik sehnt, die einfach nicht verfügbar ist. Aus dieser Sehnsucht heraus kann ein enormer Antrieb entstehen, der auch in der Lage ist, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Micha:
Ich bin zu nüchtern eingestellt, um dieser Annahme zu folgen, zumal die Techno-Bewegung in Deutschland und speziell in Berlin erst nach dem Mauerfall ins Rollen kam. Damals war es einfach eine glückliche Fügung, dass dieses Stück Anarchie, das in Ost-Berlin und der Noch-DDR für ein, zwei Jahre existierte, einen optimalen Nährboden bereitet hat, auf dem sich die Techno-Musik entwickeln konnte.
Generell glaube ich aber schon, dass Musik immer ein gewisser Antrieb für Veränderung sein kann. Mit Blick auf die Wendezeit kann ich mir auch gut vorstellen, dass es bestimmte Leute gab, für die es die größte Motivation war, mit ihrer Musik etwas anderes anzustoßen. Wenn ich mich in deren damalige Lage versetze, kann ich sehr gut nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn man sich nach Musik sehnt, die einfach nicht verfügbar ist – egal ob man sie selbst machen oder nur konsumieren will. Aus dieser Sehnsucht heraus kann ein enormer Antrieb entstehen, der auch in der Lage ist, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Musik ist einfach eine unglaublich starke Kraft.
Heutzutage ist Musik viel einfacher verfügbar. Aber gerade in Situationen des Mangels oder der Verwehrung erwächst eine besondere Motivation, etwas zu verändern. Das ist durchaus auch materialistisch gemeint, da Musikkonsum am Ende auch Konsum, also etwas Materialistisches ist. Nur dass diese Konsumart neben allen anderen vielleicht die schönste ist – und die, die am meisten motivieren kann.
Jonas:
Man hat das Gefühl, dass im zurückliegenden Jahr 2017 vielmehr darüber nachgedacht wurde, neue Mauern und Zäune zu errichten, als darüber, wie man bestehende Grenzen und Barrieren entfernen kann – siehe beispielweise die USA oder Ungarn. Die einen versuchen sich abschotten, die anderen versuchen andere auszusperren. Wie behältst du in diesen Zeiten deinen Optimismus?
Micha:
Mein Optimismus bezieht sich hauptsächlich auf den musikalischen Mikrokosmos, in dem ich mich bewege, und lässt sich leider nicht so einfach auf den Rest der Welt übertragen. Wenn man sich beispielweise die humanitäre Situation in vielen Gegenden der Welt anschaut, gibt es eher keinen Grund zum Optimismus. Und gerade die Leute, die vor Elend und Krieg fliehen und die Mauern Europas überwinden wollen, haben sicherlich andere Sorgen, als sich um Musik zu kümmern. Da geht es um viel existenziellere Fragen. An dieser Stelle ist Musik sicherlich nicht der treibende Faktor oder hat keine so starke Wirkung, wie es zur Zeit der Wende in Berlin der Fall war.
Jonas:
In Deutschland wurde in den letzten Jahren Musikern aus den unterschiedlichsten Genres immer wieder vorgeworfen, keine Position zu beziehen. Findest du, dass Musik den Anspruch haben muss, politisch zu sein? Ich muss in dem Zusammenhang an deinen Track „A German Love“ denken, der für mich durchaus eine politische Komponente hat.
Je mehr ich sehe, was in der Welt passiert, und je mehr ich feststellen muss, dass Humanismus und Zwischenmenschlichkeit sukzessive von politischer Dogmatik ersetzt werden, desto mehr bin ich von Politik angewidert.
Micha:
Mit dem Politischen wäre ich sehr vorsichtig. „A German Love“ ist ja das Cut-up eines ursprünglich zusammenhängenden Textes, der durch die Schnitt-Technik rekontextualisiert wurde. Natürlich findet man dadurch bestimmte geschichtsbezogene Referenzen. Aber wie man das interpretieren möchte, liegt immer in der individuellen Wahrnehmung der Person, die den Track hört – als Musiker hat man es auch nur bedingt in der Hand, das zu steuern. Ich selbst hatte jedenfalls nicht die Intention, mit diesem Stück irgendwie politisch zu sein oder eine politische Message zu verbreiten.
Ob man seiner Musik diese zusätzliche Komponente geben will, muss jeder Künstler für sich selbst entscheiden. Ich selbst habe diese Absicht jedenfalls definitiv nicht und muss es für meine Musik ablehnen, irgendeine Art von politischer Aussage treffen zu wollen. Ich verstehe mich als einen politisch sehr interessierten Menschen – allerdings mit einer antipolitischen Haltung, soweit das praktisch möglich ist: Je mehr ich sehe, was in der Welt passiert, und je mehr ich feststellen muss, dass Humanismus und Zwischenmenschlichkeit sukzessive von politischer Dogmatik, gleich welcher Färbung, ersetzt werden, desto mehr bin ich von Politik angewidert.
Jonas:
Ist es nicht grundsätzlich schwieriger, sich mit seiner Musik inhaltlich zu positionieren, wenn man sich – wie bei Techno – in einem Genre bewegt, das größtenteils auf Sprache verzichtet?
Micha:
Sich zu positionieren ist ein Ausdruck der Persönlichkeit – dafür gibt es auch plakative Ansätze, wie man immer häufiger beobachten kann. Wenn man politisch ist und das in seiner Musik äußern will, findet man ganz sicher Wege, diese persönliche Komponente zu transportieren, auch im Techno.
Wir haben bereits darüber gesprochen, dass Musik eine unglaubliche Kraft entfalten kann. Und diese Kraft kann wiederum eine unglaubliche Wirkung auf andere erzeugen. Mit der Kreation geht also eine gewisse Verantwortung einher. Wie man mit dieser Verantwortung umgeht, muss jeder Künstler für sich selbst entscheiden. Am Ende des Tages hat man es aber vermutlich nur bedingt in der Hand, wie Musik wahrgenommen wird. Das liegt ganz alleine an den Menschen, die sie hören.
Music will tear down walls.
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Sion Hill
Interview — Sion Hill
Honest Music, Honest Drinking
During a wild night with Irish singer Nathan D. Hollingsworth Johnston, we found out about the roots of his sexy sound and to which song he used to make out in high school. Get your Whiskey Sour ready and get ready to know Sion Hill!
27. November 2017 — MYP N° 21 »Ecstasy« — Interview & Text: Katharina Weiß, Photography: Steven Lüdtke
Can you recall the good ol’ days of Rock ’n’ Roll? No? How about the good ol’ days of journalism? No? Join the club; Irish singer Nathan D. Hollingsworth Johnston, currently touring under the name Sion Hill, and I can’t either. Both born in 1994, we’re just too young. But we didn’t let a tiny detail like that stand in our way of spending a day living it up as they did back in those golden eras of popular culture. That included heaps of live guitar music, non-pretentious lyric improvisation, and a fair amount of whiskey—in short: Honest music and honest drinking!
Since you’re already reading this online, take a second to open Spotify or whatever streaming service you fancy and play Sion Hill’s recently released album Elephant. This interview will be a much better read with the proper soundtrack. Drinking a Whiskey Sour at the same time might not be such a bad idea either…
Elephant is a brilliant, spontaneous-sounding piece of solo-male pop with some 60’s elements and carefully used jazz skills—all wrapped in a handsome-but-never-too-slick dandy look. Johnston’s melodies have a very modern twist to them and there is not a single song in which his voice gets buried under autotune effects. It’s a very straightforward style which showcases the wide range of stories he is able to tell with his guitar (and sometimes on the piano, too!). The sexy, drum-driven intro song Nothing’s Wrong with Loving You might as well be called Nothing’s Wrong with Listening to Sion Hill; the ballad All I Need is You will make you want to call your ex; and when he brings up the song Storm, you’ll be dying to drink a very dirty Martini while doing very dirty things with James Bond. And that’s just the debut album. If you search the internet, you will find an even wider array of tracks, most of them filmed live in a bar or on some street. In a song called Go On And Get It For Me recorded in a barbershop in Dublin, his tongue is so swift, it almost sounds like rapping.
But the best thing about all of this: Nathan D. Hollingsworth Johnston is able to share these feelings without hours of technical constructions. When we meet him at The Ballery in Schöneberg, it takes barely five minutes for him to start jamming on his guitar with the venue’s host, Otto, accompanying him with some Cuban rhythms on the piano. The Ballery, at Nollendorfplatz, is a space for all the beautiful things in life. Directed by British producer & curator Simon Williams and Cuban art director Otto Oscar Hernandez, it’s program features talks, concerts, and exhibitions from a community of influential Berlin-based artists. Sometimes it is a speak-easy, sometimes there is someone playing Schubert and Chopin – and today it’s the place for a private concert by this hot new Irish act.
After a glass of wine and some more improvisation, Johnston and I finish up at The Ballery and move on to the intimate atmosphere of Reza, a smokers café with vintage interior and illustrious guests. What happened there felt less like conducting an interview and more like getting fashionably drunk with someone who has the wit and gall to fill a whole evening with hilarious anecdotes ranging from tales of Catholic all-boys high schools to touring with Pete Doherty. Get your Whiskey Sour ready and get ready to know Sion Hill!
Katharina:
What is the thing with you and elephants, why did you name your first album after them?
Nathan:
When I lived in Berlin, I often played on the streets under that bridge at Hackescher Markt. There was this homeless Polish guy who came up to listen to me every day. And obviously, he never had anything to give me, so he would give me cans of Carlsberg Elephant. You know that one? 12.5 percent, most disgusting beer you could ever drink. But such a nice gesture. I often wondered: What happened to this guy that he got left in this situation, and why does nobody care about him?
Elephant is about hope, about stepping just a little bit away from the mainstream and all this social media culture. We should become more concerned about what happens in our own life and with the people you meet every day. It sounds so preachy, but it is so true. Here in Berlin, there are many people from different cultures, races, generations, all living in this mixed up place. It’s very easy to get lost in a big city, to be left behind, and so many people lose faith when they don’t achieve what they thought they’d achieve. So they give up and get trapped. There are so many stories no one ever tells. Like the story of this homeless Polish guy who brought me cans of Carlsberg Elephant. He was trying his best, I respected that. But maybe it’s a ridiculous reason to name a record!
Katharina:
I think it’s a perfect reason. When did you write most of the songs for the album?
Nathan:
A while ago. The album was ready in 2015, but there was some trouble with my label and changes in management, and so it took me till August 2017 to release it.
Katharina:
The video for the song Beaches was filmed in New York—the same city where Dorothy Parker celebrated some exhilarating parties with her Vicious Circle in the 1920’s. It was a group of people from all classes and creative aspects who came together to get drunk during Prohibition. Which icons would you invite to your own vicious circle for the perfect party mixture?
There is no good party without some interesting girls. Amy Winehouse has to be there. Maybe I would invite Audrey Hepburn for some class. And Ellen DeGeneres. And wouldn’t it be fun to have Rihanna there as well?
Nathan:
Ok, let’s do the men first…
Katharina:
That’s what they all say. Because there are much more famous men…
Nathan:
No no, you do the men first, cause you gotta leave more room for the ladies! There is no good party without some interesting girls. Let’s start: You have to invite this depressed guy who is hilariously sarcastic and ironic. He is not too loud, but his presence is very strong. And he likes to drink. Ernest Hemingway could do the job. Big man there, drinking a whiskey, talking politics and shit. He was insane, he woke up sipping gin & tonics. I once drank in the bar where he used to hang out. More lads! Jimmy Hendrix and Eric Clapton for the style, and we could have a jam. All I can think about is a party where I would invite the Hollywood Vampires (editor’s note: a US-American rock project formed in 2015 by Alice Cooper, Johnny Depp and Joe Perry). Would be a dirty party. Now the ladies: Amy Winehouse has to be there. I listened to her a lot when I was younger, big influence. Maybe I would invite Audrey Hepburn for some class. And Ellen DeGeneres, I would make sure she brings up some Dory quotes. Now there is a picture on that wall in front of me…
Katharina:
Look at that. Halle Berry!
Nathan:
Yes, look at that! She can come. And wouldn’t it be fun to have Rihanna there as well? What a sick crew. That’s a fair collection now. But there are so many famous faces staring at you in this bar. Look over there, Al Pacino. His eyes, man, it’s like he looks right into your soul. So much talent everywhere. How could you ever choose? Even these days, there are so many young artists. In my opinion, music is one of the few things democracy worked very well for. Think about how cheap it is today to buy a guitar. And anybody can do music today and upload it to the internet. Or you can learn to play an instrument on the internet. I learned some music skills on YouTube as well.
Katharina:
But it’s not just all good for young artists today… What are the disadvantages of these changes in the music industry?
Nathan:
It’s much harder to filter out. In the earlier days, only the very talented people got through and of course, those who were manufactured by the record labels. Today everyone can get some attention, but people lose the overview. And of course, you don’t make any money with records anymore, so musicians rely on touring more than ever before… meaning; traveling more often, which can be difficult in holding down a regular job to pay the rent.
Katharina:
But you don’t have to hide when it comes to playing live. It was so much fun to see you jam with the guys at The Ballery.
Nathan:
To be honest, I never really wanted to be a solo artist, I love to work with bands. Being alone means you have a lot of control, but being in a band is always a more collaborative effort. For me as a musician, it’s so great to have other musicians interpret what you do. It’s hard to describe, but working with a band is a much more organic way to do it, than just working with session musicians and producers. You have people to share the journey with and you get to create the music you want to make, no one tells you how to do it.
Katharina:
If I would share a flat with you, what would be the worst thing about it?
Nathan:
I’ve had lots of flatmates. I get the toilet paper when it’s running out, I think I’m pretty ok. Depends on the bed though, right now I have a really loud bed. And there is a door to my flatmate’s room, we can hear every sound the other one makes. Sometimes he and his girlfriend wake up in the morning and they are chatting bullshit for two hours and then they are fucking for an hour. Like who the fuck gets up at 8 o’clock to have sex?
Katharina:
Damn that morning glory. Next drink?
Nathan:
Another Whiskey Sour, for sure.
Katharina:
Let’s talk about your songs in which you get vocal about more serious topics, going beyond sex, drugs, and rock n’ roll. Take Me Back is about money and war, for example.
Nathan:
It makes you feel bad to use those two terms in one breath, but that’s how the world is. It’s more about getting away from the city, away from the grind to make money, from huge TVs and mirrors.
Katharina:
For you, what are the biggest injustices in the world?
Nathan:
I am pretty bothered by the right-wing movements that are happening at the moment. In Ireland, everything is pretty much center-left or center-right. Coming to Germany, it was so interesting to see how wide the gap between both sides is here in comparison to Ireland. But then you have things like the G20. The way that protests happened just pissed me off. You have people cheering and filming burning cars with their iPhones in their brand new Nike Air Max. What’s the point in setting a Volkswagen on fire? Then the company is just getting to sell a new one then. The protesters want change but don’t provide an alternative to all the open questions our society has to ask. That’s not changing anything.
Katharina:
How grown up do you feel?
Nathan:
Not at all. I don’t know what I’m up to. I’m getting it wrong every day.
Katharina:
I sometimes have this feeling of, “oh god, just let me go back to mummy.” Do you get that too?
Nathan:
Not so much, but I’m lacking stability. And a place where everything is calm and you just sit on the couch and not have any worries for two weeks. I suppose that’s what holidays are for.
You can tell so much when you look for a long time into someone’s eyes, you can kinda tell if someone is a bad person. You can see if they hide things.
Katharina:
When you want to think about something beautiful, what do you think about?
Nathan:
Eyes. I tend to be really bad with eye contact because I get distracted very easily. But you can tell so much when you look for a long time into someone’s eyes, you can kinda tell if someone is a bad person. You can see if they hide things. If you can see someone’s true side, when you stare in long enough, I think that’s true beauty… also: Nature.
Katharina:
That one’s cheesy.
Nathan:
No, just think about it. Putting flowers in a room totally changes the room, imagine there here would be some flowers here.
Katharina:
What’s your favorite flower?
Nathan:
Haha, I have no idea about the names of flowers, but most of them look good. Orchids. Roses. Lilies are great, they smell good. A sunflower in the window of my grandmother’s kitchen. And her dog sitting under it, next to his bowl of water, gazing deeply at the press (editor’s note: Irish for cupboard) where he knows she hides his food. That’s beauty, a sense of comforting, a sense of feeling like home. You’re completely another self when you can feel at home somewhere and especially with somebody, looking into their eyes…
Katharina:
It must be important for someone who travels so much to find comfort with many people for short periods of time. Speaking of home, what made you come to Germany, to Berlin in the first place?
Nathan:
I came here by chance in 2015 because my label is based in Germany. But during that time I traveled and played a lot basically everywhere from Hamburg to Havana. But I remember one of the first crazy nights in Berlin, I was out with a friend and we got to a place called Damensalon. They have that drink called Basel Smash.
Katharina:
Sounds deadly.
Nathan:
It is! We could go there if you want.
Katharina:
Definitely…
Nathan:
Stop! No, no! Not good! I’m not happy. I have to sort my shit out. I’m going crazy every day. Every fucking day I want to stick to my plan, but instead, I go to my business appointments and go out with people to the pub afterwards. And then I stay in the pub for five hours. And then I can’t drive again and I’m stuck in someplace.
Katharina:
The hard life of a Rock ‘n’ Roller. Aaaaand here comes our next Whiskey Sour. Which songs are currently on top of your playlist?
Nathan:
Peter Frampton, a song called Do You Feel Like You Do.
It’s hard to be young in this world. If you always try to step up to something that you’re not, it can lead to huge lack of self-belief.
Katharina:
I read in many YouTube comments that you played at a lot of high schools.
Nathan:
Yes, in the U.K. That was weird and great at the same time. I gave talks about confidence and being a musician. It’s hard to be young in this world. I see it with my younger sister. She is coming home and looking at her Instagram watching all these beautiful women and she’s saying, “I will never look like that.” If you always try to step up to something that you’re not, it can lead to huge lack of self-belief and sadly in a lot of cases with young kids and teenagers it can lead to depression.
Katharina:
I’ve met some of these Influencer women, and I think it’s cool that they started their own business and are so independent as self-made-woman. But you don’t go to bars with them. You go to a smoothie bar where they will have a water with lime. To look like that, your lifestyle has to be so defined by fitness and food. And when I read the comments from 15-year-old girls, “I want to live like you” and so on. Then I just think: No. You should dance all night long and make out with other 15-year-old boys who have some baby fat left. And you should create memories, go crazy, and fucking live a big life.
Nathan:
Absolutely. That’s what I tried to talk to these kids about. How can you fulfill your dreams? How can you develop the confidence to ignore bullies and those who put you down and do what you really want to do? I played many songs for them, so they really opened up. I was very open about my story, and so I got them to talk back, that was great.
When we all come back and meet each other again, you come to think so much about each other’s lives and about the people you left behind.
Katharina:
Is there a person that particularly inspired many of your songs?
Nathan:
Yes, my mates from home, my school friends. It’s a pretty great group of lads, they are hilarious. By now everyone is just finishing university and moving abroad, changing cities and countries. When we all come back and meet each other again, you come to think so much about each other’s lives and about the people you left behind. You know this feeling of asking yourself: What are all the lads I hung around with when I was 15 doing right now?
Katharina:
What were you like when you were 15?
Nathan:
Playing guitar! Also, I remember: I was always normal sized, but with 13, everybody got tall and to me, that didn’t happen until much later. In Ireland, rugby is a pretty big sport. Rugby and Gaelic football. To do that you have to be of a somewhat decent size, so it was fucking hard for me, I always got absolutely destroyed.
Katharina:
So instead you played the guitar to get the girls… Did you go to a Catholic all-boys school near Dublin?
Nathan:
Mhmm…
Katharina:
Nothing to be ashamed of. I went to a Catholic all-girls school myself, in the southern Bavaria we have many of them.
Nathan:
Wow, how was that?
Katharina:
Pretty enjoyable. I can’t compare with mixed school obviously. But the boys from the state schools loved our parties—100 percent girls just waiting.
Nathan:
We had these so-called socials. The girls would all come to our school or we would come to their school. We were around 17, 18 years old. At these socials, we would drink beer and wine. And we would have a dance. Like boogie and some twerking. It was basically just an excuse to kiss on the dance floor. In Ireland, we call that shifting. Girls and lads, shifting on the dance floor, doing a slow number.
Katharina:
Do you remember a particular song you made out with girls too?
Nathan:
Yes, this one (starts singing): “Keep bleeding/Keep, keep bleeding love/You cut me open”.
Katharina:
That’s Leona Lewis, Bleeding Love!
Nathan:
Yeah that one, it was always that one. So cheesy.
Katharina:
That was the moment when the girls were ready. My one was Teenage Dream from Katy Perry…
Nathan:
Wow, that’s a fast song. Some aggressive kissing going on there. Eating the faces of each other, that’s what it was as well. Did you know that nightclubs in Ireland play the Irish anthem at the end? I hate it. When the anthem comes on, everybody has to leave. There is this place in Dublin called Coppers which is the last resort because it has a license to be open till 3 or 4 am. There are so many nurses and Irish policemen trying to get it on in the end of the night, it’s fucking weird.
So many people telling you so many great things. But then, you go back to your hotel room, and you’re on your own. And this awful feeling comes over you. Like a blanket of fear.
Katharina:
There is a strange fantasy going on in my mind right now… Speaking of romantic shenanigans, do you prefer to love or to be loved?
Nathan:
I prefer to love other people. Too much adoration and love, and I get fucked up. I can’t deal with it and I get annoyed. That’s hard as a performer, especially after a gig when everybody is coming up to take photos and give me compliments. So many people telling you so many great things. But then, you go back to your hotel room, and you’re on your own. And this awful feeling comes over you. Like a blanket of fear. You start questioning yourself. Am I good enough, do I deserve that adoration? Or am I a fraud?
Katharina:
After every success, I achieved I always thought: when is everybody finding out that I am not actually brilliant at anything. I feel that for creative people it’s especially hard to get the balance.
Nathan:
Of course many can’t handle it well. On the one hand, I love to be loved, everybody does. But I love to give love more than anything. That’s part of why I perform. I remember the second concert I was ever at: I saw Glen Hansard, it was The Frames playing. I had shivers down my spine and the hairs stood up on my arm for two hours after the concert. And all I could think about was: I have to give this feeling back to people. But also in a sexual sense, I love to give love to other people.
Katharina:
What’s the worst thing about being in a relationship with you?
Nathan:
I’m super moody. And I always get in fights with other lads on nights out.
Katharina:
Would you consider yourself old-fashioned?
Nathan:
We should have ordered an Old Fashioned instead of a Whiskey Sour, shouldn’t we? (Editor’s note: We later did.) I think I am old-fashioned. But what does that mean? Are you old-fashioned? You dress like it!
Katharina:
I know I am. And yes, I do wear a lot of vintage clothes even though I dress differently for every occasion. But it would have looked so awkward if I would have stood there next to you on the piano in a Berghain outfit. Which kinds of aesthetics do you like in fashion?
Nathan:
Maybe I am slightly old-fashioned… In my opinion, at the end of the day, a man looks best in a three-piece suit and a woman looks best in a dress.
The rest of the night was drowned in hilarious tales of pub fights, spontaneous singing sessions, and Jägermeister. If you want to learn more about the daily and nightly adventures of Nathan D. Hollingsworth Johnston (alias Sion Hill), you should follow him on Instagram and check out his YouTube channel.
The Drums
Interview — The Drums
Kissing Keon
Eight years ago today, The Drums played their very first concert in Los Angeles. On the same day, they met photo artist and designer Hedi Slimane who portrayed the band for his legendary “Rock Diary”. We had the opportunity to talk with Jonny Pierce about the intimate moments that Hedi Slimane caught with his camera—and found out why Jonny felt like he wouldn’t be enough back then.
16. November 2017 — MYP N° 21 »Ecstasy« — Interview: Jonas Meyer, Photography: Maximilian König
About eight years ago, Hedi Slimane declared his love in an extraordinary and rare way. The renowned fashion designer and photographer not only created a special “I love The Drums” graphic for a band that had only just formed a few months ago. He also published the first of three black-and-white editorials on his blog Rock Diary. The images depict the four band members just a few hours after their very first performance in California—somewhere in a hotel room in Los Angeles on the evening of 16th November 2009.
Obviously, there are quite a few band editorials out there. Heaps in fact. What turns Hedi Slimane’s images of Jonny Pierce, Jacob Graham, Coono Hanwick and Adam Kessler (The Drums original members back then) into a true declaration of love is the melancholic silence, the intimacy and the power they exude. To this day.
We meet up with Jonny Pierce, the creative epitome of The Drums, at the Lido club in Berlin. Berlin—another one of Hedi Slimane’s loves, but that is a topic of its own. Jonny is wearing a blue overall with a logo on the back that reminds one of “IKEA”. In fact, the logo belongs to KIEV, an underground Ukrainian fashion label that is operated anonymously. With its slogan “Love Your Homo” the brand has been supporting LGBTI rights and Jonny tells us he wore this very same overall at The Drum’s concert in Moscow the night before.
Jonny has experienced a lot since the band formed in 2008 and basically has enjoyed all the successes the indie music world has to offer. However, he has also had to endure Adam, Connor, and eventually his co-founder Jacob, leaving the band.
You could say he’s alone now. But he isn’t. Then aside from filling the vacant positions with new and talented musicians, who he is touring the world with at the moment, promoting his new record “Abysmal Thoughts”, Jonny has a new partner at his side—Keon. Keon, and the relationship that Jonny and he have been sharing for almost a year, have given Jonny new hope, strength and courage, especially after having come out of a failed marriage. Keon is also pictured on the cover of The Drums’ new record. And one has to ask; could this also be a love declaration of some sorts?
Jonas:
I have to confess—the very first time I got in contact with The Drums many years ago it didn’t happen by listening to your music. I came across the photo-editorials about your band taken by world-famous designer and photo artist Hedi Slimane for his blog called “Rock Diary”. How and where did you guys meet back then? What was the idea behind that very extensive and close collaboration?
Back then, the band was very intersexual... we were always kissing each other, whether we were gay or straight. It didn’t matter, we were all in love with the gang that we had.
Jonny:
I was in Los Angeles, The Drums were playing their first show ever in L.A., it was in 2009 I think. The World was just discovering The Drums and we were driving towards this placed called “Spaceland”, an alternative rock/indie rock nightclub in the Silver Lake neighborhood, for soundcheck. They got a call from my friend Jacob who was a writer in L.A. and who happened to be friends with Hedi. He said: “Hey, my friend Hedi wants to come and shoot you guys during your soundcheck today.” I didn’t know who Hedi was—I didn’t follow the world of fashion, I followed music. Hedi came to the soundcheck and started snapping photos. He just really fell in love, and we kind of fell in love with him, too.
We shut our soundcheck, and on his way to the door, he said: “You know, I’ve got full plans, but I canceled everything. I have to come see you play.” So he came back to the actual show and went backstage. Afterwards, we all just hung out for a long time and he followed us back to our hotel—we were staying at this shitty little hotel. Hedi started taking photos of us laying on the beds together. Back then, the band was very intersexual… (laughs) like we were always kissing each other, whether we were gay or straight. It didn’t matter, we were all in love with the gang that we had. So we were just all laying on top of each other being very tender. Hedi loved that moment and held it with his camera.
We had done a bunch of photo shoots, so we thought this is just another one and Hedi is just another photo artist. But then he made this graphic that said “I love The Drums”, an American flag graphic that was custom-made for his blog. At first, we just started kidding like “These fashion people, they are calling and everyone is going crazy.” But then, our record and band became bigger and bigger and in all the fashion capitals, they suddenly wanted to pick us up for photos. So really it was a good source of encouragement and became very, very different. Every time we are in L.A., we hang out in his house or go on holiday together. He has become a very loyal friend and somebody that is just always so encouraging. Normally this business is a sick cold world where people come in and out and try to take what they can from you. Once they feel like they can’t get more, they disappear. But Hedi is a stable friend.
Everyone says that he hates labels—but everyone also wants to be labeled. People want you to understand who they are, I understand that. But I also like the very blurry, dream-like moments. Unfortunately, it’s mostly gone today.
Jonas:
After seven years and seen from a today’s perspective, what do these photos mean to you? What do they say?
Jonny:
When I see them, I appreciate the really delicate and kind of more sensitive moments of being in a band—especially the photos where we were like holding hands or being intimate, it’s very sensual. It was just a moment when we decided to let it happen. Hedi didn’t have this plan and we didn’t talk about it, it just happened. That’s something that couldn’t happen now—and that couldn’t happen even a week after. I appreciate that and am very grateful that there was that small little window of openness, sensitivity, and living within the nuances of life. Now everything seems so black and white sometimes like “Oh I’m straight”, “I’m gay” or this or that. Everyone says that he hates labels—but everyone also wants to be labeled. People want you to understand who they are, I understand that. But I also like the very blurry, dream-like moments. Unfortunately, it’s mostly gone today.
Jonas:
Do you miss these moments of familiarity and intimacy that the photos express?
Jonny:
Of course! Since these moments are so rare in life. I would say 99.9 percent of the people will never have an experience like that. And 99.9 percent of the bands will never have an experience like that—even if they are all gay (laughs). That was a moment when we all dropped our egos and just loved each other. It’s the rarest the world has. There was a level of innocence, intimacy, and naivety—all kind of pushed together, that was The Drums in that moment. Hedi captured the most profound, unique and special moments I think I’ve had in the history of The Drums.
I don’t look at family in a blood-relation term sort of way. It’s wonderful when that happens, but I don’t think a lot of people get that lucky.
Jonas:
The photos look like a family coming together—the word “family” has a very special meaning to you, am I right?
Jonny:
Hell, yeah! Good and bad (laughs). It depends on what kind of family you’re talking about: About my biological family—I don’t have the most wonderful thoughts about it. Or about my chosen family—people who I have decided to let into my life. I don’t look at family in a blood-relation term sort of way. It’s wonderful when that happens, but I don’t think a lot of people get that lucky. Family is really complex, we are born with this sort of stigma about parents that they have all the answers and they are wise because they’re older. If there’s anything I have learned, getting older doesn’t mean having all the answers. We’re still little kids, we’re still afraid of dying, we all get jealous. And when you stop being afraid of something, you start being afraid of something else. We’re all just trying to get through life.
Jonas:
Being afraid, maybe the most human emotion.
Jonny:
Yes. And desire, wanting love. People just want love and want to feel accepted. I didn’t get that with my family, mainly because I’m gay. So I really look at my heart—and I think our heart is like a house. It has so many rooms, there’s like a kitchen, a living room, a basement, a master bedroom, a smoke room, an attic and a little garage on the side. People go into those rooms and you only have so much space. Most of my life, I was reserving the master suite for my parents like “Oh they’re gonna one day accept me!” or “No, you can’t come into my life because I’m holding space for them!”
It happened very recently that I decided to unlock that door and open it up—and amazing people rushed in. Now the house is full of love. I don’t want for more, I’m ok. It’s a beautiful lesson for me to just forget about this. But anyhow, it’s hard because the relation to your parents is the most primary relationship in life.
At the end of the day, we all are raw animals that are heartwired and attached to a biological mother and a biological father. But simultaneously we are an elevated species. We can reasonably think and we can rise above the primal instincts—that’s what makes us human. And we can choose. It feels good in a primal sense to be hugging my mother even though she doesn’t love me. It feels good that I can elevate my mind and honor that I’m human which enables me to make a choice for something that is actually correct.
Jonas:
I’m sure your boyfriend Keon has conquered most of the rooms in your heart…
Jonny (laughs):
Haha, he owns the whole house.
Jonas:
Is Keon the highest level of family you’ve ever reached in your life?
Jonny:
He is certainly someone that I would call family. I’ve been dating him for a year, he is the most important person on the planet. He’s a soulmate for me. It’s a very beautiful relationship for many reasons. An important reason is that he was Mormon when I first met him. He was still wearing his undergarments, he had never had sex, and he never had a coffee, tea, soda, or something like that. He and I met at a little sucky bar in New York. When we started talking, he revealed to me that he was Mormon. It peaked my interest: Outside of him just being sexually attractive, I felt like “Here’s somebody that is amazing, so I can actually help because I’ve been through this—detaching proper religion when you’re so deep in it.”
Keon has been a great support to me, too. It’s rare to find someone who has gone through something so similar. I mean, you meet a lot of people that say: “Oh, my parents are religious, too.” In most cases, that type of religiousness means going to church every Christmas. I don’t think these people understand the kind of experience Keon and I made. Our parents are religious in a very extreme way—with the tiny difference that his parents were extreme and loving, mine were extreme and not loving. Nonetheless, there is so much overlapping that I can share with him when I’m super sad. When I talk to him, he gets it.
By the way, Keon actually did his two-year-mission as a young Mormon in Germany. He was living in Berlin and in Hamburg, so he speaks fluent German.
Jonas:
The cover of your latest record “Abysmal Thoughts” shows a photo of Keon sniffing a shoe, so he must have influenced you in a certain way. Would this record sound different without him being in your life?
Jonny:
No, because I met him when my record was pretty much done.
Jonas:
But the artwork would have been very different.
Jonny (laughs):
Hahaha, yes!
Jonas:
You created a major part of “Abysmal Thoughts” in Los Angeles. Is this place responsible for the wicked title of your record?
Something important that I’ve learned from L.A. is that I need clouds and rain in my life. I grew up in Upstate New York, so I need seasons.
Jonny:
Los Angeles is kind of a dark place for me. I went through a divorce there, I got really deep into drugs. I’m not generally anti-drug, but I am anti-drug when it comes to the point where I let it take over my life and let it shrink to numbing a lot of pain.
I had a really dark year and a half in L.A. and simultaneously, the sun never stopped shining. You lose your sense of time because every day looks the same. So something important that I’ve learned from L.A. is that I need clouds and rain in my life. I grew up in Upstate New York, so I need seasons—like in Berlin.
Jonas:
Berlin, the city of sin.
Jonny (laughs):
Yeah, we’re getting in trouble already.
Jonas:
In the last decade, you created a lot of songs that by now, have reached millions of people and have let them dance. Some of them have become regular classics and let your fans ecstatically flip out. What are the moments in your life that make you ecstatic personally?
Dating Keon has been a little bit helpful because he has a really innocent, naive and sweet side. And I kind of tap into it sometimes—sometimes I look at life through his eyes and so I feel a little child-like in that way.
Jonny:
Kissing my boyfriend, I guess. I don’t really experience abysmal moments anymore. I’m more learning like what makes me happy. At the same time, I’m learning that my highs aren’t so super high and my lows aren’t so super low as they were a couple of years before—I’m numbing as I get older if I’m really honest. And I hate that. I wish to try my inner child out. But the voice of my inner child is like waning. I wanna get that back, but I’m not really sure how.
Dating Keon has been a little bit helpful because he has a really innocent, naive and sweet side. And I kind of tap into it sometimes—sometimes I look at life through his eyes and so I feel a little child-like in that way. I really don’t get much ecstasy or bliss anymore. But I think I prefer that over having a really high-high and a super low-low, and then, in the middle of these feelings, it’s scrambled, like spinning circles. At least I have at this point more of a center, I feel like I can understand who I am a little bit more.
Jonas:
Let’s go back to the photography of Hedi Slimane: Comparing the visual black-and-white narrative that Hedi created in the early days of The Drums, with the colorful and energetic photos on your official Instagram account today, it seems that, over the years, you kind of merged from a melancholic and withdrawn world to a happy and hilarious one. Do you feel like you’ve arrived in your life?
I felt like I wouldn’t be enough. And maybe I was right, maybe I was wrong, I don’t know. But it’s definitely not a healthy mindset.
Jonny:
It’s a slow and constant process that is still going on. But today, I know myself better than I have before, I think. I feel calm—I never felt calm in my life. Today I went to a radio interview all by myself without a shred of panic. I just walked in. Normally I would need like a manager, a friend, a group of people to make me feel supported. That’s how I formed the band in beginning: I was making all the music myself, but I didn’t feel that the world would care if it was just me—like “Hey, I’m The Drums!” or “I’m Jonny Pierce!” I felt like I wouldn’t be enough. And maybe I was right, maybe I was wrong, I don’t know. But it’s definitely not a healthy mindset.
Anyway, it worked and people loved it. But for me, the band was a support system that I needed. And now that it’s just me, I’m telling the whole world that I made all the music, something I have never done before. I’m just stepping into who I am, which feels beautiful. It’s not just the music, the recording and what I’m saying. It’s overflowed with the artwork, it’s overflowed onto stage. I used to feel like I had to do backflips and summersaults just to keep everyone in the room like “Oh, I have to entertain, I have to be juggling and I have to be crazy!”
And now I just say to myself: “Take a deep breath, go on stage, dance if you want, stand still if you want, do what you want.” The only thing I’m actually afraid of is: Will people embrace that? I’m only wondering if this really enriches the shows if the fans can read the genuine aspect of all of this. You know, just being yourself, that’s hard to do.
Jonny Pierce is the founder of the band The Drums.
thedrums.com
facebook.com/wearethedrums
@thedrumsofficial
@jonnypierce
Alex Cameron
Interview — Alex Cameron
Not From This World
Don’t let yourself be fooled by the name: Alex Cameron’s music act is not just a one-man show… this time around, you’ll be getting two for one. We talked with singer Alex Cameron and saxophonist Roy Molloy about their collective creative goals, wild nights in Las Vegas, and intense orgasms.
11. November 2017 — MYP N° 21 »Ecstasy« — Interview: Jonas Meyer, Text: Katharina Weiß, Photos: Maximilian König
The two Aussies might be crazy—but there is a method to their madness. Alex Cameron and Roy Molloy want to tell stories about personal tragedies, lost loves and failures through their music. In an abstract and other-worldly manner, they perform shows around the world, in front of audience members, who may constantly be asking themselves, if the show is some form of high-concept art or just a result of massive drug abuse. We met Alex and Roy during their European tour and amongst other things found out what inspiration lies behind their ecstatic performances.
Jonas:
Roy, a couple of hours ago, you posted a long and serious statement on Facebook. You said that you guys are sick of everything going on in the world right now, especially in the U.S. You called the current situation a very dangerous one and talked a lot about the right-wing ideology that seems to foster it. Do you guys feel like you have a special responsibility to express yourselves as musicians in these trying times?
Roy:
I think you have to be aware of your reach and you have to be knowledgeable in general. It´s a matter of consistently expressing how you feel. I think that I focus on having a message but I don’t know if that’s the job of a musician.
Jonas:
You seem to be very outraged?
Alex:
Yeah, anyone with half a brain is pretty outraged by what’s happening. It’s a fucking travesty, it’s just blightingly wrong.
Jonas:
You guys spent months traveling the States now. Did you come back in desperation or with hope?
Alex:
There is just work to be done. There is no time to contemplating the future, you have to stay active in the present.
Playing in front of a few hundred or a few thousand people is pretty similar to taking ecstasy.
Jonas:
Which moments of your journey caused real ecstasy for you?
Roy:
The early tours in the States and in particular the early tours in Europe as well. We realized people were actually paying attention to us! That was a revelation for me—playing in front of a few hundred or a few thousand people is pretty similar to taking ecstasy. Especially compared to our modest beginnings when we were playing in restaurants, where no one was there to actually see us. The few guests were seeing us by accident while having their meal.
Jonas:
Your new record sounds like the soundtrack of a road movie. Listening to it feels like being on the road with you and Roy, sitting on the backseat of this ’88 Cadillac Coupe DeVille that you call “Duchess” and that can be seen in the video of your song “She’s mine”. Do you still own this car? And what kind of stories do you want to tell with your new record?
Alex:
It’s a collection of stories, for sure. Based on characters and myths I wanted to tap into. It’s the way I see the world—especially from certain perspectives, like personal tragedies and things like that.
Roy:
The Cadillac story is actually a tragic one as well: It’s been impounded by the state of California. At the time, we did not have the money to release it… So it has been crushed into a cube, it’s now scrap.
Jonas:
You travelled together for thousands of miles around the U.S., mostly in this car. It probably takes a good friendship to be spending so much time with just one other person am I right?
We’re both pretty committed to the idea of reflecting our current respective situation and having a body of work that echoes this and functions as our broadcast.
Alex:
You are right, I’ve done other tours and the relationship has not been as creative as I’ve hoped for. This one with Roy has—we are both using what we’re doing at the moment as inspiration for more writing and for other types of work. There are a few things that keep us going. The first thing is that we both need to work for food and accommodation. The second thing is that we’re both pretty committed to the idea of reflecting our current respective situation and having a body of work that echoes this and functions as our broadcast. It’s a living and breathing journal.
Jonas:
How long have you known each other for?
Roy:
It’s been a long time, 23 years.
Jonas:
What has changed since then?
Alex:
We left all the friendship drama behind us, from when we were kids and teenagers and now we are business partners.
Roy:
Once you’ve cleared a couple of hurdles as friends, it gets very smooth.
We saw a very different side of Las Vegas. Mostly, we did not go out and get shitfaced.
Jonas:
You also made it through wild nights in Vegas together and you filmed a video there, how did the city inspire you?
Alex:
We were just there doing work; we got asked to stay there and write songs! I think we saw a very different side of Las Vegas. Mostly, we did not go out and get shitfaced. Everything I basically have to say about Vegas is in a post, which I put on Facebook when I released „Candy May“:
I flew to Vegas with a deep seeded fear of a dormant syphilis.
I left with negative blood test results, an inflamed body rash, and a brand new music video.
If you’ve ever bought a car for $300 off a guy with cuts all on his face, or if you’ve ever traded tales of recent infidelities with the one person you promised you’d never betray, then this one’s for you.
If you’ve ever raised your voice in anger together with your sweet one at a bus stop like a bag of groceries about to split, then this one’s for you.
If you feel like you’ve been let down by love, or like you’re owed respect, then get your life in order and start behaving like an adult.
This is a song about falling apart.
Jonas:
In your Instagram stories, I often saw you hanging out with Brandon Flowers from The Killers. And now one can hear his voice on your new record. How did you meet each other and how was working with him on the new album?
Alex:
We’d just played a show for about eight people at a record store and we were driving our rental car through Florida. During that same time, we received an email from Brandon Flowers. He was interested in meeting us. So we went and paid him a visit to Las Vegas, stopped by his studio and I guess the magic was in the room because we were able to write a couple of songs very quickly.
Jonas:
Besides Mr. Flowers, there is another very interesting collaboration on the record with Angel Olson. You were touring with Angel in U.S. What can you say about working with all of these well-known artists? Especially after you played your first shows in restaurants with just a few people watching?
Roy:
At the end of the day, we’re trying to stay focused, and we’re so lucky to be working with more and more people we deeply respect. We’ve been fortunate that they’ve contacted us. For someone to reach down and offer a hand up to their level is both very flattering and – I hope – a sign that you’re doing something worthy and important.
I remember a particularly intense orgasm with a total stranger that left me giggling uncontrollably.
Jonas:
The main topic of this issue is „ecstasy“—in which moments in your life, do you remember feeling truly blessed by the enchantment of ecstasy?
Roy:
What a lovely topic. When I think about ecstasy I think about a few different things. The first time I felt mutual love, that feeling of shock that someone could love you like you love them, your heart being squeezed just when you look at them. I remember a particularly intense orgasm with a total stranger that left me giggling uncontrollably. Heroic moments in sport. I think about some super powerful ecstasy I took with friends in a town called Mollymook in 2014 and I just sat there looking at the shiny hair on my arm. Man. Cool topic for a magazine issue you guys.
Jonas:
Talking about the high times in life, it´s also part of the human experience to face the low ones. As an artist, how deeply are you in touch with your dark moments?
Roy:
Very in touch. I think the records speak for themselves in that way.
Jonas:
Some of your fans love the atmosphere of insanity around your stage and video performances—what inspired these unique acts of expression?
Roy:
I think that atmosphere comes from a few places. Initially, I mean, for the first two years or so, we were operating completely under the radar. Even by Australian standards, we were unknowns. The saying „dance like no one’s watching“ comes to mind. So there was a reckless feeling of anonymity that came from that. Then there’s also a very conscious desire to perform the music as we think it should be and a bit of something that’s inherent to who we are. We really put a lot of our personality into it, and I don’t think that’s very common in a lot of musical performances these days.
There's a lot of different types of love and if you take the abstract out of it, it'd probably just be a chemical reaction in your brain.
Jonas:
In songs like „She’s Mine“ you sing about love in a very abstract manner—is there anything concrete to say about that topic?
Roy:
There’s a lot of different types of love and if you take the abstract out of it it’d probably just be a chemical reaction in your brain. Same as being depressed or elated or proud. The abstract is what gives it personal meaning and allows us to try and explain what we’re feeling or tell a story about it. So let’s keep the talk fluid on that topic for now.
Jonas:
You probably have many amazing projects ahead of you… can you tell us where the journey is heading to next?
Alex:
Right now the priority is to work. To tour the album thoroughly, perform it as best we can, and continue bringing people into our world. We’re the kind of guys who a day off is a curse for. So, for now, we’re just going to keep working hard and playing shows. We’re feeling good.
Alex Cameron and Roy Molloy are two friends and business partners making music.