Michelle Barthel

Portrait — Michelle Barthel

Jagdinstinkt

Im neuen Tatort wird Michelle Barthel von der Gejagten zur Jägerin. Im Neuköllner Café Rix haben wir die Schauspielerin, die im wahren Leben vor allem den großen Gefühlen auf der Fährte ist, zum Interview getroffen. Ein Gespräch über Scheitern, eine Jugend am Set und die pure Lebenslust.

16. November 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Steven Lüdtke

So unschuldig, ja fast zerbrechlich Michelle Barthel dem Betrachter auch erscheinen mag: In der Schauspielerin brodelt es ständig. 16 Berufsjahre voller Höhen und Tiefen haben die 25-Jährige in so viele Rollen schlüpfen lassen, dass von jeder cineastischen Heldentat und jedem Seelenabgrund etwas an ihrer eigenen Persönlichkeit hängen geblieben ist. „Dieser Beruf gibt mir die Möglichkeit, mich in andere Leben hineinzustürzen“, beschreibt sie ihre Leidenschaft. Wie eine Kulturanthropologin studiere sie dabei stets das Wesen des Menschen, mit Forschungsfragen wie: Was bringt uns dazu, so heftig zu lieben, so heftig zu hassen, so heftig glücklich zu sein oder so heftig zu streiten? Und worin begründen sich unsere Entscheidungen? Ich darf – in der geschützten Blase des Films – so viele Leben leben, wie ich möchte.“

»Ich darf – in der geschützten Blase des Films – so viele Leben leben, wie ich möchte.«

Im Falle des Tatorts „Treibjagd“, der am 18. November um 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird, durchlebt sie einen Albtraum: Ihre Figur, eine Räuberin, muss mit ansehen wie ihr Liebster erschossen wird. Ohne ihren Clyde muss diese Bonnie, selbst schwer verwundet, vor zwei Mächten fliehen: zum einen vor den Mördern ihres Freundes, die ihre Zeugenaussage verhindern wollen. Und zum anderen vor Kommissar Thorsten Falke, gespielt von Wotan Wilke Möhring, der die Gesetzesbrecherin dingfest machen möchte.

Im Film trägt Michelle Barthel nur ein einziges Kostüm, deshalb bitten wir sie für das MYP Magazine zum Glamour-Shooting. Als Location hat sich die gebürtige Nordrhein-Westfälin ihre Lieblingsbar ausgesucht: das Café Rix in Berlin-Neukölln. Wie der berühmte Heimathafen liegt das Café im sogenannten Neuköllner Saalbau, einem traditionsreichen Veranstaltungsort mit knapp 140-jähriger Geschichte: Schon in den 1920ern kamen im Saalbau viele Theater-, Varieté- und Konzertkünstler in ausgelassener Runde zusammen. Auch Barthel, die von der Barchefin bereits geduzt wird, besucht hier gerne die Kostümparty „Bohème Sauvage“, trifft sich mit Freundinnen auf ein Glas Crémant oder lädt Journalisten zum Plausch ein.

Zum Film kam Barthel mehr oder weniger aus Versehen: Als sie acht Jahre alt war, hörte sie von einer Freundin, dass in ihrer Stadt gerade nach Kindern für ein Mode-Shooting gesucht wurde. Als beide Mädels vor Ort einen Steckbrief mit biografischen Angaben und Hobbys ausfüllen mussten und Barthel darauf unter anderem „Kindertheater“ kritzelte, wurde sie kurzerhand zum ersten Casting ihres Lebens eingeladen. Denn die Firma, die das Fotokatalog-Shooting betreute, hatte auch eine Kinderkino-Agentur unter ihrem Dach. „Ich musste bei meinen Eltern ganz doll darum betteln, dass ich da hingehen durfte“, sagt Barthel, die gerne vom engen Verhältnis zu ihrer Mama erzählt. Diese sei übrigens vom Klischee einer Eiskunstlaufmutter so weit entfernt wie der durchschnittliche GZSZ-Darsteller von einem Oscar.

»Ich war die einzige, die sich getraut hat, den Jungen zu küssen.«

Letztlich durfte klein Barthel aber doch zum Vorsprechen. Und wurde sofort besetzt. „Der simple Grund: Ich war die einzige, die sich getraut hat, den Jungen zu küssen“, sagt sie und lacht bescheiden. Wer sich das Provinzmärchen „Der zehnte Sommer“ aus dem Jahr 2003 heute nochmal anschaut, der fühlt sich beim Anblick des neunjährigen Mädels mit den geflochtenen Zöpfen, dem Dirndl und der weichen, süßen Stimme an die ersten Filmversuche von Romy Schneider erinnert.

Das Talent wurde in der Branche nicht übersehen: Ab diesem Zeitpunkt stand Barthel eigentlich ständig vor der Kamera. Als besonders herausragend wurde ihr Film „Keine Angst“ aus dem Jahr 2009 ausgezeichnet – dafür erhielt sie unter anderem den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis.

»Der Vermieter hatte einen Kammerjäger bestellen müssen, da die weißen Mäuse fleißig an den Kabeln der Wohnung geknabbert.«

Während der Dreharbeiten wohnte sie mit den Kollegen Carolyn Genzkow und Max Hegewald in einer betreuten WG. „In einer Drehpause waren Caro und ich in der Shopping Mall. Dort sahen wir diese Box mit Lebendfutter für Schlangen. Die Mäuse taten uns so leid, dass wir dachten: Wenigstens zwei davon müssen wir retten“, erzählt Barthel. Doch die Tiere büchsten den Jugendlichen sehr schnell aus, alle Lockversuche schlugen fehl. Am Ende der Dreharbeiten, als Barthel und Genzkow wieder auszogen, bekam die Produktion einen bösen Brief und eine saftige Rechnung vom Vermieter: Der hatte einen Kammerjäger bestellen müssen, da die weißen Mäuse fleißig an den Kabeln der Wohnung geknabbert hatten. Barthel schämt sich bis heute dafür, kann die Geschichte aber irre komisch erzählen.

Neben den Abenteuern am Set ging sie natürlich noch zur Schule. Noch am Nachmittag ihrer letzten Abiturprüfung, Deutsch mündlich, wurde sie nach München zur Kostümprobe von „Spieltrieb“ eingeflogen – ihrer ersten großen Kinoproduktion an der Seite von Jannik Schümann.

Aber wo Licht ist, ist bekanntlich immer auch Schatten: Die Castingkultur und die ständige Beurteilung gehen an einer Kinderseele nicht spurlos vorbei. Ablehnung und Zweifel gehören ebenso zum Berufsbild wie kreative Freiheit und rote Teppiche. Besonders hart wurde es, als Barthel sich nach der Schule in den Kopf setzte, das Handwerk an einer Schauspielschule zu erlernen: „Ich war bei mehreren Vorsprechen, aber keiner wollte mich. An diesem Vorhaben bin ich ganz kläglich gescheitert“, gesteht sie sich heute ein. Kurz dachte sie darüber nach, doch etwas ganz anderes zu tun.

»Es gibt tausend Wege, dem nahezukommen, was man wirklich liebt.«

Bereits mit 15 wurde sie von Sandra Maischberger im Rahmen einer Preisverleihung gefragt, was sie denn mal werden wolle. Ihre Antwort damals: „Mama. Oder Grundschullehrerin, das könnte ich mir auch gut vorstellen.“ Plötzlich, mit 20, schien die Abkehr vom Schauspielbusiness wieder ebenso wahrscheinlich. „Ich fragte mich, wie es für mich weitergehen kann, wenn ich keine professionelleren Techniken erlernen kann“, sagt Barthel. Nach einem inneren Ringkampf mit sich selbst entschied sie sich aber durchzuhalten – und sich selbst zu helfen: „Ich habe mich auf die Suche nach Kollegen und Coaches gemacht, die mir in privaten Nachhilfestunden oder Schauspiel-Workshops mit all den Fragen weiterhelfen konnten, die ich an meine Arbeit hatte“, erzählt sie und erinnert sich dabei gerne an die wertvollen Tipps von Schauspiel-Mentorin Teresa Harder und vielen weiteren.

Die ungewöhnliche Eigeninitiative zahlte sich aus. „Ich habe dadurch gelernt: Es gibt tausend Wege, dem nahezukommen, was man wirklich liebt.“ Mittlerweile gehört sie zum Stammpersonal der deutschen TV-Landschaft. Und 2019 warten mit der österreichischen Produktion „Der Boden unter den Füßen“ und dem Drama „Relativity“ an der Seite von Edin Hasanović außerdem zwei Kinofilme auf ihre Fans.

»Ich verliebe mich am Set jedes Mal.«

In den letzten Jahren ist Michelle Barthel in viele Rollen hineingewachsen: „Es ist eine großartige Reise in die Seele des Menschen. Die kann tief, böse, verletzt, wütend verlaufen. Oder schüchtern, lieblich, zerbrechlich.“ Ihr gehe es immer um den inneren Kampf der Figuren. Dabei machte sie eine erstaunliche Erfahrung: „Die Rollen passen immer wie die Faust aufs Auge zu meiner tatsächlichen Lebenssituation.“ Sie beschreibt dieses Phänomen wie eine Art self-fulfilling prophecy: „Die zentrale Frage einer Figur war häufig eine Frage, die ich mir auch gerade gestellt habe.“

Der Hunger nach den Wundern dieser Welt ist Michelle Barthel, die in ihren Drehpausen auch noch „Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften“ und „Französische Philologie“ an der Freien Universität Berlin studiert, in jede Pore eingeschrieben. Passend dazu verrät sie am Ende unseres Gesprächs mit einem Augenzwinkern: „Ich will die Erfahrung immer so nahe am echten Leben spüren wie nur möglich. Deshalb verliebe ich mich am Set auch jedes Mal.“


Jannis Niewöhner

Interview — Jannis Niewöhner

Der Beat des Bösen

Auf Amazon Prime startet mit »Beat« das nächste deutsche Serien-Spektakel, das Jannis Niewöhner durch die Klänge der Berliner Technowelt und dicht an den Herzschlag der Finsternis treibt.

8. November 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Steven Lüdtke

Organhandel mit Flüchtlingen, Techno-Hedonismus, Dan Brown-Grusel: Bei der neuen Amazon Prime-Serie „Beat“, die am 9. November online geht, hätte einiges schief gehen können – ist es aber nicht. Dass dieses wahnwitzige Projekt zwischen Geheimdienst-Thriller, Partyexzess und organisierter Kriminalität so brutal spannend geworden ist, liegt vor allem an den brillanten Schauspielerinnen und Schauspielern, die mal bitterböse, mal schmachvoll und mal sexy ihren ungewöhnlichen Rollen den Seelengeist einhauchen. Im Zentrum steht die herausragende Arbeit von Jannis Niewöhner: Er spielt Beat, einen vom Schicksal gebeutelten Club-Promoter, der nicht viel kann außer tanzen, ballern und vögeln. Doch sein Szeneparadies wird von zwei schauerhaften Morden zerstört, die den Anfang eines düsteren Abenteuers einläuten…

Katharina:
Was hat für dich den Ausschlag gegeben, dieses wilde Drehbuch anzunehmen?

Jannis:
Das Besondere an der Rolle ist, dass Beat so wahnsinnig passiv ist. Es gibt nur wenige Hauptcharaktere, die so sehr auf Reaktion statt auf Aktion ausgelegt sind. Meine Figur ist eigentlich gar nicht imstande, mit all dem umzugehen, was ihr da widerfährt. Beat kann selten wirklich Herr der Lage werden. Und das fand ich spannend – weil es einem im echten Leben oft genauso geht.

»Ich habe auch nicht 30 beste Freunde, sondern vielleicht fünf.«

Katharina:
Trotz des Kontrollverlusts ist Beat der Beschützer: Er beschützt die Wünsche der Gäste, er verspricht seinem Mitbewohner „Ich pass auf dich auf!“ und auch seinem Businesspartner und bestem Freund gegenüber hat er eine beschützende Funktion. Wer beschützt eigentlich Beat?

Jannis:
Er hat sich mit diesen Leuten eine eigene Familie geschaffen. Und ich glaube, die beschützt ihn auch. Außerdem hat er eine sture Attitüde – nach dem Motto: Wenn ich Drogen nehmen will, dann nehme ich die eben. Aber sein Umfeld hält das aus und bleibt trotzdem bei ihm, auch wenn die Hilfe mal abgelehnt wurde.

Katharina:
Besonders groß ist sein Freundeskreis aber nicht…

Jannis:
Ja, er hat nicht viele Leute. Aber ich habe auch nicht 30 beste Freunde, sondern vielleicht fünf.

Katharina:
Deine Figur ist ständig unter Strom, entweder voll auf Droge oder in emotional hochanstrengenden zwischenmenschlichen Situationen. Mit welchen Techniken spielt man diese angespannte Energie?

Jannis:
Das sind alles Instinkte. Man muss sich zwar Gedanken über die Rolle machen und sich bestimmte Szenen erarbeiten, aber letztendlich wartet man nur auf ein Gefühl für die Figur. Das setzt während der Vorbereitung und des Drehs ein: Man begreift einen Charakter instinktiv, man spürt ihn richtig und reagiert so wie er. Die Clubszenen haben wir zum Beispiel mit 400 Komparsen in einem Kraftwerk gedreht. Über eine Woche lang waren da ständig Leute und dauernd Musik – es sah aus wie eine Technoparty und hat sich auch irgendwann so angefühlt.

»Alle menschlichen Bedürfnisse nach Nähe und Toleranz sind gut so.«

Katharina:
Nach „Sommersturm“ (2004) und „Coming In“ (2014) führt Marco Kreuzpaintner mit „Beat“ einen cineastischen Stil fort, der queeres Leben facettenreich und mainstreamig nachzeichnet. Was glaubst du, wie wird die queere Community in Berlin, Deutschland und Europa die Serie aufnehmen?

Jannis:
Wir wollen diese Berliner Partyszene als eine zeigen, die viele Gefahren, aber auch wirkliche Freiheiten bereithält. Es gibt zum einen die Möglichkeit, sich von der normalen Welt abzuschotten. Auf der anderen Seite schafft sie Räume voller sozialer Wärme und Respekt. Alles ist möglich! Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Menschen das genießen. Die Serie nimmt sich diese Szene nicht zum Hauptthema, verhandelt aber in Ansätzen: Das muss alles erlaubt sein, alle menschlichen Bedürfnisse nach Nähe und Toleranz sind gut so.

Katharina:
Hat dir Kostja Ullmann als Schlager hörender Vollpsycho auch nach Drehschluss noch Albträume bereitet?

Jannis:
Ich hatte ihn noch nicht in einem Albtraum, aber ich bin immer noch verblüfft, wie realistisch er den Wahnsinn dargestellt hat.

»Es ist wichtig, sich nicht dem Gefühl zu entziehen, als Einzelner etwas bewirken zu können.«

Katharina:
Dein Charakter Beat reibt sich an seiner Umwelt. Er glaubt an nichts, wie viele klassische Szene-Berliner auch: an keinen Gott, an keine Politik – seine Ideale sind vom Außenseitertum geprägt, von vielem will er gar nichts wissen. Kannst du seine Unangepasstheit verstehen?

Jannis:
Ich kenne durchaus die Faulheit, mich nicht so sehr mit den Dingen zu beschäftigen, wie ich es eigentlich müsste. Mein politisches Verständnis entwickelt sich mit der Zeit, aber ich habe immer das Gefühl, es ist noch viel zu wenig. Im Fall von Beat sind es Personen wie Emilia, die Agentin, die ein gesellschaftliches Verständnis in ihm wecken. Es ist wichtig, eine moralische Verantwortung zu erkennen und sich nicht dem Gefühl zu entziehen, als Einzelner etwas bewirken zu können.

Katharina:
Beat ist ein Gentrifizierungsgegner im trotzigsten Sinne. Über den stillen Teilhaber sagt er: „Solche Leute kommen nach Berlin, weil es ist, wie es ist – und dann machen sie daraus Stuttgart.“ Wenn man ständig wie du auf fancy Events in Mitte herumspringt, inwiefern kann man diese Haltung überhaupt nachvollziehen?

Jannis:
Ich darf mir als Zugezogener und Teil dieser Zusammenhänge nicht erlauben, mich darüber abzufucken. Klar finde ich es schade, wenn dem Charakter einer Stadt etwas genommen wird. Gentrifizierung bedeutet ja auch, dass der Kapitalismus an einen Ort kommt, der vorher für sich war und den erst mal zerstört. Andererseits ergibt sich aus Weiterentwicklung immer Neues, das ist unaufhaltsam und auch manchmal positiv. Ich wohne in Lichtenberg und empfinde das Leben dort als immer noch sehr normal, fast kleinstädtisch. Ich bin nicht Teil dieses Szene-Overkills, der in Mitte oder im Prenzlauer Berg stattfindet.

Katharina:
Du kommst also nicht wie Beat nach Hause in eine Chaos-WG, in der noch drei fremde Menschen vom Vorabend herumliegen?

Jannis:
So eine WG hatte ich. Ich zog mit zwei Leuten zusammen, daraus wurden dann mit der Zeit vier Mitbewohner. Da waren immer mindestens zehn Leute in der Bude. Mittlerweile lebe ich aber alleine.

Katharina:
Emilia sagt zu Beat: „Du bist 28 und lebst, als ob du zehn Jahre jünger wärst.“ Wie ist das in deiner Branche, gibt es da überhaupt so etwas wie altersgemäßes Verhalten?

Jannis:
Anders gesagt: Ich habe beim Film immer schon sehr genossen, wie wenig Bedeutung Altersunterschiede dort hatten. Ich konnte als 13-Jähriger tolle Gespräche mit 35-jährigen Kollegen führen. In meinem Beruf baut man weniger Distanz zu anderen Menschen auf, sondern begegnet sich auf gleicher Ebene. Das finde ich total schön.

»Die Welt des Nachtlebens ist erschaffen worden, um der alltäglichen Welt zu entfliehen.«

Katharina:
Auch in der Serie „Beat“ werden ungewöhnliche Distanzen aufgebrochen. Welche Welten prallen da zusammen?

Jannis:
Es wird schnell deutlich: Es gibt nicht nur die große Party, sondern vor allem die Welt, in der wir alle leben und von deren wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen wir jeden Tag betroffen sind. Und eigentlich ist die Welt des Nachtlebens erschaffen worden, um dieser alltäglichen Welt zu entfliehen. Aber der Feierkosmos stagniert, es bleibt immer das Gleiche. Ich finde gut, dass wir in der Serie aus dem Club herausgehen müssen, um weiterzukommen. Zu Vorbereitung habe ich mir die YouTube-Doku „Don’t forget to go home“ angesehen. Darin wird gut beschrieben, was passiert, wenn die Euphorie verschwindet. Diese exzessiven Höhepunkte sind immer nur ein Moment. Für manche Menschen kann der fünf Jahre andauern – aber irgendwann geht es nicht mehr weiter, es entwickelt sich nicht.

Katharina:
Obwohl durchaus anklingt, welche Erfüllung Beats Clubgäste in der Technowelt finden: Die Berliner Feierszene wird auch hier von einer Trope der inneren Leere, des ‚Ausgehöhlt-Seins‘ unter Einfluss eines Gin-Tonic-Ketamin-Cocktails verfolgt. Einen ganz anderen Stellenwert haben Lust und Körperlichkeit in deinem nächsten Projekt, du spielst die Figur des Goldmund in der Hesse-Verfilmung „Narziß und Goldmund“. Goldmund sagt am Ende: „Ich habe auch das Glück gehabt zu erleben, dass die Sinnlichkeit beseelt werden kann.“ Hat auch Beat eine Chance darauf?

Jannis:
Noch nicht in dieser Staffel. Aber er fängt an, sich den Ungerechtigkeiten des Lebens zu stellen und sich seiner Sehnsüchte bewusst zu werden. Anders als Goldmund, der am Anfang das Kloster verlässt, um das Leben aufzusaugen, lernen wir Beat zunächst in einer Welt kennen, die schon mit Sinneseindrücken überfrachtet ist. Wirklich verbinden lassen sich die Charaktere aber dadurch, dass sie beide total gefühlsgesteuert sind und nach etwas suchen, von dem sie noch nicht genau wissen, was es ist. Bei Goldmund ist es die Suche nach der Urmutter und bei Beat nach den Eltern. Beide vermissen bedingungslose Liebe und Vertrauen – das macht sie so unglaublich intensiv.


Jacob Banks

Interview — Jacob Banks

The Greatness Of A Village

With his debut record “Village”, British-Nigerian singer-songwriter Jacob Banks delivers an impressive musical performance full of different genres. And as if that wasn’t enough, he adorns each of his music videos with a high-quality visual language that makes it look like a sequence of a Hollywood movie.

2. November 2018 — MYP N° 23 »Instinct« — Interview: Jonas Meyer, Photography: Steven Lüdtke

“This guy would make a great song for a James Bond film”—what a YouTube user posted four years ago under Jacob Banks‘ music video „Worthy“ would probably, in most cases, sound like some flattering fan-talk that can’t be taken too seriously. But referring to the 27-year-old singer and songwriter from Birmingham this wish is more than justified. Jacob Banks is an exceptional musical talent: his deep voice is so powerful and absolute that it could awaken a whole British village.

Speaking of “Village”—that’s also the title of Banks’ debut record that enriches the musical world from November 2018. Last year, after he had played some songs from his EP “The Boy Who Cried Freedom” at the 40th annual gala of New York’s New Museum, Vogue called him an artist who “reintroduces soul music to today’s young generation”.

But is Jacob Banks just a modern ambassador of soul? His debut album sounds rather as if the most diverse music genres have united to speak with a strong common voice. We met the thoughtful British artist for an interview at Universal Music’s headquarters in Berlin—and found out why it’s important to tell music through film, why no one is born a racist, and why it takes a whole village to raise a child.

Jonas:
A couple of weeks ago you released the music video for your song “Be Good To Me”. This video was written and directed by yourself. How did you create the idea for it? Did you already have some specific pictures in your head when you were writing the song—and you just had to fall back on these visuals? Or did you have to experience your song from scratch to get visually inspired?

Jacob:
I think being someone who is creative feels like a job around the clock, it doesn’t stop, it doesn’t just happen when I’m in a studio. I’m always looking for stuff that inspires me or looks weird, looks different. Long story short: I follow NFL on Instagram and I saw a short video of a football training session. What they do is when two players are running for one position, they make the two of them have a tug of war. And whoever wins, gets the play, gets to be the star in that position. I liked that a lot, so I built the story of my video on the back of that.

»I try not to be a selfish musician.«

Jonas:
The video’s scene of two men bound by a red rope and fighting each other in a tug of war is a very strong key visual. Is there an analogy to your own life? Are you torn sometimes by different ways to go, by different decisions to make?

Jacob:
It always is, it always pulls on past and experience. But I try not to be a selfish musician. Once you have given your work to the people, they take from you what they need anyway. At that point, it doesn’t matter what I think. So, what I do is the following: I would place enough evidence in front of you and have you make up your own mind. It’s important to me that, whoever is watching, has to become the main character—I want you to be the lead character of my music video. If I’m too descriptive, if I take everything away, if I leave you only one option, it doesn’t make it much of an interesting journey. I just put enough pieces in it where any viewer can take from the video whatever they need—because whatever you see lets me know that you know there’s a problem in the world and we should all be fixing it. If I spell out for you, you can pretend that you don’t know: that racism doesn’t exist, for example. That women don’t get paid the same as men. But if that’s what you see, it means that you’re aware and that you should be working to estrange from that.

Jonas:
Most of your videos are defined by a very strong visual language, they kind of look like sequences of remarkable Hollywood movies—in terms of the arrangement, color grading, costumes, or location. Where does your obvious love for film and cinematography come from?

Jacob:
It comes from nobody wanting to work with me, man! It sort of is, I’m cheaper than most directors. I work for free, for myself. I have to pay me nothing. But not only is it cheaper, it’s also a lot of fun. I do these videos with my best friends, the people that you see in it are my homies. It’s so much fun to work with people you care about and love, it’s a story to be told by itself. I’m very much a creative, my whole thing is expression. The journey of figuring out what it means to create a good visual is fun to me. It’s stimulating, I enjoy the process, and on the back of that, it’s giving me a love that I have for the rest of my life. When I watch films or TV shows now, it’s like there’s a new layer in it. I’m not just watching it for the action scenes, I also like the camera work, the grading or the way the music builds the tension. It’s giving me a new level of love for something that I admire and I’m so grateful for that. I have to think about all these things I just used to watch and didn’t give a shit about. And now it’s like “Wow, that’s a nice yellow!” or “The light is great here!” I’m so thankful to have that, it’s like unlocking a tiny percentage of your brain that you never used before. I feel like I stand up and always find more and more doors to unlock.

»If you’re more of a storyteller, music videos are an avenue to change how you hear music.«

Jonas:
When TV channel MTV was launched in August 1981, it presented something very new to the world: music videos. We’re both too young to have witnessed it, but when you look at the music industry today, do you think that music videos have to meet a different standard compared to the early 80’s? Or is there a general, timeless recipe that makes a music video a good music video?

Jacob:
I think it depends on what type of artist you are. If you’re living more in the pop world—and pop just means popular music—, I don’t see a specific recipe for music videos. But when you’re a hip-hop or R&B artist, it has always been about branding. You can rarely watch a hip-hop video where the artist isn’t in it. You can see the artist’s face in every scene because they’re selling a product. The video says: “This is him or this is she. Love them! Love them! Love them!” They want you to consider them the center of the world.
If you’re more of a storyteller, for me anyway, music videos are an avenue to change how you hear music. I could write a song and you might think this is about love. And when I show you the video, I’m like: “What if it isn’t?” That’s how I see it: I get to allow the song to live in more than one space, I get to show you a different perspective on how to take in a story. I feel like that’s important. The more ways you can hear music, the better.
By the way, today’s music industry, for visuals, isn’t as nice as it used to be: any director who was working 40 years ago would hate the new generation—because they don’t get paid as much. But in my opinion, it’s better now: it’s not about being popular anymore, it’s about creating good content. I’ve seen so many incredible videos, there’s so much good stuff! Everyone’s making very good, strong visuals. I think these people are saving the music video thing: today it’s not about TV anymore, it’s about YouTube. And when you’re good at making music videos, people come to watch. It’s a platform where you can show your audience a different way to hear music.

Jonas:
Speaking of YouTube: Not only do you create films for songs. You also create songs for films—like you did for “Equalizer 2” or “Black Lightning”, for example. On YouTube, I found a user comment related to your music video “Worthy”. He says: “This guy would make a great song for a James Bond film.” Would you do if you could?

Jacob:
I would love to! I wish! I keep checking my emails every day (laughs). It’s not that I’m working on one, I haven’t gotten the email yet. But I’m not holding my breath. It always takes the biggest artist of the year to create a Bond soundtrack, like Adele, Sam Smith, Alicia Keys. You have to match the Bond brand with your sound, so the filmmakers don’t really take a risk. It’s very much like they go for what they know is going to work—which is dope because they’ve always realized great soundtracks. But I don’t know—if it happens, I would love to have the opportunity. But I already had some incredible opportunities doing great things for other great things. And that’s something I’m very proud of.

Jonas:
Our colleagues from Vogue magazine describe you as an artist “that reintroduces soul music to today’s young generation”. What do you think, is there a lack of sense for soul music in today’s young generation—or in today’s audience in general?

Jacob:
I just think people can’t relate to it—how could you? We can’t relate to something like “I’m sittin‘ on the dock of the bay / Watchin‘ the tide roll away” that was written by Otis Redding in 1967. We just don’t talk like that anymore. In soul music, everything was like “My baby don’t leave me” and “Bottle of whiskey”. I think people can’t relate to music when they can’t relate to its language.
The issue is: there’s nothing wrong with soul music, there’s nothing wrong with the people, there are just two completely different times and two completely different languages—and they just don’t relate to each other. You can attest to the fact that, in soul music, there are incredible pieces of work that will live forever, but as a 27-year-old singer, that’s just too much. I can’t sing about that type of stuff, it’s too heavy—and it’s not my truth, it’s just not my real life.
The issue of finding a way to relate to people is: you can keep the language, but maybe you have to change the production and find a way to invite people in and make sure you’re speaking your truth. And my truth is that I love soul music. But I also love Skrillex. I love both worlds and I want to find a way to bring all my loves together to make sense and exist on one song.

»Soul music will live forever, but to create a song that is going to live from now, you just have to relate to the times.«

Jonas:
Would you say that, in your music, you try to create a wormhole that connects two far away universes that don’t have a connection?

Jacob:
Yeah, I definitely planned this kind of connection, that’s something what I really wanted. I think “Worthy” was the first song where I tried to bring different worlds together, “Unholy War” was another one. I really love soul music, but I knew that I didn’t want to be a young Marvin Gaye. I love Marvin Gaye, but I also love drum ‘n’ bass, I love jungle, I love drops in tracks. The challenge is: How do I make both happen without sounding like a DJ featuring Jacob Banks? How do I create some authentic stuff…

Jonas:
… that’s just being you.

Jacob:
Exactly. I think soul music will live forever, but to create a song that is going to live from now, you just have to relate to the times.

Jonas:
You will soon be releasing your new record titled “Village”—a word that is pretty interesting. When you’re born and raised in a small village in the southwest of Germany and you fled to a big city, like I did, the word “village” is loaded with so many memories and emotions, good and bad ones. What connotation comes to your own mind when you think of the word “village”?

Jacob:
There’s an old African saying: it takes a village to raise a child. So, people who grow up in a village are usually raised by a community, not just by your mom and your dad. It’s also Jeff from down the road, for example. Everyone helps each other raise the kids. In a village, it’s a team effort, it’s not like in a city where people just ignore you, and I think that’s what I wanted to do with the album: to create something that celebrates all my loves and brings them together, on an emotional and a musical level. I love jazz, reggae, hip-hop, blues—I love all these genres. And I was wondering how I could find a space for all of them for exist in. Because that’s my truth, that’s what I actually listen to on a day-to-day: I listen to a mix of all these things. And I think “Village” is everything all at once.

Jonas:
The cover artwork of the record is based on an extraordinary blue painting that shows people kind of interacting with each other—it’s another strong key visual. How and where did you find it? How did it come to you?

Jacob:
The artist is called Alex Gardner, he’s from Los Angeles. I’ve been kind of a very unprofessional art collector for some years now. Or let’s not say art collector, I just invest in creative people I like. If I see that a young person is doing some interesting artwork, I buy a piece and so I can let them know that they’re doing well because I never had that when I was doing my shit. I found Alex Gardner on Instagram…

Jonas:
Instagram again.

Jacob:
Yeah, Instagram is how everything happens. Two and a half years ago I asked him to buy that piece, but we couldn’t make it happen for some reasons back then. When I was designing the album artwork, we were trying to do a photo shoot, but I felt like it would have been o.k., but it didn’t tell the story of this album. It’s a compilation of songs, it’s bold. And it’s about interaction, almost like a Rubik’s Cube. I wanted to find something that at least could get close to having that same energy. I was looking to all the picture files that I had saved and I came across Alex Gardner’s painting again. I hit him off and said: “Let’s make this happen, man! This is the one, this is perfect.”

»I don’t think anyone is born a racist. They just grow up in an environment that fortifies the idea that one is superior to the other.«

Jonas:
I found a sentence that you said in connection with your new record: “We’re all striving for the same things—love, acceptance and an understanding of who we are.” When you look at what’s going on in the world—the rise of right-wing politics, nationalism, protectionism—, would you really say that everyone in our society strives for these values?

Jacob:
Yeah, even them! You know, everyone thinks they are right, everyone thinks that they are a superhero. That’s such a weird thing. Everybody, through the history of time, believes that they are the good guy. And that’s it. Regardless of whether being right or wrong, nobody goes to bed thinking “I was an evil bastard today.” They use to think “I did well, I had to kill him.”
We’re all struggling for the same things. But somewhere down the line, some people are grown up on a wrong side of advice. I don’t think anyone is born a racist. They just grow up in an environment that fortifies the idea that one is superior to the other. If you grow up in an environment that teaches you to be sexist, you will be sexist—until someone comes and changes that. If you grow up with someone who tells you an apple is called an orange, you’re going to be calling it orange for the rest of your life. So, in the end, it’s all about the village where you’re born and raised.


Instinkt und Psyche – Teil 3

Interview — Instinkt und Psyche (Teil 3)

»Verletzlichkeit berührt mich«

Therapeutin Lisa Sundermeyer streichelt in ihrer Berliner Praxis jeden Tag Körper und tastet Seelen ab. Ihre Erkenntnis: Wir alle hören viel zu wenig auf unser Bauchgefühl.

23. Oktober 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Interview & Text: Katharina Weiß

Teil 3 der Serie über Instinkt und Psyche:
Die Therapeutin

Katharina:
“Someone’s therapist knows everything about you”. Der Spruch geistert derzeit als Meme durchs Internet. Bist du manchmal neugierig darauf, die Freunde oder den Partner von Patienten kennenzulernen?

Lisa:
Kennenlernen? Weniger! Aber manche Leute, die ich über ein Jahr wöchentlich sehe, sind wie eine Serie. Da will ich natürlich wissen, wie es weitergeht. Wenn ein Patient die Therapie beendet hat, ist es manchmal auch komisch, dass diese Geschichte, die ich so lange begleitet habe, für mich nun auserzählt ist. Neben meinem eigenen Leben stecke ich meistens in 25 weiteren Parallelgeschichten.

Katharina:
Du bist ja quasi eine „Allmächtige Erzählerin“, die dank Schweigepflicht alles wissen und erfragen kann.

Lisa:
Darin steckt eine große Motivation, in diesem Beruf zu arbeiten: Mich hat schon als Kind die Wahrheit hinter der Fassade beschäftigt. Das ist für mich eine ganz tiefe Befriedigung: Wenn das, was in der Sitzung besprochen wird, nichts Verstecktes mehr enthält. Man kommt mit dem Patienten an eine Art Nullpunkt. Von dort aus kann er nochmal ganz von vorne anfangen.

»Ich hatte mal einen Mann in der Praxis, der mit fünf Frauen parallel eine Beziehung führte.«

Katharina:
Wie sieht so eine Problemlage aus?

Lisa:
Ich gebe dir ein Beispiel: Ich hatte mal einen Mann in der Praxis, der mit fünf Frauen parallel eine Beziehung führte. Die eine Frau sähe gut aus, die andere sei so nett und wieder eine andere habe dieselben Hobbys wie er und so weiter. Er sagte zu mir: „Mein Problem ist, dass ich mich nicht entscheiden kann.“ Ich habe festgestellt: Wenn man sich entspannt und sich nicht in Logik verzettelt, wird der Instinkt in uns laut, der ja oder nein sagt – und zwar ganz schnell. Weil er nicht so stark überformt ist wie unser Verstand. Ich habe ihm in den Sitzungen gezeigt, wie er sein Bauchgefühl stärker spüren kann. Am Ende fand er heraus: Keine von den fünf Frauen war die richtige. Wenig später hat er sich zum ersten Mal richtig verliebt.

»Der Intellekt ist ein tolles Werkzeug, aber als alleiniger Kompass leitet er oft in die Irre.«

Katharina:
Haben viele von uns verlernt, auf ihren Instinkt zu hören?

Lisa:
Ja. Eine große Zahl meiner Patienten leidet unter Problemen, die daraus entstanden sind. Ein anderer Fall ist ganz klassisch: Eine Frau kommt zu mir, weil sie den falschen Mann geheiratet und mit ihm ein Haus gebaut hat. Jetzt braucht sie Begleitung während der Trennung. Wenn ich solche Menschen frage, zu welchem Zeitpunkt sie zum ersten Mal gespürt haben, dass es nicht passt, dann sagen 90 Prozent zu mir: Das wusste ich schon ganz am Anfang, aber dann kamen die Gedanken, mit denen ich mich von etwas anderem überzeugt habe. Der Intellekt ist ein tolles Werkzeug, aber als alleiniger Kompass leitet er oft in die Irre. Ich bringe Menschen bei, ein störendes Verhaltensmuster zu erkennen und zugunsten ihres Instinkts aufzulösen.

Katharina:
Aber Panik ist doch beispielsweise auch ein Instinkt – und Menschen kommen wegen Panikattacken zu dir.

Lisa:
Falsche Panik entsteht dann, wenn du auf den Alarmknopf in deinem Inneren gedrückt hast, obwohl keine unmittelbare Bedrohung besteht. Wenn ich Menschen beibringe, nicht mehr so viel Angst zu haben, dann zeige ich ihnen, wie sie Stressreaktionen durch Entspannung vermeiden. Anstatt alles als Gefahr zu empfinden, lernen sie, stärker auf das Feintuning ihres Instinkts zu hören: Hier kann ich mich sicher fühlen, diesem Menschen kann ich vertrauen. Diese Fähigkeit wird mit ein bisschen Übung sehr schnell sehr viel besser.

»Verhaltensmuster sind Autobahnen, die wir uns im Laufe der Zeit zurechtlegen, um schneller ans Ziel zu kommen.«

Katharina:
Was bedeutet Übung in diesem Zusammenhang?

Lisa:
Menschen sind total schnell im Kopf: Wir können leicht einen Automatismus erkennen und begreifen, dass er stört. Aber die Bahnen im Gehirn verändern sich erst durch Training. Verhaltensmuster sind Autobahnen, die wir uns im Laufe der Zeit zurechtlegen, um schneller ans Ziel zu kommen. Je öfter wir darauf fahren, desto breiter werden sie. Deshalb sind sie natürlich bequem zu befahren. Ein neuer Weg beginnt immer erst als Trampelpfad. Da müssen wir uns immer wieder überwinden, um unser Gehirn umzugewöhnen.

Katharina:
Wer ist bei dir gut aufgehoben?

Lisa:
Menschen, die unter verschiedensten Schwierigkeiten leiden, die sie nicht mehr frei handeln lassen. Gründe dafür sind Ängste, Stress, der sich im Körper niederschlägt, andere psychosomatische Beschwerden, wenn jemand nicht nein sagen kann oder immer wieder denselben Beziehungskonflikt hat. Auch mit Traumapatienten habe ich viele Erfahrungen gesammelt, weniger dagegen mit Depressionen.

Katharina:
Mit wem kannst du nicht arbeiten?

Lisa:
Menschen mit schweren psychischen Krankheiten fallen nicht in mein Gebiet. Meine Methode ist eine Lernmethode. In dem Moment, in dem ein Patient nicht mehr in der Lage ist umzusetzen, was ich ihm mitgebe, weil er zu depressiv ist oder zu zwanghaft, muss ich ihn an spezialisierte Psychotherapeuten oder den sozialpsychiatrischen Dienst verweisen.

Katharina:
Was kannst du für deine Klienten tun?

Lisa:
Mit der Grinberg-Methode können Klienten dabei angeleitet werden, selbständig Verhaltensmuster über Körperaufmerksamkeit, Berührung und Entspannungstechniken zu verändern. Ich gebe den Menschen, die zu mir kommen, das Werkzeug mit, neu auf Situationen zu reagieren.

Katharina:
Wie arbeitest du konkret mit „Angstpatienten“?

Lisa:
Zusammen mit Menschen, die diesbezüglich etwas verändern wollen, arbeite ich ihre Angstreaktion heraus und zeige ihnen, wie diese sich körperlich ausdrückt: Wie man zum Beispiel die Schultern hochzieht, den Bauch verkrampft und welche Befürchtungen, Überzeugungen und Glaubenssätze einem dann so durch den Kopf gehen und das Handeln maßgeblich beeinflussen. Wie man abwehrt, fliehen oder verschwinden will. Und dann, und das ist ein ganz wichtiger Teil, bringe ich den Menschen bei, wieder loszulassen und – wenn das Adrenalin, also die Aufregung, kommt – sich zu entspannen und zu atmen, anstatt in die Stressreaktion zu gehen. Wenn man das Adrenalin weniger blockiert, fühlt man sich nicht mehr so verkrampft und blockiert. Sondern eher energetisiert, wie bei einer Achterbahnfahrt. Natürlich reflektiere ich im Gespräch auch die erwähnten Überzeugungen und Glaubenssätze, wo man sie gelernt hat und wo sie heute eigentlich hinführen, wenn wir automatisch nach ihnen handeln. Dann kann man daraus neue, passendere Einschätzungen der Situation entwickeln und einüben.

»Ich bin nicht für die Klienten und ihre Probleme verantwortlich, das sind sie immer noch selbst.«

Katharina:
Ist die Methode in einer Weise religiös angehaucht?

Lisa:
Nein, einen spirituellen Überbau gibt es nicht. Ich will einen Raum bieten, in dem der Mensch sich selber finden kann, anstatt ihm zu sagen, was für ihn richtig ist. Ich bin auch nicht für die Klienten und ihre Probleme verantwortlich, das sind sie immer noch selbst.

Katharina:
Was müssen die Klienten mitbringen, um erfolgreich ihre Therapieziele zu erreichen?

Lisa:
Die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Sie müssen bereit sein sich zu öffnen, sich selbst ehrlich zu reflektieren und neue Perspektiven einzunehmen. Und natürlich die Veränderung in ihrem Alltag umzusetzen – das passiert nicht von alleine, das ist schon Arbeit.

Katharina:
Du arbeitest seit 13 Jahren mit der Grinberg-Methode und hast beim Gründer persönlich gelernt. Was hast du von ihm mitgenommen?

Lisa:
Avi Grinberg ist schon ein anstrengender Mensch. Das scheinen Visionäre ja oft zu sein. Deswegen habe ich nur Anteile aus seiner Methode übernommen, mit denen ich arbeiten kann. Anderes habe ich verworfen oder durch passendere Methodiken ersetzt. Ich habe viele verschiedene therapeutische Ansätze zu meinem eigenen Stil verschmolzen. Aber gelernt habe ich damals in der Ausbildung trotzdem wahnsinnig viel. Er sagte immer: „Du musst 10.000 Stunden gearbeitet haben und 30 Patienten in der Woche haben, bis du wirklich exzellent bist.“ Er forderte von uns, wirklich meisterhaft darin zu werden, unser Gegenüber wahrzunehmen und es individuell zu begleiten.

Katharina:
Das klingt unfassbar anstrengend. Ich selbst durfte dich ja bei einer Probesitzung erleben: Du musst emotional voll da sein, sehr aufmerksam zuhören und dann auch noch mit viel Kraft massieren. Wie viele Leute kommen täglich zu dir?

Lisa:
Ich habe über zehn Jahre lang sehr viel gearbeitet. Jetzt bin ich 40 geworden und liebe es immer noch, Neues zu lernen. Aber ich nehme mir mehr Zeit, alles zu verarbeiten.

»Wenn sich ein Mensch Verletzlichkeit erlaubt, dann sehe ich ihn mit anderen Augen: Er berührt mich.«

Katharina:
Wenn du dich selbst hinterfragst: Wie hat dich diese spezielle Tätigkeit verändert?

Lisa:
Ich habe ganz viel von der Wertung verloren, die ich früher gegenüber Menschen hatte. Früher sah ich jemandem im Wartezimmer und dachte: Uh, der wirkt verkniffen oder arrogant. Aber innerhalb der ersten Sitzung hat sich so gut wie immer ein ganz neues Bild ergeben. Einerseits über seine Erzählungen, aber vor allem auch über die körperliche Arbeit, bei der ich spüre, wo jemand tiefsitzende Probleme hat. Die Menschen öffnen sich unter der Berührung. Und auf einmal weint die Person und du findest heraus, das die verkniffene oder arrogante Fassade nur ganz viel Angst versteckt hat. Wenn sich ein Mensch Verletzlichkeit erlaubt, dann sehe ich ihn mit anderen Augen: Er berührt mich.

Katharina:
Du glaubst also auch an die „Kraft der Verletzlichkeit“, eine These, die die Amerikanerin Brené Brown geprägt hat.

Lisa:
Unbedingt. Ich habe im Laufe der Zeit Folgendes erkannt: Dass ein Mensch Schwierigkeiten hat, sagt über den Einzelnen selbst nichts aus – weil wir alle ganz viele Schwierigkeiten haben. Wir alle sind sehr komplexe Universen. Und das Besondere, dass sich bei jedem freilegen lässt, ist viel stärker und schöner als die Verhaltensmuster, die wir entwickelt haben.

Katharina:
Bekommst du das mit jedem Klienten hin? Du musst die Leute ja entkleidet anfassen…

Lisa:
Wenn ich zu einer Person ein unangenehmes Gefühl habe, das sich auch während der ersten Sitzung nicht verändert, dann arbeite ich nicht mit der Person. Ich darf keine grundsätzliche Abneigung gegen die Person empfinden. Das würde der Klient unbewusst spüren und er kann sich dann nicht mehr wirklich öffnen. Diese Situation kommt aber sehr selten vor. Wenn Menschen wüssten, wie liebenswürdig sie sich machen, wenn sie sich verletzlich zeigen, würden sie das viel öfter zulassen.

Was hinter der Therapiemethode steckt und wie eine Patientin ihre Erlebnisse schildert, erfahrt Ihr in den anderen beiden Teilen der Serie über Instinkt und Psyche:

Teil 1: Die Therapie

Teil 2: Die Patientin


Instinkt und Psyche – Teil 2

Portrait — Instinkt und Psyche (Teil 2)

Raus aus dem Kopf, rein in den Körper

Instinkt und Angst sind biologische Geschwister. Wenn dieser Mechanismus häufig einen Fehlalarm schlägt, werden wir krank – seelisch und körperlich. Eine Betroffene erzählt uns, wie sich Panikattacken anfühlen und was ihr geholfen hat.

23. Oktober 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Text: Katharina Weiß

Teil 2 der Serie über Instinkt und Psyche:
Die Patientin

Die Geschichte von Stefanie und der Angst hat sich in mehreren Kapiteln in ihre Biografie eingeschrieben. Zum ersten Mal klopfte sie mit Anfang 20 an – oder sie schlug vielmehr die Türe mit dem Vorschlaghammer ein. „Ich musste in der Kindheit sehr früh Verantwortung übernehmen, die gar nicht meine war. Dadurch blieb viel Unsicherheit zurück. Passenderweise bekam ich die erste Panikattacke, als ich versucht habe, mich von meinem Elternhaus zu lösen“, erzählt Stefanie. Sie war gerade auf dem Weg zu einer Wohnungsbesichtigung, als ihr der Himmel auf den Kopf fiel: „Du denkst, die Welt geht unter, du kriegst ’nen Herzinfarkt, du stirbst gleich.“ Für einen Menschen, der immer alles unter Kontrolle hat (und haben will), fühle sich das wie der größtmögliche Kontrast an. Auch wenn Stefanie, ganz Kämpfernatur, von Anfang an Schritte dagegen unternahm: Die Angst, der ungebetene Gast, kam immer wieder zu Besuch: Umzüge, neue Jobs, Trennungen, frische Liebe – mit Situationen, die intensive emotionale Unsicherheit hervorriefen, wurde auch die Panik wieder wach.

Die 45-Jährige, die mit ihrem Mann, einem 15 Monate alten Sohn, einem Hund und einem Pferd am Waldrand in Brandenburg lebt, holte sich schon früh Hilfe. Sie versuchte es mit Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie und Gestalttherapie. Geholfen haben alle, aber Stefanie spürte immer eine Lücke im Erfolg: „Die Vorarbeit war wichtig, weil ich ganz viel über die Hintergründe meiner Probleme erfahren habe. Aber sie liefen alle über die intellektuelle Ebene, man versucht zum Beispiel, in seinem Kopf verschiedene Perspektiven einzunehmen. Heute weiß ich: Die körperliche Ebene kam zu kurz.“ Erst mit den Besuchen bei Lisa Sundermeyer, die in ihrer Berliner Praxis nach der Grinberg-Methode heilt, konnte der Therapieerfolg rund gemacht werden.

»Wir heiraten jetzt, wir gründen noch eine Familie – da ist mein System kollabiert.«

Auslöser für diesen experimentellen Behandlungsversuch war ihre letzte Begegnung mit der Panik. Es geschah vor drei Jahren, als Stefanie mitten in den Vorbereitungen ihrer Hochzeit steckte: Sie hatte sich gerade eine Location für die Feier angesehen und fuhr auf der Autobahn zurück nach Brandenburg, als die Attacke kam. Mit 60 km/h schlich sie über den Standstreifen, bis das Herz aufhörte zu rasen. „Der Gedanke: Wir heiraten jetzt, wir gründen noch eine Familie – da ist mein System kollabiert“, sagt Stefanie. Danach war sie so geplättet, dass sie monatelang nicht vernünftig arbeiten konnte. Einmal fuhr ihr Mann sie zum Bahnhof, sie hatte eine einwöchige Dienstreise vor sich. Doch an Einsteigen war nicht zu denken: „Ich konnte den Zug einfach nicht betreten“, sagt Stefanie.

Neben den Angstattacken selbst war in all den Jahren auch die Angst vor der nächsten Attacke lähmend. „Das schränkt einen deutlich in allen möglichen Aktivitäten ein, der Radius wird eng. Nach meiner Therapie bei Lisa ist er so groß, wie er in den letzten 20 Jahren nicht war“, sagt Stefanie. Nach dem Vorfall auf der Autobahn hatte ihr eine Bekannte die Praxis in Prenzlauer Berg empfohlen.

Neun Monate lang hatte sie regelmäßige Sitzungen bei Lisa Sundermeyer gebucht – und dabei gelernt, dass sie ihre Angst gar nicht bekämpfen muss: „Die Angst ist sowieso da und steckt als Energie im Körper. Man kann sie nicht festhalten, man muss sie durchfließen lassen und in etwas anderes, Positiveres verwandeln.“ Esoterisch sei das aber ganz und gar nicht gemeint. Das Gefühl, wenn sie die Panik in sich aufsteigen spürt, ruft körperliche Symptome hervor: Muskelanspannung, Schwitzen, schneller Puls, Schwindel und weiche Knie werden von ihr als „Angst“ interpretiert. „Wenn ich akzeptiere, dass in dem Moment nicht mehr passiert, als dass jede Menge Adrenalin durch meinen Körper gepumpt wird und ich das auch zulasse, dann geht es erstens schneller vorbei und zweitens bleibe ich handlungsfähig und muss weder erstarren noch fliehen“, sagt Stefanie.

Seitdem sie das Motto ‚Raus aus dem Kopf, rein in den Körper‘ verinnerlicht hat, ist auch die Migräne, für die sie früher ständig Medikamente in der Handtasche mitnehmen musste, sehr selten geworden. Als Allheilmittel würde Stefanie die Grinberg-Methode trotzdem nicht bezeichnen: Bei ihrer Problemlage sehe sie Lisa Sundermeyers Heilkonzept weniger als Ersatz zu klassischen psychotherapeutischen Methoden, sondern eher als Ergänzung.

»Ich würde mir wünschen, dass die Kasse für weniger privilegierte Menschen die Stundenhonorare übernimmt.«

Obwohl sie nicht mehr regelmäßig in die Praxis kommt, empfindet sie sich als „noch nicht fertig.“ Auch in den letzten Monaten griff sie wieder zum Hörer, um einen der raren Termine bei Lisa Sundermeyer zu bekommen. „Mein Mann und ich mussten einige Verluste hinnehmen. Mich haben unter anderem Todesfälle beschäftigt und dann hatte ich noch einen schweren Reitunfall mit Gedächtnisverlust. Neben der Trauerbewältigung war auch die Traumaverarbeitung eine wichtige Baustelle, um wieder aufs Pferd zu können.“ Eine Notfallnummer sei die Therapeutin trotzdem nicht. Für Krisen habe sie zum Glück ihr enges Umfeld. In den Sitzungen gehe es auf lange Sicht eher um Selbstermächtigung.

Immer wenn Stefanie zudem einen Knoten in der eigenen Entwicklung spürt, lässt sie sich von der Therapeutin dabei helfen, den neuen Schritt mit vollem Elan anzugehen. Die ständige Weiterentwicklung ist auch für ihren Beruf nützlich. Sie coacht Führungskräfte, vorrangig aus Wirtschaftsunternehmen, und berät sie bei Konflikten mit Mitarbeitern oder hilft ihnen bei der Zusammenstellung von neuen Teams. Ein anstrengender Job, der viel Aufmerksamkeit erfordert. Und bei dem sich auch wieder die Angst einschleicht… nur dieses Mal auf der Seite der Kunden. „Durch meine Erfahrungen mit der Grinberg-Methode sehe ich auch bei den Klienten viel deutlichere Körpersignale und kann sie bei ihren Herausforderungen besser unterstützen.“

Zu viel möchte sie aber gar nicht von Lisa Sundermeyer schwärmen, es sei jetzt schon schwer genug, einen der raren Termine bei der Therapeutin zu bekommen. Aber mit ihr sei die Chemie einfach so stimmig: „Das muss auf jeden Fall passen, es wird ja sehr intim – körperlich und seelisch.“ Damit noch mehr Patienten mit Panikattacken von der innovativen Methode profitieren könnten, würde sie sich wünschen, dass die Kasse für weniger privilegierte Menschen die Stundenhonorare, die in der Branche zwischen 70 und 130 Euro liegen, übernehmen würde.

Was genau dahintersteckt und wie die Expertin Lisa Sundermeyer ihre Technik erklärt, erfahrt Ihr in den anderen beiden Teilen der Serie über Instinkt und Psyche:

Teil 1: Die Therapie

Teil 3: Die Therapeutin


Instinkt und Psyche – Teil 1

Reportage — Instinkt und Psyche (Teil 1)

Heile dich selbst!

Eine Praxis in Prenzlauer Berg verbindet körperliche Berührung mit psychotherapeutischem Dialog. Unsere Autorin Katharina Weiß hat eine Sitzung getestet und den Seelenstriptease gewagt.

23. Oktober 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Text: Katharina Weiß

Teil 1 der Serie über Instinkt und Psyche:
Die Therapie

Ich fühle mich leicht, fast fragil, und etwas benebelt, aber gleichzeitig fest mit der Erde verbunden. Ein bisschen wie nach einem Tag am Strand, einer langen Meditation oder betrunkenem Liebessex. Als ich auf die Straße trete, blendet mich das Sonnenlicht, und wenn jetzt jemand Bach spielen würde, müsste ich vermutlich weinen.

Vor zwei Stunden hatte ich noch nicht erahnt, in welchen Zustand mich eine Therapiesitzung bei Lisa Sundermeyer versetzen würde, die mit körperorientierter Psychotherapie arbeitet und Werkzeuge der sogenannten Grinberg-Methode benutzt. Als ich die Heilpraktikerin für Psychotherapie ein paar Wochen zuvor um einen Interviewtermin gebeten hatte, wollte ich mit ihr nur über den Zusammenhang von Psyche und Instinkt, dem titelgebenden Begriff der aktuellen Ausgabe, sprechen. Dies sei genau ihr Thema, versicherte Sundermeyer am Telefon und lud mich zudem zu einer Probesitzung in ihrer Praxis im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ein: „Was ich tue, ist einfacher zu spüren statt zu beschreiben.“ Ein Satz, den Journalisten selten glauben – im Beschreiben kann uns schließlich keiner etwas vormachen – und doch muss ich ihr nun, um diese Erfahrung reicher, recht geben. Dass die Schilderung dieser ersten Sitzung etwas albern klingen mag, ist deshalb zu entschuldigen.

Während ihre Finger an meinen Füßen herumwandern, tasten sich ihre Fragen an meiner Biografie entlang.

Da ich ohne Therapieerfahrung und Leidensdruck in Lisa Sundermeyers Behandlungsräume kam, hatte ich wenig erwartet. Im besten Fall ein nettes Gespräch, im schlimmsten Fall seltsame Freud-Fragen über meine Eltern. Damit, dass ich Lisa Sundermeyer keine fünf Minuten nach der Begrüßung meine Füße ins Gesicht strecken würde, hatte ich sicher nicht gerechnet: Bei der sogenannten Fußanalyse nimmt der Patient häufig auf einem Stuhl ohne Beine Platz, der auf einen langen, gepolsterten Tisch montiert ist. Am Tischende sitzt der Therapierende mit einem griffbereiten Laptop und untersucht beziehungsweise knetet die Füße des Patienten. Hätte ich gewusst, dass Lisa Sundermeyer mit meinen Quadratlatschen beginnt, hätte ich die Käsemauken davor hübscher manikürt! Die Befremdlichkeit verfliegt jedoch schnell und bald scheint es ganz normal, dass mir jemand am großen Zeh zieht, während ich sozusagen die Anamnese absolviere.

Der Sinn dahinter: Die Verlagerungen des Körpergewichts hinterlassen Abdrücke an den Fußunterseiten. Diese lassen Rückschlüsse darauf zu, welche automatischen Körperhaltungen ein Mensch häufig einnimmt. Später erklärt Lisa Sundermeyer mir: „Wenn man häufig das Becken vorschiebt, belastet man die Füße natürlich anders, als wenn man immer die Schultern hochzieht. Daran kann ich schnell sehen, wo es Blockaden oder vermehrt Spannung gibt, also automatische Haltungsmuster des Körpers.“

Während ihre Finger an meinen Füßen herumwandern, tasten sich ihre Fragen an meiner Biografie entlang. Sie fragt sich, ob ich ein bestimmtes Problem habe, an dem ich arbeiten möchte. „Mein Liebesleben“, scherze ich und weiß doch, dass dies mehr Attitüde ist. Deshalb erzähle ich ihr von dem Gespräch mit einem amerikanischen Musiker nur wenige Tage zuvor. Wir beide teilten eine unbegründete Angst: Irgendwann fliegen wir auf, irgendwann bekommen alle mit, dass wir eigentlich gar nichts können. Und er wird von den Securities aus dem Stadion, in dem er spielen soll, herausgetragen – und mich entfernt die Polizei aus dem Redaktionsgebäude. Das Hochstapler-Syndrom ist ein weit verbreiteter Spleen unter Kreativen. Nachdem wir uns eine Zeit lang darüber unterhalten haben und ich ihr auch von meinen Rückenschmerzen erzählt habe, folgt die nächste Überraschung: Ich soll mir mein Kleid ausziehen und mich flach auf den gepolsterten Tisch legen.

»Manche Menschen rennen weg, die einen stellen sich tot und die anderen fallen in Ohnmacht.«

Während sie versucht, Anspannungen in meiner rechten Schulter zu lösen, erzählt sie: „Im Fall ‚Mensch und Bär begegnen sich im Wald‘ gibt es eigentlich vier instinktive Reaktionen: Manche Menschen kämpfen mit dem Bären, manche Menschen rennen weg, die einen stellen sich tot und die anderen fallen in Ohnmacht.“ Diese Geschichte ergänzt eine Übung, bei der mir Lisa Sundermeyer die Stressreaktionen in meinem Körper demonstriert, die auf den urzeitlichen ‚fight or flight‘- Reflex zurückgehen. Für welche Reaktionsvariante wir uns entscheiden, liege an unseren Lebenserfahrungen: „Hat mir in der Kindheit eher das Kämpfen etwas gebracht oder war ich sowieso immer ausgeliefert und konnte mich gar nicht wehren – je nach dem werde ich eine andere Standardstrategie benutzen.“ Wer zum Kämpfen neigt, der sei häufig in Angriffshaltung: die Schultern nach oben, volle Spannung. Sie fordert mich auf, kurz diese Position einzunehmen, während sie auf meine Muskeln drückt. In dem Moment wird der Schmerz in meiner rechten Schulter brennend.

Für die nächste Stunde sind meine Augen größtenteils geschlossen, die einzelnen Situationen verschwimmen: Während die Therapeutin meinen Körper massiert und mich dazu animiert, auf bestimmte Reize zu achten, leitet sie eine Unterhaltung zwischen uns beiden, die mich in ihrer Ehrlichkeit erstaunt. Ich erzähle frei und ohne Performancedruck – die Berührungen, die meinen Körper lockern, öffnen auch meinen Geist…

Entscheidend sind nicht die Minuten oder Stunden, die man in der Therapie verbringt, sondern die Zeit danach.

Als ich ein paar Tage später über diese Erfahrung nachdenke, empfinde ich zwei Begriffe, die das Resultat der Sitzung aus meiner Perspektive erfassen: Motivation und Entspannung. Entscheidend sind nicht die Minuten oder Stunden, die man in der Therapie verbringt, sondern die Zeit danach, in der man Denkanstöße und Gefühle neu ordnet. Das passt auch zur Geschichte des Gründers der Grinberg-Methode – eine der Methodiken, die Lisa Sundermeyer für die körperorientierte Psychotherapie benutzt. Nach langjähriger Behandlungspraxis frustrierte den Psychotherapeuten Avi Grinberg in den 1970ern immer wieder eine Sache: Er heilte die Menschen, nur um sie nach Monaten oder Jahren mit gleichen Beschwerden wieder im Wartezimmer sitzen zu sehen. Auf seiner Webseite heißt es heute: „Avi Grinberg erschien es immer sinnloser, dass das Wohlbefinden der Menschen von seinen Behandlungen und damit von ihm abhing. Ihm wurde klar, dass sie sich an dem Heilungs- und Genesungsprozess selbst beteiligen müssen.“

Dies überraschte auch mich: Ich hatte zu jenen gehört, die gedacht hatten, dass die Beschäftigung mit der eigenen Psyche immer bedeuten muss, in lamentierenden Sitzungen Verantwortung ab- und aufzugeben. Die Aufforderung der Grinberg-Methode fordert jedoch das ganze Engagement des Patienten, denn im Grunde besagt sie: Heile dich selbst!

Wie eine Patientin ihre Erlebnisse schildert und wie die Expertin Lisa Sundermeyer ihre Technik erklärt, erfahrt Ihr in den anderen beiden Teilen der Serie über Instinkt und Psyche:

Teil 2: Die Patientin

Teil 3: Die Therapeutin


Tim Sean-Lee Mut-Lu

Submission — Tim Sean Lee Mut Lu

Der aus dem Regen kam

19. Oktober 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Text: Tim Sean-Lee Mut-Lu, Fotos: Caroline Wimmer

Ich folge meiner inneren Stimme, ergo folge ich meinen Instinkten. Der Herbstregen und die wiedereinkehrende Dunkelheit inspirieren mich. Die dunkle Jahreszeit und die menschenleeren Straßen in der Nacht schaffen eine spezielle wie auch sehr sinnliche Atmosphäre, die mich schon immer in den Bann gezogen hat. Um den Kopf frei zu bekommen, laufe ich sehr oft alleine durch die Nacht.

Alleine zu sein bedeutet nicht, einsam zu sein. Vielmehr gehört Mut dazu, denn alleine sein zu können bedeutet, sich mit den eigenen Dämonen auseinanderzusetzen, diese zu verstehen, zu bekämpfen und, wenn möglich, zu eliminieren (natürlich auf die Charles Bronson-Art).

Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich Folgendes vor meinen Augen: Charles Bronson begleicht die Schulden der Benachteiligten und agiert als Racheengel (je nach Betrachtungsweise), denn bei Ungerechtigkeit sieht er relativ schnell rot. Begleitet wird er von dem sagenumwobenen Höllenreiter im rebellischen Ledergewand namens Priester Judas, der aus der Hölle entkam, um seine Jünger zu vereinen und diese auf die Apokalypse vorzubereiten. Und Sade trauert – mit ihrem unverwechselbar melancholischen Klang – um die Liebe des Mannes, den sie niemals halten kann.

Die Ästhetik und Stimmung der in den 50er bis 80er Jahren produzierten Filme und Musikstücke haben mich sehr stark beeinflusst. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als ich Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ mit Claudia Cardinale und Charles Bronson zum ersten Mal sah. Vor allem das Set Design und die individuellen Outfits der Hauptprotagonisten habe ich bewundert. Es wirkte alles absolut authentisch auf mich und das wurde schließlich zu meinem Credo: Authentizität im Sein und Handeln und Minimalismus im Design und Kunst – das habe ich seit jenen jungen Jahren verinnerlicht.

Musikalisch war ich in den frühen Jahren sehr offen, solange es ehrlich und tiefsinnig war. Von Jazz, Blues, Soul, Dark Wave, Hard Rock, Metal bis hin zu Electro. Meine ersten Platten habe ich noch zu DM-Zeiten erworben, unter anderem „Turbo Lover“ (Judas Priest), „Big Fun“ (Inner City), „Just the way you like it“ (S.O.S.) und „Diamond Life“ (Sade), um nur wenige zu nennen.

Jedoch war ich bei der Auswahl der Künstler und Musikstücke sehr selektiv, das heißt es musste sinnlich, intensiv und tief sein – nach wie vor und noch intensiver selektiere ich heute die Tracks für meine DJ Sets: Die Musik, die ich spiele, hat etwas mit meiner Grundeinstellung zum Leben, zu meiner Gefühlslage und zu meinem Lebensstil zu tun. Meine ersten Chicago House und Deep House Sets habe ich 1998 in Heidelberg mit Vinyl gespielt. Es sind zwanzig Jahre vergangen und dazwischen ist viel passiert. Mehr dazu im folgenden Gespräch mit meinem guten Freund Michael:

Tim Sean-Lee Mut-Lu: Der aus dem Regen kam

Ein nicht so alltäglicher Abend mit Tim Sean-Lee Mut-Lu, DJ und Inhaber der Agentur “Instinkte“.
 Der erste Regen über Berlin nach vier Monaten, Herbststimmung und ein Mann, der aus dem Regen kommt. Wie vereinbart und ebenso selbstverständlich pünktlich steht Tim Sean-Lee vor der Tür. Er ist da! Sein Charme so unwiderstehlich wie die Leckereien aus seiner KDW-Tüte. Eine Flasche Weißburgunder, ein französisches Baguette und dazu Tiroler Bergkäse.

Tim sitzt wie so oft an der Stirnseite unserer Tafel und lehnt seine tätowierten Arme auf den Tisch. Ungewollt nimmt er drei Viertel des Raumes ein. Er legt Wert auf sein Äußeres: 50er Jahre-Trench Coat, James Dean-Shirt, perfekt sitzende 50er Jahre-Bundfaltenhose zu englischen Designerschuhen. Das ist die schicke Oberfläche.

Wir reden davon, was ihn jenseits des Berliner Hypes ausmacht. Tim ist ein Individualist. So ambivalent wie sein persönlicher Geschmack zwischen Charles Bronson und Sade, Judas Priest und Ennio Morricone, so selten findet man einen authentischen Typ wie ihn.

»Wenn ich logisch gehandelt hätte, dann wäre ich jetzt Maschinenbauingenieur.
«

Michael:
Was denkst du, macht deinen Instinkt aus?

Tim Sean-Lee:
Schwer in Worte zu fassen, eine Art von Eingebung würde ich sagen. Wenn man der inneren Stimme Gehör schenkt und es zulässt, weiß man, dass es richtig ist. Mal die Logik ausschalten und auf das Bauchgefühl hören. 
Wenn ich logisch gehandelt hätte, dann wäre ich jetzt Maschinenbauingenieur.
 Habe stets versucht, meiner inneren Stimme zu folgen. Um Harmonie zu erlangen, sollte man – gerade bei schweren Entscheidungen – dem Bauchgefühl vertrauen. So ist es ja auch mit der Musik: Man hört zu und weiß relativ schnell, ob es einem gefällt oder nicht. Das hat nichts mit Logik zu tun, sondern mit Emotionen und ob es einen berührt. Die Musik war mein Rückzugsort und meine Leidenschaft. Emotional wie Bryan Ferry oder melancholisch wie „The End“ von The Doors, bis ich angefangen habe, diese Gefühlswelt intuitiv zu transformieren und im Tanz auszuleben.

Michael:
Für welche tänzerische Ausbildung hast du dich entschieden?

Tim Sean-Lee:
Ein Studium für Modern Dance an der Academy Orlando, USA. 
Durch den Tanz habe ich meinen Emotionen zum Ausdruck verholfen.
 Modern Dance ist sehr sinnlich und verkörpert Leidenschaft. 
Eine Leidenschaft, die sich nahezu in allen Bereichen meines Lebens instinktiv durchsetzt und die ich ebenso für Musik und Mode aufbringe. 
Textilien, und damit meine ich nicht die billig produzierten Massenwaren für die Wegwerfgesellschaft, sind für mich ebenso sensuell und schaffen ein Gefühl von Individualität, ein wenig wie beim Tanz. Es scheint mir fast so, als würde der Gesellschaft immer mehr das Denken abgenommen. Fast alles wird einem vorgekaut und fertig präsentiert. In den 80ern und 90ern, ohne die Super High-Speed Digitalisierung, musste man sich mit Mode, Musik oder was auch immer auseinandersetzen. Man musste sich selbst darum kümmern und logischerweise Zeit investieren, um sich Wissen anzueignen, das heißt eine Leidenschaft, die einen beflügelt und pusht. Heute vertrauen die meisten Leute Google! Folgende Situation beschreibt es wohl am besten: Man trifft sich (noch) mit Menschen, spricht über dies und das und irgendwann kommt es zu einem Punkt, an dem dein Gegenüber etwas nicht zu 100 Prozent nachvollziehen kann. Und was macht sie beziehungsweise er?! Richtig: Google fragen statt dem Gegenüber Glauben zu schenken. Ich frage mich: Wie haben unsere Mütter, Väter und Vorfahren all das aufbauen können, ohne eine Antwort von Google zu erhalten? Wie konnten sie alle von A nach B kommen, ohne sich zu verirren? Waren wohl allesamt Genies. Und nein, ich habe nichts gegen Google – ich nutze es auch, wenn es angebracht ist.

»Kommunikation besteht nicht nur aus Worten und Lauten.«

Michael:
Wie wichtig ist Kommunikation für dich?

Tim Sean-Lee:
Durch das Studium der Kommunikationswissenschaften konnte ich die Bereiche Mode, Tanz und Musik effektiv verknüpfen. Und es hat mir geholfen, meine Visualität auch in Wort und Schrift zu übertragen. In der Kommunikation verwende ich sehr oft die bildliche Sprache. Ich erinnere mich an eine Situation vor Jahren in einem Düsseldorfer Buchhandel. Ich war auf der Suche nach etwas Besonderem, hatte aber nichts Bestimmtes in Gedanken. Es sollte an „Das Parfum“ von Patrick Süskind herankommen und mich sofort fesseln – schwer genug. Während ich durch die Gänge lief und in Gedanken schon das Geschäft verließ, passierte etwas, das mich bis heute berührt: All diese Cover-Fotos und Illustrationen auf den Büchern fliegen einem förmlich zu und im Bruchteil von Sekunden treffen wir die Entscheidung „gefällt“ oder „gefällt nicht“, so auch ich an diesem Tag. Bei einem der Cover-Illustrationen dachte ich mir Folgendes: Was hat ein Kinderbuch mit einem Elefanten und Zirkuszelt hier in dieser Abteilung zu suchen? Wie banal dieser Gedanke war, habe ich sofort bemerkt und blieb stehen. Warum tat ich das? Warum habe ich etwas verurteilt und beurteilt, ohne es zu kennen? Genau diese Fragen haben mich dazu gebracht, sofort zurückzulaufen und das Buch zumindest etwas näher zu betrachten. Das war ich mir selbst und dem Autor schuldig. Ich war ungerecht in meinem Urteil und wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann Ungerechtigkeit. Also nahm ich es in die Hand, auf der Vorderseite die besagte Illustration. Ich drehte es um – es gab keinen Umschlag, ergo auch keinen Klappentext – und habe Folgendes gelesen: Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen, Erwachsenen damit sie aufwachen… Seit jenem Tag habe ich das Buch mehrmals gelesen und ebenso alle weiteren Werke des Autors.
Kommunikation besteht nicht nur aus Worten und Lauten: Meistens beginnt die Kommunikation nonverbal, die visuelle Wahrnehmung ist ein sehr ausgeprägter Instinkt. Unser äußeres Erscheinungsbild ist voll bestückt mit Informationen und Mode und Textilien sind ein Bestandteil dieser Informationen. Das gilt wohl für die meisten Lebewesen auf der Erde und dient zumeist der Partnerwahl und/oder der Fortpflanzung. Mein Erscheinungsbild wurde sehr früh durch den amerikanischen, italienischen und englischen Stil der Leinwanddarsteller der 50er und 80er Jahre geprägt. Meine Eltern zelebrierten den 80er Jahre Lifestyle sehr intensiv, demnach war ich ungewollt gut angezogen. Jeden zweiten Sonntag gab es die „Best Dressed“-Challenge (lacht) und das gänzlich ohne Hashtags. Da meine Eltern sehr viel Wert darauf gelegt haben, an Wochenenden Familienausflüge zu organisieren, musste sich jeder im Hause Mut-Lu fein machen.

»Die 90er Jahre habe ich sehr intensiv erlebt.«

Michael:
Sozialisierung schreibt man in unserer Gesellschaft groß: Normen, Anforderungen erfüllen, einen Beruf erlernen und dabei sich selbst finden.

Tim Sean-Lee:
Stillstand ist ein Zustand, den ich tatsächlich nicht kenne. Ich habe einen großen Drang, etwas zu kreieren und aufzubauen. Als ich meine Karriere in der Modewelt als Einkäufer und PR-Manager für Union Square begann, tanzte ich nebenbei noch am Nationaltheater Mannheim. Ich schuf mir meinen Ausgleich, indem ich mich eine Zeit lang auf das Auflegen konzentrierte. 1998 habe ich meine eigene Eventreihe gestartet und mich intensiv auf das Auflegen konzentriert. Im Fokus der Eventreihe stand House-Musik mit unterschiedlichen Stilrichtungen im Programm. Darüber hinaus war ich ein Jahr lang Resident im Memory Club und spielte in diversen Clubs in Süddeutschland. Und nach wie vor bestehen meine Sets aus den ursprünglichen House-Klängen: Chicago House und Deep House.
Die 90er Jahre habe ich sehr intensiv erlebt. Ich ging auf Burlesque-Partys, die damals noch in relativ kleinen Kreisen zelebriert wurden. Es war faszinierend, wie elegant und erotisch die Besucher auf den Veranstaltungen gekleidet waren. Es ist für mich fesselnd, wenn man nicht direkt blank zieht – direkte Nacktheit reizt mich nicht. Aufreizend angezogen zu sein, um den Drang zu verspüren, das Gegenüber auszuziehen, das erotisiert mich. In keine Verkleidungen schlüpfen, eher in eine zweite Haut, die ein Teil von mir ist.

Michael:
Konntest du dir deinen Lebensunterhalt mit dem Auflegen finanzieren?

Tim Sean-Lee:
Nein, das Auflegen war stets eine Leidenschaft, die ich intensiv und so professionell wie möglich realisiert habe. Zu diesem Zeitpunkt ist mir nicht in den Sinn gekommen, das Auflegen als Fulltime Job zu sehen. Nachdem ich mein Diplom in Kommunikationswissenschaften beendet habe, stürzte ich mich in die Textilindustrie und nahm meine erste Stelle als Einkäufer an. Als ich in meinen 20ern war, gab es noch keine Coworking-Plätze, es wurde auch kein Wert auf die sogenannte „Life-Work-Balance“ gelegt.
 Der Ausgleich, auf den die meisten Arbeitgeber heute bei Ihren Mitarbeitern Wert legen, zum Beispiel durch Sport in den Pausen oder Zeiten der Erholung während der Arbeit, gab es zu meiner Zeit in der Arbeitswelt nicht. Ich wusste allerdings schon sehr früh, dass bei den meisten Arbeitsplätzen der Wohlfühlfaktor fehlt. Ich habe als Einkaufsleiter gearbeitet, war Produkt Marketing Manager, International Brand Manager und PR-Berater. Es lief so lange sehr gut, bis ich gar nicht mehr lief. Es konnte nicht gut gehen: immer auf der linken Spur mit Vollgas zu fahren, ist erschöpfend.
Meine DNA hat mich zum Pferdeflüsterer geführt, ich wollte und musste zur Ruhe kommen. Schon als Kind war ich fasziniert von Pferden, wahrscheinlich weil die Cowboys so cool darauf wirkten (lacht). Ich habe sechs Monate lang keinen Job angenommen und mich über mehrere Wochen bei der Reiterpension Marlie niedergelassen. Wolfgang Marlie – eine Koryphäe in Horsemanship sowie mein Reitlehrer – vertritt die Einstellung, dass man ein Pferd ohne Geschirr und andere Hilfsmittel reiten kann, wenn Vertrauen und Feinsinnigkeit die Basis zur Grundkommunikation ist. Er lehrte mich eine Kunstsprache aus Signalen, wodurch ich dem Pferd und mir selbst wieder näherkam. Ich habe mongolisches Blut in mir – und Reitervölker der Mongolei vertrauten stets in eine tiefe geistige Bindung zu ihren Pferden. Wolfang Marlie versucht, dem Reiter und dem Pferd die gegenseitige Angst voreinander zu nehmen, 
sich nicht voreinander zu fürchten und gemeinsam nach Harmonie zu suchen. Diesem Prinzip versuche ich seit jeher treu zu bleiben. Bei Freunden, auf dem Reitplatz und bei der Arbeit.

»Ich selbst muss überzeugt sein von dem Projekt, der Idee und dem Resultat.«

Michael:
Wie kamst du zu deiner Agentur und dem Namen „Instinkte“?

Tim Sean-Lee:
Ehrlich gesagt habe ich gar nicht lange nach einem Namen gesucht. Ich interessiere mich sehr für Astrophysik und ebenso für das instinktive Verhalten in der Tierwelt. Und durch all diese Informationen über all die Jahre habe ich eines ganz klar und deutlich verstanden: die meisten – nicht-menschlichen – Lebewesen folgen ihren Instinkten. Dadurch war alles im Gleichgewicht, nur der Mensch hat es fertiggebracht, diesen Kreislauf zu unterbrechen und zum Teil auch zu zerstören.
Ich habe die Agentur als Antwort auf meine Ernüchterung der Fashion-Industrie gegründet. Ich wollte nur noch unter Konditionen arbeiten, die ich selbst bestimmen konnte. Die Agentur „Instinkte“ hebt sich von anderen ab, weil sie instinktiven Entscheidungen folgt. Meinen Entscheidungen, bei denen ich auf mein Herz vertraue und auf meinen Erfahrungsschatz zurückgreife. Ich selbst muss überzeugt sein von dem Projekt, der Idee und dem Resultat.


Fye & Fennek

Interview — Fye & Fennek

Von Licht und Finsternis

Mit Fye & Fennek auf Großstadtsafari: In der Berliner Kneipe „Dschungel“ haben wir mit der Band über ihr neues Album „Separate Together“ gesprochen – und erfahren, dass es immer einen prägenden Moment braucht, um einen guten Song entstehen zu lassen.

2. Oktober 2018 — MYP N° 23 »Instinkt« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Ansgar Schwarz

Wer aus der grellen Helligkeit des Tages in das Dickicht des Urwalds tritt, ist erst mal blind. Doch wessen Augen sich an die Schummrigkeit gewöhnt haben, der erkennt zwei exotische Wesen, die sich im Unterholz zu eleganten Verrenkungen zusammengerollt haben: Ihre blauen Augen funkeln neugierig, und wer ihre Klänge vernimmt, der hört kein Brüllen oder Zischen, sondern das atmosphärische Klingen sphärischer Purität.

Was das Poetenherz so romantisch zu verpacken weiß, hat einen Anker in der Pragmatik: Im Dschungel, einer ehrlichen Berliner Kneipe mit tropischer Deko, treffen wir Fye & Fennek, die gerade ihr erstes Studioalbum „Separate Together“ veröffentlicht haben. Die Neuköllner Bar bietet hochqualitative Cocktails ohne Schnickschnack zu einem Preis, der stets dazu einlädt, noch ein bisschen länger zu bleiben.

So natürlich und sympathisch wie die Location sind auch die beiden Musiker. Während Fye (30) mittlerweile in Berlin wohnt, ist Fennek (27) extra aus Kassel angereist, wo er mit seiner kleinen Tochter lebt. Die unzähligen Musikinstrumente, mit denen sie ihre Songs einspielen, haben die beiden dieses Mal zuhause gelassen. Dafür bringen sie gute Laune und Trinkfestigkeit mit – und das ist bei einem Treffen mit Journalisten bekanntermaßen nie verkehrt…

Katharina:
Ihr seid weder verwandt noch verliebt, sondern habt beruflich zueinander gefunden. Fye, wie hast du Fennek kennengelernt?

Fye:
Ich kannte seinen Mitbewohner! Der hat mich zu seiner WG-Party eingeladen, dort haben wir Musik gemacht. Da war Fennek auf einmal im Raum. Wir haben zuerst über Songs geredet und danach ordentlich einen weggetrunken.

Fennek:
Ich hatte davor schon ein Soloalbum und eine Platte mit einer anderen Künstlerin produziert – aber beide wollte ich dann doch nicht veröffentlichen. Die Arbeit vor unserer Begegnung war mein Boot Camp. Ich musste wissen, was ich machen kann und wer ich bin. Und dann kam Fye und innerhalb einer Nacht haben wir beschlossen, am nächsten Tag einen Song aufzunehmen, den wir einen Monat später veröffentlicht haben.

»Ich empfinde es eher als Erleichterung, dass meine Familie beruflich nichts mit Musik am Hut hat.«

Katharina:
Habt ihr musikalische Eltern, oder woher kommt die kreative Ader?

Fennek:
Meine Eltern haben eine spannende Geschichte: Sie sind als Flüchtlinge aus Polen gekommen. Dort war meine Mutter Schauspielerin und mein Vater Rennfahrer. Die Zeiten waren nicht so gut…

Katharina:
…du sprichst vom Eisernen Vorgang?

Fennek:
Genau. Mein Großvater sagte zu meinem Vater: „Mit diesen Jobs verdient ihr kein Geld.“ Deshalb haben die beiden dann Medizin studiert. Und danach sind sie mit dem Trabbi über Schlesien nach Saarbrücken geflohen, mit tausend Złoty in der Tasche. Tja, und so haben sie sich hier ein Leben aufgebaut und fünf Kinder großgezogen. Die beiden haben eigentlich ihre künstlerische Freiheit für uns aufgegeben, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen. Meine Schwester zum Beispiel hat Geige gespielt, und ich durfte unter anderem Klavier und Schlagzeug lernen. Doch als ich älter wurde kam die Frage: „Hast du dir schon ein Berufsfeld ausgesucht?“ Und ich dachte mir: Fuck, wie erkläre ich ihnen, dass ich weiterhin Musik machen möchte? Dafür musste ich mich schon rechtfertigen.

Fye:
Meine beiden Eltern sind Lehrer – aber nicht für Musik. Ich habe es vielleicht von meiner Oma. Sie war die Einzige, die wirklich musikalisch war und sich autodidaktisch jede Menge Instrumente beigebracht hat. Ansonsten empfinde ich es eher als Erleichterung, dass meine Familie beruflich nichts mit Musik am Hut hat. Ich wurde nicht in ein Feld gesetzt, sondern kann mich ganz frei bewegen. So bin ich der kleine Exot und das ist auch ganz positiv.

Katharina:
Wo in Berlin entstehen eigentlich eure Songs?

Fennek:
Wir haben Ewigkeiten kein passendes Studio gefunden. Am Ende war das Label so frei und hat uns ihre Raucherkammer angeboten. Das ist ein kleiner, schöner Ort in Mitte – genau richtig für uns. Ich penne dort auch meistens, wenn ich in Berlin arbeite.

Katharina:
Hat dir Fye keine Couch angeboten?

Fennek:
Doch, doch! Aber wenn wir den ganzen Tag zusammen spielen und ich noch an ihrem Gesang herumproduziere…

Fye: (lacht)
…dann kann er meine Stimme irgendwann nicht mehr hören.

»Ein Song kommt immer aus einem gewissen Moment, von dem er getragen wird.«

Katharina:
Dass ihr euch erst später im Leben getroffen habt, als ihr beide schon eine Geschichte hattet, merkt man an der Vielseitigkeit eurer Songs. Was habt ihr euch bei der Zusammenstellung des Albums gedacht?

Fye:
Das Album ist unser beider Sprachrohr und wir haben einen gemeinsamen Klang gefunden. Ansonsten wollten wir einfach frei damit sein und kein Konzeptalbum machen, sondern viele verschiedene Elemente mitnehmen. Jedes Lied hat sein Eigenleben.

Fennek:
Bei uns geht das wahnsinnig schnell. Wir machen einfach und probieren uns aus. Wir schreiben einen Song, manchmal in ein paar Stunden – und lassen ihn dann nicht ewig rumliegen, sondern produzieren ihn zügig fertig. Ein Song kommt immer aus einem gewissen Moment, von dem er getragen wird: ein Gefühl oder ein prägendes Ereignis, ein Highlight oder ein Absturz.

Katharina:
Wenn so viele Emotionen in Songs fließen, dann muss man sich ganz schön nackt voreinander machen. Ist das manchmal komisch? Vor allem für dich, Fye, weil du größtenteils die Texte schreibst?

Fye:
Da war nur eine kurze Phase des Kennenlernens – danach gab es keine Tabus mehr.

Fennek:
Ein bisschen wie Bruder und Schwester. Fye konnte mir erzählen, wenn irgendein Typ wieder Scheiße gebaut hat – dann habe ich mir den vorgeknöpft.

Fye:
Als ich nach so einem Liebeskummer mal mit Fennek im Studio war, kam eine Freundin dazu und meinte: „Mensch, Fye! Du bist halt auch so eine, die das Drama braucht. Denn danach kannst du einen Song schreiben, der richtig geil wird. Du bist einfach nicht der Typ, der fünf Jahre in einer Beziehung steckt, und nie passiert irgendwas Spannendes.“

Fennek:
Du brauchst auf jeden Fall die Reibung. Du bist wie ein Schloss, in dem überall kleine Türchen sind, hinter die man nochmal schauen kann…

Katharina:
Ein Adventskalender der Erotik.

Fye: (alle lachen)
Geile Metapher.

Katharina:
Und wie ist das bei dir Fennek, wann wirst du am kreativsten?

Fennek:
Viele Songs entstehen auf dem Weg von Berlin nach Kassel – oder umgekehrt. Ich nehme Gefühle mit und versuche sie auf der Reise in Melodien zu verwandeln. Das klingt abstrakt, für mich ist es aber sehr greifbar. Ich singe bewusst nicht mehr so viel, weil mittlerweile die Töne meine Worte sind. Und wenn Fye dann über meinen Song jammt und einen Text findet, spricht sie mir total aus der Seele. Wir sind musikalisch eins geworden.

»Jeder von uns hat Licht und Dunkelheit in sich.«

Katharina:
Welche Motive beschäftigen euch besonders?

Fye:
Licht und Dunkelheit – jeder von uns hat beides in sich. Ein Kontrast muss da sein. Auch schlechte Sachen haben meistens einen guten Aspekt. Im Lied „Dark Lights“ geht es zum Beispiel um meine Anziehung zu dem Dunklen. Wenn man weiß: „Der Typ, der tut mir gar nicht gut, aber ich renne ihm trotzdem hinterher.“ Und dadurch lernt man. Man wird mit der Zeit nicht mehr beschädigt, sondern stärker.

Fennek:
Traut euch, Mut zu fassen! Wenn man jung ist, hat man so viele Träume und Ziele. Viele schmeißen ihr Talent aber weg und verlieren sich. Dabei kann man all die großartigen Dinge nur einmal machen, wenn man das ewig verschiebt, ist es schade.

Fye:
Wir sind mit diesen Herausforderungen zwar auf uns alleine gestellt – aber die Tatsache, dass wir alle mit gewissen Herausforderungen zu kämpfen haben, haben wir gemeinsam. Deshalb heißt das Album auch „Separate Together“.

Katharina:
Was sind eure Herausforderungen?

Fye:
Momentan ist es noch ein steiniger Weg, finanziell mit der Musik über die Runden zu kommen. Manche Leute denken, das ist ein geiles Hobby für uns. Ne! Wir sind Vollblutmusiker und machen das im zeitlichen Umfang eines Vollzeitjobs. Und wir glauben daran, dass es Menschen gibt, die feiern werden, was wir für Lieder schreiben.

»Es gibt wenige Talente, die es schaffen, mit 20 gute Songs zu schreiben.«

Katharina:
Wer in die deutschsprachigen Charts schaut, sieht jede Menge Leute, die sich—noch als Minderjährige—riesige Follower-Schwärme über YouTube oder Instagram aufgebaut haben. Die sind zehn Jahre jünger als ihr. Habt ihr manchmal das Gefühl, dass euch die Zeit davonrennt?

Fye:
Gar nicht. Ich mache schon lange Musik und habe schon als Teenie eigene Songs geschrieben. Aber aus heutiger Perspektive weiß ich: Mit 20 habe ich andere Sachen erzählt, vieles wusste ich noch nicht. Ich brauchte die Zeit. Es gibt wenige Talente, die es schaffen, mit 20 gute Songs zu schreiben. Oft stehen da erfahrene Songwriter dahinter.

Katharina:
Eigentlich ein spannender Punkt: dass die allermeisten jungen Popstars zwar den Körper von Teenagern haben, aber mit der Weisheit viel älterer Menschen singen, die ihnen ihre Geschichten sozusagen „ausgeliehen“ haben.

Fennek:
Totale Körperwirtschaft. Es ist ja auch geil für die Leute, da ein junges Mädel mit Knackarsch zu sehen und den Eindruck zu gewinnen: „Wow, die ist ja so reif! Oh mein Gott, die hat ja schon so viel durch.“ Da springt die ganze Industrie auf. Ich finde das durchaus auch bewundernswert, so funktioniert die Branche eben. Aber es gibt auch immer wieder andere Talente, die sich trotz dieser Vorherrschaft durchsetzen können.

Katharina:
Fennek, welche Abgründe faszinieren dich am meisten?

Fennek:
Extreme! Zum Beispiel in der Feierszene. Wenn ich mal rausgehe, begegnen mir in Berliner Clubs Menschen, die Dinge sagen wie: „Ich bin seit acht Tagen da, was ist mit dir?“ Ich dann zwar erst seit acht Minuten – aber ich feiere das total: in richtige Dark Clubs zu gehen, um in dieser Leere zu sich selbst zu kommen.

Fye:
Ich bin ständig auf Achse und total schlecht darin, nichts zu machen. Ich mag eher lichtdurchflutete Festivals als dunkle Clubs. Für mich ist es außerdem schon mal ein Erfolg, nicht planen zu müssen. Wenn ich immer fünf Tage beim Feiern versacken würde, dann hätte ich schon längst meinen Job verloren – ich arbeite auch als Kunstlehrerin. Mir geht es am besten, wenn ich in der wilden Natur bin oder etwas erschaffe.


Metric

Interview — Metric

Underlining The Black

Last Friday Canadian rock band Metric released their new record, “Art Of Doubt”. Lead singer Emily Haines explained to us why doubt is one of the most important human instincts—and why people sometimes wonder if the band is having dinner together.

26. September 2018 — MYP N° 23 »Instinct« — Interview: Jonas Meyer, Photography: Maximilian König

“If you would be a real seeker after truth, it is necessary that at least once in your life you doubt, as far as possible, all things.”—What French philosopher René Descartes noted almost 300 years ago, sounds so simple and all-comprehensive. But let’s be honest: not every one of us feels good with questioning the world. The thought of doubting—especially doubting everything—causes most of us some kind of discomfort. But why’s that? Why are we more inclined to look for security than to permanently redesign our lives and environment? Have we made ourselves too comfortable in the status quo?

Emily Haines, lead singer of Canadian band Metric, believes that the process of doubting is urgently necessary because it can bring some sort of healing. With the band’s new record, “Art Of Doubt”, Metric keeps an energetic and wise plea for a creative questioning of everything—a plea that motivates you to get off the couch and do something. We met Emily at SoHo House Berlin for an extensive interview, a few days before releasing the new record.

»All the statistics are showing that people are more and more lonely and unhappy.«

Jonas:
There is a photographer’s saying, I don’t know if you’re familiar with it, but it says that “black and white reduces a photo to its essentials”. In early July your Instagram feed started to turn into black and white, with just a little blue here and there. Reducing your band’s imagery to black and white, does it mean that you want to focus more? Or do you want your audience to focus more?

Emily:
I like the idea of the essentials—an idea of stripping everything away and going back to the source. That definitely feels representative for us. But it’s also just a stylistic choice and a lot of the sonics on the album are referencing our past and also, you know, early days of rock music and punk music that has inspired us. So, it’s definitely about authenticity and grit.

Jonas:
The latest music videos you released for your new songs “Dressed to Suppress” and “Black Saturday” are filmed in black and white, too. Besides that, the “Dark Saturday“ video seems extraordinary for another reason—because of the way it was edited: the video shows a split screen, with four single storylines of you and the other guys of the band. Although you’re united on one screen, every one of you seems a little lonely when striving around in the wee hours of the morning. Is loneliness a danger you have to deal with in your job as a musician?

Emily:
I think it’s an occupational hazard, yes, but it’s something we’re all grappling with. It’s quite well documented that—as our supposed quality of life improves and as we are surrounded by more and more stuff—all the statistics are showing that people are more and more lonely and unhappy, which is kind of ironic. So, I feel you and I agree.

»That’s where being self-obsessed can lead you: to a pretty dark place.«

Jonas:
In this video, you’ve worked together with award-winning director Justin Broadbent…

Emily:
… Justin did a great job with that video because he really captured that feeling that we’ve all had had of just sitting around alone with your phone. It’s like the most depressing thing, and Justin just combined those moments where the four of us are united momentarily, but everyone’s very focused on themselves—and that’s where being self-obsessed can lead you: to a pretty dark place.

Jonas:
It’s interesting anyway: Today you see everywhere people sitting at tables, two or three people, and they’re not chatting with each other, they’re chatting with someone else on their smartphones…

Emily:
It’s sad, isn’t it?

Jonas:
How did you find Justin Broadbent and how did this idea come up?

Emily:
We have an incredible crew of people in Toronto. There’s a really thriving art scene in the neighborhood where our studio is, and Justin has already done videos and artwork for us: we worked with him on our album “Synthetica”, he did the video for “Sick Muse” from the album Fantasies”, so it was very natural. He has a really good rapport with us that’s all about spontaneity and collaboration. For my solo album “Choir Of The Mind” we did that whole campaign together: visuals and everything. He’s just someone that is very much part of the community.

Jonas:
The “Dark Saturday” video was produced with an iPhone and that’s something that would not have been possible 20 years ago when you founded the band: the first smartphone with a camera was released in the 2000s, I guess. What do you think? What impact has the evolution of technology had on your music and on your career as a band in the last 20 years? Or is there even an impact?

Emily:
Well, there’s definitely an impact. We’re very fortunate to have straddled those eras when we were starting out to put up a poster and people came to your show.

Jonas:
Good old days!

Emily:
Yeah! You know, massive multi-million dollar careers were made before this new world that we live in…

Jonas:
…by people like Justin Bieber who got discovered on YouTube?

Emily:
I wasn’t thinking about him. He’s definitely part of the current reality. I’m talking about bands like The Eagles. Back then, everyone was able to not only function but thrive previous to this. But somehow now you just can’t exist without existing in that digital world. So, I think we’ve done a good job of adapting. We’re incredibly adaptable and it’s partly because we run our own company because we refused to be buried by the changes. And you know, that’s not true for everyone, but we’re fortunate. We have a very small and driven team, we just embraced the changes together.

»Somehow now you just can’t exist without existing in that digital world.«

But just to put it in perspective: the day that we released our album “Pagans In Vegas”, Apple went to streaming. Not only did they go to streaming, they just announced that they were going to not pay their artists for three months. That almost destroyed our whole company. I mean, can you imagine? Well, we adapted to streaming, to everything else, but it’s not true for everyone. And that was particularly brutal, just from a pragmatic standpoint. The model forever has been: you make a record and spend a few hundred thousand dollars producing it, and then you put it out and people buy it. That equation is no longer in place, and it’s so surreal. We now spend even more maybe paying producers, buying equipment, making something really of the best quality we can. And then it’s just like “here you go” on the internet. That’s just so retrograde, but we’re embracing it.

Jonas:
A couple of weeks ago we met The Kooks’ frontman, Luke Pritchard, for an interview. He told us that today, in his opinion, only rich people, or people with rich parents, are able to make music—because you can’t afford it otherwise. Do you agree?

Emily:
I mean, yeah! I don’t know how people do it. In our case, we started with nothing, and you know this is what I mean: it’s been 20 years now, or 15 with all four of us, but there’s a work ethic there… It’s a tricky question actually, because The Strokes, for example, were also rich kids.

Jonas:
He said when he grew up, being in a band was a working-class thing, mentioning the Gallagher brothers, The Beatles and so on…

Emily:
Yeah, and I suppose that’s true and that’s how we feel, too. A lot has changed and will continue to change. That’s the other thing we have to remember. And that’s positive, too. Everything’s in flux.

Jonas:
I found an interview with you from 2013 where you said your “favorite thing was not being in a video”. You also said that it’s a strange medium. Is it still your opinion? And if yes, what makes it a strange medium to you?

Emily:
I’m trying to think of the context it would’ve been.

Jonas:
It was in Toronto at the Music Festival in December 2013 after you had released a video for “Lost Kitten”.

Emily:
Oh, that makes sense! Ok, yes. Because I love that video…

Jonas:
…because of the colors and the extraordinary actor?

Emily:
Yeah, and the idea of making someone else a star. I do enjoy it, but in that context that makes sense that I would have said that. It depends on who I’m working with and if it’s a good story. And I like it, you know, but I came into music to be a sound, not a model.

»Doubt is the origin of science and the arts and poetry and everything we know.«

Jonas:
In the same interview, you were asked to describe Metric in one word and you said “love”. James answered “family”. Would you still say the same word when asked again?

Emily:
Uhm, yeah! Maybe more so in fact because of the producer that we worked with on this new record, Justin Meldal-Johnsen. He came in and said: “I see the four of you for who you are as a band. I remember you from The Silverlake Lounge in L.A. in 2003, I’m determined to get you on tape as the live band that you are—and as the four individuals that you are.” For every moment of making the record, every single person was in the room to one hundred percent, and it continues to amaze me. Our friendships evolve, everyone individually evolves, and when we come back together, it’s fresh. You know, there are bands out there that don’t even have dinner together, but we do. Sometimes people ask: “Wow, you guys have dinner together?” Of course, we do! We played with The War on Drugs just a couple days ago, headlined a festival with them in Vancouver, and we were so excited, like, just to connect with another band. I’m a huge music fan and that was always part of the incentive for me to meet all these other artists.

Jonas:
Another big word that has recently become pretty important to you is the word “doubt”. I mean, you’ve dedicated an entire album to it: your new record “Art Of Doubt”. Is doubting a human property that is more positive or more negative?

Emily:
More positive. I would say it’s the origin of science and the arts and poetry and everything we know—because we’ve questioned: What’s in the sky? What is the world made of? Doubt and questioning are the heart. That’s where all the good stuff happens.

»Views are shifting all around the world and politicians are exploiting fear.«

Jonas:
Sometimes Canada seems to be the opposite of what’s going on in the United States. Is it a Canadian property to be more reasonable or doubtful?

Emily:
Possibly… and if so though to me, it’s not really related to the album that we made. Partly because we’re an unusual mix. The drummer and bass player are American, I’m dual, Jimmy was born in England and so we’re kind of this mixed bag. We consider ourselves a Toronto band at this point, but it’s, you know, I think we all want to romanticize places and people.
The political climate in Canada is also difficult. We just selected a premier in Ontario, it’s like a governor’s position, who is a doppelganger for Donald Trump. You know, views are shifting all around the world and politicians are exploiting fear. So, in fact, it’s the opposite of doubt. It’s that they’re like exploiting a sort of arrogance or a sense of entitlement in people as opposed to a sense of looking and examining at the world realizing you’re just one part of it. I feel like the world is really in a questioning moment, but I think we could use a little more doubt that these leaders have our best interest in mind they’re scapegoating a certain group of people. I think that’s a good sign that somebody is full of shit. You know, they’re like: “I’m gonna scapegoat that guy and then cut taxes for another guy!”

Jonas:
In the press kit we got there’s a quote related to your song “Dressed to Suppress” and let me repeat it: “Lyrically, the song explores the maze of conflicts we encounter in our attempts at finding and holding onto love; the absurd mating rituals we routinely perform.” I immediately had to think of all these technologies we use today to find someone we can love. Do you think our behavior becomes even more and more absurd with all these technologies or is it such a timeless human thing, this strange behavior of finding someone?

Emily:
I think it’s probably the latter. Like, technology definitely doesn’t seem to be helping. I think that those fundamental desires are still the same. It’s just sort of saddening somehow that there’s this sense that the tools that are supposed to help people are actually just amplifying the sense of distance and insecurity and paranoia. Is there anything more nightmarish than being in love with someone, then breaking up and then having to watch them parade their life through your Facebook and Instagram? I’m luckily not in the position of having to endure that…
It’s interesting when you think about the people who created this technology. They are all like deeply anti-social people, who needed these tools and it’s an interesting thing to reflect on and take ownership of. Then there’s the rest of us. And by the rest of us, I mean you and me being able to have this conversation and anyone who’s capable of human interaction without all of those crutches. It’s like there is a lack that’s being exploited. But for those of us who don’t feel that lack and are capable of connecting as humans, there’s no responsibility to adapt to this and enlarge that lack, right? It’s like: “Oh, sorry that I’m not sitting here communicating with you through fucking Bumble.” I can actually be like: “Why don’t we just kiss?” If you’re that way, it’s heartbreaking to me that someone feels that they have to become more robotic to be modern. Meanwhile, there’s a super babe sitting across from them at the table, and they are just looking on Tinder for a match with her.

»My writing process is excruciating, I go very deep, it’s very isolating, and I bring really slow heavy songs to the studio: the most honest I can be, the most doubtful and damaged and vulnerable.«

Jonas:
Listening to your new record is like someone showing you the very shady sides of yourself and simultaneously kicking you in the ass and giving you so much energy to change your life. It’s like a big “Get off the couch and do something!” So, I would also call your new record the “Art Of Motivation”, wouldn’t you?

Emily:
Oh, interesting. In fact, it’s something we’ve been talking about in the band. We wanted to be distilling down what it is exactly what we do. Justin Meldal-Johnsen could sense that and really honed in on that for this record.
There’s something very special that is only us in every record we make, whatever the sonic choices, it’s a certain feeling that we try to follow. We don’t know what it is until we find it and then we say: “That’s us!” And I think it’s exactly that. My writing process is excruciating, I go very deep, it’s very isolating, and I bring really slow heavy songs to the studio: the most honest I can be, the most doubtful and damaged and vulnerable. And then we speed that shit up and make it really loud so there’s the motivation and the urgency. It’s not loud and energetic because you’re ignoring or avoiding. It’s because you’re…

Jonas:
… underlining?

Emily:
Yeah, underlining the black! It’s taking the most difficult thing, being honest about it and then just getting the fuck up and changing it. The crazy thing is that this is actually my experience with being in this band. Really painful times that I have expressed in my work have led me to then find myself in front of thousands of people with all this energy. It’s the kind of case in which it works: it works to energize the most unpleasant realities.

Jonas:
When you look back at your 20-year-long history of making music: what was your biggest motivation to keep doing that?

Emily:
Making music has always pulled me forward to never give up and to never succumb to what to me is the pull of depression, which is just waiting for me all the time. And I think we get tricked into thinking that you should ignore it, but I say go towards it and make art out of doubt. You don’t presume, you don’t put on overconfidence exploring and it’s a lie, you know.


Kupfer Bar

Portrait — Kupfer Bar

Trinken an Harald Juhnkes Tresen

In der faszinierenden Unterwelt der Berliner Bars und Kneipen gibt es einen Geheim-Tipp: Wir bestaunen in der Kupfer Bar in Kreuzberg die Tricks der Cocktailkunst und lassen uns erklären, warum eine gute Bar wie eine Affäre ist.

10. September 2018 — MYP No. 23 »Instinkt« — Text: Katharina Weiß, Fotos: Maximilian König

Auf der einen Seite der Couch flirtet die Rechtsanwältin mit dem Bohemien im Stresemann-Anzug, auf der anderen Seite sind ein bis zum Hals tätowierter Musiker und die Studentin mit den Blumen im Haar ins Gespräch versunken. Das Publikum ist so einzigartig gemischt wie die extravaganten Cocktails, die hier ausgeschenkt werden. Vor allem aber leistet die Kupfer Bar – dieser Kreuzberger Geheim-Tipp mit dem Flair der Speak Easys aus der amerikanischen Prohibition – etwas, das in der gentrifizierten Feierszene der Hauptstadt selten geworden ist: Sie ist chic, aber nahbar. Und schafft eine Atmosphäre, in der man mit fremden Menschen echte Gespräche beginnt, die erst mit der allerletzten Wermut-Runde enden.

Wer das Kleinod finden will, muss sich zuerst durch die Tische des Restaurants „Nest“ schieben und sich dann an einer Wendeltreppe emporschlängeln. Oben angekommen, warten meistens schon Barchef Robert Schröter oder die Conférencieuse Wera Bunge auf die abendlichen Gäste.

»Eine Bar ist wie eine Affäre: Intim, nicht prätentiös, es dürfen nicht zu viele Leute davon wissen. Nichts muss, alles kann.«

Manche Menschen gehen in Rente und buchen sich eine Kreuzfahrt zu den Balearen – Wera Bunge wurde lieber Teil einer „ehrbaren Bar“. Die charismatische Dame, die unter anderem als Schauspielerin arbeitete, hat einen Sohn und eine Tochter. Von 1994 bis 2009 hatte sie eine Anstellung als Assistentin der Musik- und Operndirektoren in Saarbrücken inne. „Als die Pensionierung anstand, habe ich überlegt: Will ich hier alt werden? Nein! Dafür will ich in eine große, pulsierende, verrückte Stadt“, sagt Wera Bunge. Passend dazu hatte sie sich nur wenige Monate zuvor in den Kopf gesetzt, ihrer geheimen Leidenschaft für die Barkultur nun endlich nachzugeben. Nach ihrem letzten Arbeitstag packte sie die Koffer – und zog am nächsten Tag nach Berlin, um die illustre Hauptstadt um eine wilde Lebensgeschichte zu bereichern. „Eine Bar ist wie eine Affäre: Intim, nicht prätentiös, es dürfen nicht zu viele Leute davon wissen. Nichts muss, alles kann“, sagt sie weise mit ihrer rauchigen Stimme, die nach ganz viel Leben klingt.

Während der Anfänge arbeitete das Kupfer mit einem Gastbartender-Konzept, Wera war der rote Faden zwischen all den wechselnden Charakteren. Dadurch lernte sie Robert Schröter kennen. Der ambitionierte Barmann mit der lockigen Tolle kennt die Trinkkultur der Hauptstadt, wie es nur einem Original möglich ist: Mit drei Jahren zogen seine Eltern nach Berlin, er erinnert sich noch an wildere Zeiten in Technokellern mit der älteren Schwester und an mittägliche Häuserräumungen neben dem Schulhof. Die Aufbruchsstimmung nach dem Fall der Mauer und die explodierende Feierkultur um die Jahrtausendwende haben sich in seine Biografie eingebrannt: Noch minderjährig begann Robert Schröter, in Berliner Technoklubs zu arbeiten, und mit 21 eröffnete er seine erste Bar. Die hieß „Fledermaus“, öffnete nur für Freunde und bedeutete einen Haufen Arbeit. „Die Halbwelt der Bars, die so schillert und glitzert, hat mich immer schon fasziniert. Ich wollte unbedingt hinter dem Tresen arbeiten. Damals war ich noch wahnsinnig jung – so jung, dass mich keiner als Bartender anstellen wollte. Ich hatte einigen Bars sogar angeboten, dort kostenlos zu arbeiten! Letztendlich entschloss ich mich dann trotzköpfig, einen eigenen Laden hochzuziehen.“

»Bei uns ist der Tresen keine Schranke gegen den Gast.«

Mittlerweile hat Robert Schröter sich anderweitig selbständig gemacht, widmet sich mit dem „Artisan Bar Camp“ lieber der Ausbildung und Vernetzung der Berliner Barszene. Nur freitags und samstags schmeißt er noch die Nächte in der Kupfer Bar. „Bei uns ist der Tresen keine Schranke gegen den Gast“, sagt er. „Die Stimmung ist offen und nahbar – durch die Enge des Ausschankraums wäre alles andere auch keine Option.“ Der gemeinsame Nenner der Stammgäste? „Sie alle sind Genießer und elegant von innen.“

Es ist ein zeitloser Stil, der von den Wänden perlt und in den Drinks schimmert, die “Bring the ‘pagne” oder “Alter Stil” heißen und durchschnittlich zwischen zehn und zwölf Euro kosten. Vielleicht liegt es am Geist von Harald Juhnke, der unvergessenen Berliner Legende. Er unterhielt die Nation in einer Zeit, als Menschen wie er noch „Showmaster“ hießen und diesen Titel zu Recht trugen. Denn der Tresen, hinter dem Robert Schröter seine Spirituosen anrichtet, stammt aus dem ehemaligen „Hotel Bogotá“ vom Kurfürstendamm, in dem sich Harald Juhnke während seiner berühmt-berüchtigten Kneipentouren durch West-Berlin volllaufen ließ.

Auch ein anderes Kuriosum fand durch Zufall seinen Weg in die Kupfer Bar: An einer Wand wacht ein Riesenkrokodil über das Vergnügen der Besucher. Dessen Geschichte reicht unter Umständen hundert Jahre zurück – und ist so verwunden wie nebulös. Doch diese teilen Wera Bunge und Robert Schröter zuweilen über ein Glas auf dem Cocktail-Balkon des Kupfers. Vielleicht fühlt sich auch aufgrund dieser Geschichtsträchtigkeit der innere Kreis der Berliner Partyreihe „Bohème Sauvage“ hier so wohl? Auf exklusive Einladung hin können 1920er-Fans und Stammgäste der Kupfer Bar ab und an einen flamboyanten Abend zwischen Flapper-Girls und Dandys genießen.

»Es geht nicht um die platte Gleichmachung in Form plumper Markenpräsentation.«

Wer jetzt richtig Lust auf hochklassige Cocktailkultur bekommen hat, der sollte sich das diesjährige „Craft Cocktails Kreuzkölln“ nicht entgehen lassen, das vom Kupfer angestoßen wurde. Die Barwoche ist der sichtbarste Teil des Projekts „artisanbar.camp“. Vom 12. bis zum 15. September mixen zwischen Heeresbäckerei und Hermannplatz verschiedene Locations wie „Velvet“, „Bar In A Jar“, „Bürkner Eck“, „Feger“, „Herr Lindemann“ oder „TiER“ unter einem gemeinsamen Banner Cocktails aus handgemachten Spirituosen. „Dabei geht es nicht um die platte Gleichmachung dieser Bars in Form plumper Markenpräsentation“, sagt Robert Schröter. „Vielmehr sollen diese sehr unterschiedlichen Orte mit ihrer sehr diversen Couleur punkten. Und so auch einen nächsten Schritt machen, die so zerfaserte Berliner Bartender-Gemeinde zumindest in diesem Teil der Stadt an einen Tisch zu bringen. Durch Einheit in Vielfalt.“ Alle an einen Tisch beziehungsweise Tresen zu bringen, ist das Alleinstellungsmerkmal der Kupfer Bar, die ihre Gäste zum Schillern bringt und ihnen ein Geheimnis schenkt.